Christoph Martin Wieland
Briefe von Verstorbenen
Christoph Martin Wieland

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Erster Brief.

Alexis an Dion.

Inhalt. Alexis, der in seinem Erdeleben blind gewesen war, entdeckt seinem Freunde die Ursache davon, und beschreibt seinen Eintritt in die unsichtbare Welt, seine ersten Gefühle in diesem neuen Zustande, seine Gespräche mit dem Engel, der ihn führte, und seine gegenwärtige Glückseligkeit.

                    Freund, die Liebe, die uns im irdischen Leben vereinte,
Hat mein Sterben erhöht. Wie könnt' ich mein himmlisches Glück dir
Länger verhehlen, da einst uns jede Freude gemein war?
Billig weih' ich die Erstlinge dir der himmlischen Früchte
Deiner göttlichen Freundschaft, die ich mit Seraphim breche.
Doch du genießest sie schon, indem dein Freund sie genießet,
Und durch dich sie genießt. Welch eine himmlische Wollust
Muß es durch dein Innerstes athmen, das süße Bewußtseyn
Einen Engel gebildet zu haben! So lohnet die Weisheit!

Dion, du weißt, wie freudig der Tod mich fand, ihm zu folgen,
Ja ganz thränenfrei, hätte mich nicht mein Dion gehalten 4
Und die Klagen der zärtlichen Schwester. – Ich hoffte vom Tode,
Was mir ein nächtliches Leben verweigert hatte; still lauschend,
Horchte mein Ohr dem Rauschen des Todesengels entgegen,
Dem ich flehte, zu eilen. Er kam. Sein kältender Anhauch
Schauerte sanft durch jede Ader; nur flüsternden Lüftchen
Aehnlich berührte mein Ohr die weinende Stimme der Freundschaft,
Und jetzt sank ich in süße Betäubung, so sanft wie der Abend
In die Arme der Nacht auf weiche Blumen dahinsinkt.

Als ich erwachte, o Wunder! so schwebt' ich, vom Körper entfesselt
Und von ätherischem Schimmer umflossen, über dem Lager,
Wo ich die irdische Schale gelassen, um die ihr im Kreise
Sprachlos standet. Mit schüchternem Blick voll froher Verwundrung
Sah ich zweifelnd umher, und, des Lichts noch ungewohnt, schlossen
Immer die Augen sich wieder, wiewohl der irdische Mittag
Einem ätherischen Auge nur matter dämmernder Glanz scheint.
Lange sah ich euch an; doch deine geliebte Melinde
Strahlte mir bald am stärksten ins Antlitz. Mit bebendem Herzen
Naht' ich mich ihr, von heiligen Sympathien gezogen,
Voll Gefühles, wozu die menschliche Zärtlichkeit keinen
Namen erfand, aus Ehrfurcht, Mitleid und Liebe gemischet.
O wie schien sie mir schön, obgleich vom Kummer umwölket,
Wie ein sterbender Frühling! Die Hoheit der göttlichen Seele
Drang aus den bangen Zügen hervor; sie sah auf den Leichnam
Selbst halb seelenlos hin; mein Herz zerfloß mir in Mitleid.
Lange stand sie, und sah mit starrem Auge gen Himmel, 5
Thränenlos, mit schwerathmender Brust: und Todesblässe
Deckte die Wangen, bis endlich der Schmerz vom Herzen zurücktrat
Und in Thränen zerfloß. Voll inniger Zärtlichkeit naht' ich
Sie zu entküssen, der göttlichen Schwester, mit offenen Armen,
Als ein himmlischer Glanz, mich rings umgebend, in seinen
Blitzenden Wirbel, mit sanfter Gewalt, mich plötzlich emporzog.

Eine Göttergestalt trat aus dem eröffneten Lichtkreis
Majestätisch hervor, und löschte der irdischen Schönheit
Dunklere Bilder aus meinem Gemüth', wie die steigende Sonne
Schnell das Morgengewölk und die flüchtigen Schimmer der Dämmrung
Löscht, und in triumphirendem Glanz den Himmel erfüllet.
Mein zu junges Gesicht ertrug den Anblick des Engels
Einen Augenblick kaum; ich sank in sanfter Betäubung
Ihm in die zärtlich eröffneten Arme. Die himmlischen Lüfte,
Die sein düftender Fittig verweht', erweckten bald wieder
Mein entschlafnes Gefühl. Er hatte mit schwächeren Farben
Seine zu göttliche Pracht gemildert. Jetzt sah ich ihn kühner
Und bald unverrückt an: die Liebe, die mir sein Lächeln
Eingoß, stärkte mein Auge zum überirdischen Auftritt,
Der mir entgegenglänzt'. Er hieß mich folgen. Wie lieblich
Floß sein Befehl aus den ewig blühenden Lippen! So lieblich
War nicht das süße Stammeln, das dich in Entzückungen setzte,
Als dir in deiner seligsten Stunde die sanfte Melinde,
Daß sie dich liebe, mit zärtlichen Seufzern der Unschuld bekannte.
Liebevoll sah ich noch einmal zurück auf die weinende Schöne;
Einmal auf dich, dann folgt' ich dem Engel durch Seen von Strahlen,
Welche die milde Sonn' aus tausend Quellen hervorgibt,
Welten zu tränken. Mein Blick zerfloß in der blendenden Aussicht 6
Durch den ätherischen Raum. Sein unermeßlicher Umfang
War noch glänzendes Chaos für mich. Indem wir so flogen,
Sprach mein Führer, und zog wie einen Schleier von Wolken
Ueber mein Antlitz, den mächtigen Einbruch des Tages zu dämpfen,
Der mich blendete. »Sohn (so sprach mein göttlicher Führer),
Unterdeß, bis dein Auge des himmlischen Lichtes gewohnt wird,
Höre mir zu, und lerne mich lieben. Von deinen Freunden
Bin ich der erst' und zärtlichst'. Ich habe, vom Schöpfer befehligt,
Da du gezeugt wardst, dich zur dunkeln Erde begleitet.
Unter mir wuchsest du auf, ob meine wachsame Sorgfalt
Dir gleich unsichtbar war. Ich war's (kaum wirst du es glauben)
Der in der ersten Kindheit die Quelle des Lichtes dir stopfte,
Da du am Busen der Mutter noch lagst in kindischer Schönheit,
Ihre geliebteste Lust und von der freigebigen Hoffnung
Schon mit jedem Glücke begabt. – In welche Betrübniß
Stürzte sie meine Wohlthat! Wie viele thörichte Zähren
Wurden geweint, indem dein Engel sich über dir freute!
Auch du empfandst den Verlust und weintest, die liebende Mutter
Nimmer mit lächelndem Blick auf dich sich neigen zu sehen,
Wenn du an ihrem Halse mit schmeichelnder Zärtlichkeit scherztest.
Ach! sie wußte nicht, welche Gefahr die gierigen Augen
Dir bereiteten; schöne Gefahren, worin sich die Seele
Willig verliert. Die Vorsicht sah die verderblichen Netze,
Welche die irdische Schönheit dir legen würde. Man nennt sie
Freuden, ein lockender Name, wie viele hat er getäuschet!
Dein zu empfindliches Herz, das jeder Wollust sich aufthat,
Hätte sich unvorsichtig in sanft verstrickenden Blicken
Jeder Sirene gefangen. Die Vorsicht wußt' es und nahm dir
Augen, die nur den blumigen Weg zum Verderben zu leuchten, 7
Schöner und feuriger glänzten. Schon manche willige Seele
Hat ein reizendes Aug' in Labyrinthe von Freuden
Täuschend gelockt, und dem stygischen Drachen, der Nachreu', geliefert,
Der den Ausgang bewacht. – Zwar jetzo würden die Dinge,
Welche die Menschen der Tugend entlocken, dir lächerlich scheinen,
Was Gefahren für Sterbliche sind, ist helleren Geistern
Kindischer Tand. Was ist der Schimmer von blitzenden Kieseln
Um der Könige Haupt? Was tausend goldene Sklaven
Dem, der über dem Kreise der Sonnen die himmlischen Schaaren
Zahllos, in göttlichem Glanz, vor dem die Sonnen erblassen,
Um die Stufen des Throns anbetend liegen gesehn hat?
Was sind schäumende Becher mit ihren taumelnden Freuden,
Rosenarmige Mädchen und lockende Myrtengebüsche
Voll verliebten Gemurmels, Entzückung und Seufzer der Wollust,
Kränze tanzender Nymphen, und Töne voll schmachtenden Reizes,
Einem unsterblichen Geist, von dem Ein großer Gedanke
Schöner ist, als das ganze Gepränge des leblosen Stoffes,
Dessen Begierden noch selbst im Besitz unzähliger Welten
Fordern würden? Kann sie, die stolze Verwandte der Engel,
An Glycerions Busen nur sterblich zu seyn sich bereden?
Dennoch, du weißt es, geschieht dieß auf Erden. O danke der Vorsicht,
Daß du es nicht von der Reue gelernt. Du Glücklicher, sahest
Nie die holden Verführerinnen in ihrem Triumphe,
Leichter ward es dir, immer getreu der Weisheit zu bleiben,
Da du niemals den Reiz der Nebenbuhlerin sahest, 8
Die ihr so viele Verehrer entlockt. Zwar ist auch die Tugend
Schön, und die Mutter des reinsten Vergnügens: doch flüchtigen Augen
Unsichtbar und zu geistig. Sie führt vom Genusse zur Hoffnung,
Und wie schwach ist der Mensch, durch gegenwärtiger Wollust
Stärkern Glanz in die Zukunft hindurch zu schauen? – Zuweilen
Zeigt sich die Tugend sogar in sinnliche Schönheit verkleidet,
Und wer liebt sie da nicht? Doch wird sie in goldenen Zimmern
Selten gefunden, noch seltner auf Rosenwangen. Sie meidet
Gern die Gestalt, in welcher vermummte Laster oft lauern.
Sie in ihrer unsterblichen Schöne, in himmlischem Schmucke
Königlich in den Reichen der unvergänglichen Wonne
Herrschen zu sehn, ist Engeln und edlern Welten gegönnet,
Sterblichen nicht. Wie leicht, wenn sie, wie die lächelnde Venus,
Mit Entzückung und Scherzen umgeben den Menschen erschiene,
Würde die Thorheit mit ihrem Gefolg in die Reihen sich mischen,
Und ein vertünchtes Scheusal für Tugend umarmet werden! –
Doch, ich sage dir, was ich dich selbst, die Vorsicht zu retten,
Deinem würdigen Freund oft in der einsamen Laube
Sagen hörte. – Noch ist die Erinnrung der Stunden mir lieblich,
Da mich der süße Ton vertrauter Gespräche der Freundschaft
Von olympischen Symphonien zurück hielt. Ergötzend
Schallt es in eines Unsterblichen Ohr, wenn liebende Menschen
Sich in schweigenden Schatten von ihrem Glücke besprechen;
Lieblicher, wenn ein Jüngling den bildsamen Freund in dem Busen
Eines umhüllenden Thals am kühlen Abend die Weisheit 9
Lieben lehret; die Weisheit, die staubigen Winkeln gehässig
Oft in Hainen gesehn wird, und willig dem Jüngling begegnet,
Der sein Herz ihr eröffnet. Wie oft hat dieses Vergnügen
Mir dein Dion gegeben? Von seinen beredsamen Lippen
Floß ambrosische Wahrheit! Die Ueberzeugung belebte
Seine Reden, er red'te nur was er erfahren, und fühlte.
Und wie eröffnete sich dein Herz so willig der Weisheit!
Da dir die sichtbare Welt verschlossen war, wandte dein Geist sich
In sich selber, und ward mit seiner Bestimmung bekannter;
Hörte lauschend die fordernden Stimmen der zartesten Triebe,
Und, statt jener betrüglich süßen vergiftenden Früchte,
Die der fette verwilderte Boden der Sinnlichkeit zeuget,
Nährtest du sie mit Freundschaft und Hoffnung, der einzigen Speise,
Die sie auf Erden erquickt, in deren erkältendem Grunde
Aechte, unsterbliche Freude nicht wurzelt. Leer an Phantomen,
Deren Geräusch die Stille der ernsten Ideen nur störet,
Konntest du im Verborgnen die holde Weisheit umarmen,
Die dir nun in die Ewigkeit folgt. Und diese, Geliebter,
Ist nun dein; ein uferlos Meer unerschöpflicher Freuden,
Dich und Engel zu tränken. Für wenige nächtliche Stunden
Oeffnen sich dir Aeonen voll Licht in unendlichen Reihen,
Eifernd breiten vor dir Myriaden göttlicher Welten
Ihre Reizungen aus, verschiedner und weniger zählbar
Als die Blumen, die über ein irdisches Hybla der Frühling
Streuet. Hier führt der Genuß, von keinem Wunsche gestöret,
Stets zum höhern Genuß: der müßte Gott zu seyn wünschen,
Der hier noch wünschen könnte, wo Engel in Ueberfluß schwimmen. 10
Aber der strengere Flug ermüdet dich, laß uns hier ruhen,
Denn wir werden, bis wir dein künftiges Wohnhaus erreichen,
Manchen Himmel durchstrahlen.« So sprach mein Schutzgeist, und stand jetzt
Neben mir auf dem krystallenen Gürtel des fernen Saturnus.

Jetzo hub ich mein Aug' empor, und sahe verwundernd
In die ätherischen Felder. Da flammten unzählbare Sterne
Um mich in gränzenlosen Weiten; die einen schossen wie Blitze
In das geblendete Auge; die andern, dem Abendstern ähnlich,
Hauchten ein sanfteres Licht. In weiten helleren Kreisen
Ruhten die Sonnen in göttlicher Pracht; in kreisendem Fluge
Drängten sich, zahllos, die Erden zu ihrem beseelenden Lichte.
Dreimal sank ich entzückt auf mein Antlitz, erhabne Gedanken
Schwellten in meiner Seele sich auf, und strebten gen Himmel,
Hin zu dem göttlichen Licht, von dem die Funken hier schwammen.
Auch der Engel, wiewohl des göttlichen Schauspiels gewohnet,
Theilete mein Entzücken, und sah mit denkenden Augen
Bald in die sternvolle Tiefe, bald auf mein Antlitz, das heller
Schimmert'. Jetzt stürzt' ich behend in den glänzenden Abgrund mich wieder,
Athmete geizig die himmlische Luft, und fühlt' es, o Dion,
Daß hier mein Vaterland sey. Wir flogen weiter. Die Freude
Ueber mein neues Leben gab meinem Fluge des Lichtes
Schnelligkeit. Ganze Himmel entflohen mit ihren Gestirnen
Unter uns weg. Schon schaut' ich mit festern geübteren Blicken
In den ätherischen Ocean hin. Wie staunt' ich aufs neue,
Da ich, was ich für Wüsten gehalten, von glänzenden Wesen
Wimmeln sah; Thieren, von seltsamer Bildung, ätherischen Fischen, 11
Wenn ich so sagen kann. Die Wogen des grundlosen Aethers
Rauschten von ihren vielfarbigen Schwingen. Kein reisender Engel
Steht so betroffen, wie ich, indem er vom eilenden Fluge
Seitwärts zur Erde sich lenkt, die Wunder der Schöpfung zu sehen,
Die ihr wallender Busen enthält. Durch berstende Meere
Eilt sein glänzender Fuß; von einer Nais geleitet,
Zum krystallnen Palast des Herrschers der Wasser. Hier schimmert
In den erhabnen Gewölben der ganze Reichthum des Meeres,
Perlen und funkelnde Stein' und tausendfarbige Muscheln,
Die an Bildung und blühendem Schmelz die Blumen des Frühlings
Uebertreffen. Das Auge, das edlere Welten gesehn hat,
Säumt sich auf diesen Wundern. Jetzt mustert der König der Meere
Seine Schaaren vor ihm; da wälzen sich lebende Berge
Bei ihm vorbei; ein unzählbares Volk aus Seen und Flüssen,
Vielfach an Bildung und Leben, verwandt mit Thieren und Vögeln,
Rauscht den mächtigern nach; auch bringen gezähmte Delphine
Perlenfarbene Nymphen, sie kommen aus silbernen Grotten,
Oder Korallenhainen: der Engel erstaunet, die Erde
Und die befiederte Luft im Wasser nachgeahmt sehend,
Menschliche Fisch' und schuppige Vögel und thierische Pflanzen.
Freund, ich erstaunte noch mehr. Doch könnt' ich, was ich gesehen,
In der irdischen Sprache dir malen? Die Sprache der Engel
Selber ist noch zu arm die Wunder des Schöpfers zu nennen.

Mein Begleiter sah meinen Geist in Bewundrung versunken, 12
Ob ich gleich schwieg. Er sagte: wie billig entzückt dich der Anblick
Einer dir neuen Schöpfung! Du glaubst die Gottheit zu sehen,
Die du vorher nur geahnt. Du fühlst sie dir näher, und schmeckest
Still in dir selbst die Seligkeiten des großen Gedankens,
Daß, der diese Himmel ins Leben hauchte, dich liebet,
Er, dem diese Sonnen, von seiner Urkraft gezogen,
Zitternd sich nähern, in dessen Beschauung der göttliche Cherub
Keines Anblicks die Schöpfung zu seinen Füßen mehr würdigt.
Aber wie wirst du erstaunen, wenn dich die Erfahrung gelehrt hat,
Daß du nur einen Winkel des unermeßlichen Weltbaus
Mit überlaufendem Blicke gesehn. Die Ewigkeit hält dir
Einen Schatz von Erkenntnissen auf, den niemand erschöpfet.
Und wer könnt' es? wo ist ein Erschaffner, die Gränzen der Schöpfung
Auszufinden? die Gränzen der allesvermögenden Güte?
Hier, hier wachsen die Flügel der Seele, die göttliche Liebe,
Liebe zum einzigen Wesen, dem alle Herzen gehören,
Zu dem Wesen der Wesen, dem, als es ins ewige Nichts sah,
Myriaden von Welten, dem neidischen Chaos entringend,
Lächelnd entgegen kamen: zu ihm, der mit Einem Hauche
Seines Mundes die Geister erschuf, in denen sich selbst er
Nachgeahmt, er, der Alles in Allem ist, Alles erfüllet,
Und wohin sein göttlicher Blick im unendlichen Raume
Ausstrahlt, immer sein eigenes Bild in unzähligen Spiegeln
Dargestellt sieht. Ihn sehen in jeder Sphäre des Himmels
Ihre Bewohner, ihn siehet im Staub und in Sonnen der Engel.
Nur der thierische Mensch, versunken im Schlamme des Stoffes, 13
Hat kein Auge, das Licht, das ihn durchleuchtet, zu sehen,
Hat kein Ohr zu vernehmen, was jeder Laut in der Schöpfung,
Was ihm der mächtige Einklang von allen Wesen verkündigt.
Dieß ist's, was den Besuch der Erde den Himmelsbewohnern
Widerlich macht. Verschlössen nicht hier und da einzelne Hütten
Menschen mit reinem Herzen und offnen inneren Sinnen,
O! wir scheuten den niedrigen Sitz des Lasters und Aufruhrs
Und die einzige Welt, die wider Gott sich empöret.

Während mein Führer dieß sprach, entdeckte sich endlich die Sphäre
Die ich bewohne, dem suchenden Aug'. Aus hundert Gestirnen
Strahlte sie prächtig hervor. Mit dreimal schnellerem Flügel
Flohn wir ihr zu; ein süß erquickender cirkelnder Lichtstrom
Ging von ihr aus; nie gefühlte Wollust durchstrahlte mein Wesen.
Ich empfand, daß der Leib, womit mein himmlischer Schutzgeist
Mich im Tode bekleidet, für diese Sphäre geschaffen,
Seine Geburtsluft hauchte, er schien mir verklärter und leichter.
Sieben sapphirne Monde gehn mit harmonischen Schritten
Um sie herum. Mit der sanften Dämmrung des fernsten Begleiters
Sanken wir auf die schönste der Welten. – Doch, Dion, hier schweigen
Alle Menschenbegriffe: was ich gefühlt und gesehen,
Wirst du alsdann erst fühlen und sehn, wenn die einzige Hoffnung,
Die der Tugend auf Erden erlaubt ist, der Tod, dich mir zuführt. 14
Hier wo ich wohn' ist der Sitz der Schönheit. Die übrigen Sonnen
Scheinen nur Schatten von ihm. Ein Engel, der tausend Olympe
Durchgeflogen, verweilet sich hier; sein Fuß, wie geheftet,
Säumt auf den lazurnen Hügeln, und fast vergißt er im Anschau'n
Seines Fluges erhabnen Zweck. – Hier herrschet die Weisheit
Schattenfrei, einfach, göttlich, die Schöpferin ewiger Wollust.
Jeglicher Blick ist Wahrheit, in jeder Empfindung der Himmel;
Jede Minute schwingt sich, mit Lobe der Gottheit beladen,
Zum benachbarten Himmel der Himmel. Die heiligen Geister
Die hier wohnen, umarmen mich irdischen Fremdling so zärtlich,
Als sie einander umarmen. Ich ruh' an der reinesten Freude
Ewigem Brunnen. Ich bet', in Entzückungen ausgegossen,
Ihn, den Unendlichen an, der mich durch Tiefen von Liebe
So beseliget hat. – O Freund, zu welchem mein Herz sich
Mitten aus diesen Freuden nach deiner Erde gezogen
Fühlet, mein ähnlichster Freund, wann kommst du, die Früchte der Tugend
Mit mir von Bäumen des Lebens zu brechen? Wann werd' ich dich wieder
Sehen, mit dir das Glück, das ich dir danke, zu theilen! 15

 


 


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