Johann Philipp Lorenz Withof
Academische Gedichte
Johann Philipp Lorenz Withof

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Charfreitag

Lingen 1748

          Der Heiland schläft den Todesschlaf im Grabe,
Der er den Tod durch seinen Tod erschlug.
Was war so sehr, als Leben seine Gabe?
Von ihm erweckt erlebten Todte gnug.
Ihn letzt, nun über alle Jammer,
Womit ihn Gottes Härte traf,
In seiner Todtenkammer,
Der schwer errungne Schlaf.

O, wache, Freund! an diesem Elendstage:
Ich rücke dir die Marterscenen an.
Sieh! Welch ein Mensch! von Haupt zu Füße Plage,
Wie Gott noch nie, noch nie Geschöpfe sahn.
Hier laß uns seine Mühe denken,
Wo Mitleid ja, wie Lust, erfreut.
Aus Liebe sich zu kränken,
Ergötzt die Dankbarkeit.

Er war wie wahr? Wie klug? Und wie verächtlich?
Von Pracht entfernt und Huld sein Königreich,
Der Unschuld und dem Rechte treu, bedächtlich,
Nur sich allein an Kraft und Schwäche gleich.
Zu gründlich, hat er, zu Entrüsten,
Nicht oft gelacht, nicht oft geweint,
Entfernt von allen Lüsten,
Und doch so Menschenfreund.

Und konnten dem ein Unheil Fromme stiften?
Die Priester, ach! ergrimmte sein Bemühn.
Sie priesen ihn, nur stolz auf alte Schriften,
Und als er kam, erwürgten Priester ihn.
Zu schwer der Heuchelei geworden
Ertrug er ihre Tücke nicht:
Ihn riß der Segensorden
Ins ärgste Blutgericht.

Wie hat er nicht, wie vielerlei gelitten,
Er, dessen Herz die feinste Liebe war,
Das schwächste Rohr, das Wütende bestritten,
Dem Schönheit Haß und Güte Neid gebähr?
Wer wollte grobe Leute fragen
Um bittrer Übel Unterschied?
Vor allen misst die Plagen
Das zärtliche Gemüth.

So sanft wie Gott, gefühlig gleich den Engeln,
Zum Helfen da, von Eigenliebe fern,
Belud er sich mit unser aller Mängeln,
Und das so frei, so peinlich und so gern.
Er stöhnte für der Feinde Sache,
Die quälten ihn, er liebte sie,
Und hörte keine Rache:
So litt der Beste nie.

Er ging bedrenge der großen Noth entgegen.
Und Schritt auf Schritt durchstach ihn die Gefahr.
Und alles schlug auf ihn mit Caius Schlägen,
Wo Frevel, Recht und jeder Scherge war.
Verhöhnung stieg, durch schwarze Freuden
Gehoben, ihm am Kreuze nach:
Er? schmeckte seine Leiden
Und fühlte seine Schmach.

Da hing er nun, ein Fluch am Sklavenholze:
Dies sah sein Feind, der alte Drache sah´s.
Wie sich auch der mit ausgestrecktem Stolze,
Nur Furcht ist schlau, das Äußerste vermaß,
Umzügelte die Henkerwunden
Und gab ihm rasend Stich auf Stich:
Er hat es wohl empfunden,
Doch er bequemte sich.

Den Menschen oft zerreißen große Schmerzen,
Die mancher ganz doch in Geduld erträgt:
Was die Geduld von allen Menschenherzen,
Die diese Welt erwatet, nährte, hegt,
Vereinigt alle die vorhanden,
Wie groß? und nicht ertragen kann,
Das hat er ausgestanden,
Der jammervolle Mann.

Und alle Pein, die knirschend manche dulden,
Wer misst die Pein, die Folterwitz entdeckt?
Und Angst auf Angst, und ohne zu verschulden,
Die wurden ihm im Grimme zugeschreckt.
Geschöpfe können Pein ertragen:
Doch Angst? und ohne Zuversicht?
Er will dem Kelch entsagen;
Er aber thut es nicht.

Er trank ihn aus; kein Tropfen ging zu Boden;
Und alles Gift der Sünde fuhr in ihn.
So mancherlei, so fürchterliche Toden
Wetteiferten um seine Schwäche kühn:
Wie die durch seine Seele wühlen?
Das war der Rache Meisterstreich:
Wer kann im Tode fühlen?
Er stirbt und fühlt zugleich.

Die Pein, die Furcht, den Tod durch alle Glieder
So stirbt er ihn, und keiner mehr, als er.
Ihm drückt die Nacht die matten Augenlieder,
Die Todesnacht, wie finster und wie schwer.
O, möchten eitle Spötteraugen,
Die täuscht der Star der Lüfte noch,
Ihn so zu setzen taugen!
Das stärkste thränte doch.

Was fruchtet es, dem Stolze nachzuflüchten,
Der Schadenfroh die Zweifelsstraße geht?
Wer könnte wohl der Noth dies Wort erdichten:
Aus Gott ein Mensch zertreten und erhöht?
Der Witz entstrauchelt ächter Ehre
Und hält der inneren Schande still:
Ihn schreckt am Ende Lehre,
Die seine Ruhe will.

Ach! alles seufzt um wunderbare Güte,
Der wohl voraus sein Feind bedürftig ist;
Sie führt auch ihm der Hunger zu Gemüthe,
Den mildert er mit schnöder Argelist.
Noch kann er eigne Schwäche sehen,
Das allerdeutlichste Gesicht.
Er muß um Hülfe flehen,
Und will der Hülfe nicht.

Umleuchte sie, Gesalbter, deine Feinde,
Und sei, wie sonst, an Güte wunderbar.
Und strahle mir und strahle meinem Freunde,
Der immer Freund der sanften Liebe war.
Uns laß uns nimmer so geberden,
Wie Witz, von Hochmuth eingespannt,
Und freudig inne werden:
Dich Lieben sei Verstand.

 


 


 << zurück weiter >>