66,21-68,7.
Vermächtnis
|
I. Ihr keuschen Frauen, ihr edeln Männer, es steht so, daß man mich noch reichlicher ehren und freundlich grüßen muß. Dazu seid ihr mit Fug noch mehr verpflichtet als früher; wollt ihr hören, so sag ich euch, warum. Volle vierzig Jahre oder mehr hab ich von Liebe gesungen und wie man das Leben führen solle. Damals hatte ich mit den andern meine Freude daran. Jetzt dagegen hab ich nichts mehr davon, sondern es kommt euch allein zugute. Darum mögen meine Liebeslieder euch künftig aufwarten, und mir werde euer Wohlwollen zuteil.
|
Ir reinen wîp, ir werden man,
ez stêt alsô daz man mir muoz
êr unde minneclîchen gruoz
noch volleclîcher bieten an.
des habet ir von schulden grœzer reht dan ê:
welt ir vernemen, ich sage iu wes.
wol vierzec jâr hab ich gesungen oder mê
von minnen und als iemen sol.
dô was ichs mit den andern geil:
nu enwirt mirs niht, ez wirt iu gar.
mîn minnesanc der diene iu dar,
und iuwer hulde sî mîn teil.
|
II. Gesetzt auch, ich ginge am Bettelstab – strebe ich dabei, wie ich's von Kind an getan habe, mit unverdrossener Mühe nach innerem Wert, dann bin ich, so niedrig ich auch stehn mag, dennoch selber einer
der Edeln, hoch genug nach meinem Stand. Das verdrießt die Niedriggesinnten. Mindert mich das irgendwie herab? Nein! Die Edeln schätzen mich nur umso höher. Der dauernde Wert ist etwas so Schönes, daß er den höchsten Ruhm verdient. Kein rühmenswerteres Leben, als wenn einer, er sei wer er sei, so dem Ende gerecht wird.
|
Lât mich an eime stabe gân
und werben umbe werdekeit
mit unverzageter arebeit,
als ich von kinde habe getân,
sô bin ich doch, swie nider ich sî, der werden ein,
genuoc in mîner mâze hô.
daz müet die nideren. ob mich daz iht swache? nein.
die werden hânt mich deste baz.
diu wernde wirde diust sô guot,
daz man irz hœhste lop sol geben.
ezn wart nie lobelîcher leben,
swer sô dem ende rehte tuot.
|
III. Welt, ich habe deinen Lohn kennen gelernt: alles was du mir gibst, das nimmst du mir wieder. Wir scheiden alle nackt von dir. Schäme dich, wenn es mir derart gehen soll! Ich habe tausendmal den Leib und (das war allzu viel!) die Seele für dich aufs Spiel gesetzt. Jetzt bin ich alt, und du treibst deine Possen mit mir; und bin ich darüber erbittert, dann lachst du noch. Nun, lach nur eine Zeit lang über uns: bald wird dein Schreckenstag kommen und nimmt dir alles, was du uns genommen hast, und verbrennt dich noch obendrein dafür.
|
Welt, ich hân dînen lôn ersehen:
swaz dû mir gîst, daz nimest dû mir.
wir scheiden alle blôz von dir.
scham dich, sol mir alsô geschehen.
ich hân lîp unde sêle (des was gar ze vil)
gewâget tûsentstunt dur dich:
nû bin ich alt und hâst mit mir dîn gampelspîl:
und zürn ich daz, sô lachest dû.
nû lache uns eine wîle noch:
dîn jâmertac wil schiere komen,
und nimet dir swazt uns hast benomen,
und brennet dich dar umbe iedoch.
|
IV. Ich hatte eine schöne Gestalt erwählt; wehe, daß ich die je erblickt oder je mich so oft mit ihr unterhalten habe! Jetzt sind ihm Schönheit und Sprache abhanden gekommen. Etwas Wundersames weilte in ihr, das ist entschwebt, ich weiß nicht wohin; damit verstummte allsogleich die Gestalt. Ihre Lilien-Rosen-Farbe wurde so kerkerfarben, daß sie Duft und Glanz verlor. – O meine eigne Gestalt, wenn du mich schon in dir eingekerkert hältst, so gib mich doch derart frei, daß wir uns freudig zusammenfinden können; denn ich muß wieder in dich zurückkehren.
|
Ich hât ein schœnez bilde erkorn:
owê daz ich ez ie gesach
ald ie sô vil zuoz ime gesprach!
ez hât schœn unde rede verlorn.
dâ wonte ein wunder inne: daz fuor ine weiz war:
dâ von gesweic daz bilde iesâ.
sîn liljerôsevarwe wart sô karkelvar,
daz ez verlôs smac unde schîn.
mîn bilde, ob ich bekerkelt bin
in dir, sô lâ mich ûz alsô
daz wir ein ander vinden frô:
wan ich muoz aber wider in.
|
V. Möge es meiner Seele wohlergehn! Auf Erden hab ich manchen, Männer und Frauen, froh gemacht; hätte ich es doch dabei verstanden, mich zu behüten! Aber preise ich des Leibes Liebe, so reut das die
Seele; sie erklärt das für Lüge und Torheit. Dagegen erklärt sie die wahre Liebe für vollkommen beständig und rühmt, wie herrlich die sei, wie sie ewig währe. Leib, laß die Liebe, die dich verläßt, und halte die beständige Liebe wert: mir scheint, diejenige, nach der du gestrebt hast, die sei nicht Fisch bis zur Gräte.
|
Mîn sêle müeze wol gevarn!
ich hân zer welte manegen lîp
gemachet frô, man unde wîp:
künd ich dar under mich bewarn!
lobe ich des lîbes minne, deis der sêle leit:
si giht, ez sî ein lüge, ich tobe.
der wâren minne giht si ganzer stætekeit,
wie guot si sî, wies iemer wer.
lîp, lâ die minne diu dich lât,
und habe die stæten minne wert:
mich dunket, der dû hâst gegert,
diu sî niht visch unz an den grât.
|