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Nachschrift

Ehe ich diesmal von meinen Lesern Abschied nehme, habe ich ihnen noch ein Wort zuzuflüstern. Bücher sind oft seltsamen Schicksalen unterworfen und zwar meistentheils blos deshalb, weil Autor und Leser auf einem ganz verschiedenen Standpunkt der Betrachtung stehen. Kann auch die Masse der Leser, als Repräsentant einer stimmberechtigten Gesammtheit, von dem Autor verlangen, er solle für sie schreiben und also in einer Weise, die Allen gleich leicht verständlich, bequem und erquicklich sei; so hat doch der Autor auf der andern Seite auch wieder höhere Zwecke zu verfolgen, wenn er überhaupt schreibt, weil er die Weihe dazu von der Natur empfangen zu haben überzeugt ist. Hier Jedem zu geben, was Rechtens sein mag, hat seine großen Schwierigkeiten. Ein Schriftsteller von heut, der seine Stoffe dem unmittelbaren Leben entnehmen will, um die Mistöne auflösen zu helfen, an denen es leider noch so reich ist, kommt in vielfache Conflicte. Nicht nur mit sich selbst hat er zu ringen, Stoff und Form zu berücksichtigen, ästhetischen Feinschmeckern auf die Lippen zu sehen; auch die Freunde, die Bekannten, die sogenannten Gleichgesinnten (wiewol es manchmal scheint, als sei dies ein leeres Wort), die Prüderie der Gesellschaft, die Schminke der spazierengeführten Tugendhaftigkeit, die umherstolzirende Anmaßung der liberalen Quacksalber, die große Menge, gemischt aus tausend sich widersprechenden Atomen, und endlich die Idee, diese Sonne, an deren Strahl die Zukunft lebendig wird, soll ein Autor der Gegenwart beachten! Dabei können aber die Gedanken selbst sich verlieren, und es macht sich daher oft nöthig, aus Liebe zur Wahrheit Dies und Jenes unberücksichtigt zu lassen. Schleicht sich darüber die Lückenhaftigkeit ein, so sei man billig und bedenke, daß auch ein productiver Mensch doch immer nur Mensch ist und als solcher nicht Jedermann nach dem Munde reden kann. Auch möge man noch die etwas mißlichen Verhältnisse betrachten, unter denen es nicht erlaubt ist, den Gedanken in der geeignetsten Weise auszusprechen. Mit dem Wegfall der Gedanken verliert aber auch die Form, denn wo ich die Seele einer allgemeinen Beschneidung unterwerfe, da kann sie nicht den Körper so durchleuchten, wie es zu wünschen wäre. Findet nun dieser oder jener Leser oder Kritiker ähnliche Verwundungen an meinem Buche, so bitte ich, er möge sich dafür andern Ortes bedanken oder beschweren. Ich wasche meine Hände in Unschuld; ich kann die Sonne nicht scheinen lassen; denn ich fühle die Schwachheit meiner Menschennatur, und bin auch blos ein allein stehendes Individuum.

Es kommen vielleicht einige geschickte Kreuzer, deren es allerwärts übergenug gibt, und schreien mir die Ohren voll über Grades und Ungrades, was angeblich in meinem Buche zu finden sein soll. Diesen habe ich blos zu sagen, daß ich kein Kreuzer bin, in der Kunst des Lavirens überhaupt schlecht bewandert, vielmehr nur mit vollen Segeln durch Wetter, Sturm und brausende See steuere, oder lieber ganz im Hafen bleibe. Ich weiß, daß ich mir keinen Dank damit verdienen werde; doch von Dank will ich auch nicht leben. Meine Speise ist die Wahrheit, die ungeschminkte. Sie ist aber auch mein Wimpel, an dem die Hoffnung flattert, frisch und kräftig in die blaue Luft der Zukunft hinein. Auf meine Gegenwart will ich keine Actie nehmen, ich fürchtete baldigen Bankerott, auf die Zukunft aber, so viel man will; auf sie basire ich das Glück von Völkern und Ländern. Und diese Zukunft ist licht in meinem Buche, wie in meiner Seele, wenn auch sonst schwarze Wetterwolken drin blitzen und donnern.

Den Gehäbigen werden meine Charaktere nicht gefallen. Die etwas radicale Menschennatur, die heut zu Tage in Vanillenthee, Himbeereis und Bonbons zu Grunde gegangen ist, wird den guten Leuten viel zu schaffen machen. Sollten sie Choleraschmerzen darüber bekommen, so bitte ich, sie mögen nicht mich, sondern ihre schwache, verdorbene Constitution deshalb anklagen. Mir verursacht die Natur, und wenn sie auch grotesk sich zeigt, keine Indigestionen, nur die geschminkte widert mich an. Meine Charaktere aber, wie sie in Mardochai, Gleichmuth, Casimir, Friedrich, Steinhuder, Bardeloh, Lucie, Rosalie etc. zu Tage liegen, tragen keine Schminke. Sie sind Menschen, wie sie aus der Verworrenheit gegenwärtiger Zustände, sobald man diese concentrirt, von selbst hervorwachsen. Auf den Kreuzwegen und Straßen freilich laufen sie uns nicht in die Arme, in der mit der Aeußerlichkeit der perfiden Gewohnheitssitte grollenden Stille des Hauses aber begegnen sie dem Forscher. Mir wenigstens sind sie begegnet; denn ich habe nur porträtirt; versteht sich, mit Benutzung der Licenzen, ohne welche sich nun einmal Charaktere nicht wol anschaulich zeichnen lassen. Man sei deshalb nicht böse, und zürne, fühlt man sich überhaupt dazu berufen, mit der Welt, nicht mit mir. Ich würde bei solchem Zorne schweigen. Nachdenken und Anschauung von Welt und Zeit, und ein gewagter kecker Blick in die Zukunft haben mich die Feder eintauchen lassen. Die Eitelkeit hat keinen Theil daran.

Wer mein, Buch als Kunstwerk auffaßt, geräth in die Brüche. Ich habe ein Bild großer Lebensschmerzen, kein Kunstwerk schreiben wollen. –

Sollten diese Mittheilungen Freunde finden, nicht solche, die gerne sich in süße Träume wiegen lassen auf den rhythmischen Wellen anmuthig geschürzter Perioden, sondern solcher, welche aufzuwachen geneigt sind, so werde ich seiner Zeit die Fortsetzung derselben folgen lassen. Dann verlege ich die Scene an den Mississippi, und dort, unter dem Schirm der sternbesäten Flagge, wird jeder Zwiespalt vollends ausgeglichen werden, falls die von mir beabsichtigte Versöhnung am Ende dieser Bände vielleicht noch nicht mit vollem lichten Strahl aus Schmerz und Leidenschaft sich erhoben haben sollte. – Dies heut mein Abschiedsgruß an die Leser, wobei wir uns, denk' ich, von Herzen die Hände drücken.

Leipzig, im September 1837.


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