Johann Philipp Lorenz Withof
Academische Gedichte
Johann Philipp Lorenz Withof

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Der Gedanke

Jülich 1744 im August

            Es kleide den Freigeist, die Seele verpralen!
Er nenne die Lüge Verstand!
Mich lüstet, ihr Denken pindarisch zu malen,
Das Wahrheit und Tugend erfand.

Mich locken die Reize, die du mir gepriesen,
O Vater, o göttlicher Freund!
Dein Muster erheitert, wie wenn mich auf Wiesen
Im Frühling die Sonne bescheint.

Ich wage noch jung, anapästische Weisen
Der denkenden Seele zu weihn.
Ich könnte dich nimmer entschuldigter preisen:
Denn Denken, mein Vater, ist dein.

Wem sann sie wohl in den chaotischen Höhlen,
Im Schlafe der Geisterwelt nach,
Wo Trägheit, die fesselt cimmerische Seelen,
Das Finstre durch Dunkelheit brach?

Wer hielt sie gewaltig in engen Bezirken?
Wen scheute der möglichste Blick,
Und suchten Gedanken nach Außen zu wirken,
Wer rief sie tyrannisch zurück?

Wie? Da sie dir Fülle der Freiheit genossen,
So ging ihr die Freiheit vorbei?
Sie lebt nun, so fest im Gehirne geschlossen,
In ihrem Gefängnisse frei?

Wer könnte sie, kann sich selber auch binden?
Wer schreibt ihr ein Mittelmaß vor?
Sie schleudert sich ähnlich von Blitzen und Winden
Von Höllen zu Himmeln empor.

Da wachsen Gedanken in gräuliche Weiten:
Wer misst den entsetzlichen Raum?
Olympen in ihren unendlichen Breiten
Olympen umfassen ihn kaum.

Hier tändelt ein anderer auf Ameisenpfaden:
Mein Vater, er wird mir zu klein.
Ihm könnten die Häuscher der kleinsten Maden
Behaupten, Provinzen syn.

Wie wird uns der große so völlig und richtig
Daheim ins Gedächtnis geführt?
Und hält man den kleinen, der schwärmte so flüchtig,
Am seidenen Drahte geschnürt?

Wie müssten also die nestorischen Alten
So reich an Gedanken nicht sein?
Berechnete jeder das beste Verhalten,
Er fände die Größe; wie klein?

O dass man so viele, die Geister bewirthen,
Für Särge so mühsam ernährt!
Das fühlende Leben verachteter Hirten
Ist endlich der Sinne noch werth.

Noch würdig des Athems. Gefällige Sitten
Verwehren den Funken Verstand.
So findet man Adel in strohernen Hütten,
Doch blöder, wie Busbeck in fand.

Was ist es, warum sich die Pöbel bewerben?
Das was mir am Affen gefällt:
Sie speisen und schlafen und freien und sterben;
Moralische Nullen der Welt.

Entgeisterte, flüchtet unehrlich von hinnen!
Erbeutet Verwesung und Grab!
Wie fügte sich das dithyrambische Sinnen?
Wie kam ich so niedrig hinab?

Ja, Vater, indem ich dein Wesen besinge,
So findet sich überall Geist.
Mein Tadel der Dummheit ist dir zu geringe,
Der dir nichts Erhebliches weist.

Beklägliche, die mit erstickten Begriffen,
Mit Augen, die nimmer gesehen,
Im Schlummer das stygische Wasser beschiffen
Und sterben in ihrem Entstehn!

Ich sehe die Säule von tauglichen Werken,
Dir, Vater, zum Ruhme geweiht:
Die lässt mir ermunternd die Würde bemerken,
Die wirksame Geister erfreut.

Die Kerne der Wahrheit, nicht Hülsen und Rinden
Erwählest du, Pflichten getreu.
Du denkest geläufig und denkest aus Gründen
Und denkest unermüdet und neu.

Entohnigt der Schwindel sectirischer Dünste,
Die spielen mit Einsicht den Ball,
Beleuchtest du sonnenhell Sprachen und Künste,
Der Wahrheit ergebener Vasall.

Ich möchte dich sitzend im Morgenthau schildern!
Gewiß ein erstaunliches Meer.
Erstaunlich und nimmer erschöpflich an Bildern
Umgiebt dich und braust dir umher.

Unendliche Tiefe! dich will ich ergründen?
Ich, der ich nur Bäche befuhr?
Was kann doch die suchende Seele nicht finden?
Sich selber umblinzelt sie nur.

Dich bauret und deine socratische Stille
Der Thoren unnöthiger Lauf.
Dir schließt sich noch ferne pandorische Fülle
In klaren Vermuthungen auf.

Du siehest die Riesenbegriffe der Alten,
Und Babylons steigende Pracht.
Den Seneca hörest du Tugend erhalten,
Worüber Democritus lacht.

Dein Körper ist ruhig. Von äußerem Lichte,
Auch nimmt er vom Schalle nichts ein.
Noch scheinet er, ähnlich des Maros Gerüchte,
Voll Augen und Ohren zu sein.

Du ließest am Meer die Völker entstehen,
Die siegreich in Deutschland geblüht.
Du forschest alle camönische Höhen
Und singst ein hesperisches Lied.

Du hast unermüdet, am römischen Schmucke
Der Alten den Vorzug erneut
Und einen der edelsten Kaiser vom Drucke
Der päpstlichen Füße befreit.

Die Rechte, den Schöpfer nach Lehre zu preisen,
Er fordert uns, was wir versteh,
Beschütztest du gründlich in neuen Erweisen:
Die schmählte der arge ****.es geht hier um den Frankfurter Kirchenstreit zwischen Withof und Fresenius

Geflissner die Wahrheit, als Münze zu wägen;
So sprachst du für Unschuld ein Wort.
Es raffte den eifrigen Zänker dagegen
So Schmähsucht, als Eigennutz fort.

Ich sehe sie, deine so mancherlei Schriften:
So sehr es an Presse gebricht.
Das heißet beflissen für Ewigkeit stiften.
So stirbt man im Tode noch nicht.

Doch trotze die Wissenschaft keinem Kameele!
Hier Tragen, da Denken ist Trieb.
Doch deine so billig mitleidige Seele
Hat Menschen und thätig sie lieb.

Du bleibest, so sehr auch Begriffe verbinden,
Doch immer von fröhlicher Art.
Und mehrentheils einsam im ernsten Ergründen
Doch angenehm, edel und zart.

Hat je dich der Hochmuth, ein Spötter am Kleinen,
Ein Sklave der Größe gereizt?
Hat je dein Bejahen und je dein Verneinen
Auf Habsucht und Lüste gegeizt?

Und leitet dich Inbrunst an göttliche Liebe,
Dann eilest du dankend herzu.
Dann denkst du, wie himmlisch, unendliche Triebe:
Wer malt sie, wer fühlt sie, wie du?

Dann muß sich dein Innres zum Tempel bequemen.
Dein Priester ist Demuth und Geist.
Dein Opfer mag einstens die Lüge beschämen
Die Schälke vortreffliche heißt.

Wie kannst du so herzlich die Menschen bedauren,
Wenn Laster mit Strafe noch prahlt,
Vornehmlich wenn Arge die Güte belauren,
Die Kröten, die Milton uns malt.

Ich danke: du hast mir das denkende Leben
Beyzeiten ins Edle gebracht,
Und aus den natürlichen Üblen Geweben
Die Kette der Künste gemacht.

Holdselig hast du mir zum Glanze der Wahrheit
Die schwächlichen Augen gewöhnt,
Und frühe mich gegen die blendende Klarheit,
Mit schattigem Lorbeer gekrönt.

Du hast mich mit Tugend und Weisheit berathen
Und ihre Befehle gelehrt.
Das sind meine Laren und deine Penaten,
Die Freiheit und Frömmigkeit ehrt.

O Vater, du hast mir in allen Bezügen
Das Beste zuwege gebracht.
Ich habe dir dennoch so lange geschwiegen
Und dir nur zu Danke gedacht.

 


 


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