Johann Philipp Lorenz Withof
Academische Gedichte
Johann Philipp Lorenz Withof

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Frühlingsphantasien

Duisburg 1744 im May

Erster Tag

        Mein Geist! Erwecke du dich auch.
Gieb acht! Der süße Sonnenhauch
Beseelt des Lenzen welke Glieder.
Auch dich ergreift die milde Glut.
Du fühlst dich, und dich wie gut?
Du fühlst; das heißt, ich lebe wieder.

Liebäugelnd, wie die Seligkeit,
Da liegt das graue Winterkleid!
Entschleust uns Tellus ihre Güter.
Ihr Busen, und wie kleidet ihn
Das tausendfältig grüne Grün?
Entzückt erkenntliche Gemüter.

Du Wäldchen hier, ergötze mich!
O, niedlich Feld, wie schmückst du dich?
Wie lächelt dort die bunte Wiese?
Hier strömt die Luft, die Freude nährt.
Der wäre keiner Seele wert,
Der dich nicht, Gottes Wonne! priese.

Der du, wahrhafte Güte voll,
Dich für das allgemeine Wohl
So ganz, so wundertreu verwendest
Entzeuch mich, Elbers, nicht dein Ohr.
Mir gilt es manchem Lobe vor,
Da du das deine nie verschwendest.

Du denkest doch noch an die Zeit,
Da wir bei Mavors ungescheut
Mitleidig und doch Friede waren;
Du beydes, unser Freund und ich,
Der Freund, der nur dem Sturme wich,
Ihm wichen grimmige Gefahren.

Viel Löbliches hast du gethan,
Das rechne Gott die einmal an,
Und ja so wirksam, wie geduldig.
Den Freund bedeckt der todte Sand.
Ihm bleibt das ganze Vaterland
Noch immer eine Säule schuldig.

Wohin der Blick entnebelt eilt,
Ersieht er Regung ausgetheilt
Durch Vögel und Insektenheere.
Nun tönt der schauerstille Raum,
Nun werden Felse, Klüfte, Baum
Der Landgeschöpfe Dankaltäre.

Mich rührt dies weite Heiligtum.
Ich schmelze mich zum Opfer um:
Mein Opferherd sind grüne Hügel.
Ist Danken Last und Schande Pflicht?
Ich schäme mich der Ehre nicht:
Mir wuchsen, dass ich flöge, Flügel.

Ich will, natürlich mich zu freun,
Nicht Kälte, nein, Ekstase sein:
Empfinden Frostige Vergnügen?
Verpflichten uns die Städte doch
Für manches ungereimte Joch,
Des Herzens Neigung zu belügen.

Geflügelt fährt mein Geist empor,
Soweit sich Dädal nie verlor,
Erheben unerschrockne Tropen.
Ihn dauert der Aeole Lauf.
Er häuft, wie hoch? Gedanken auf
Und spottet Jearn und Eyelopen.

Der Rhein ist nicht der bange Nil.
Nur dieser steckt dem Muthe Ziel
Und heißt die laute Freude schweigen:
Wenn kaum das Herz vor Wonne schwillt,
So soll das stumme Todtenbild
Auf Mäßigung der Freude zeigen.

Doch meine Lust ist allzuschön.
Hier sei das Mäßige vergehn
Und Unmuth ehre keine Schranken.
Hier soll mir alle Schwäche klein
Und Kinder mögen blöde sein
Und mutig freudige Gedanken.

Hier dehnen Gottes Kräfte mich.
Umsonst ermannt die Seele sich:
Ihr zittern sie, zu schwache Sehnen.
Ach, könnte sie die träge Last,
Die den zu großen Geist umfasst,
Unendlich, wie die Triebe, dehnen.

Nur stets ein fußbreit Erdeland
Ist sonst das wahre Vaterland:
Im Ganzen sind wir alle Zwerge.
Drum denk ich schnell die Seele fort,
Nun in der Hölle nächsten Ort,
Dann auf dem Himmel nahe Berge.

Die Sehnsucht treibt mich höher an
Und flattert um den Ocean,
Aus welchem Licht und Wärme fließen,
Ihn fasst, nicht den Elekterschein,
Ein unvergänglich Ufer ein,
Den Segen ewig auszugießen.


Der du durch Chaos Nächte rangst,
Du Gegenfüßler ihrer Angst,
Empfingst in Elam Gottes Ehre,
Zu viel! Doch macht dich, der erschuf,
Zu Heklen, Aetnen, zu Vesus,
Wie zu dem Tropfen ganze Meere.

Zweyter Tag

Bald taumelt er, mein Adlerblick
Von tiefer Flammensee zurück
Und sinkt in tiefe Thälerschatten.
Der von dem Fluge heiße Muth
Erlangt da nicht das kleinste Gut,
Und Kühle kommt ihm schön zu statten.

Da schmeckt der friedensvolle Geist,
Was droben Engelszunge speist,
Wo bunte Pflanzennationen,
Die durch das glatt lackierte Grün
So schön, wie Pfauenschwänze blühn,
So wirksam und in Ruhe wohnen.

Für meine Phantasie bemüht,
Erhöhn das hohe Lerchenlied
Durch Blöcken wohllustsatte Herden.
Ich höre Progne dankbar an;
Auch Fenelon hat so gethan:
Und alles muß mit Freude werden.

Dann hebt verkielt der fromme Sinn
Sich wieder bald zur Sonne hin,
Der Freuden Anfang und ihr Ende.
Ach! ohne sie sind Tage Nacht.
Dem Schönen gibt nur Sonne Pracht:
Was war´s, wenn ich nicht Sonne fände?

Und eine Sonne thut so schön,
Um die noch tausend andre stehn,
Umringt durch viele Millionen:
Wie prächtig muß die Majestät,
Die diese Feuersterne dreht,
In seinem, welchem? lichte wohnen?

Und diese grenzenlose Welt,
Die, Gott nur weis es, was enthält,
Und seit den ersten Adamsjahren,
Und die nicht meßliche Natur,
Ist alles ein Gedanke nur,
Nur einer von dem Unsichtbaren.

So denkt der göttliche Verstand,
Der diese Laute sich erfand.
Er schuf, und nun bekam sie Saiten.
Und jede klingt. Der volle Klang
Ist der harmonische Gesang
Und schallt in seine Herrlichkeiten.

Mir schmeichelt der Gedanke sehr,
Und hier dem offnen Geiste mehr,
Als wenn ich ihm im Saale denke:
Nur hier ist edle Freude Ziel
Und hohe Schwärmerey Gefühl
Und alles ohne Schulgezänke.

Hier war es einst, wo telemach
Nach manchem abgebissnen Ach
Sesostres frühe Leiche klagte.
Hier wuchs der Sorge Gegengift,
Als für Admetees fette Trifft
Apollo dem Olymp entsagte.

Von unsrer Erde Luft entzückt,
Durch fromme Schäferey beglückt,
Empfingen hier ihn weiche Myrten:
Der himmlisch süße Feldgesang
Der um Amphrysus weit erklang,
Beseelte seelenlose Hirten.

Hier schöpft die ganze Seele Luft.
So sprengt sich einst die Todtengruft;
Und gleichen nicht dem Tode Sünden?
Die Wahrheit ist im Pompe stumm.
Hier kann der Mensch sein Eigenthum,
Sich und die Wahrheitsliebe finden.

Der Unmuth macht auch Große klein.
Auch Stolze spannt die Wohllust ein,
Und Habsucht ängstigt andre nieder.
Verstummtder Triebe Donnersturm,
Wie fröhlich wird der kleine Wurm
Zur alten großen Seele wieder?

Die falsche Klugheit macht zu dumm.
Der Ekel jägt uns scheu herum
Aus einer Qual in andre Plagen.
Das Maß für unsre Lebenszeit
Ist selten die Zufriedenheit,
Sind mehrentheils ergrimmte Klagen.

Wenn Narrheit eitel Freude lacht,
Sich stolz zur Seifenblase macht
Und Einfalt eine Puppe scheinet:
So täuscht ein sklavisch Angesicht:
Die Miene nur, die Seele nicht,
Erscheint so was, die Seele weinet.

Die sich der Weisheit anvertraun,
Anstatt an ihrem Heile baun,
Erbauen Schlösser in die Lüfte.
Nur auf gelehrte Sätze keck,
Sind Mittel ihrem Auge Zweck,
Und Weisheit wird, wie leicht? zu Gifte.

Ein jegliches Geschöpf ein Buch.
Da lernt der Forschende genug,
Vor Hypothesen sich zu schämen.
Der Wahrheit und der Güte mag,
Vereint sind selten beyde schwach,
Kein Praler hier die Zunge lähmen.

Dritter Tag

Den Wohlstand nenne mir die Welt,
Der allewege wohlgefällt;
Der längste wird im Hui vergessen.
Doch hier verjährt die Wonne nicht,
Sie kostet uns nicht eine Pflicht
Und ist uns allen angemessen.

Was meist die Kunst an Freude schafft,
Ist für die Sinne mangelhaft,
Zu geistig oft und oft zu theuer.
In ihrer ersten Jugend alt,
Erstirbt, und auch, die stärkste bald;
Schon Asche morgen, heute Feuer.

Der Forscher, geiz und Unverstand
Besehn des Moguls Diamant
Wem gibt er groschenwerthe Freuden?
Der prächtige Plast ergötzt
Nur Fremder Blicke, da zuletzt
Bewohner, Langeweile leiden.

Dagegen reizt uns immerfort
Das kleine wilde Wäldchen dort,
Und seine Reize nährt die Dauer.
Und jener raue Felsenstein
Wie nimmt er unsre Herzen ein?
Und Freuden buhlen um die Schauer.

Den ganzen Kopf voll Eitelkeit,
Bestellst du die Zufriedenheit
Zur Absicht deines Afterlebens;
Bethörter Mensch! hier koste sie.
Im Lärmen wohnt die Holde nie.
Adepten suchen sie vergebens.

Doch kennt er sich und Wonne nicht:
Das allerweiteste Gesicht
Ermüdet er an Aergernissen;
Ihn treffen plumpe Reize nur:
Die seine menschliche Natur
Empfinden ruhige Gewissen.

Hier aber weist auch süße Pein,
Die schleicht sich in das Mitleid ein,
Gestimmte Herzen froh zu machen.
So seufzt es sich aus Güte gut,
Wenn´s nicht der Seele wehe thut;
Sarkastisch mögen Hunde lachen.

Wer heißt auch Leidende beglückt,
Wenn nur ein Krampf die Lippe rückt?
Sie lachen, freilich, ohne Willen.
Wie wenig kann die bange Noth,
Die nicht mit sanftem Tode droht,
Des Herzens laute Schläge stillen?

So lacht auch wohl die höchste Wut,
Da kleine Lust dasselbe thut,
Und große Freuden Thränen weinen;
Dagegen schweigt der große Schmerz;
Um kleine heult das schwache Herz:
Das nicht sind viele, was sie scheinen.

Entdecke dir Ungebundenheit
Der Geister Ziel, die Freudigkeit;
So laß dich nie Gesetze binden.
Nur Rasen macht dein Wohlsein aus?
Bezeuch das erste Narrenhaus?
Und nenne das, dein Glück zu finden.

Der Mond verändert vierzigmal,
Seit ich mich oft der Welt entstahl
Und die Natur mich unterrichtet
Sie lehrt erhaben, nie zu wild,
So freudenreich, so treu, so mild,
So wie man eine Muse dichtet.

Wer, über Börsenlärm erhöht,
Die sanfte Melodie versteht,
Den lehren Hespers und Auroren,
Dem tönt die leise Rede stark
Und dringt ihm in das tiefste Mark
Und nicht in grobe Pöbelsohren.

Nicht reicher kann die Wonne sein:
Sie sammelt Schmuck und Nutzen ein,
Ihr Acker ist das große Ganze,
Die Grenzen sind Unendlichkeit,
Unendliche Verschiedenheit
Am Geiste, Körper, Thiere, Pflanze.

Nur Ivetaur, der arge Mann,
Und nicht ein Huß, erfahre Bann
Und schwarz vertrockne seine Weide.
Wer prahlt ihm Neiderblicke vor?
Sind Tristen, Harfe, Schäferrohr
Geräthe für die wahre Freude?

Ihr, die mit Trägheit Bünde schlosst,
Erhaltet ungewürzte Kost
Und lüstet angestochne Früchte.
Die Lust, die falsche, sei verdammt,
Wozu verbothner Reiz entflammt,
Dass sie die Welt zu Grunde richte.

Vierter Tag

Ich werde hier, wie Scipio
Des Wohllauts in der Höhe froh,
Den schon vor Neuton Weise kennten,
Und sehe hier, das ware klein?
Die Harmonie der Pflichten ein,
Der Frevler gern ihr Lob entwendten.

Wie schafft doch die Natur so leicht,
Was schwer die Kunst, und kaum erreicht,
Und oft beschämen ihre Schranken.
Ich gebe jenem Bilde Raum;
Ich denke stark und achte kaum
Der schweren Arbeit der Gedanken.

Wir sind, durch Hochmuth aufgerührt,
Aus diesem Tempel weggeführt
Und mussten in die Städte gehen.
Die Städte baut der scheue Naeid:
Hier lässt sie sich, die Sicherheit
Im Kittel ohne Helme sehen.

Horazen trug dies Lehrchen ein
Der ruhige Sabinerhain,
Wo flüchtend ihm ein Wolf entwischte
Mir wurde diese Lehre kund,
Als gegen mich der ärgste Hund
Noch neulich Kraft und Tücke mischte.

Er hakte mir die Klauen an:
Im Nacken stach der heiße Zahn:
Mein Unheil war wie halb entschieden.
Mich hielt so süße Phantasie,
Begleitet von der Elegie,
Der Sängerin von Dresdens Frieden.

Was nicht des Himmels Wache thut?
Ich merke kaum die nahe Wut,
Zu schnell, auch für geschwinde Degen,
So setzt der Mörder hurtig ab:
Was nicht die Fechterschule gab,
Natur, das brachtest du zuwegen.

Ich hasse drum die Städte nicht:
Was ist ein Leben ohne Pflicht?
Und Weisheit soll uns weise machen:
Doch wohl! Dass auch das kleinste Feld
Noch manchem Übel Schranke stellt
Und lehrt uns, Pflichten anzulachen.

Und dennoch meint das schwache Kind,
So gut auch Milch und Brüste sind,
Sobald den Magen Säure quälet:
So fruchtet dieser Aufenthalt,
Wenn Geist und Herz von Grille wallte
Und ein gesundes Auge fehlet.

Nur keinem Wechsler muthe zu:
Du kannst so gut, als andre, du
An diesem Eden dich erfrischen;
Denn ach! der Wonne trotzt der Pein:
Wie kann in Milch der beste Wein
Und Habsucht sich in Wonne mischen.

Auf, was nur mangelte, verpicht,
Ermuntert auch das Schönste nicht
Nur Unsinn angelnde Gonzalen;
Zum Monde tobt der edle Flug,
Der wohlgewählte Gänsezug,
Den Wahnwitz würdig auszumalen.

Und bring ich einen Swinden hier;
So leuchtet ihm so schön, wie mir,
Das freudenreiche Sonnenfeuer:
Doch statt der Anmuth findet er
Das martervolle Höllenmeer
Und dichtet gallige Abenteuer.

Gewiß die große Körperwelt,
Was voll in unsre Sinne fällt,
Entbeut uns Gottes weise Gaben:
Entstehung, Mittel, Zwecke, Macht
Verbindung, Dauer, Menge, Pracht
Ist über Kennerwunsch erhaben.

Noch bleibt die schöne Kreatur,
Der alles, alles Freude schwur,
Der Mensch allein in Harme liegen;
Sein Werk ist Unmuth, Klage, Flehn:
Die Welt ist alle Tage schön,
Er alle Tage Missvergnügen.

Natürlich weinen Thiere nicht..
Uns Menschen wurde Thräne Pflicht
Damit man lieblos sie beneide?
So gieb auch dir zur Schande zu,
Die Thiere schmecken nicht, wie du,
Aus Pflichten reif gewordne Freude.

O, Schöpfer! Ach! uns bist du gut.
Und wenn dein Rath auch wehe tut,
So hat dein Rath doch nie gefehlet:
Wie wenn der große Componist,
Der über allen Tadel ist,
Bedächtlich falsche Töne wählet.

Dir, Steurer auch der Eitelkeit,
Dir sei mein Paan eingeweiht,
Den weihen dankerfüllte Triebe.
Dir, mehr als Sonne, Sonnengott!
Dir büßt auch einst der arme Spott
Mit Ehrfurcht gegen deine Liebe.

Ich möchte, wie der heitre Geist,
Der sich im Canitz so beweist
Im Tode deinen Blick erlangen,
Und wenn die Kräfte stille stehn,
Noch fröhlich deine Sonne sehn
Und jauchzend deinen Sohn umfangen

 


 


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