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Achtes Kapitel.

Wie ward aber ihr verliebtes Herz enttäuscht, da sie die Tür auftat und statt des erwarteten Fritzen des Amtmanns Mathis vor ihr stand.

»Ja, Lotting, ich bin es man,« sagte der junge Bursch breit lächelnd, indem er ihr seine Hand entgegenstreckte, in die sie zögernd einschlug. »Wir sind ja heute noch gar nicht dazu gekommen, dir zum neuen Jahr Glück zu wünschen. Na, das tue ich denn also, und ich wünsche dir, Lotting, ich wünsche dir alles Gute und Schöne, was es bloß gibt, und was du dir man selber wünschen kannst. Weil ich es nämlich – nämlich wahrhaftig so gut mit euch meine, und besonders mit dir, Lotting, und – was die Beate is und dieses Mädchen anbetrifft, so kümmerr ich mich da gar nicht um, ob sie auf dir herumhacken tut oder nicht. Und was sie von den Fritz Jasmund sagt – nu wir haben doch alle zusammen gespielt, wie wir Kinder waren, und da sagt man sich wohl noch du und kann sich gut leiden, nich? Beate tückscht immer noch wegen die Schlittschuhe 'rum. Aber derowegen brauch' doch ich nich ooch noch zu tückschen, nich? Und wem ich zu Neujahr Glück wünschen will, das brauch' ich mich nich befehlen zu lassen, nich, Lotting? Und was das anbetrifft, in betreff auf den Hasen, so wollte ich mal mit deinem Vater reden – nämlich derowegen bin ich hergekommen und vornehmlich auch derowegen, weilen ich dir zu diesem Neujahrsfest von ganzen Herzen Glück wünschen möchte und alles Gute und alles, was du dir selbst wünschen magst und – und – und weilen ich mir das nich verbieten lasse.« Er hatte diese ganze lange Rede schier in einem Atem hervorgestockert und ohne Lottens Hand dabei loszulassen. Nun schien er fertig zu sein, denn er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und blickte zum ersten Male das Mädchen gerade an. Er war nur um ein halbes Häuptlein höher als die Pastorstochter, wie denn überhaupt bei ihm alles mehr in die Breite denn in die Länge ging. Er kam offenbar aus einer guten Mast, und das zukünftige Würdebäuchlein fand sich schon angedeutet.

Lotte gab ihm seinen Druck kräftig zurück, und dann entzog sie ihm ungeduldig die Hand. »Na ja,« sagte sie, »ich glaub' dir schon, guter Mathis. Ich wünsche dir auch das Allerbeste und rechne dir's hoch an, daß du dir von der Mamsell soeur nicht bange machen läßt. Ich wäre doch am Ende ihrem Tückschen zum Trotz heute hinausgekommen, weilen wir doch dem Amtmann die erste Visite schulden; aber nach dem, wie sich die Deinigen heute nach der Predigt benommen haben, und nach dem, was du mir erzählst, kann ich das nun nicht mehr. So, nun komm 'rein. Vadding wird sich freuen, dich zu sehen.«

Sie öffnete die Stubentür und geleitete den jungen Mann hinein. »Vater, der Mathis kommt, Ihm zu gratulieren,« rief sie laut, den just hochgehenden Redefluß des alten Stellmachers rücksichtslos unterbrechend.

Der junge Rasmussen blieb mit offenem Munde bei der Tür stehen. Er war so erstaunt darüber, den alten, allgemein für verrückt geltenden Barnekow als Ehrengast in der Pfarre vorzufinden, daß er ganz vergaß, dem Pastor auf seine freundliche Begrüßung und Neujahrswünsche zu antworten.

»Nu, wie ist Ihm denn? Akkommodier' Er sich doch!« sagte der Pfarrer verwundert, da der Mathis sich nicht von der Tür weg rührte. »Wir haben in Bälde einen guten Koffee zu erwarten. Will Er nicht mithalten? Er kann dabei was profitieren, junger Herr, vor seine Kenntnisse von Menschenart und Weltläuften. Krischan Barnekow ist ein Philosoph, dem kann man wohl mit Nutzen zuhören.«

Jetzt endlich fand Mathis die Sprache wieder und sagte, daß er sich nicht lange aufhalten könne, aber gern den Pfarrer auf ein paar Minuten allein gesprochen hätte.

Erasmus Südekum gab, wenn auch mit einiger Verwunderung, seine Zustimmung, und so führte denn Lotte den alten Krischan wieder nach dem Eßzimmer hinüber.

Sobald die beiden allein waren, folgte Mathis der Aufforderung zum Platznehmen und stammelte erst einmal in verlegener Breite seine Neujahrswünsche heraus, bevor es ihm gelang, auf den eigentlichen Zweck seines Besuches zu kommen. Endlich nahm er einen mutigen Anlauf. »Die Sache ist nämlich die, Hochwürden – nämlich mit dem besagten Hasen. Sie haben ihn ja nun aufgegessen, wie Sie selbst sagen, und er hat Ihnen schön geschmeckt. Na, da ist ja nu nix bei zu machen. – Aber weilen doch nu Hochwürden unsern Junker und meinen Vater so schwer beleidigt haben ...«

»Wieso beleidigt?« unterbrach ihn der Pfarrer rasch. »Erklär' Er mir das.«

»Nu, unser Junker ist doch fuchsdeuwelswild,« erwiderte Mathis, »weilen Sie es nämlich in Abrede gestellt haben, Herr Pastor, – nämlich, daß er kein Voltairianer nicht sein soll. Damit haben Sie ihm nämlich in seinen adligen Stand beleidigt, daß er kein Voltairianer nicht sein soll. Und von meinem Vater und von uns allen haben Sie gesagt, wir wären Knechte – nämlich von das Gesetz, weil wir nämlich unter das Gesetz sollen beschlossen sein, oder wie das war – so genau weiß ich es ja nicht mehr.«

Der Pfarrer mußte nun wirklich lachen über die komisch verwirrte Art, wie der feiste junge Mann das alles vorbrachte.

Aber Mathis fiel ihm eifrig ins Wort: »Nee, nee, Hochwürden, zu lachen ist da nichts bei, denn was mein Vater ist, der tückscht akkarat so als wie mein Schwester Beate. Und nu haben Sie den Förster, den Junker und den Amtmann und noch eine ganze Masse Leute gegen sich. Und den Hasen können Sie nicht zurückgeben, weil Sie ihn aufgegessen haben. Da wird nun das Gesetz seinen Lauf nehmen müssen, sagt Vater. Nu habe ich mir aber nämlich gedacht: das kann doch all so schlimm nicht sein. Und unter guten Freunden und Nachbarn und – Verwandten braucht man sich wegen einen Hasen nicht den Kragen rumzudrehen. Und hauptsächlich nämlich hinwiederum derowegen habe ich mir das Herz gefaßt und wollte Sie nu man bloß fragen, ob Sie – ob Sie – nämlich ob Sie mir, Hochwürden, dero Mamsell Tochter Lotting zur Frau geben wollten.«

Jetzt war es an dem Pastor, vor Überraschung den Mund offen zu behalten. Er klopfte sich ein ums andre Mal auf die Schenkel und schaute kopfschüttelnd den Jüngling an, der seinerseits nicht aufzublicken wagte. Endlich fand er doch Worte: »Nun, mein lieber Mosjöh Rasmussen, das freut mich wirklich von Ihm, daß Er also mit der Tür ins Haus fällt, obgleich ich fast erschrocken bin, denn ich war mir nichts dergleichen vermutend. Sein Herr Vater hat wohl des öfteren Andeutungen gemacht, aber nachdem ich ihn heute vor versammelter Gemeinde beleidigt habe, wie Er sagt ... Nun, es freut mich doppelt von Ihm, lieber Mathis, daß Er sich nicht schiert um den bösen Geist, so bei den Seinen wider mich aufgestanden ist. – Was aber mein Döchterken angeht, so muß Er sich schon selbst ihrer Neigung versichern. Ich will da nichts dazu und nichts dagegen tun. Wenn Er gleich hinüber und mit dem Mädchen reden will ...?«

»Nee, nee, nee, man jo nich,« fiel Mathis schier erschrocken ein, indem er sich rasch von seinem Sitz erhob und dem Pfarrer den Weg nach der Tür vertrat. »Ich möchte Hochwürden gebeten haben, daß Sie das erst mal bei Mamsell Lotting anbringen, und denn kann sie es sich ja nämlich – mal überlegen. Ich komme denn schon wieder mal vor. – Na, Servitör, Hochwürden, wir werden ja sehen, wie der Hase läuft.«

»Der läuft nun wohl nicht mehr,« lachte der Pfarrer behaglich, indem er dem jungen Manne zum Abschied die Hand drückte. »Wollte Gott, Ihr Herr Vater und meine andern Widersacher gäben es auf, ihm annoch nachzulaufen! Na, empfehl Er mich Seinen Frauenzimmern zu Hause, und ich wünschete ihnen zum neuen Jahre die Freiheit des Christenmenschen. Gehe Er mit Gott, lieber Mathis!«

Sobald der Mathis hinaus war, ging der Herr Pastor ins Eßzimmer, um Gast und Tochter wieder zu sich herüberzuholen. Er lachte über das ganze Gesicht so fröhlich, daß es sogar dem alten Barnekow nicht entging, viel weniger dem Lottchen, das seinen Vater seit langem nicht bei so guter Laune gesehen zu haben vermeinte.

»Mir scheint, den Mosjöh Mathis muß eine gute Post bracht hebben,« sagte Krischan. »Geben sie nu klein bei wegen den Hasen? Hat ihnen die Predigt doch en büschen bang macht?«

»Nee, Krischan, davon weiß ich nichts,« lachte der Pfarrer. »Es hat sich um eine ganz private und geheimnisvolle Angelegenheit gehandelt. – Ja, itzt guck du man, Lotting! Später, wenn wir allein sind, sollst du alles erfahren.«

»Na denn will ich man ganz fixing nach Hus klabastern,« rief der Alte mit freundlichem Grinsen. »Mamsell Lotting hat heute so wie so nicht die richtige Kompläsangs vor mir. Tjä mein Gott, solch scharmante söte Demoiselle, de graust sich vor so'n ollen Kierl, as ik bin. Nix für ungut, Mamselling, ik weit dat all: junge Damens haben man einen Gedanken in'n Kopp, und wenn sie meinen, dat einen von die Liebe nix mehr verstehn dheit, denn is hei keen Umgang mehr vor sei. Aberst dat können Sei mi woll glöwen: von die Liebe hew ik in min langen Läwen 'ne ganze Masse in die Erfahrung gebracht. In Puhlendorp ward dat gerade ebenso makt as wie in Moskau und in Neapel und in Paris. Ja, ja, dat geiht all, as de Wind weiht. Und wann Sei mal dat Hart so vull hebben vun schware Leiwesgedanken und grote Schmerzen, denn komm Sei man bi den ollen Krischan Barnekow, denn willen wi dat Dings all wedder in die Reih snacken. En bäten snacken is ümmer gaut, – wenn dat Hochdütsch ook man schlecht is. Na adjüs, Jungfer Pastorsch! Adjüs, Hochwürden, und ich bedank' mich auch vielmal vor den schöinen Hasen, und dat Sei den ollen Krischan die Ehre an'tan hebben.«

Sie begleiteten den Greis beide auf den Hausflur hinaus, und Lotte half ihm seinen Mantel umlegen. Als er aber just bei der Haustür den letzten Händedruck empfing, da schrillte abermals die klapprige Schelle, und als das Lottchen die Tür auftat, sah sie sich dem Fritz Jasmund gegenüber.

Unter solchen Umständen war nun freilich kein einziges vertrautes Wörtlein zu erhaschen, denn der Pfarrer nahm den jungen Mann, der ihn ausdrücklich allein zu sprechen begehrte, alsbald mit in seine Studierstube.

Das Lottchen harrte in Angst und Bangen drüben im Eßzimmer des Ausganges der Unterredung. Das war nun schon der zweite, der so geheimnisvoll daherkam und ihr seine Absicht nicht anvertrauen wollte. Sie war so erregt von dem allen, daß sie die gute Karsunken hart anließ, als diese den Kaffeetisch zuzurüsten kam und dabei alsbald in ihr gewohntes Geschwätz verfallen wollte.

Gekränkt zog die alte Frau ab und schlug die Tür krachend hinter sich zu. Lotte aber lief wie ein wildes Tier in seinem Käfig in der Stube auf und nieder, hockte sich bald auf ein paar Sekunden auf den Fenstertritt oder auf die Ofenbank und öffnete dann wieder vorsichtig die Tür, um hinüberzulauschen. Sie konnte aber nichts vernehmen. Über eine Viertelstunde war bereits in solcher Unrast vergangen, als sie sich endlich ein Herz faßte und drüben an die Tür klopfte.

Des Vaters Herein klang herrisch und streng. Sie trat ein, blieb bei der Tür stehen und sagte, indem sie einen scheuen Blick zwischen dem Geliebten und dem Vater hin und her gehen ließ: »Ich wollte man bloß fragen, ob ich für Fritzen auch eine Tasse hinstellen darf. Der Koffee wär' denn so weit.«

Der Pfarrer runzelte die Stirn und sah den jungen Mann durchdringend an, so daß dieser seinen Blick zu Boden senkte und eine Entschuldigung stammelte, weshalb es ihm nicht vergönnt sei, die Einladung anzunehmen.

»Nun,« sagte der Pfarrer, etwas freundlicher einlenkend, »wenn Er anderweit zu schaffen hat, wollen wir Ihm nicht im Wege sein, sonsten hätte ich Ihn gern zu einem Schäleken Koffee invitiert. Ich mein' es Ihm nicht böse, Musjöh Fritz, und es sollte mir leid sein, so Er das von mir vermeinete. Na, mach Er's gut. Geh Er mit Gott und trag Er mir nichts nach.«

Der junge Mann machte seinen Kratzfuß, schlug aber in die dargebotene Rechte des geistlichen Herrn nicht ein, sondern machte sich stracks zur Tür hinaus.

Einen Augenblick nur stand Lottchen wie verdonnert, dann aber folgte sie ihm, ohne weiters zu fragen, in den Flur und erwischte ihn just noch bei der Haustür.

Sie ergriff ihn hastig bei der Hand und flüsterte angstvoll: »Sag doch bloß schnell, was habt ihr gehabt miteinander?«

Ganz vergrämt und verstört schaute der hohe Bursche auf sein Mädchen herunter. »Es wird ja woll nu allens aus sein müssen zwischen uns,« sagte er tonlos.

»Och Gott, och Gott, wieso denn?«

»Ja – dein Vater meint ... Aber das kann ich dir hier nicht so sagen. Wir treffen uns woll eins wieder?«

»Fritzing, mein Fritzing, ich lasse dich nicht!« flüsterte Lotte und warf leidenschaftlich ihre Arme um seinen Hals.

»Laß doch man, mein Lotting, wenn jetzt jemand kommt!«

»Es ist mir alles eins. Sollen sie's alle wissen: ich lasse nicht von dir! Ich hänge mich an dich! Ich lasse dich nicht los! Sollen sie mich in Stücken reißen!«

Da trat der Pastor aus seiner Tür, und Fritz Jasmund schob mit sanfter Gewalt sein aufgeregtes Mädchen von sich und schritt zur Tür hinaus.

»Komm herein, Lotte,« rief ihr der Vater zu, ernst, aber ohne Strenge im Ton. Und dann schritt er über den Flur und hielt die Tür zum Eßzimmer offen für sie.

Zögernd kam sie näher und schritt an ihm vorbei, gesenkten Hauptes und mühsam gegen ihre Tränen kämpfend.

Erasmus Südekum legte den Arm um sein Töchterlein und schritt langsam mit ihr im Zimmer auf und ab. Dann blieb er stehen, nahm ihr Kinn in seine Hand und wandte so ihr Köpfchen zu sich herauf. Er versuchte einen scherzenden Ton in seine Stimme zu legen, als er dann sprach: »Du töricht Kind, was hast du dir für Unheil prophezeit bei der Verspeisung dieses Hasen heute mittag – gleich einer Kassandra! Und was hat sich zunächst ereignet? Zween junge Freiersleute seind einander auf dem Fuße gefolgt und haben bei mir um deine Hand angehalten. Ist das wohl ein Unglück für ein Jüngferlein von achtzehn Jahren?«

»Du haft mich doch nicht dem Mathis zugesagt?« stieß das Mädchen in namenloser Angst hervor.

»Nein, Kind, beruhige dich nur, das habe ich nicht getan,« versetzte der Pfarrer, indem er ihre Rechte in seine Hände nahm und zärtlich streichelte. »Unter sotanen Umständen wäre mir freilich der junge Rasmussen nicht unerwünscht; aber ich habe ihm aufgegeben, sich um dein Jawort selbst zu bemühen, da ich deinem Herzen nicht gebieten will. Was nun aber den Fritzen angeht ... ja, mein Lottchen, wenn ich dir auch Schmerz zufügen muß, denn ich weiß, daß du dein junges Herz an ihn gehängt hast, so bin ich es doch meiner väterlichen Verantwortlichkeit schuldig, solche Torheit nicht zuzulassen. Ich habe es dir ja jüngst schon gesagt, wie ich darüber denke, und die neuerlichen Begebenheiten haben mich in meiner Meinung nur bestärken können. Der Fritz ist ein guter Jung, und ich wollte ihn dir gerne zum Spielkameraden gönnen. Aber er ist doch nun einmal nichts anders denn ein Jägerbursch und Waldläufer und hat auch nichts mehreres gelernt, als daß er zu etwas Besserem aufsteigen könnte. Überdies hat er mir selbst gesagt, daß ihn der Junker wohl zu seines Vaters Nachfolger bestimmt hat, aber nur unter dem Beding, daß er des Amtmanns Beate freie. Solches wissend, kommt der närrische Jung daher, begehret dich von mir zum Weibe und meint, er werde schon so oder so eine Nahrung für euch beide finden. Da habe ich ihm denn nichts andres erwidern können, als daß er seinem Vater gehorsamen solle, zum mindesten aber sich dergleichen närrische Einbildungen aus dem Kopfe schlagen und dir deinen Frieden lassen. Mein Lottchen ist doch ein kluges kleines Frauenzimmer – sie wird bald zur Besinnung kommen und einsehen müssen, daß ich recht habe.«

Aber das Lottchen sah vorderhand gar nichts ein. Das Herz war ihm so übervoll von Liebe, daß für irgend eine kalte Vernunfterwägung die Zeit übel gewählt war. Sie schluckte krampfhaft ihre Tränen hinunter und sagte, ihre beiden Hände zu Fäusten ballend, mit aller Festigkeit, obgleich zitternd an allen Gliedern: »Und ich lasse den Fritzen nicht – ich tu's nicht – ich kann's nicht! Auf der Stelle sterben will ich tausendmal lieber, ehe denn ich den Fritzen lasse.«

Da konnte sie nicht mehr an sich halten. Die Tränen stürzten ihr aus den Augen, und sie deckte ihren Arm darüber und lief aus der Stube hinaus und weiter die Treppe hinauf in ihr kaltes Kämmerlein. Da schluchzte sie sich aus.

Bald darauf trat die Karsunken mit dem dampfenden Kaffee und dem Kuchen herein. »Nu,« rief sie, sich umblickend, »wo ist unse Mamsell?«

»Trag Sie ihr nur ein Täßken hinauf in ihre Kammer, Karsunken,« erwiderte der Pfarrer trübe lächelnd. »Aber molestiere Sie sie nicht mit Redensarten. Das Kind hat Herzweh. Das will seine Zeit haben. – Und ich werde auch mein Täßken in der Einsamkeit trinken. Tue Sie desgleichen, Karsunken. Dieses neue Jahr fängt übel an, das muß ich schon sagen. Ein trauriges Schisma im Kreise der Familie. – Und das alles um einen elenden Hasen! Ich meine, da hat der Teufel seine Hand im Spiele gehabt und sich in das Tierlein verstecket, mich zu versuchen. Hilf Gott uns allen aus dieser Not!«

Er hob seine Augen in die Höh, und dann schritt er mit einem tiefen Seufzer in sein Studierzimmer hinüber.

Die alte Karsunken aber setzte mit einem vernehmlichen Krach die Tablette mit dem Kaffeegeschirr auf den Tisch und sagte: »Nu schlag doch einer lang hin!« Und dann brachte sie, wie ihr geheißen war, zuerst dem Herrn Pfarrer und dann seinem Töchterlein den Kaffee aufs Zimmer und zog sich dann selbst mit ihrer Tasse in die Küche zurück. Allda beweinte sie in stiller Beschaulichkeit ihr trauriges Schicksal, das sie, die Unschuldige, verurteilte, mit den Schuldigen zu leiden.


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