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Unser Leib

Es kommt die Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, werden seine Stimme hören.
Johannes 5, 28

Bis die letzt' Trompet erklingt.

 

15. November 1747

Der Heiland hat den Schlüssel zu dem Kerker des Leibes, er kann unsere Seele herauslassen, wenn's ihm gefällt. Seitdem der Mensch gefallen, haben wir den Leib anzusehen als eine Art von Grabstätte und vom Moment der Zeugung an bis zum Abscheiden ist die Hütte in beständigem Sterben. An dem Sterben nimmt die Seele teil, es hindert die Kräfte des Gemüts, es drückt und beschwert unseren Geist, daß wir nicht immer können, wie wir wollen, wie der Heiland sagt, der Geist möchte wohl große Sachen wagen, aber das Fleisch kann nicht nachkommen. Das tragen wir so und lassen's uns darum gefallen, weil sich's der Heiland auch gefallen lassen, die Hütte zu fühlen, den Druck zu empfinden und sich darunter zu beugen. Es ist wahr, einer empfindet weniger als der andere, mancher hat so viel zu tun, daß er nicht recht dran denken kann, und so viel einer nicht dran denkt, so viel ist er munter und gesund. Darum ist die Arbeit eine Seligkeit, und eine Grundeinsicht ist: je mehr man über seine Hütte denkt, darum besorgt ist, je mehr empfindet man, macht sich zum elenden Menschen. Nicht ans Leben zu denken, weil Gott das Herz erfreut, ist das kürzeste und beste. So viel inzwischen der Heiland gut findet, so viel ist uns auch recht. Wenn's zu deutlichen Krankheiten kommt, wenn der Tod, der in den Gliedern liegt, zu einer gewissen Gärung kommt, so ist's eine Sabbatzeit fürs Gemüt, so hat man, wenn man krank ist, so viel Sabbate, als Krankentage, wenigstens sieht's der Heiland gern so. Wenn aber dann endlich die Seele mit ihrem Leib in guter Harmonie gelebt und ihr sterblich Gebeine mit Treue und Ehrerbietung bedienet hat, weil sie es anzusehen hatte als seine, ehe sich sie versieht, so schließt der Heiland auf und laßt das Vögelchen aus dem Bauer fliegen. Und das geht so fort, bis die letzte Trompete erklingt.

Und werden hervorgehen, die da Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens.
Johannes 5, 29

 

30. Oktober 1750

Unsere Auferstehung, die an sich selbst was Edles und Schönes ist, ist uns darum wichtig, weil sie des Heilands Ordnung ist. Daß er es so gemacht und verordnet hat, daß auch das Hüttchen der Seele, nachdem es wieder zu seiner ersten Materie geworden, woraus es vorher formiert ward, zum andernmal, und zwar wieder eben dasselbe, zur Hütte und Wohnung des seligen Herzens gemacht werden, und sodann auf ewig unzertrennlich mit ihm verbunden bleiben soll, das ist schön und allerdings eins von den seligen Dingen, die sich unser Herz als eine künftige Seligkeit vorstellt und sich darum dran vergnüget, weil es unsers allerliebsten Herrn Belieben ist, weil unser Schöpfer es so verordnet hat. Der hat das irdische Gefäß gemacht, das macht er wieder zum Klümpchen, das Klümpchen soll wieder ein Gefäß werden, und immer schöner. In Gottes Namen.


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