Johann Philipp Lorenz Withof
Academische Gedichte
Johann Philipp Lorenz Withof

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Die Freundschaft

An meine Schwester.

In der Grafschaft Bentheim 1748 im Junius

              Du fragst mich, Werteste, was wahre Freundschaft sei?
Mit Recht missbilligst du so manche Schmeichelei.
Der gibt ihr ein Gewand, geflickt mit lauter Zungen;
Der schildert sie zu wild, der lächerlich gezwungen;
Für Krüge wird sie hier, für Höfe da gedungen.

Die Tugend ist die Kraft, dem Guten treu zu sein.
Der Trieb für andrer Wohl ist Freundschaft insgemein.
Je mehr Rechtschaffenheit und Großmut uns gelüstet,
Je mehr wird unser Herz zur Freundschaft ausgerüstet.
Wenn sie, nach Art des Nils, die Hülfe weit verschenkt
Und so, wie die Natur, aus tausend Brüsten tränkt;
So sieht sie fürstlich aus, und kann an Stärke reichen,
Dem Biedermann an Huld, an macht Tyrannen gleichen.

Doch sieht sie mehrenteils sich nicht soweit herum,
Vertauscht nur Herz um Herz und mehrt ihr Eigentum.
Und schießet wenige, jedoch auch stärkre, Sprossen,
Wie Wasser stärker treibt, in Ufer eingeschlossen.
Bei Freundschaft wird genau nur der und der geliebt,
Da Menschenliebe sich Nationen übergibt:
Hier schenkt man ungefragt und tauschet dort die Gaben;
Doch Tugend muß, wie dort, auch hier die Kasse haben.

Vergebens äugelt der, der noch in Freveln steckt,
Auf Freundschaft, die sein Herz nicht einst im Traume schmeckt.
Wer selber sich nicht scheut feindselig zu betrüben,
Ein Hasser eignes Heils der könnte Fremde lieben?
Der Eigennützige, der sich allein gefällt,
Der Igel fremdes Bluts und Mittelpunkt der Welt,
Verwirft die Zärtlichkeit, als lächerlich und eitel;
Das Herz, wonach er greift, ist Gold in vollen Beuteln:
Er kollert, wenn er gibt, von nichts, als teurer Zeit
Und predigt, zinst man ihn, von eigner Ehrlichkeit:
Doch fiel ein Sack mit Geld, du würdest nicht ersticken;
Er scheuchte dich davon und wagte seinen Rücken.
Wem Treue, durch den Wein erzeugt, im Munde sitzt,
Wem schnelle Leidenschaft das leichte Blut erhitzt,
Der lässt sein hurtig Schwert von warmer Liebe sprechen,
Der Freunde Leumund selbst durch eignen Tod zu rächen:
Denn gleiche Lebensart, ein Mut, wie Stahl und Erz
Und, wenn's am Trinken geht, ein gleichgesinntes Herz
Befiehlt ihm Helfen an. Ihn lobe Knecht und Ammen!
So läuft auch Fabelvieh auf Raub getreu beisammen.
Noch Catlininens Schar empfindt, wie Freundschaft tut;
Mit Blut vermischter Wein bezeugt die Mörderwut.
So schnell das Stroh sich zündt, so schnell wird es verbrennen:
Untugend schloss den Bund, und Laster wird ihn trennen.

Das gottgeweihte Herz auch ganz für andre weihn,
Und doch auch gleich besorgt für seine Wohlfahrt sein,
Von Eigenheit befreit mit tätigem Bemühen,
Was jeder Gutes hat, in Eins zusammen ziehen;
Ihr Tugendaffen seht, das ist der Freunde Pflicht:
Nur Worte plaudert ihr, Begriffe kennt ihr nicht.

Die Seltnen lediglich, die so Verträge schließen,
Sind fähig, jeden Reiz der Freundschaft zu genießen.
Kein Tag erscheint, der nicht ein neues Gut erzeugt.
Wie jede Kenntnis wächst und jede Tugend steigt,
So mehren sich zugleich auf Wert gesetzte Gaben:
Was oft ergötzen soll, das muß auch Anwachs haben.
Hier tobt nicht allzu oft, des Grames volle Wut,
Indem des Freundes Trost den Folgen Einhalt tut.
Und wenn auch Beide mal ein hartes Los ertrügen;
So gibt das Beispiel Kraft und Beileid gar Vergnügen.
Der reinste Wiederhall ist eines Freunds Bemühn.
So gibt im Opernsaal im prächtigen Berlin
Das Echo jeden Laut der wunderbaren Lieder
Dem Caricini ganz zu seiner Wonne wieder;
Das heißt für Nutzen stark und Freude stark vereint.
Dergleichen Echo nun ist jeder wahre Freund.
Wenn viele Treffliche für uns sich so bekennen,
Das selbst ist Tugend schon, nicht bloßes Glück zu nennen.

So nichts, wie Freundschaft, ist der Hülfe zugetan.
Doch nimmt sie Tugend stets nicht zur Gefährtin an,
So wird die Freude leicht wie Sommerlaub zerstieben;
Dann hasst man morgen oft, was wir noch heute lieben.

Doch, Werthe, wenn sie die, so wie sie dir, gefällt,
So höre, wie sie gar zum Kriege sich gesellt;
Dann lernst du, Lehren sind die Früchte der Geschichten:
Nur alles müsse sich nach seinem Maße richten.

Ihr huldigte gewiss kein ungemeiners Paar,
Als unter Feinden einst vor Bommels Mauren war;
Das ist ein lieber Ort, der wenigstens vor Segen
Zur Ehre mich verbindt, von unsers Vaters wegen.
Hier kam ein Brüderpaar, als Feinde, nah zu stehn,
Das immer sich gesucht und nimmer sich gesehn
Als Kinder hieß der Krieg sie fern vom Tague eilen,
Auch Feinde sammelt Krieg, um Freunde zu verteilen.
Mit einmal nimmt der Mut Hernando Diaz ein,
(So hebt die welke Saat der feuchte Sonnenschein)
Als jemand ohngefähr den jüngern Bruder kennte
Emisso, der sich von der Mutterseite nennte.
So freut der Schiffer sich, der ohne Nadel irrt,
Wenn er den Feuerturm auf einmal inne wird:
Er könnte, jüngst vor Angst, aus Freude nur erstarren,
Die Segel spannt die Luft und lässt die Seile knarren.
Der Name wird so froh von Diaz aufgespürt,
Der trennte sonst, die nun sein Laut zusammenführt.
Er findet, den er sucht, und hat ihn nun gefunden;
Wie blitzt ihr Blut durchs Herz, von aller Furcht entbunden,
Das Blut, das schmelzend schnell sich ineinander goss,
So wie von Anfang es durch eine Mutter floss.
Geschwister mögen sich mit Cainshärte zanken;
Das Innre tadelt sich empörende Gedanken.
Geliebte, frage nicht, was dieses Paar empfand.
Dein Herz belehre hier den fragenden Verstand.
Die Künste können nicht, was das Gefühl, ergründen;
Und wer erzählen will, der muss gemach empfinden.
Die Sprachen reichen auch bis in das
Wie selten ist ein Mund, der aus dem Herzen spricht:
Nur Schweigen öffnet oft Gedanken eine Pforte,
Und prahlende Vernunft gebrauche leere Worte.
Verstummend, ganz Gefühl, umfassten beide sich,
Bis in des einen Geist des andern Seele wich.
So fühlte Nisus kaum, den Naro nur erdachte,
Als dies beglückte Paar nicht zween, nur einen machte.
Wie herzend standen sie, wie brüderlich vereint!
Dass eine Trennung, ach! nur höchstens, möglich scheint!
Da blitzt die Kugel an, vom Tode laut beschworen,
Der Freundschaft sonst zerreißt, vereint sie zu durchbohren.
Sie fallen unzertrennt, wie fest am Rumpfe Rumpf!
Und Eintracht für die List so jauchzend in Triumph:
Die Lüge, dass sich nie wahrhaftig Freunde lieben,
Ist ungebührlich arg französisch übertrieben.

So treffend ist es wahr, dass wie der größten Not,
Auch so der schönsten Lust der Wechsel folgt und droht.
Der Unbestand ergreift zu starke Leidenschaften.
Und keine Dauer kann an großer Freude haften.
Doch schleicht dir Eigensinn und kalte Sitte nach,
Dass der umwölkte Geist kein Herz erringen mag;
So sei so mehr dein Freund und zeuch den Rest der triebe,
Die dein Geschick verdrängt, zur allgemeinen Liebe.
Ich spräche, Werteste, so trüben Leuten zu,
Die nicht so liebreich sind, so liebenswert, als du.
Du kannst die Freundschaft schon an unsrer Smithin krönen:
Begrüße sie von mit, die Zierde weiser Schönen.

 


 


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