Christoph Martin Wieland
Briefe von Verstorbenen
Christoph Martin Wieland

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Dritter Brief.

Charikles an Laura.

Inhalt. Charikles tröstet seine zurückgelassene geliebte Laura, indem er ihr die Fortdauer seiner Liebe, die durch seinen neuen Stand nur gereiniget worden, zu erkennen gibt; und durch Abschilderung der Schönheiten seines jetzigen Wohnorts, der Sonne, sie noch mehr zu reizen sucht, durch standhafte Erfüllung ihrer Pflichten, ihre Wiedervereinigung zu befördern.

                Endlich ist mir vergönnt, was ich so lange mir wünschte,
Laura, mit dir zu reden, wie wir uns ehmals besprachen,
Als Entfernung uns noch und Jahre der Prüfungen trennten.
Gern erschien ich dir selbst, wenn nur dein sterbliches Auge
Ungeblendet den himmlischen Glanz zu ertragen vermöchte,
Der mich umgibt. Wie oft, wenn dich die einsame Zeugin
Unsrer Zärtlichkeit einst, jetzt deiner Schmerzen, die Laube,
Dich und deine Thränen verschließt, in Stunden der Dämmrung,
Wenn der Waldgesang schweigt und die blumigen Hügel entschlafen,
Wenn du dann einsam, das Haupt auf die weißen Arme gestützet, 31
Saßest, und unter Träumen und bangen Entzückungen irrtest,
Klagenfrei, nur den thränenden Blick in die himmlischen Räume
Zärtlich geheftet! – O Laura, wie schön, wie liebenswürdig,
Schienest du mir! wie innig sehnt' ich mich dich zu umarmen,
Oder, mit Symphonien von Engelsharfen umgeben,
Freud' in dein Herz und Ruh' und tröstende Hoffnung zu gießen!
Fürchte nicht, daß der Tod die zärtlichen Bande zerreiße,
Welche die Sympathie, zwei Seelen auf ewig zu binden,
Selber gewebt! O Laura, noch mehr, als ich ehmals dich liebte,
Lieb' ich dich jetzt, erhabner als in den heiligsten Stunden
Unsrer Freundschaft, als in den zärtlichen Augenblicken,
Wenn vor süßer Empfindung mein Herz in deiner Umarmung
Seufzte, wenn mir ein Blick in deine begeisterten Augen
Wie ein Blick ins Elysium war, und mich Freuden umfingen,
Deren Erinnerung selbst die Freuden des Himmels nicht löschen.

Mitten in neuen Scenen, die mit olympischen Wundern
Weit um mich her sich schimmernd entfalten, von Göttergestalten
Und der ewigen Blüthe Seraphischer Schönheit umgeben,
Zieht mich ein süßer Hang zu dir, o Freundin, herunter.
Willig vertausch' ich für diese Schatten, die um dich sich schwärzen,
Jene Gefilde von himmlischem Schmelz, Lustgänge der Engel,
Schimmernde Lauben von ewig blühenden Freuden bewohnet;
Denn hier weint nicht Laura mir nach, kein zärtlicher Seufzer
Lispelt mir zu; hier hebt sich kein Herz vor wallender Sehnsucht
Meiner Gestalt entgegen, und glaubt sie staunend zu sehen. 32
Welch ein Gefühl unaussprechlicher Lust durchdringt dann mein Inner's,
Wenn ich still aus der braunen Umhüllung der Nachtluft herabseh',
Wie du gedankenvoll gehst. Jetzt ruht in lieblichen Träumen
Unsre Melissa, von englischen Flügeln, den Hütern der Unschuld,
Zärtlich bewacht; du legst sie ans Herz der ewigen Vorsicht.
Aber dich fesselt kein Schlummer; du suchst, vom Monde geführet
Und von geheimer Sehnsucht, die Flur, wo nächtliche Formen,
Dämmernde Düft' und phantastische Wesen leichtschwebend umherziehn,
Schöne Ruinen des Tags! – Du gehst, stolz auf die Gesellschaft
Rings um dich glänzender Götterwelten, im hellen Gesichte
Einer unendlichen Zukunft, mit triumphirenden Blicken
Gränzenlos schweifend; schon wallet dein Herz, schon schwinget die Seele
Ihre in niedrigem Stoff verwickelten Flügel, und athmet
Unsrer ätherischen Luft hell glänzende Ströme von ferne.
Theure Laura, dann sinkt mein treues mitleidiges Auge,
Voll Entzückung und Wehmuth, auf dich still thränend herunter.
Auch du siehest unwissend mich an, ein lieblicher Schauer
Zittert sympathetisch durch deine Adern, du siehst mich
Wie im Traume vor dir; dann schwellen erhabene Wünsche
Deinen Busen, die Lust zum Sterben bemächtigt sich jedes
Deiner Triebe – Und o! wie bist du es würdig, o Laura,
Daß dir der Vater des Schicksals die frommen Wünsche gewähre,
Daß er deinem Charikles, und diesen Gefilden des Lebens,
Und der Freundschaft der Engel dich schenke – Doch heilige Nächte 33
Weiser Fügungen trennen dich noch von den Sphären des Lichtes.
Noch soll Hoffnung und stille Geduld zur künftigen Wonne
Dich bereiten, noch soll sich dein Herz durch Prüfungen läutern,
Noch ein entartetes Alter von deiner Tugend bestrahlt seyn;
Und was am stärksten dich hält, noch hält dich deine Melissa.
Holder Name, wie schallst du mir lieblich! süßer als Lieder
Englischer Harfen, erquickender als olympische Winde,
Wenn sie um goldne Fluren und Lauben der Engel ertönen.
Theure Melissa, der Mutter so ähnlich, so schön wie die Wahrheit,
Heiter wie die ätherische Freude, voll Einfalt und zärtlich
Wie die Unschuld, entfalte nun deine sprossende Seele
Unter dem Einfluß der lächelnden Augen der liebenden Mutter.
Welch ein Anblick für himmlische Seher, für deinen Charikles,
In den irdischen Wüsten auf unkrautträchtigen Felsen
Eine Blume zu sehn, wie der himmlische Boden sie zeuget!
Dieser ist zwar von Bildungen voll, die kein irdischer Lustort,
Kein Paradies der Dichter erzeugt, dem erhabensten Fluge
Mal'rischer Phantasien entzogen; vollkommnere Formen,
Reinern Stoff und seelentzückende Harmonien,
Namenlose, nie welkende Freuden, unzählbar an Aendrung,
Beut sein unendlicher Busen uns an. Allein die Entzückung,
Die das Herz des Vaters durchströmt, der menschlichsten Freuden
Schönste, der Anblick des Kindes, das mit sanft glühenden Wangen
In die zärtliche Brust der schönen Mutter sich schmieget,
Die mit segnendem Blick auf ihren Säugling herabschaut,
Diese Wonne ward nur den Menschen gegeben! Sie würden
Engel sich wünschen, wenn irgend ein Wunsch in himmlische Herzen 34
Zugang fände. O Laura, wie warst du in meinen Augen
Dann so heilig, wie theuer mir jede der englischen Thränen,
Die dein lächelndes Aug' auf ihre rosigen Wangen
Thaute. Wo ist im engen Bezirk der irdischen Wonne
Eine mit der zu vergleichen? – O Tugend, wie göttlich beglückst du
Die dich lieben? Nachahmungen von olympischen Freuden,
Alles Gefolge der Liebe und Unschuld, Zufriedenheit, Ruhe
Und den Frieden der Seele, gewährst du den würdigen Menschen,
Welche, fern von der Welt, mit dir in einsamen Thälern
Wohnen, und willig an Wahn und Gold und Eitelkeit arm sind.
Mitten unter dem Spielzeug der Gottes vergessenden Wünsche,
Auf der Erde, wo buntes Nichts und Kronen und Wolken,
Leichte Flittern und schimpfliche Pracht und goldene Fesseln,
Wollust in Weinlaub versteckt, und Schmerz in der Larve der Freude,
Schaaren von Unvorsichtigen täuschen, wo ewige Seelen
Durch die Wildniß von Lüsten, des Himmels uneingedenk, taumeln:
Eben da schenkt die Weisheit, aus ihrer göttlichen Fülle,
Seligkeiten der Engel der kleinen geheiligten Zahl ein,
Die es wagen, und unter den menschlich verkleideten Thieren
Menschen sind und sich lieben, und in Beschauung der Wahrheit
Lieblich genährt, sich nicht mit Schatten zu weiden bedürfen.

Laura, dieß Glück ist dein, wenn Tugend und Reichthum der Seele,
Und die Liebe des zärtlichsten Freunds zu beglücken vermögen,
Und der Anspruch auf Ewigkeiten und Welten voll Wonne,
Die dir entgegen strahlen! Dein ist die lächelnde Liebe
Unsrer Melissa. O welche Quellen der lautersten Wollust 35
Kannst du in ihrer Brust dir eröffnen! wie süß, wie belohnend
Ist das edle Geschäft, ein Herz, in welches der Schöpfer
Seine Gestalt geprägt, die Würde des Wesens zu lehren,
Das in uns durch das graue Gewölk des Stoffes hervorblitzt,
Einst im vollen Mittag zu glänzen! Mit sorgsamer Klugheit
Leitest du sanft den Gang der jungen Gedanken und führst sie,
Wenn sie verirren, zurück; du wehrst mit freundlichem Ernste
Dem üppigen Trieb der Phantasie; du entwickelst
Jeden gutartigen Keim. Durch dich erblickt sie die Tugend
Früh in der reinen Schöne, die, wenn sie der Seele sich darstellt,
Unaussprechliche Lieb' erweckt und heißes Verlangen
Ewig sich ihr zu weihn. Du wachst, wie ein himmlischer Schutzgeist,
Ueber ihr Herz, und lehrst sie die Mienen der heuchelnden Bosheit
Von dem offnen Gesicht der holden kunstlosen Güte
Unterscheiden. Mit welchen Entzückungen dankt dir, o Laura,
Einst ein würdiger Mann, der in ihren schuldlosen Armen
Schon den Vorschmack der Wonne der bessern Welten genießet!

Sage nun, ist es erlaubt, so viel der Güte des Himmels
Schuldig zu seyn, und zu weinen? – Zwar Zähren der Ungeduld haben
Nie dein Aug' entweiht. Selbst da aus deiner Umarmung,
Aus der letzten Umarmung mein Geist entfesselt sich aufschwang,
Hubst du – ich sah es und segnete dich – die gefalteten Hände
Und die bethränten Augen empor, und lobtest die Vorsicht
Die mich glücklich gemacht! – Doch oft erliegt auch die Großmuth
Unter der Macht der stärkern Natur; dann strömet die Wunde, 36
Dann ertönet die seufzende Grotte von weinenden Wünschen,
Und das entflohene Glück kommt, siebenfältig verschönert,
Vor die träumende Seele, mit ihm die bleichen Schatten
Jeder goldenen Stunde der Lieb', ein banges Erinnern!

Glaube nicht, daß ich die Thränen verdamme, die Laura mir weinet,
Diese gutartigen Kinder der Menschheit, die in der Gesellschaft
Stiller Geduld so rührend blinken. – Doch, Freundin, ich fühle
Jeden zärtlichen Schmerz und jeden pochenden Seufzer
Deiner zärtlichen Brust. Auch wir, im Reiche der Wonne,
Auch wir fühlen wenn unsre Geliebten trauern, ihr Kummer
Tritt mit umwölkter Stirn in den Cirkel ätherischer Freuden.
O! unendlich bist du mir theurer, o Laura, seitdem mich
Jenseits des Todes die Hügel des Friedens empfingen! Die Tiefen
Die uns trennen, verwehren der sympathetischen Neigung
Nicht, hernieder zu eilen, und, zu den vertrauten Gespielen
In dem geliebten Herzen gesellt, mit ihnen gen Himmel
Wieder hinauf zu fliehn. Denn hat wohl die Zeit der Seele
Auch nur Einen Genuß aus ihrem dürftigen Reichthum
Anzubieten, der ihren Wunsch vom Fliehen zurückhielt?
Arme Begierden! sie zittern in dieser irdischen Wüste
Unerfahren umher, vom Irrthum in Thäler gelocket,
Schatten zu haschen, Gespenster des Glücks und lächelnde Qualen.
Mitleidswerthe Betrogne! sie wissen nicht, daß nur im Himmel,
Wo sie entsprungen sind, jeglicher Wunsch mit offenen Armen
Ihnen begegnet! – Doch nicht die deinen, o Laura, die schliefen
Nie vom Sirenengesang des schöngeschminkten Betruges
Sorgenlos ein; schon früh gewöhnte die junge Begierde
Sich zum kühnen ätherischen Flug. Im Lichte, das Engeln 37
Leuchtet, gab dir die Wahrheit die Erde zu übersehen,
Und du bewundertest nimmer! und deine Hoffnungen alle
Gleiteten von ihr ab. – O Laura, Laura, wie lange
Soll dich das irdische Leben den bessern Welten mißgönnen,
Die du zu zieren verdienst? Wie lange noch wehrt dir das Schicksal
Unter den Sphären zu schimmern? Ist nicht dein heiliges Herz schon
Ausgebreitet genug, den Himmel zu fassen, dein Auge
Fähig, die Nähe der Gottheit zu tragen? O säume nicht länger!
Komm! es sollen sich gern die diamantenen Pforten
Dieser Sonne dir öffnen, von deren Zinnen, o Laura,
Ich so vielmal nach dir mit zärtlicher Sehnsucht herabseh'.
Hier sind deine Begierden daheim, hier wohnen sie gerne
Sittsam und froh in Thälern der Ruh', in ambrosischen SchattenAmbrosische Schatten. Ambrosia war nach der Mythologie der Griechen die Götterspeise und Göttersalbe, welche Unsterblichkeit und ewige Jugend gab. Ambrosisch, von der Salbe hergenommen, galt für süßduftend, und dann für das Angenehmste und Lieblichste in jeder Art.,
Wo die Wollust an Quellen der Weisheit zur Speise für Engel
Reifet, voll himmlischer Kräfte, den Wuchs der Seele zu fördern,
Süßer als alles was Menschen entzückt, und doch nicht die schönste
Unter den empyreischenEmpyreisch ist hier wohl statt himmlisch oder überhaupt himmlisch glänzend gesagt, von Empyreum, mit welchem Griechischen Worte man den höchsten Himmel, den Aufenthalt der Gottheit selbst, bezeichnete, den Feuerhimmel, weil man ihn erfüllt von Licht und Glanze dachte. So dichtet hier auch Wieland, wie aus den folgenden Versen hervorgeht. Früchten. – Hier lebt dein Charikles,
Unter die Sonnenbewohner versetzt, im herrlichsten Schauplatz
Immer wechselnder Wunder. Hier, wo die Quelle der Schönheit
Nie versieget, die euch in trüben Bächen nur zufließt,
Würde Frühling der Erd' in seinem buntesten Schimmer
Vor der blendenden Pracht des geringsten Gegenstands schwinden
Wie ein mittäglicher Schatten. – Doch, wie beschreib' ich dir, Laura,
Neue Reihen von Dingen, wozu die irdische Schöpfung
Keine Bilder mir gibt? Kaum daß begeisterte Dichter, 38
Oder hochfliegende Phantasien in nächtlichen Stunden
Einen zitternden Blick in diese Reiche des Lichtes
Wagen, doch bald mit versengtem Aug' von den Göttergesichten
Niedertaumelnd, vergebens die namenlosen Gestalten
Wieder in sich zu finden, und wahr sich zu machen streben.
Hier ist Licht der einzige Stoff. Unzählbare Formen
Nimmt es unter der Hand der Natur, leichtbildsam, doch minder
Wandelbar als der irdische Klumpen. Die Strahlen des Lichtes,
Wenn sie, den Tönen gleich, in tausendfachem Verhältniß
Sich verbinden, entzücken mit sichtbaren Harmonien
Zartempfindende Sinne. So wurden unzählige Wesen,
Kinder der Symmetrie, unendlich an Schimmer verschieden
Wie an Bildung und Zweck, der Sonne gegeben. Sie machen
Ein bezauberndes Ganzes. In unvergänglicher Blüthe
Herrscht hier die Schönheit, und strahlt nur reine heilige Triebe
In die Seelen, die, innerlich frei, die Dinge beherrschen
Die sie umgeben. O Laura, könnt' ich diese dir schildern,
Deren himmlische Freundschaft mich hier beseligt, du würdest
Ungesehen sie lieben. Geschickt, auf Flügeln des Lichtes,
Oder süß duftenden Wolken von Erde zu Erde zu strahlen,
Nehmen sie feinere Bilder in ihr weiträumig Gedächtniß.
Freiheit lächelt auf ihrer Stirn, die heiterste Seele
Malt sich in jedem Auge. Der unumwölkte Verstand herrscht
Ungestört über ihr Herz, und formt mit zärtlicher Sorgfalt
Jede Idee nach dem Urbild der Wahrheit, das immer ihm vorschwebt,
Immer in Harmonien gestimmt, die dem göttlichen Ohre
Selbst gefällig ertönen. Nie stößt Begierd' an Begierde;
Lächelnd begegnen sich alle Gedanken, und eilen gesellig
Nach dem erhabensten Ziel. Gewiß der Umfang der Schöpfung 39
Hat nicht schönere Seelen! Vielleicht, daß irgend ein Himmel
Geister von höherer Kraft, ein andrer von schärferen Sinnen,
Oder in Leibern von hellerem Stoff zu haben sich rühmet;
Aber die schönsten der Geister zu tragen gebührt nur der Sonne.
O wie selig sind sie! Ihr einzig Geschäft ist Liebe,
Aus Erkenntniß des Schönen und Guten. So spähet ihr Tiefsinn
In der Schöpfung nur Gott, mit immer wachsender Inbrunst,
Lieben zu lernen; so freuen sie sich, in ihren Geliebten
Neue Vollkommenheiten zu sehn, und in sie zu pflanzen.
Diese Kinder der Sonne bewohnen, seitdem sie den Erden
Leuchtet, ihre krystallnen Bezirke; der herrschende Seraph
Der aus seinem ätherischen Tempel, als Gottes Statthalter,
Ueber den weiten Umfang des Sonnenhimmels gebietet,
Hat erst wenige mit sich in eine höhere Sphäre,
Da zu wohnen, geführt. Den immer zufriedenen Seelen
Scheinen Jahrhunderte nur wie flüchtige Tage zu rauschen.
Ihre Anzahl wird selten vermehrt; nur wenige Menschen
Findet die Vorsicht, mit ihrer Gemeinschaft belohnet zu werden,
Würdig; nur die, die, im irdischen Leibe den Adel der Seele
Früh erkennend, zu groß sich fühlen an sinnlicher Schönheit
Bald verwelkenden Blumen zu kleben, die ihre Begierden
Ueber des reizenden Stoffs mit Wollust bewachsene Hügel
Schwingen, und in der Beschauung des wahren Gott ähnlichen Schönen
Voll entzückter Bewundrung ruhn, und ihr Herz nach ihm bilden.
Unter diesen war ich. Der menschenfreundlichen Tugend
Dank ich's, und, Laura, dir. Wer konnte dich, göttliche Seele,
Kennen, und sonst was Sterbliches lieben? Wie leicht ist's dem Herzen, 40
Dem sich die Tugend in solchen allmächtigen Reizungen anbeut,
Sie zu lieben! Du lehrtest es mich. In deiner Umarmung
Reinigte sich mein Herz, und jede Bewegung ward sanfter,
Glühender jeder Entschluß zu edeln Thaten. Du warst mir
Wie ein Erinnrungszeichen, daß Himmel meiner erwarten.
Konnt' ich dich ansehn, und irdisch denken? Du gabst mir, o Freundin,
Schon auf der Erde, was andre Welten begehrungswerth machet.
In dem verlassensten Winkel der Schöpfung, in den sich der Irrthum
Mit dem ganzen Gefolge des winselnden Elends geflüchtet,
War ich durch dich beglückt, durch dich und die selige Neigung
Andre mit mir zu beglücken. Nun leb' ich, wo Schönheit und Liebe
Königlich herrscht, wo nie das Aechzen der leidenden Unschuld
Unter die Symphonien der heiligen Freuden sich mischte;
Wo beim Anblick der Tugend kein Neid entbrennet, die Schönheit
Nie gehaßt wird, und Unschuld nie ihr Verderben gereizt hat;
In Gefilden des Friedens, wo, wie ein himmlischer Frühling,
Ewige Freundschaft herrscht, und mit ihren lächelnden Schwestern
Niemals welkende Kränze von liebenden Seelen sich bindet.

Laura, was fühlest du, da ich dir meinen unsterblichen Wohlstand
Nur mit dunkeln Farben und menschlichen Bildern entwerfe?
O wie klopft dir die Brust? wie glüht dein thränendes Auge?
Doch mein Glück ist größer, als meine Wort' es dir malen,
Und nur mit dir getheilt, in deinen Umarmungen doppelt,
Ueberschwänglich gefühlt, kann meine Wonne sich mehren.

Selige Stunde, wann wird dein glänzender Flügel sich aufthun? 41
Stunde des Wiedersehens, wann führst du mir Lauren entgegen?
Still, mein verlangendes Herz! Sie ist nicht ferne! Und wenn auch
Irdische Jahre sie noch mir vorenthielten. Indessen,
Bleibst du, Geliebte, dem sichern Schutz der Tugend vertrauet!
Da ist der Himmel, wo sie! Sie zwingt auch Wüsten, zu blühen,
Mitternächte zu leuchten. Wenn sie ins reine Gewissen
Wonne lächelt, so ruhst du, auch in der ödesten Wildniß,
Immer umgeben von stiller Erwartung der seligsten Zukunft,
An der getreuen Brust der Hoffnung, die immer das Beste
Ahnet, so sanft, als ob um dich der Elysium blühte. 42

 


 


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