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12

Der Winter war gekommen und gegangen. Auf dem Schrank mit den Masken stand ein silberner Becher, und jeden Morgen nahm Bildermann ihn in die Hand und wischte mit einem wollenen Tuch sorgfältig den Staub von ihm ab. Die Inschrift in dem glänzenden Metall besagte, daß Thomas von Orla und Friedrich Wilhelm Bildermann in einem Eisschlittenrennen den ersten Preis gewonnen hatten. Sie hatten den Schlitten nach jenem Abend zu bauen begonnen, als Bildermann am Herd eingeschlafen war. Er hatte den Plan entworfen und das meiste dazugetan. Er hatte Thomas auch dazu überredet, nach dem großen See zu fahren und ihre Kräfte mit anderen zu messen. Es war ihm ab und zu nötig erschienen, daß der Kapitän »unter Menschen« kam. Thomas hatte gehorcht und war sogar zur Preisverteilung geblieben, aber es war ihm anzumerken gewesen, daß es ihm gänzlich gleichgültig war, ob man ihm einen Silberbecher oder eine Kegelbahn überreichte. Er schrieb gerade an den letzten Kapiteln seines zweiten Buches, und als sie mit dem Silberbecher heimfuhren, hatte er Bildermann gefragt, ob ihm der Titel »Der Schlachtengott« gefalle oder ob er den anderen vorziehen würde: »Über die zweifelhafte Haltung Gottes bei Seegefechten«.

Nein, mit dem Kapitän war in diesem Winter nicht alles in Ordnung gewesen. Zwar war er beschäftigter gewesen als früher, und alle Mondscheinabende hatte er mit der kleinen Büchse am Luderplatz zugebracht, nachdem er den Füchsen den Krieg erklärt hatte. Auch ein Fernrohr hatte er angeschafft und halbe Nächte in den entlaubten Eichenwipfeln zugebracht. Aber von allen diesen Dingen kam er nicht eigentlich mit einem frohen Gesicht heim. Es war, als hätte er aufgehört, zu spielen, und als suche er jetzt nach den Regeln, die hinter allem Spiel ständen. Sein Gesicht war immer stiller geworden, wie das Gesicht eines Menschen, dessen Beruf es ist, beim Sterben zuzusehen. »Wir sollten einmal zum Tanz gehen, Kapitän«, hatte Bildermann eines Abends gesagt. Aber Thomas hatte ihn nur nachdenklich angesehen und gesagt: »Er wird uns schon auffordern, Bildermann. Sei nur ohne Sorgen …« Und dabei waren seine Augen so seltsam gewesen, daß Bildermann sich geschämt hatte, einen so dummen Vorschlag gemacht zu haben.

Der Winter war gekommen und gegangen, und die Insel hatte sich wieder mit Grün bedeckt, als hätte niemals ein Mantel von Schnee und Eis auf ihr gelegen. Es war ihnen beiden erstaunlich, wie ein Stück Land so unverändert durch die Jahre und Jahrzehnte ging, indes in ihrem Haar die grauen Fäden immer dichter wurden.

Auf dem Grab an der Försterei wuchsen schon die Blumen, und die dunkle Frau ging ein paarmal in der Woche an den Holzzaun, legte die Arme auf das Staket und sang ihre leisen, wortlosen Lieder, zu denen ihr Oberkörper sich hin und her wiegte. Sie war unverändert geblieben in diesen Jahren, nur ihr Gesicht war immer weißer geworden, als trinke in den langen, schweigenden Nächten ein Gespenst das Blut aus ihrem Herzen. Kam Bildermann mit seinen wehenden Mützenbändern vorbei, so hielt sie ihn an und bat ihn, ihr eines seiner Lieder vorzusingen, und sie verfolgte jede Bewegung seiner Lippen, als sei sie taub und könne seine Worte nur sehen, statt sie zu hören. Das Frühjahr war heiß und schwül, und frühe Gewitter gingen flammend mit kurzen, schweren Regengüssen über die Wälder. Die Sonne brütete Ungeziefer aus, Maikäfer zerstörten die Birkenschonungen, und die alten Leute weissagten die Wiederkehr des Antichrist.

Auf der Insel dachten sie daran, daß das Kind nach diesem Sommer heimkommen würde, aber Thomas war voller Unruhe, und schwere Träume suchten ihn in den Nächten heim. Einer ihrer Fischkästen war eines Nachts erbrochen und geleert worden, und obwohl der Dieb noch am gleichen Tage von Bildermann und dem Landjäger ergriffen werden konnte, stand Thomas in jeder Nacht ein paarmal am Ufer und lauschte über das dunkle Wasser hin. Es könnte mehr geschehen, als daß sie Fische stahlen, und er erinnerte sich, daß er »allezeit in Treue zu seiner Herrschaft zu stehen« hatte.

Auch war ihm hin und wieder im Traum, als rufe eine Stimme von fern her nach ihm oder nach einem menschlichen Trost. Sie war so weit, daß sie im Walde oder noch hinter den Wäldern sein mußte. Nie war zu verstehen, was sie rief, aber Angst und Trauer erfüllten sie und jene Dumpfheit des Seins, die nur in Träumen oder im Fieber zu Hause ist.

Einmal, als sie gerufen hatte, warf er einen Mantel über und machte das Boot los. Er glaubte sich zu erinnern, daß die Stimme von den Bruchwiesen gekommen war, wo das hohe Schilf um die schwarzen Gräben stand und die Rohrdommel am Abend schrie. Er war ganz wach, aber es war wie ein Schleier vor seinen Augen, und mitunter vergaß er während des Ruderns, daß er auf dem See war. Der Himmel im Nordosten war schon rötlich beglänzt, von einer unwirklichen Klarheit des Lichtes, aber am Ufer standen die Schilfhalme noch wie ein dunkler Wald, und die Erlen auf den Wiesen ragten wie Häuser in den weißen Bodennebel.

Der Kiel des Bootes stieß auf den moorigen Grund. Blasen stiegen auf und zergingen mit einem dunklen, seufzenden Ton. Thomas blieb sitzen und lauschte über das Land hin, aber nur das Wasser in den Gräben war zu hören, wie es fast lautlos über eine Wurzel glitt, und das leise Beben einer Espe, die unsichtbar im Nebel stand. Die Sterne verblaßten schon, und ein Windhauch kam vom Bruch her über das Land. Er war erfüllt von dem Geruch verwesender Pflanzen, und einen Augenblick lang war es Thomas, als halte er im Delta eines der großen Ströme der anderen Halbkugel, die breit und träge sich dem Meer entgegenschoben, und als atme er die Luft, die gesättigt war von dem Duft der großen Blüten und dem verwehenden dumpfen Hauch großer Tierfährten, die sich mit schweren Spuren auf die gärende Erde legten.

Doch war keine Stimme zu vernehmen, die in seinem Traum gerufen hatte. Er stieg aus und ging in den Nebel hinein, der ihm bis zur Brust reichte. Die betauten Gräser schlugen kalt an seine bloßen Füße, und nur wenn die Erde nachgab, stieg es warm aus der Tiefe herauf. Er ging immer weiter, ohne ein Ziel, und während der ganzen Zeit ging ein Kindervers sinnlos mit ihm mit, der aus der Vergessenheit aufgestiegen war und nun seine Lippen ohne sein Zutun bewegte. »Steht ein bucklicht Männlein da, fängt als an zu niesen …« Anfang und Ende waren verlorengegangen, aber diese wenigen Worte wiederholten sich immer wieder, bekamen einen Rhythmus und eine eintönige, schläfrige Melodie, die unter der Erde wieder auf genommen wurde, dort wo die Blasen unter seinen Füßen aufstiegen.

Es dauerte so lange, bis ein Kranich mit einem helltönenden Schrei vor seinen Füßen aufstieg und die wie Erz tönende Stimme den Nebel und den Spuk zerriß. Er blieb stehen, schwankend vor Müdigkeit, und sah dem Leib des Vogels nach, auf dessen bläulichem Gefieder schon das Morgenrot glänzte. Der Nebel zerstreute sich, die Bäume standen mit vertrauten Umrissen auf dem betauten Grund, und zu seiner Linken strömte aus dem hohen Morgentor das rötliche Licht mit großartiger Klarheit über die Welt.

Er wußte nicht, wo er war. Er wußte kaum, wie er hierhergekommen war, aber die dunkle Spur im hellen Tau leitete ihn zurück. Bevor er die Insel wieder erreichte, ging die Sonne über dem Walde auf, und Bildermann zog das Boot an der Kette auf den Sand. Seine Augen waren besorgt, aber er fragte nicht, deckte Thomas nur ordentlich zu und schloß die Läden. Ja, er wollte heute allein die Netze besorgen.

»Vielleicht bin ich krank, Bildermann«, sagte Thomas schon im Einschlafen. »Irgend etwas stimmt nicht da draußen …«

»Die Leute sagen, daß es die ›Sucht‹ ist, Kapitän«, erwiderte Bildermann ruhig. »Es gibt so Nächte, wo das Wasser nach uns ruft, aber man muß sie verschlafen.«

»Meinst du, daß das Wasser ruft?« fragte Thomas, aber Bildermann brauchte nicht zu antworten, denn er sah, daß sein Herr schon eingeschlafen war.

Am Ufer untersuchte er das Boot, in dem Thomas ausgefahren war, aber er fand nur die Spur seiner nassen Füße auf dem Bretterboden. Sie war schon zur Hälfte getrocknet, und der Rest sah wie die Fährte eines großen Tieres aus, als sei es in der Nacht über ihre Boote gestiegen.

Bildermann bückte sich und streute trockenen Sand über die nassen Flecken. Er war immer ein wenig abergläubisch gewesen.

Thomas schlief sich gesund nach Bildermanns Rat, aber in diesem Sommer fiel der Vorhang, von dem er zu dem General gesprochen hatte, zweimal, und beide Male bewegte es die Landschaft weithin, als gehe es nicht nur die beiden an, die er verhüllt hatte, sondern alle anderen, und als sei es ein Zeichen, an die Wand des Himmels geschrieben, hoch und mit feurigen Buchstaben, damit niemand es übersehe.

Zuerst fiel er über die dunkle Frau, und man mochte meinen, daß ihr abseitiges und erloschenes Leben sich noch einmal habe in Erinnerung bringen wollen, so großartig schrieb der Tod sein Zeichen über ihre letzte Stunde. In Wahrheit aber war ihr zerstörter Sinn wohl so lange um jenen feurigen Panzerturm gekreist, in dem ihr Kind zu Staub vergangen war, daß ihre dumpfen Gedanken ohne Bewußtsein die Fäden wieder zusammengeknüpft hatten, wo der Tod sie damals zerrissen und verbrannt hatte, so also, daß der zerstörte Weg des Blutes zwischen Mutter und Kind sich wiederherstellte und ihr Tod aus seinem Tod sich gebar, so wie sein Leben sich einstmals aus ihrem Leben geboren hatte.

Auf der Insel waren sie schon zur Ruhe gegangen, als Thomas den Glockenschlag der Schloßuhr zu hören meinte. Zuerst glaubte er, daß es im Traum wieder nach ihm rufe, aber als er den Kopf vom Kissen hob, unterschied er deutlich die Schläge der Hofglocke, die an einem Strick gezogen wurde und die nun unaufhörlich und in Not über das Wasser rief. Gleichzeitig sah er den roten Schein vor dem Fenster stehen, sprang auf und rief nach Bildermann.

Es ging kein Wind, und so mußten sie rudern. Das Feuer stand ruhig über dem Walde, nur mitunter hob eine einzelne Lohe sich hoch über den Schein hinaus, und eine Funkengarbe zerfiel in tausend Sterne, die langsam zurücksanken und erloschen. Auf der Wipfellinie lag ganz still ein glühender Saum, und erst als sie näher kamen, fiel hin und wieder das rote Licht zwischen den Stämmen auf den Waldboden und bis an das Ufer hinunter.

»Es ist die Scheune«, sagte Bildermann. »Denke, daß ich wieder ein Grab graben werde.«

Das Dach war schon zusammengefallen, nur die Sparren hingen noch als ein glühendes Gerüst über den Wänden. Die Feuerspritze vom Schloß stand am Tor und schickte das Wasser auf das Dach des Wohnhauses und des Stalles. Sie hatten eine Schlauchleitung zum See hinuntergelegt, und die weißen Strahlen hingen wie Leuchtfontänen in der glühenden Luft. Der Förster saß auf einem Pflug vor der offenen Stalltür, den Kopf an das warme Holz zurückgelehnt, und blickte mit unbewegten Augen in das Feuer. Seine Hände lagen auf den Knien, und in dem flackernden rötlichen Licht sah er wie eine hölzerne Götzenfigur aus, die man aus dem Brande gerettet und auf den Hof getragen hatte.

Neben ihm stand der General in seinem langen grauen Mantel, die Feldmütze auf dem weißen Haar. Er hatte eine Hand auf die Schulter des Sitzenden gelegt, und von Zeit zu Zeit beugte er sich ein wenig herab und sprach leise ein paar Worte. Aber der Angesprochene erwiderte nichts.

Bildermann ging gleich zu den Männern an der Spritze. Sie hatten alle bedrückte Gesichter, und noch ehe Thomas auf die Stalltür zuging, hatte er erfahren, daß unter den nun langsam zusammensinkenden Balken die dunkle Frau begraben lag.

Es war keine Gefahr mehr. Sie rissen die Sparren herunter und ließen die Glut in sich ersterben. Gruber wollte nicht, daß sie die Schläuche auf die Scheune richteten.

Sie erfuhren nichts, weil er nichts wußte. Die Frau war gewesen, wie sie immer gewesen war. Er hatte schon geschlafen und war von einem fernen Gesang erwacht. Sein Schlaf war sehr leise. Zuerst hatte er gedacht, daß sie wieder in der Oberstube singe, aber dann hatte er den roten Schein gesehen. Er hatte das Tor noch öffnen können, aber unten war schon ein Meer von Glut gewesen, und die Stimme war schon verstummt. Sie hatte das Flaggenlied gesungen, und er meinte, im Traum alle drei Strophen gehört zu haben. Nur laut und fröhlich hatten sie geklungen, nicht heimlich und gedämpft, wie er sie aus ihrem Leben in Erinnerung hatte. »Elf Jahre, lieber Herr«, sagte er, ohne Thomas anzusehen. »So lange dauert es, bis man Gott beiseite schiebt und nicht mehr will. Es war kein Kirchenlied, aber er ist großmütig und wird auch dieses aufgenommen haben. Nicht viele sterben mit einem Lobgesang …«

Thomas wußte nun, daß es diese Melodie gewesen war, die sie in der ersten Nacht über ihm gesungen hatte, und es war ihm seltsam, daß er das Lied nicht erkannt hatte, mit dem er doch fast aufgewachsen war. Es schauderte ihn, als er den weißen, trägen Qualm mit den gelblichen Rändern nun aus der Glut aufsteigen sah, und wieder dachte er, daß sie nun am Grabe sagen würden, sie sollten sich beugen und nicht nach seiner Absicht fragen. Der alte Mann aber würde zurückbleiben, und wenn er wollte, konnte er seinen Trost darin finden, daß er Frau und Kind dem Vaterland gegeben hatte, alles, was er besessen hatte, und dort würde es nun auf die unsichtbaren Tafeln eingegraben werden, nicht tiefer als in sein Herz, aber länger dauernd.

Der hohe Dom des Waldes war nun beglänzt von dem sinkenden Feuer, die rissige Rinde der Stämme und hoch oben das fast geschlossene Dach, unter dem die Funken wie die Sterne hingen. Die Schläuche wurden zusammengerollt, die Leitern und Haken festgeschnallt, und dann verschwand die Spritze im dunklen Wald. Nur das Licht der beiden Laternen ging noch eine Weile wie zwei große Irrlichter über die Schonungen hin.

»Sollten mit mir kommen, Gruber«, sagte der General noch einmal. »Platz genug für alte Soldaten. Kein guter Ort hier für Sie.«

Aber der Förster schüttelte den Kopf. Er saß noch immer, wie Thomas ihn zuerst gesehen hatte, kein gebrochener, aber ein abwesender Mann, der auf das dampfende Grab starrte und leise vor sich hinsprach. »Die Heiligen werden sie aufgehoben haben«, sagte er, »Sankt Florian und seine Helfer. Sie fragen nicht nach dem Bekenntnis, sie fragen nur, ob einer gelitten hat … Meinen Sie, lieber Herr, daß es ihr weh getan hat?«

»Nicht ein Finger hat ihr geschmerzt«, erwiderte Thomas. »Sie ist eingeschlafen im Rauch, ehe die Flamme sie berührt hat. Und bis zum Einschlafen hat sie gesungen.«

Er nickte vor sich hin. »Ein harter Gott«, sagte er. »Einen von uns wollte er entstellen, und nun hat er seinen Willen bekommen. Der andere zerfiel zu Staub, schneller fast, als seine Hand ihn erreichen konnte, aber nun hat er es eingeholt … ich weiß, wie sie aussehen … ich habe einen Graben gesehen, durch den die Flammenwerfer gegangen waren … nicht gut sehen sie aus, aber er wird sie wohl verwandeln, bis er sie aufnimmt. Er kann ja soviel, alles kann er ja, wenn er will …«

Der General nahm die Mütze ab und sprach ein Gebet. Sein weißes Haar bewegte sich leise im Nachtwind. Dann ging er zu seinem Pferd.

»Gehen Sie nun auch, lieber Herr«, sagte Gruber. »Bildermann wird ihr einen Sarg machen, einen Notsarg nur, und ihn bringen, ehe der Tag da ist. Die anderen brauchen es nicht zu sehen, aber er darf es ruhig. Sie hat immer nach ihm und seinen Liedern ausgeschaut, und er hat wohl schlimmere Dinge gesehen als dieses in seinem Leben.«

Als er allein war, blieb er noch eine Weile sitzen. Es war noch früh in der Nacht, und er hatte noch viel Zeit. Es fror ihn nicht, denn die Balken glühten noch. Manchmal kam ein leiser Luftzug vom See herauf und brachte den Geruch des Wassers und des ersten grünen Laubes mit sich. Die kleinen Flammen flackerten auf, und die Sterne standen wieder an der alten Stelle.

Er saß wie an einem Lagerfeuer. Die Schlacht war verloren, aber ihn hatte es wieder nicht getroffen. Immer traf es die anderen. Nun würde er wohl genug haben, Gott, auch wenn er noch so hungrig war. Bei ihm gab es nun nicht mehr viel zu holen. Nur ihn selbst noch, und das mochte er ruhig tun. Aber er wußte sehr gut, daß er gerade das nicht tun würde. Einer mußte immer übrigbleiben, um den Becher zu Ende zu trinken, und der Bodensatz war niemals das Süßeste. Immer war Hader zwischen den Bekenntnissen gewesen, und sie hatten ja immer gemeint, daß er den falschen Glauben habe, aber was jener mit den Menschen tat, das schien in allen Bekenntnissen das gleiche. Doch nun würde es still sein. Die Diele würde nicht knarren, das Tischgebet würde nicht gesprochen werden. »Und was du ertränkt hast und verbrannt, nimm es fröhlich in deine Hand! Amen!« Er hatte es nun genommen. Er hatte elf Jahre gewartet, als liege ihm nichts an diesem zerstörten Bild, das ihn gelästert hatte, wie die Mütter mitunter lästern. Aber dann hatte er doch zugegriffen, als ein eifriger Gott, der sich nichts entgehen ließ, auch nicht das Zerstörte.

»Wohl bekomm's!« sagte der Mann und stand auf.

Er nahm den Feuerhaken, der neben ihm lag, und begann die Balken und Sparren herauszuziehen. Er arbeitete ruhig und vorsichtig und bedachte alles. Er wußte, wo die Maschinen gestanden hatten und daß das rechte Fach leer gewesen war. Er fand das verbogene Schwungrad der Häckselmaschine und das gekrümmte Gerüst der Waagschale. Sonst war die Tenne leer gewesen. Hier war es also nicht. Er blieb eine Weile stehen und fühlte, wie die Hitze durch seine Schuhsohlen drang. Dann holte er ein paar Arme von dem kleingemachten Küchenholz und machte ein neues Feuer neben dem erlöschenden. Er konnte nun sehen, was verkohltes Holz war und was etwas anderes sein konnte. Da man hier nicht gelöscht hatte, so waren alle Bretter verbrannt, und nur Balken und Sparren hatten etwas von ihrer alten Form bewahrt. Es war nicht sehr schwer, sie über die geschwärzten Fundamente hinauszuziehen.

Und schließlich fand er sie. Sie lag auf dem Rücken, gerade ausgestreckt, die Arme unter der Brust zusammengelegt. Sie schien ihm kleiner geworden, viel kleiner. Er mußte ab und zu hinsehen, damit die Balken sie nicht streiften, in die er den Feuerhaken schlug, aber er tat es mit halbgeschlossenen Augen, und er stöhnte wohl auch ab und zu.

Der Große Bär war schon über den Zenit hinübergegangen, als er fertig war. Das Fach war nun ganz leer bis auf den Körper, der fast in der Mitte lag. Er holte eine weiße Segeltuchplane, mit der der Schlitten zugedeckt war, und legte sie über die Tote. So hatten sie es auch im Felde gemacht, nur daß die Zeltbahnen grau oder braun gewesen waren.

Dann saß er wieder an der Stalltür auf dem Pflug, dessen Eisen so kühl an den Händen war, und rauchte. Auch das hatten sie draußen gelernt, daß man im Angesicht des Todes rauchen durfte. Sie waren so vertraut miteinander, daß ihm das nichts ausmachte. Er holte die Nichtraucher ebenso wie die anderen. Er war nicht gekränkt über männliche Gewohnheiten.

Das Licht kam früh, und die Haubentaucher auf dem See begannen zu rufen. Alles war wie sonst. Es gab keine Verstörung in der Landschaft. Nur die Eichhörnchen in den rotgesäumten Fichtenwipfeln fuhren unruhig am Stamm auf und nieder und sahen neugierig auf den leeren Platz mit dem weißen Tuch hinunter.

Der Förster stand auf und ging langsam zum Ufer hinab. Das Morgenrot stand groß und klar hinter der Insel, die Birkenwälder waren schon grün. Das Boot war schon unterwegs. Bildermann stand hinten mit einem langen Ruder, den hellen Sarg vor sich auf den Ruderbänken. Das Spiegelbild zog im dunklen Wasser ruhig mit. Es war ein freundliches Bild, und der alte Mann sah ihm entgegen. Wenn es einmal überstanden war, dann war alles gut. Der Zeiger stand still, und die Erde wartete.

Sie begruben sie neben Glorias Grab. Der einarmige Pfarrer war wieder da, und statt der Dompfaffen sangen die Drosseln in den Fichtenwipfeln. Er sprach davon, daß die Mütter die Treuesten auf dieser Erde seien und daß ihnen vergeben würde, was keinem von den anderen vergeben werde. Aber er verstand nicht, weshalb dies geschehen war. Er sagte es ausdrücklich, daß er es nicht verstehe. Er sagte, daß sie sich beugen sollten, alle zusammen, aber sein Gesicht sah dabei aus, als binde er seinen Helm um das Kinn. Die alten Soldaten marschierten noch immer, sagte er, und noch immer fielen rechts und links die Toten. Späte Tote, die es viel früher angerührt habe, aber nun erst habe es ihr Herz angefaßt. Der Krieg rühre noch immer die Trommel, und noch führen sie auf im feurigen Wagen, wie Elias zu seiner Zeit oder wie der Sohn dieser Toten. »Lieber Gott«, schloß er, »sollen wir denn immer mit dir kämpfen? Und denkst du nicht daran, daß du mit dir selber kämpfst?«

Es war eine merkwürdige Grabrede, und der Förster wandte kein Auge von dem bleichen Gesicht, das in die Grube blickte, als liege seine eigene Mutter dort im Sarge.

»Haben Macht gewonnen, weil das Kind nicht da ist«, sagte der General finster, als es zu Ende war.

Aber Thomas schüttelte den Kopf. »Sie nehmen, was sie bekommen«, erwiderte er.

Gruber sollte für den Rest des Tages mit ihnen auf die Insel fahren, und es zeigte sich, daß auch der Pfarrer gern mitgekommen wäre. Das Land habe es ihm angetan, sagte er, schon damals, und nun würde er dort gern im Frühling einmal stehen und über die Wälder blicken. So fuhren sie alle vier hinüber.

Bildermann kochte Kaffee, und sie tranken ihn vor dem Hause an dem grauen Tisch. Es war wie nach einer Schlacht, und als habe es sie alle ein bißchen gezeichnet. Dann ging Gruber mit Bildermann zur Schmiede. Er brauchte ein paar Winkelhaken für den Leiterwagen und wollte sie gleich schmieden. »Es wird sie nicht stören dort drüben, wenn ich den Hammer nehme?« sagte er zum Pfarrer. Nein, sicherlich nicht.

Der Pfarrer wollte gern einmal um die Insel gehen, und Thomas begleitete ihn. Unter den Eichen blieben sie stehen und blickten hinaus. Weiße Wolken zogen über den Himmel, und drüben am Rande der Bucht wehten die langen grünen Äste der Birken. »Hier möchte ich einmal liegen«, sagte Thomas, »und Sie sollen den Sarg von drüben dann herüberbringen. Sie brauchen nur den neunzigsten Psalm zu sprechen, wenn Sie etwas sagen müssen.«

»Sie glauben nicht?« fragte der Pfarrer.

»Ich beuge mich, aber ich glaube nicht.«

»Sie sollen sich auch nicht beugen«, sagte der Pfarrer. »Sie sollen kämpfen mit ihm. Nur im Kampf kann er Ihre Hüfte verrenken.«

»Mit Gott kann man kämpfen, wenn man an ihn glaubt. Mit der Notwendigkeit kämpfen nur Narren.«

»Nichts ist notwendiger als Gott.«

Thomas legte die Hand leise auf seinen Arm und führte ihn weiter. »Ich habe zehn Jahre gebraucht, um durchzukommen«, sagte er. »Nur der Feigling kehrt um, wenn er das Gesicht gesehen hat. Ich bin nicht feige.«

»War es das Gesicht oder die Maske?«

»Es war das Gesicht hinter der Maske.«

Sie sprachen dann nicht mehr davon, und bevor die Sonne unterging, fuhr Thomas ihn wieder hinüber.

»Wenn Sie mich einmal rufen«, sagte der Pfarrer zum Abschied, »so sollen Sie nicht glauben, daß ich als Sieger komme, der recht gehabt hat. Aber ich glaube nicht, daß Sie mich rufen werden.«

Er glaube es auch nicht, erwiderte Thomas ernst.

Nein, er hatte keine Lust, irgend jemanden zu rufen. Die dunkle Frau stand in seiner Erinnerung an dem Tor seines neuen Lebens, und an jenem Abend, als er sie zum erstenmal gesehen hatte, hatte er auch zum erstenmal die Insel gesehen. Es war nicht, als sei irgendeine Frau aus dem Walde gestorben. Auch dachte er nun viel darüber nach, ob jener Ruf in den Nächten überallhin gegangen sei, zu allen Häusern, in denen Schlafende oder Träumende lagen, oder ob er nur zu ihm gegangen sei. Und wenn es so wäre, ob er von jener Frau gekommen sei und um seine Hilfe gerufen habe. Doch wo sollte dieses Platz haben in der Welt, die er eben mühsam aufgebaut hatte?

Er machte sein Buch fertig, ohne rechte Freude. Es schien ihm ein Fehler darin zu liegen, daß er danach trachtete, seine Gedanken der Welt darzubieten. Die Welt konnte von Gedanken bewegt werden, aber war es nicht wie mit einem Pendel, das man mit der Hand über die beiden Ruhepunkte hinaustrieb? Die Uhr wurde doch nicht von dem bewegt, was jenseits der Punkte lag, sondern nur von dem, was zwischen ihnen schwang.

Und nun gar die Gedanken über Gott. Wer hatte ein Recht zu sagen: »Dies ist mein Gott, und ihr müßt wissen, was ich von ihm halte?« Alle Religionen waren so entstanden, aber aus allen war Blut geflossen, weil sie so entstanden waren. Gott sollte nicht gepredigt werden, ebensowenig wie Leben, Arbeit und Liebe. Sie sollten getan werden. Sie strahlten schon von selbst, wenn Strahlendes an ihnen war. Das Wort konnte ein Fluch sein. Es war der Klang, der die Lawinen löste. Es verdarb den Gang des Lebens. Das Brot, die Schlacht, die Zeugung, der Tod: sie entzogen sich dem Wort. Das Wort entheiligte sie. Die redenden Götter waren so verdächtig wie ein redender Stein. Die Gottheit war stumm wie die Sterne.

Er wußte so wenig. Er wollte arbeiten, vielleicht noch zehn Jahre, bis der Körper leise mahnte, daß dieser Teil seines Lebens sich schon neige. Und dann wollte er lesen. Sein Geist würde noch frisch sein, hungrig nach allen Erkenntnissen, die der Mensch jemals gewonnen hatte. Und nach seinen Irrtümern ebenso. Er sah es wie einen Dom vor sich stehen, den Bau des Menschengeistes, und es schwindelte ihn, wenn er hinaufblickte. Da war die Kunde von den Sternen und die von den Mikroben. Da waren Entdeckungen und Eroberungen, Pflanzen und Steine, Sagen und Märchen, Philosophen und Religionen. Fernrohre und Mikroskope standen da, Phiolen und Retorten, Liebesschwüre und Totenmasken, und dahinter die krausen Zeichen der Nekromanten, die niemals Gesättigten, die wie ein Gott bewegen und beschwören wollten.

Einmal sollte ihm nichts fremd sein auf dieser Erde. Er wollte es ohne Zweck wissen, die »Wunder des Universums«. Sie trugen ihren Zweck in sich, die Kraft, die Schönheit oder eben das Gesetz. Es hungerte ihn auf eine manchmal verzehrende Weise nach Erkenntnis. Er würde sie nicht mißbrauchen, er gewißlich nicht. Wie ein alter Zauberer würde er hier sitzen, eingesponnen in das Gewebe der Welten, und so lange lauschen, bis die Sphären ihm zu tönen begännen. Um ihn herum würden sie aufwachsen, begehren und hassen, lieben und vergeben. Er wußte, wie dies alles war, zeitlich und fragwürdig, schön und traurig. Er würde alt werden wie der Fischer Petrus und sich an den großen Krieg erinnern, wenn er nur noch eine Sage war, wie jener sich an die Zeiten der Beresina erinnert hatte. Das Laub würde fallen und wieder grün werden, die Gräber würden einsinken und die Kinder nach der goldenen Krone suchen. Aber er würde vielleicht einmal die Sphären tönen hören, den leisen Klang, mit dem die Achse des großen Gesetzes sich drehte. Er würde nicht Gott schauen wollen oder das Jenseits, nicht das Paradies und nicht die Hölle. Er würde nur einmal das Ganze sehen wollen, den Makrokosmos der Alten, dieses Eherne, Großartige und Gewaltige, in dem die Menschen wie Staub auf der Tenne waren.

Und dann würde er ganz still sein, so wie der Stein auf dem Grunde, so wie das Blatt, das von den Eichen fiel. Und endlich würde sein Atem aufhören und sein Gang zu Ende sein. Sie würden sagen, daß er tot sei.

Es rief noch einmal im Traum nach ihm, und so war es also doch nicht die dunkle Frau gewesen.

Aber er war unruhig, weil er nichts von diesen Dingen wußte, und als um die Sonnenwende der junge Graf bei ihnen war, fragte er ihn, was er von dem denke, das im Zwielicht sei.

Der Gefragte lächelte auf seine gewöhnliche Weise und meinte, mit dem Denken sei hier wohl nicht viel zu tun. Ob er wisse, daß das menschliche Herz im Brustkorb im gleichen Winkel aufgehängt sei wie die Ekliptik der Erde, also mit dreiundzwanzigeinhalb Grad?

Nein, Thomas wußte es nicht, und es erschreckte ihn fast wie ein Blick in die große Gesetzestafel, die über allen Lebenden und Toten herrschte. Wie das zu erklären sei?

Ja, da gebe es keine Erklärung. Es sei nur ein Hauch der großen Geheimnisse, zwischen denen sie ihre kleine Straße gingen. Aber er wollte wissen, wie es gewesen war mit dem Ruf in der Nacht, und er fragte so eindringlich, als ob in allen Nächten seines Lebens eine solche Stimme nach ihm gerufen hätte. »Sie werden in meiner Bibliothek einen ganzen Schrank damit gefüllt finden«, sagte er endlich. »Aber es wird Ihnen nichts helfen. Die Wissenschaft kennt nur ein einziges Mittel in diesem Bereich, das Experiment, und das Experiment hat versagt. Kein Toter hat bis jetzt gesprochen. Und ob die Sterbenden rufen können, weithin über Länder und Meere, das weiß ich nicht. Ich weiß, daß es rufen kann, aber ich weiß nicht, ob ein anderer ruft oder mein verwirrtes Blut.«

»Es ist ein verstörtes Jahr«, sagte Thomas, »wir merken es an den Fischen. Sie haben andere Wege als sonst.«

Der Graf nickte. »Nichts ist leichter, als zu sicher zu werden. Lassen Sie die Stimme ruhig rufen. Es ist ein Zeichen, daß man sich noch um Sie kümmert. Mein Vetter hört keine Stimmen.«

»Wer ist ›man‹?«

Aber der Graf zuckte nur die Achseln.

»Wenn Sie einmal eine große Erbschaft machen«, sagte er später, »so daß Sie ganz frei und unabhängig wären, soweit ein Mensch das sein kann, würden Sie hier fortgehen, Orla?«

Thomas schüttelte den Kopf, ohne nachzudenken. »Wenn ich das täte«, erwiderte er, »würde alles falsch gewesen sein. Vielleicht in zehn oder zwanzig Jahren, wenn ich die Ruder nicht mehr ordentlich halten kann. Ich bin ein Mensch, für den die Arbeit ein Geländer ist.«

»Und das Denken ein Strudel«, ergänzte der Graf. »Es ist seltsam, diese Mischung von Einfachheit und Kompliziertheit bei Ihnen. Zuerst habe ich gedacht, Sie wollten hier einen Traum leben, aber es ist doch wohl so, daß Sie hier leben, um nicht zu träumen.«

»Ich will wissen und nicht träumen«, sagte Thomas.

»Ja, ja, so ist es zuerst bei uns allen, aber schließlich erkennen wir, daß wir mit dem Netz immer nur uns selbst herausheben. Nicht einmal die goldene Krone …«

Er lächelte und stand auf. »Ich muß heim«, sagte er, »die Sonne sinkt …« Aber er blieb stehen und blickte mit abwesenden Augen auf die Weltkugel. »Komisch«, fügte er hinzu, »wie wir manchmal reden … wie in einem Schauspiel … ›ich muß heim, die Sonne sinkt‹ …«

Als er im Boot saß und die Ruder schon eingetaucht hatte, wendete er sich noch einmal um. »Übrigens ist er dagewesen, der Meditierende«, sagte er. »Gestern abend, um die ›crépuscule‹. War genauso, wie ich es Ihnen vorgelesen habe. Nur, daß ich nicht hineintrat in das Zimmer, sondern beim Spielen war. Chopin, h-Moll-Sonate, ein ganz passendes Stück. Beim Mittelsatz sah ich einmal auf, und da setzte er sich gerade zusammen. Anders kann ich es kaum nennen. Er baute sich gleichsam aus seinen Elementen auf. Sehr flüchtige Elemente natürlich. Aber sonst war alles so, wie es sein sollte. Auch der Schlag der Pendule und daß er ›verging wie eine Flüssigkeit auf dem Estrich‹ …«

Er streifte Thomas noch einmal mit einem Blick, in dem Spott und Trauer gemischt waren. »Und habe gewußt, daß der Herr mich angesehen«, schloß er. »Aber ich habe es nicht gewußt, Orla, verstehen Sie. Wir Heutigen wissen so weniges genau  …«

Dann trieb der erste Ruderschlag das Boot vom Steg.

»Bleiben Sie noch, Graf«, sagte Thomas. »Bleiben Sie heute nacht bei mir!« Er ging bis ans Ende des Steges und hob die Hand, als wolle er den Abfahrenden halten.

Aber dieser schüttelte nur den Kopf. Das leichte Boot schoß mit jedem Ruderschlag weiter auf das Wasser hinaus, und das schmale, lächelnde Gesicht wurde immer ferner und undeutlicher.

»Glaubst du, Bildermann, daß es sich vorher ansagen kann?« fragte Thomas am Abend.

Bildermann sah ihn nicht ohne Sorge an. »Wir halten uns besser an Ruder und Kompaß, Kapitän«, erwiderte er.

Thomas schlief fest und traumlos, aber als die Sonne aufgegangen war, legte er sein Fahrrad in das Boot und sagte, er müsse zum Grafen fahren.

Er brauchte zwei Stunden, weil er unterwegs ein paarmal abstieg, um eine Pfeife zu rauchen und zu bedenken, ob er nicht besser umkehren sollte. Er war nicht sicher, ob er das Richtige täte, und so hatten sie, als er ankam, den Toten schon vom Vorwerk ins Haus getragen und die Bahre im Flur mit den Masken niedergestellt. Sie hatten ihm ein Tuch über das Gesicht gelegt und warteten nun auf den Majoratsherrn und das Gericht aus der Kreisstadt. Der alte Diener stand bleich an einem der hohen Fenster, durch die das grüne Waldlicht fiel. Er wußte, daß der Tote Haltung und Schweigen auch bei seinen Untergebenen gewünscht hatte. Der Inspektor des Vorwerks aber saß mit verstörtem Gesicht auf einer der niedrigen Truhen, fuhr sich mit den großen Händen unaufhörlich durch das dichte Haar und murmelte, daß er nicht schuld sei, daß er bei Gott nicht schuld sei an dem Tode des jungen Grafen.

Thomas hob leise das Tuch vom Gesicht des Toten. Er war nicht entstellt und nicht verändert. Die Augen waren geschlossen, und Thomas meinte zu wissen, daß unter ihren Lidern derselbe Ausdruck schwermütigen Spottes liegen würde wie um den schmalen, farblosen Mund. Das Haar am Scheitel war feucht von noch nicht geronnenem Blut. Dort mußte die Wunde sein.

Er hob den Blick und sah die graubespannte Wand entlang, an der die Masken hingen. Ja, die alte Gräfin würde wohl zufrieden sein können: er sah nicht viel anders aus als diese hier. Er gab ihnen nichts nach. Er hatte sich Mühe gegeben.

Er legte das Tuch wieder über den Toten und winkte den beiden, ihm zu folgen. Als er hinausging, sah er, daß in der bläulichen Vase blühende Jasminzweige standen. Es war ein früher Sommer in diesem Jahr.

Draußen erfuhr er, wie es gewesen war. Die Leute vom Vorwerk waren in der Nacht im Dorfkrug gewesen und hatten sich am Morgen geweigert, mit den Mähmaschinen auf die Wiesen zu gehen, die Kühe zu melken, die Pferde zu füttern und so weiter. Wahrscheinlich hatte jemand aus der Stadt ihnen eine Rede gehalten, denn sie brauchten Wendungen, die nicht auf dem Vorwerk wuchsen. Es kam darauf hinaus, daß sie heute nicht aufgelegt seien, »für die Reaktion zu arbeiten«. Es kam nicht ernst und dumm heraus wie sonst, sondern aufsässig und frech, und der Gehilfe des Melkers war der Anführer gewesen.

Der Inspektor war zum Grafen gegangen, weil sein Haus in der Nähe lag und weil er in seiner Not an die nächste Hilfe gedacht hatte. Der Graf war im Garten auf und ab gegangen und hatte nur genickt, als sei schon ein anderer Bote dagewesen. Er, der Inspektor, war aber der erste gewesen. »So bald?« hatte er gefragt. Ja, er nehme es auf seinen Eid, daß er so gesagt habe, und dann habe er ihn eine Weile angesehen. Es sei ein merkwürdiger Blick gewesen, und er habe gedacht, daß der junge Graf manchmal wie hinter einer Wolke sei.

Dann seien sie gegangen, ohne Eile, und er habe noch gefragt, ob der Herr Graf eine Waffe habe. Aber jener habe nur gelächelt und gesagt, auf solchen Wegen brauche man keine Waffe. Er habe auch keinen Hut getragen, sondern sei so mitgekommen, wie er im Garten gewesen sei.

Auf dem Hof hatten die Leute vor der Stalltür gestanden und Zigaretten geraucht. Sie hatten auch die Mützen nicht abgenommen. Der Graf hatte die vordersten beiseite geschoben, mit dem Ellbogen, denn die Hände hatte er in der Jacke gehabt, und war auf einen der jungen Gespannknechte zugetreten, der mit schiefen Augen an ihm vorbeigegrinst hatte. Er, der Inspektor, war außerhalb des Kreises geblieben.

Es war ganz schnell gegangen, wie im Traum. Der Graf hatte den Gespannknecht angesehen und mit seiner leisen, aber ganz deutlichen Stimme nur dies gesagt: »Und du Lümmel knöpfst dir nicht einmal die Jacke zu, wenn du Revolution machst?«

Der Angeredete hatte mit der Hand schnell nach seinem obersten Jackenknopf gegriffen, und da hatte der Gehilfe des Melkers schon zugeschlagen. Er hatte hinter dem Grafen gestanden, versteckt unter den anderen, und eine Wagenrunge in der Hand gehabt. Der Graf hatte keine Mütze getragen, und der Schlag hatte ihn mit voller Gewalt getroffen. Er war ohne einen Laut vornübergefallen, die Hände vor das Gesicht gehalten. Sie hatten ihn aufgehoben, aber es war kein Leben mehr in ihm gewesen. Der Totschläger war gebunden worden. Die Leute hatten ohne ein Wort gehorcht.

Es sei kein Irrtum, fragte Thomas, daß der Graf »So bald« gerufen habe?

Nein, kein Irrtum, auf Seele und Seligkeit.

Thomas sah den alten Diener an und fand dessen Blick auf sich gewendet, einen wissenden und leise bittenden Blick. Er nickte kaum merklich und ging dann leise zu seinem Rad.

Am Tor wechselte er noch ein paar Worte mit dem Vetter des Grafen, den er auf der Wolfsjagd gesehen hatte, einem großen, nüchternen Mann, und hörte dann, wie er zornig auf den Inspektor einsprach.

Er ging dann zum Ufer des Flusses hinunter und wartete auf die Kommission. Es war besser, er machte seine Aussagen hier, als daß sie ihn in die Stadt vorluden.

Das Wasser strömte leise an seinen Füßen vorbei, abwärts schlugen die Sprosser, und vom anderen Ufer kam der Duft der Rosen herübergeweht. Es war wie immer. Der, in dem dies alles sich gespiegelt hatte wie in einem edlen Glase, war fortgegangen, aber es bekümmerte den Bezirk seiner Schöpfung nicht. Die Räder stockten nicht, das Pendel hielt nicht an.

Der Vorhang war gefallen, und bevor er fiel, war durch einen Spalt ein Licht aus den Abgründen aufgeblitzt, ein jäher und blasser Schein, so schnell, daß nur etwas Dunkles zu erkennen war, Wolken oder Schluchten oder ein leeres, eisiges Meer.

»Ich liebe es alles, wenn auch mit schwerem Herzen …« Er sah ihn auf seiner Insel stehen, die schlanke Gestalt mit den geneigten Schultern, und über das Wasser dorthin blicken, wo er die Stirnen mit den Bernsteinkronen gesehen haben mochte. Er hatte keine Waffe mitgenommen. Er hatte sich nicht gefürchtet.

Als der Wagen aus der Kreisstadt gekommen war, machte er seine Aussage. Er bestätigte, daß der Inspektor ihm das Ereignis mit den gleichen Worten geschildert habe und daß der Graf gestern bei ihm gewesen sei. Nein, von Drohungen sei nicht die Rede gewesen.

Der Kreisarzt hatte festgestellt, daß die Schädeldecke des Toten so außergewöhnlich dünn war, daß man ihn mit einem Lineal hätte töten können. »Ein ganz abnormer Fall«, sagte er bekümmert.

»Was dem Mann mit der Wagenrunge nicht bekannt gewesen sein dürfte«, bemerkte Thomas.

»Natürlich nicht, natürlich nicht.«

Dann war Thomas entlassen. Er bat, ihm Nachricht über die Beerdigung zukommen zu lassen, und ging. Der Diener begleitete ihn hinaus. »Ja, er hatte ihn gesehen«, sagte Thomas leise. »Vorgestern abend.«

Der Diener nickte und bekreuzigte sich. Der junge Graf hatte noch auf seinen Knien gesessen.

Thomas fuhr mit dem General zur Beerdigung. Der Tote war in der Halle des Schlosses aufgebahrt worden. Sie war so groß wie eine Kirche. Zwei Offiziere in den alten weißen Farben des Regiments hielten die Totenwache. Man mußte eine Weile warten, bis die alte Gräfin die breite Mitteltreppe heruntergestiegen kam. Sie kam ganz allein, weißhaarig und ohne einen Tropfen Blut in ihrem steinernen Gesicht. Man hatte Thomas erzählt, daß sie im Winter ihren achtzigsten Geburtstag gefeiert hatte.

Sie blieb zu Häupten des Sarges stehen, auf ihren Stock gestützt, und wies den Sessel zurück, den man ihr hinschob. Sie ließ ihre hellen Augen einmal durch den Raum gehen und nickte dann dem Geistlichen zu. Es war eine kurze, fast hochmütige Bewegung, und es schien Thomas, als erschrecke sie jenen. Es war der Superintendent aus der Kreisstadt, ein behaglicher, runder Mann, und als er zu sprechen begann, tönte seine Stimme viel zu laut durch den schweigenden Raum.

Es war zu merken, daß er sich Mühe gegeben hatte, aber Thomas sah ihn finster an. Man hatte anders über den Toten zu sprechen, auch wenn man keinen Arm im Kriege verloren hatte. Die Gräfin sah an ihm vorbei, durch die breite, geöffnete Tür, vor der die Dorfkinder standen. Sie hatte beide Hände auf den Stock gestützt, und kein Zug in ihrem Gesicht bewegte sich. Sie sah wie eine der Masken in dem grauen Flur des Grafenhauses aus, nicht gezeichnet vom Tode, sondern von ihm schon erfüllt, mit einem hochmütigen Gewährenlassen, als dulde sie wortlos eine blinde Gewalt. Nur als der Superintendent zu dem Hauptstück seiner Rede kam, daß hier der letzte von sechs Söhnen für das Vaterland und das Gesetz gefällt worden sei und die Mutter im Lebensalter des Psalmisten nun auch an diesem Sarge stehen müsse, eine zweite Niobe, wie es in der griechischen Sage heiße, stieß sie den Stock hart auf den Boden und sagte laut und deutlich, ohne ihn anzusehen: »Schwatze Er nicht!«

Der Geistliche stockte, und eine Bewegung ging durch den ganzen Raum. Aber dann faßte er sich, neigte die Stirn, als vergebe er dem Schmerz auch dieses, und kam bald zum Ende.

Es gab keine Reden, nur der General sprach vor der gemauerten Gruft im Park einen Abschiedsgruß der Armee an den Soldaten Natango Pernein. Seine Stimme war hell und scharf wie auf dem Paradefeld, und seine Augen blickten drohend unter den weißen Brauen auf die unbewegten Gesichter der beiden Offiziere. Die Gräfin nickte ihm zu.

Als Thomas neben dem General auf den Wagen wartete, kam der Vetter des Grafen und bat ihn zu der alten Gräfin. Sie wünschte ein paar Worte mit ihm zu sprechen.

Oben, in dem großen Raum mit den ovalen Bildern, saß die Gräfin am Fenster und blickte in den Park hinaus. Sie wies auf einen Sessel ihr gegenüber und betrachtete Thomas schweigend. Nun, aus der Nähe, sah er das hauchdünne Geflecht der Falten in ihrem starren Gesicht und die großen, brennenden Augen. Es wohnten keine Träume in ihnen wie in den Augen des Toten, aber sie waren so hell, als spiegle sich keine Nähe in ihnen, sondern erst die gegenstandslose Ferne, ein weißer Herbsthimmel etwa, mit viel Licht und ohne eine einzige Wolke.

»Er verachtete die Menschen«, begann sie endlich, »und es schmerzte ihn, daß er sie verachten mußte. Aber von Ihnen hat er gern gesprochen. Erzählen Sie, wie es war, als er das letztemal bei Ihnen war.«

Es kam Thomas nicht in den Sinn, vor diesen Augen etwas zu verschweigen.

»Ich muß heim … die Sonne sinkt …«, wiederholte sie. »Ja, auch den Tod verachtete er … Er war anders als die anderen, ganz anders. Sein Herz war schwer, von der Geburt an. Er brauchte für jeden Tag mehr Tapferkeit als die meisten für ihr ganzes Leben … mein Benjamin …«

»Er liebte vieles, Gräfin.«

»Ja, ich weiß. Er liebte auch mich. Er war der einzige, der mich liebte, auch wenn er über mich lächelte. Die anderen fürchteten mich nur. Er hätte mich hassen können, denn ich habe ihm das Erbe gereicht. Er hätte mich so hassen können, als hätte ich ihm den Aussatz vererbt. Aber er liebte mich. Er liebte alles Hoffnungslose, und es schauderte ihn vor der unadligen Zeit. Vor der Zeit, die kein Schwert mehr kannte, sondern nur den Knüppel. Und unter einem Knüppel ist er auch gefallen. Ich habe nur gelebt, damit er jemanden hatte, mit dem er lächeln konnte. Nun brauche ich nicht mehr zu leben. Die ›Niobe‹, wie jener sagte. Es ist schade, daß er das nicht mehr gehört hat, es würde ihm so viel Spaß gemacht haben … Sie glauben, daß er ›ihn‹ gesehen hat?«

Natürlich glaubte Thomas es.

»Er ist noch keiner Frau erschienen«, sagte sie. »Schade …«

Dann reichte sie ihm die Hand und bat ihn, zu gehen. »Er hat recht gehabt, von Ihnen zu sprechen. Er hat immer recht gehabt. Leben Sie still und sterben Sie tapfer!«

Er ging leise aus dem Zimmer. Als er die Tür hinter sich zuzog, saß sie aufrecht im Sessel und hatte die Augen geschlossen.

Dieser Tod gab Thomas viel zu denken. Es war ihm, als sei über Nacht eine Wand aus seinem Hause ausgebrochen worden, mit allen Bildern, die dort gehangen hatten, und wenn er nicht aufpaßte, so könnte es sein, daß er einmal in der Nacht auf jene Wand zuginge und ins Bodenlose stürzte. Er achtete sehr auf sich, und Bildermann tat es noch mehr. Er trauerte sehr um den Toten. Es war ihm, als sei ein ganzes Zeitalter mit ihm versunken. Das Unwiederbringliche des lebendigen Menschen durchdrang wie ein scharfer Schmerz sein ganzes Bewußtsein. Auch hiervon werde Gott wissen, wozu es gut sei, hatte der behagliche Mann am Sarge gesagt. Gewiß, er hatte es ja auch von der Sintflut gewußt oder vom Dreißigjährigen Kriege. »Schwatze Er nicht!« Wie großartig sie dagestanden hatte, so unbeteiligt wie eine Königin unter klatschenden Marktweibern … Das Blut war das einzige, unanfechtbar und unsterblich.

Er war gefallen, wie er selbst, Thomas, hätte fallen sollen. Aber jener hatte keine Waffe getragen und hatte nicht gezögert. Der Tod hatte nach ihm geschickt, wenn auch nur in der Gestalt des verstörten Inspektors, und er hatte gehorcht, ohne Mütze, ohne Mantel, ohne Waffe. Die offene Jacke, das hatte ihn am meisten gestört. Der Mangel an Haltung, das Unordentliche im Augenblick der Entscheidung.

Der graue Mann aber, der sich vor dem Feuer zusammensetzte? Da blieb alles im Zwielicht. Die Frage war, ob er ihn gesehen haben würde, wenn er nichts von ihm gewußt hätte. Wenn das Tagebuch des Vorfahren nicht gewesen wäre. Die einzige Frage, aber es gab keine Antwort darauf. Die Natur verhüllte sich und schwieg.

Eine Woche später wurde Thomas zum Notar in die Kreisstadt gebeten. Er erfuhr, daß der verstorbene Graf in seinem Testament bestimmt hatte, daß er, Thomas von Orla, der Erbe seines Hauses und Gartens mit allem darin befindlichen Besitz sein solle. Zur Unterhaltung der Liegenschaften und zur Weiterentlohnung aller in des Grafen Diensten Stehenden, die er mit besonderen Legaten bedacht hatte, waren die Zinsen eines bedeutenden Vermögens bestimmt, das nach Thomas von Orlas Tode an das Majorat fallen sollte. Die Gräfin Pernein war berechtigt, über eine Anzahl namentlich aufgeführter Gegenstände zu verfügen, und gebeten, das Testament nicht anzufechten. Auch waren ihr eine Anzahl von Räumen während ihrer Lebenszeit und eine Reihe von Gerechtsamen ausdrücklich vorbehalten. Ihr Einverständnis mit diesem Letzten Willen ihres Sohnes liege bereits vor, mit dem Zusatz, daß sie Thomas von Orla bitte, diesen Letzten Willen in allen Punkten zu achten und zu ehren. Nach des Erbenden Tode habe Haus und Garten an das Majorat zurückzufallen.

Thomas fragte nach dem Datum des Testaments. Man legte ihm die Urschrift vor, und er sah, daß es der Abend der Erscheinung gewesen war.

Ja, er wolle die Erbschaft antreten.

Er machte dem Majoratsherrn einen Besuch, fand ihn zurückhaltend, aber nicht unfreundlich, und besprach mit ihm die Dinge, die sich aus dem nachbarlichen Verhältnis ergaben. Dann saß er mit dem alten Diener auf der Terrasse über dem Garten. Er werde wahrscheinlich nur im Winter ein paar Wochen hier wohnen, um zu lesen und zu arbeiten. Dazwischen werde er ein seltener Gast sein. Es solle alles bleiben, wie es eben sei, und er nehme von ihnen an, daß sie Haus und Garten bewahren würden, als ob der Graf jeden Tag zurückkehren werde.

Dann ließ er sich einmal durch alle Räume führen, blieb bei den Mikroskopen stehen, den physikalischen Apparaten, dem kleinen chemischen Laboratorium. Es sei ein Verzeichnis aller Dinge da, sagte der Diener, auch ein Katalog der Bibliothek. So ordentlich sei der selige Herr Graf in allem gewesen. Und er verspreche, es alles zu bewahren. Auch bleibe ihm nichts Schöneres für seine alten Tage übrig.

Thomas nahm das Verzeichnis, das einen dicken Band bildete, legte es in seinen Rucksack und ließ dann die Gärtner und die Mädchen kommen. Er wiederholte ihnen, was er dem Diener gesagt hatte, und stellte ihnen frei, den Dienst zu verlassen, wenn es ihnen vielleicht zu einsam hier sei. Aber sie wollten alle bleiben, und der Gärtner bat, Herr von Orla möchte doch ab und zu nach dem Garten sehen. Es sei traurig, wenn die Blumen umsonst verblühten. Auch möchte er im Herbst gern einmal zur Insel kommen und neue Stauden pflanzen. Der selige Herr Graf habe schon davon gesprochen.

In dem grauen Flur, als Thomas noch einmal über die Masken sah, faßte der Diener sich ein Herz. »Der Herr Kapitän werden verzeihen«, sagte er, »daß ich bis jetzt nicht davon gesprochen habe. Aber ich habe es gewußt, am gleichen Abend. Ich kam herein, um die Vorhänge zu schließen, als der Herr Graf am Flügel saß. Da sagte der Herr Graf: ›Es wird Zeit, Friedrich‹, und winkte so mit der Hand. Da wußte ich alles. Der Herr hatte ihn angesehen. Aber er lächelte nur.«

Thomas blieb noch eine Weile stehen und blickte auf die gelben Rosen, die nun in der bläulichen Vase standen.

»Werden wir auch lächeln, Friedrich?« fragte er.


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