Johann Philipp Lorenz Withof
Academische Gedichte
Johann Philipp Lorenz Withof

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Die Entschließung

            Wohlan, mein Geist! indem du munter bist,
Bestimme dir, was achtenswürdig ist:
Dass Unsinn erst im Alter das erfrage!
Die Parce holt auch oft die Jugend ein.
Dir muß ein Tag so wert, als Jahre sein:
Die Jahre sind nur oft erlebte Tage.

Gebrauche klug zu starke Leidenschaft,
Und lege stets die dir gesparte Kraft
Dem Opfer zu, das du gebückt entzündest,
Wenn du den Geist, der alle Welt erfüllt,
In Güte sich und dich in Freude hüllt.
Im Menschen ihn, in ihm das Ganze findest.

Auf Schönheit, die sich fern und nahe zeigt,
Verwende dich, bis sie dein Trieb erreicht:
Das wäre Geiz! So muß man Schätze häufen.
Nun stelle sich dir alles Schöne vor;
Du, schwinge dann dein Lob zu Gott empor:
Der Frömmste kann zu schön ihn nie begreifen.

Er heiße dir, was Spöttern so missfällt,
Dein Schöpfer und der Schöpfer aller Welt:
Wie kann vor Ja sich falsches Nein erhalten?
Er aber macht, was über Bitte war,
Sich immer auch als Vater offenbar:
Drum werde Sohn, ihn laß in Liebe walten.

Dem Streit entgeh, der sich an Lehre nährt,
Gesetzen sich und ums Gesetz empört,
Auf alles pocht, um wenig auszuüben.
Vertraue fest, dass nie der sanfte Mann,
Der Liebe liebt, dem Schöpfer ekeln kann:
Wen Friede treibt, wird göttlich ausgetrieben.

So meide Zween, wie man der Pest entweicht:
Den Helden erst, der bei der Gruft erbleicht,
Als Freigeist prahlt, als Lastersklave fröhnet;
Den Zänker dann, der Ketzerkriege liebt,
Die Tugend rühmt, in Frommen sie betrübt,
Dem Rechte dient und am Gerechten höhnet.

Dich halte wert, in deinem Amte treu,
Den Obern gut, doch ohne Schmeichelei,
Zum Lobe frisch, doch nimmer unbedächtlich,
Den Künsten hold, der Biederleute Freund,
Dem Argen gram, nur keiner Seele Feind,
Und gegen die Betrügliche verächtlich.

Ein gutes Herz und der ihm gleiche Geist,
Da jenes hegt, was diese ihm erweist,
Und das erweist, woraus Verdienste fließen,
Das heißt ein Mensch; der hoffe Seligkeit,
Und schöpfe Muth, der keine Hölle scheut,
Wenn Schälke selbst denn Himmel scheuen müssen.

Befolge treu nur immer deine Pflicht,
Und quäle ja dich um das Ende nicht,
Das wird dir Gott auf seine Kräfte nehmen.
Nicht Menschen, er regiert der Dinge Lauf;
Den gab er sich und dir die Pflichten auf:
Rechtschaffne darf ein Misswachs nie beschämen.

Beherzige die Tat, die du beginnst,
Wenn du gerührt auf edle Güte sinnst;
Wer drückt den Pflug in sumpfichte Gestaden?
Nicht jede Tat gelingt in jeder Art,
Und Gütigkeit, die sich mit Grille paart,
Gedeiht nicht mehr, als List und Ränke schaden.

Entlade dich der Menschenliebe nie.
Besiegen oft erlauchte Feinde sie,
So sporne dich, dergleichen Sieg zu fliehen.
Die Sanftmut hält dem Stolze das Gewicht;
Und achtet Gott der Erde Schimpfe nicht,
Wie kann ihr Lob Vernünftige bemühen?

Gequält ist der, den keine Seele liebt,
Und der ist schlau, dem jeder sich ergiebt,
Und weise, den mit Beifall edle schmücken.
Das Lob, das oft erschlichne Kränze wand,
Ist Eitelkeit für Tugend und Verstand
Und flattert blind von Kolibris zu Mücken.

Im Felde wird nicht aller Mut ersiegt,
Der könnte das, was Scipionen, leisten.
Wenn dein Entschluss die ganze Tugend ehrt,
Wenn Tapferkeit der Tugend angehört,
So denke, Sieg entschädige die Dreisten.

Gelehrtheit ist, wie schön, nicht auch so gut:
Die jede Tat auf Tugendwinke tut,
Der opfern Ruhm, der erst, gemeine Nutzen.
Was nur ergötzt, das laß für Blöde stehn.
An sich gewiss ist alles Wahre schön;
Doch suchen stets nur Tänzer sich zu putzen.

Der Sitte, die des Hauses Eitelkeit,
Als Pflicht erhebt, entziehe Kraft und Zeit:
Wen kann die Flucht der Modeseuche schänden?
Ihr Jauchzer ist nur allzu fieberhaft:
Der Menschen Zeit und ihre Lebenskraft
Sind allzu karg, sie töricht zu verschwenden.

Gesellt sich dir ein echter Fromme zu,
Der beste Freund: den überhole du:
Der andre wird dir selten Farbe halten.
O, fände dich der zweite Fenelon!
Den stimmte schön der allerbeste Ton,
Die Harmonie der Neuen und der Alten.

Verachte nie die Kette der Natur.
Der kleinste Ring, wie jede Kreatur,
Erfreut und nutzt mit allen um die Wette.
Doch schlafe nie bei schönen Ringen ein.
Der letzte soll die Ruhestelle sein,
Den Gott umfasst, der Herr der ganzen Kette.

Aus uns entstehn die meisten Übel her.
Zufrieden sein ist lange nicht so schwer,
So schwer es ist, es sein im Ernste wollen.
Durch Wünsche wird kein armer Jude reich.
Des Menschen Kraft ist seinem Wunsche gleich,
Wofern ihm schmeckt, wonach wir angeln sollen.

Verlache ja der Schälke raunen nicht:
Doch wo dein Herz für deine Güte spricht,
Da finde nie dich Lüge niederträchtig.
So billig ist noch keine Menschenwelt,
Das echt Verdienst auch seinen Preis erhält:
Nur allemal ist Ruhmgeschrei verdächtig.

Die Zeit entfleucht: ein Nun! ein Augenblick!
Wie schnell erlischt ihr Kummer und ihr Glück?
So lauten sie, des Menschen alte Klagen:
Was lässt er je sich gute Gabe sein?
Du säe dir immitelst Körner ein,
Die nach der Zeit erwünschte Früchte tragen.

Wer, meist gesund, sich eignes Brot ersann,
Die Narrenart und sich erdulden kann,
Ist so beglückt, als Menschen werden können.
Wer Weisheit rühmt und mehr, als sie, begehrt,
Ist ihrer nicht, noch ihrer Ruhe wert:
Wer wird um Korn nicht Heu dem Tiere gönnen?

Die Vorsicht teilt das andre klüglich aus.
Für jeden gibt sie Speise, Decke, Haus
Und Armen Kraft und Blöden Ehrenplätze.
Ein dankbar Herz ist weiser Leute Teil
Und Überfluß nur meist um Tücke feil:
Zu große Schuld für nimmer edle Schätze!

Behauptet sich für dich ein Marmorgrund,
Und machen Not dir einzig andre kund,
Dann schaue hold, nicht stolz, auf sie herunter.
Verwelkt die Pracht, so wehrt ein einfach Tuch
Dem, der sich lebt, so Frost, als Hitze gnug:
Ihn macht Vernunft, nur Kleidung Schwache munter.

Des Abends gib der Erde Gutenacht,
So wird in Lust der nächste Tag erwacht
Und keine Zeit ins Eitle sich verlieren.
Gedenke mehr dich, als das öde Grab:
Der wusste Rat, der dich der Erde gab,
Und weiß auch Rat, nach hause dich zu führen.

Der Tod ist nur die letzte Lektion;
Auch diese lernt der Weise frühe schon:
Der lernt sie nie, der Tugend nicht erlernte.
Dies Leben ist allein Akademie:
Wer weiter denkt, gesegne willig sie
Und ackre selbst und hoffe dann auf Ernte.

 


 


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