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Hohe Minne

MF 214, 34-215,13. L. 217,1-18. L. 120,16-24

I. Edle Herrin, dich versichert einer, der dir von Herzen zugetan ist, seiner Ergebenheit: ein Ritter, der sich mit Freuden auszeichnen will, soweit ihm das nur möglich ist. Der ist entschlossen, in diesem Sommer dir zu Liebe freudig gestimmt zu sein, in der festen Hoffnung, von dir Huld zu empfangen. Nimm das freundlich auf, damit ich mit einem guten Bescheid zurückkehre; dann werde ich dort willkommen sein.

Dir hât enboten, frowe guot,
    sîn dienest der dir es wol gan,
ein ritter, der vil gerne tuot
    daz beste daz sîn herze kan.
der wil dur dînen willen disen sumer sîn
    vil hôhes muotes verre ûf die genâde dîn.
    daz solt dû minneclîche enpfân, daz ich mit guoten mæren var:
    sô bin ich willekomen dar.

II. »Bote, sprich ihm meinen ergebenen Dank aus. Alles Angenehme, was ihm nur zuteil werden kann, würde keinen mehr freuen, der ihn so selten gesehen hat wie ich. Aber bitte den hochgemuten Mann, er möge sich dahin wenden, wo man ihm auch lohnt: ich stehe ihm gar zu fern, um ein solches Lied anzunehmen. Hat er aber sonstige Wünsche, die will ich alle gern erfüllen, denn das verdient er.« –

›Dû solt im, bôte, mîn dienest sagen:
    swaz ime ze liebe müge geschehen,
daz möhte nieman baz behagen,
    der in sô selten habe gesehen.
und bite in daz er wende sînen stolzen lîp
    dâ man im lône: ich bin im ein vil vremedez wîp
    zenpfâhen sus getâne rede. swes er ouch anders danne gert,
    daz tuon ich, wan des ist er wert.‹

III. Mein erstes Lied, das sie jemals angehört hat, nahm sie so auf, daß es mir gefiel; bis sie mich in ihre Nähe zog. Da ist sie plötzlich anderen Sinnes geworden. Ich aber kann trotz aller Mühe nicht von ihr loskommen. Die große Liebe hat so gewaltig zugenommen, daß sie mich nicht losläßt: ich bleibe ihr nun einmal für immer Untertan. Aber was tut's! ich bin es dennoch wohl zufrieden.

Mîn êrste rede dies ie vernan,
    die enpfienc si deiz mich dûhte guot,
unz si mich nâhen zir gewan:
    zehant bestuonts ein ander muot.
swie gerne ich wolte, ich enmac von ir niht komen:
    diu grôze liebe hât sô vaste zuo genomen,
    daz si mich niht enlâzet frî: ich muoz ir eigen iemer sîn.
    nu enruoche, est doch der wille mîn.

IV. Da ich ihr wie ein Leibeigener mein Leben lang untertänig sein werde und sie mir das Leid ganz vergüten kann, das ich um ihretwillen nun schon lange getragen habe und immer derart tragen werde, daß mich niemand außer ihr glücklich machen kann, so möge sie meinen Dienst annehmen, aber dabei auch so für mich besorgt sein, daß sie ihre Pflicht gegen mich nicht außer acht läßt.

Sît deich ir eigenlîchen sol,
    die wîle ich lebe, sîn undertân,
und si mir mac gebüezen wol
    den kumber den ich durch si hân
geliten nu lange und iemer alsô lîden muoz,
    daz mich enmac getrœsten nieman, sie entuoz,
    sô sol sie nemen den dienest mîn, und ouch bewarn dar under mich
    dazs an mir niht versûme sich.

V. Wer behauptet, Minne sei Sünde, der möge sich das vorher gut überlegen. Sie ist mit sehr viel Auszeichnung verbunden, auf die man mit Recht Anspruch hat, und ihre Folge ist, daß das Herz beständig und glücklich wird. Daß jemand jemals unrecht handelt, das ist ihr schmerzlich. Von der falschen Minne spreche ich nicht, die sollte man besser Unminne nennen; der werde ich immer feind sein.

Swer giht daz minne sünde sî,
    der sol sich ê bedenken wol.
ir wont vil manic êre bî,
    der man durch reht geniezen sol,
und volget michel stæte und dar zuo sælikeit:
    daz iemer ieman missetuot, daz ist ir leit.
    die valschen minne meine ich niht, diu möhte unminne heizen baz:
    der wil ich iemer sîn gehaz.

112,17-34

I. Die liebreizenden Blicke ihrer Augen treffen mich, so oft ich sie sehe, ganz hier in mein Herz. O, könnte ich sie oft sehen, der ich mich zu eigen gebe! Wie ein Leibeigener diene ich ihr, das möge sie mir sicher glauben.

Ir vil minneclîchen ougenblicke
    rüerent mich alhie, swann ich si sihe,
in mîn herze. owê sold ich si dicke
    sehen, der ich mich für eigen gihe!
eigenlîchen dien ich ir:
    daz sol si vil wol gelouben mir.

II. Ich trage im Herzen Kummer ihretwegen, die ich nicht aufgeben kann, bei der ich herzlich gern heimlich wäre, die Nacht wie auch den hellen Tag. Aber das kann nun einmal nicht sein; meine liebe Herrin will es nicht.

Ich trage inme herzen eine swære
    von ir die ich lâzen niht enmac,
bî der ich vil gerne tougen wære
    beide naht und ouch den liehten tac.
des enmac nû niht gesîn:
    ez enwil diu liebe frowe mîn.

III. Soll ich auf solche Art für meine Hingebung büßen, dann darf sich kein Mann mehr ihr hingeben. Aber sie ließe es sich weit lieber gefallen, getadelt als gepriesen zu werden, glaubt mir das. Ach, warum tut sie das, die ich so herzlich liebe?

Sol ich mîner triuwe alsust engelten,
    so ensol niemer man getrûwen ir.
sie vertrüege michels baz ein schelten
    danne ein loben, daz geloubent mir.
wê war umbe tuot si daz,
    der mîn herze treit vil kleinen haz?

99,6-100,2

I. Sommer und Winter ermutigen beide einen edlen Mann, der nach Ermutigung verlangt; aber der weiß gar nichts von wahrer Freude, dem sie nicht von einer Frau geschenkt wird. Daher muß man wissen: man soll alle Frauen preisen, aber die edelsten doch noch mehr.

Sumer unde winter beide sint
    guotes mannes trôst, der trôstes gert:
er ist rehter fröide gar ein kint,
    der ir niht von wîbe wirt gewert.
dâ von sol man wizzen daz,
    daz man elliu wîp sol êren,
    und iedoch die besten baz.

II. Weil niemand ohne Freude etwas wert ist, so möchte auch ich herzlich gerne Freude von der haben, deren Trefflichkeit mir mein Herz stets aufrichtig und mit voller Gewißheit verkündet hat. So oft es die Augen dorthin schickte, seht, so brachten sie ihm solche Kunde, daß es vor Freuden hoch aufsprang.

Sît daz nieman âne fröide touc,
    sô wolte ouch ich vil gerne fröide hân
von der mir mîn herze nie gelouc,
    ezn sagte mir ir güete ie sunder wân.
swenn ez dougen sante dar,
    seht, sô brâhtens im diu mære,
    daz ez fuor in sprüngen gar.

III. Ich weiß garnicht, wie das zugeht: mein (leibliches) Auge hat sie schon lange nicht mehr erblickt. Sind die Augen meines Herzens bei ihr, so daß ich sie ohne Augen sehe? Damit ist doch ein Wunder geschehen: wer hat ihm die Macht gegeben, sie allezeit ohne Augen zu sehen?

In weiz niht wol wiez dar umbe sî:
    sin gesach mîn ouge lange nie:
sint ir mînes herzen ougen bî,
    sô daz ich ân ougen sihe sie?
da ist doch ein wunder an geschehen:
    wer gap im daz sunder ougen,
    deiz si zaller zît mac sehen?

IV. Wollt ihr wissen, welches die Augen sind, mit denen ich sie durch alle Lande hin sehe? Es sind die Gedanken meines Herzens: mit denen sehe ich durch Mauern und Wand. Nun mag man sie bewachen, wie man nur will: dennoch sehen sie mit offenen Augen mein Herz, mein Verlangen und all mein Gemüt.

Welt ir wizzen waz diu ougen sîn,
    dâ mit ich si sihe dur elliu lant?
ez sint die gedanke des herzen mîn:
    dâ mite sihe ich dur mûre und ouch dur want.
nû hüeten swie si dunke guot:
    sô sehent si doch mit vollen ougen
    herze wille und al der muot.

V. Werde ich wohl jemals so glücklich, daß auch sie mich ohne Augen sehen wird? Sieht sie mich mit ihren Gedanken an, so lohnt sie mir schön die meinigen. Möge sie meine Neigung erwidern, mir ihre Herzensneigung senden: meine behalte sie für immer bei sich.

Wirde ich iemer ein sô sælic man,
    daz si mich ân ougen sehen sol?
siht si mich in ir gedanken an,
    sô vergiltet si mir mîne wol.
mînen willen gelte mir,
    sende mir ir guoten willen:
    mînen den habe iemer ir.

112,35-113,30

I. Herrin, schenkt mir um Gottes willen Gehör: ich bin ein Bote und soll euch sagen, ihr möchtet einem Ritter Leid nehmen, der es schon lange getragen hat. Das soll ich euch so verkündigen: wenn ihr ihn an Freude reich machen wollt, dann wird dadurch gewiß manches Herz froh.

Frowe, vernemt dur got von mir diz mære:
    ich bin ein bote und sol iu sagen,
ir sünt wenden einem ritter swære,
    der si lange hât getragen.
daz sol ich iu künden sô:
    ob ir in welt fröiden rîchen,
    sicherlîchen
    des wirt manic herze frô.

II. Herrin, unterlaßt es nicht, ihm freudige Stimmung zu schenken. Das kann euch zugute kommen und allen, denen Freudigkeit ebenso wohltut. Wenn ihr ihn froh macht, so wird dadurch sein Geist gestimmt, eure Ehre und Herrlichkeit zu singen.

Frowe, enlât iuch des sô niht verdriezen,
    ir engebt im hôhen muot.
des mugt ir und alle wol geniezen,
    den ouch fröide sanfte tuot.
dâ von wirt sîn sin bereit,
    ob ir in ze fröiden bringet,
    daz er singet
    iuwer êre und werdekeit.

III. Herrin, schickt ihm hohe Stimmung, da seine Freude auf euch beruht. Ihm kann eure Trefflichkeit schön zugute kommen, da sie edel und ehrenhaft ist. Herrin, schenkt ihm hohe Stimmung. Wenn ihr nur wollt, so ist sein Kummer ins Gegenteil verwandelt, der ihn dazu bringt, sich gerne auszuzeichnen.

Frowe, sendet im ein hôhgemüete,
    sît an iu sîn fröide stât.
er mac wol geniezen iuwer güete,
    sît diu tugent und êre hât.
frowe, gebt im hôhen muot.
    welt ir, sîn trûren ist verkêret,
    daz in lêret
    daz er daz beste gerne tuot.

IV. »Ich könnte mich wahrhaftig nicht gut darauf verlassen, daß er sich in Zucht nimmt. Krumme Wege gehn neben allen Straßen her; vor denen, Gott, behüte mich! Ich will mich verhalten, wie sich's gehört, dem zum Verdruß, der mir anderes beibringen will. Wohin ich auch gehe, da möge mich doch Gott beschützen!«

›Jâ möhte ich michs an in niht wol gelâzen,
    daz er wol behüete sich.
krumbe wege die gênt bî allen strâzen:
    dâ vor, got, behüete mich.
ich wil nâch dem rehten varn,
    ze leide im der mich anders lêre.
    swar ich kêre,
    dâ müeze mich doch got bewarn.‹

115,6-29

I. Herr Gott, bewahre mich vor Kummer, damit ich recht glücklich lebe. Hat jemand etwa Lust, mir seine Freude zu leihen, unter der Bedingung, daß ich ihm eine andere dafür zurückgebe? Jene finde ich gar bald, ich weiß genau, wo; denn ich ließ eine Fülle davon dort; von der getraue ich mir sehr wohl mir klug einen Teil zu verschaffen.

Hêrre got, gesegene mich vor sorgen,
    daz ich vil wünnecliche lebe,
wil mir ieman sîne fröide borgen,
     daz i'm ein ander wider gebe?
die vind ich vil schiere ich weiz wol wä:
    wan ich liez ir wunder dâ;
    der ich vil wol mit sinnen
    getriuwe ein teil gewinnen.

II. Meine ganze Freude ruht in einer Frau: deren Seele hat alle edlen Eigenschaften, und ihr Äußere ist so beschaffen, daß man ihr gerne dienen muß. Aus Freude über sie werde ich gewiß noch lachen, das muß sie mir erlauben. Wie kann sie es auch hindern, daß ich mich freue, da sie doch so vollkommen ist?

Al min fröide lit an einem wibe:
     der herze ist ganzer tugende vol,
und ist sô geschaffen an ir lîbe
     daz man ir gerne dienen sol.
ich erwirbe ein lachen wol von ir.
    des muoz sie gestaten mir:
    wie mac siz behüeten,
    in fröwe mich nâch ir güeten.

III. Sowie ich mich bisweilen zu ihr setze, wenn sie mir eine Unterredung gewährt, raubt sie mir den Verstand so völlig, daß mir ganz schwindlig wird. Wenn ich jetzt eben noch eine Fülle von Worten weiß: sobald sie mich nur einmal anblickt, habe ich vergessen, was ich eigentlich vorhatte, als ich mich dorthin setzte.

Als ich under wîlen zir gesitze,
    sô si mich mit ir reden lât,
sô benimt si mir sô gar die witze,
    daz mir der lîp alumme gât.
swenne ich iezuo wunder rede kan,
    gesihet si mich einest an,
    sô hân ichs vergezzen,
    waz wolde ich dar gesezzen.

I. Gott schenke ihr immer frohe Tage und lasse mich sie endlich erblicken, die ich liebe, aber nicht gewinnen kann! Mich schmerzt es, daß ich sie bekennen hörte, wie aufrichtig gewogen sie mir sei, während sie mir etwas ganz anderes verkündete. Darüber fühlt mein Herz seitdem immer tiefes Leid. O, welche süße Qual! Ich habe, was mich beglückt und bedrückt.

Got gebe ir iemer guoten tac
    und lâze mich si noch gesehen,
diech minne und niht erwerben mac.
    mich müet daz ich si hôrte jehen
wie holt si mir entriuwen wære,
    und sagte mir ein ander mære,
    inneclîchen des min herze kumber lâdet iemer sît.
    ouwê wie süeze ein arebeit!
    ich hân ein senfte unsenftekeit.

II. »Da ich nun einmal in Ängsten lieben muß, so hat Gott es gut mit mir gefügt, daß ich mir den erkoren habe, den alle Welt rühmt. Ich habe ihn plötzlich geküßt und umarmt. Seht, da schoß mir in mein Herz etwas, das mir immer nahegehn wird, bis ich seine Bitte erfülle. Ich erfüllte sie auch, hätte ich die Gelegenheit dazu.

›Got hât vil wol ze mir getân,
    sît ich mit sorgen minnen sol,
daz ich mich underwunden hân
    dem alle liute sprechent wol.
im wart von mir in allen gâhen
    ein küssen und ein umbevâhen:
    seht dô schôz mir in mîn herze daz mir iemer nâhe lît
    unz ich getuon des er mich bat.
    ich tætez, wurde mirs diu stat.

III. Ich wäre oft gern froh, nur hab ich dabei keinen Gefährten. Da sie alle so der Freudlosigkeit ergeben sind, wie könnte ich allein es unterlassen? Sie würden mit Fingern auf mich zeigen, wenn ich nicht ihnen zuliebe auf Fröhlichkeit verzichtete. So aber bewahre ich mir ihre volle Gunst, so daß sie mir nicht böse sind. Denn ich werde nur dort lachen, wo es keiner von ihnen sieht.«

Ich wære dicke gerne frô,
    wan daz ich niht gesellen hân.
nû si alle trûrent sô,
    wie möhte ichz eine denne lân?
ich müese ir vingerzeigen lîden,
    ichn wolte fröide durch si mîden.
    sus behalte ich wol ir hulde, daz siz lâzen âne nît:
    ich gelache niemer niht
    wan dâ ez ir dekeiner siht.‹

IV. Es betrübt mich herzlich, wenn ich daran denke, wie man es vordem in der Welt hielt. Ach, daß ich doch nicht vergessen kann, wie wahrhaft froh die Menschen waren! Damals war es einem glücklichen Manne noch möglich, angenehm zu leben, und sein Herz schlug freudig der schönen Jahreszeit entgegen. Soll sich das nie mehr begeben, dann schmerzt es mich, daß ich es je erlebt habe.

Ez tuot mir inneclîchen wê,
    als ich gedenke wes man pflac
in der werlte wîlent ê.
    ouwê deich niht vergezzen mac
wie rehte frô die liute wâren!
    dô künde ein sælic man gebâren,
    unde spilet im sîn herze gein der wünneclîchen zît.
    sol daz nimmer mêr geschehen,
    sô müet mich daz ichz hân gesehen.

13,33-14,37

I. Mancher fragt, worüber ich klage, und behauptet einfach, es gehe nicht von Herzen. Der verliert nur seine Zeit: denn er wurde von wahrer Liebe weder froh noch traurig; darum ist er auch so ungläubig. Wer bedächte, was alles die Minne vollbringt, der ließe sich mein Lied gefallen.

Maneger frâget waz ich klage,
    unde giht des einen daz ez iht von herzen gê.
der verliuset sîne tage:
    wand im wart von rehter liebe weder wol noch wê:
des ist sîn geloube kranc.
    swer gedæhte
    waz diu minne bræhte,
    der vertrüege mînen sanc.

II. Das Wort Minne führen alle im Munde, aber nur wenige kennen das Wesen der Minne; das ist nun einmal so. Minne ist ein Schatz aller edlen Eigenschaften. Ohne Minne wird niemals ein Herz richtig froh. Da ich dies glaube, Frau Minne, macht auch mich froh. Mich schmerzt es, wenn meine Zuversicht zu Grunde gehen soll.

Minne ist ein gemeinez wort,
    und doch ungemeine mit den werken: dêst alsô.
minne ist aller tugende ein hort:
    âne minne wirdet niemer herze rehte frô.
sît ich den gelouben hân,
    frouwe Minne,
    fröit ouch mir die sinne.
    mich müet, sol mîn trôst zergân.

III. Ich vertraue darauf, daß die, der ich aufrichtig gewogen bin, es mir auch ist. Täusche ich mich darin, so folgt meiner Hoffnung leider großer Kummer. Aber nein, Herr Gott, sie ist so gütig, daß sie mir alles Liebe antun wird, sobald sie in ihrer Güte meine Gesinnung kennen lernt.

Mîn gedinge ist, der ich bin
    holt mit rehten triuwen, dazs ouch mir daz selbe sî.
triuget dar an mich mîn sin,
    sô ist mînem wâne leider lützel fröiden bî.
neinâ hêrre! sist sô guot,
    swenne ir güete
    erkennet mîn gemüete,
    daz si mir daz beste tuot.

IV. Liebes und Gutes würde mir von ihr zuteil, wenn sie meinen guten Willen kennte. Wie wäre das aber nun möglich? Da man um unlautere Minne mit so süßen Worten wirbt, daß eine Frau nicht wissen kann, wer sie wirklich liebt. Dieser Übelstand allein macht mir manchen schmerzlichen Tag.

Wiste si den willen mîn,
    liebes unde guotes des wurd ich von ir gewert.
wie möht aber daz nû sîn?
    sît man valscher minne mit sô süezen Worten gert,
daz ein wîp niht wizzen mac
    wer si meine.
    disiu nôt alleine
    tuot mir manegen swæren tac.

V. Wer zu allererst die Frauen betrogen hat, der hat ebenso an Männern wie an Frauen übel gehandelt. Ich wenigstens weiß nicht, welchen Wert die Liebe noch hat, seit es Liebenden nicht mehr möglich ist, sich vor einander gegen Treulosigkeit zu schützen. Herrin, Glück über euch! Laßt mich gnädig eure Liebe und Zuneigung verdienen.

Der diu wîp alrêrst betrouc,
    der hât beide an mannen und an wîben missevarn.
in weiz waz diu liebe touc,
    sît sich friunt gein friunde niht vor valsche kan bewarn.
frowe, daz ir sælic sît!
    lânt mit hulden
    mich den gruoz verschulden,
    der an friundes herzen lît.

109,1-110,12*

I. Noch nie war ich so auf volle Freude gerichtet; es treibt mich unwiderstehlich zu singen. Gepriesen sei sie, wenn sie das gut aufnimmt! Ihre freundlichen Worte haben mich zum Singen ermuntert. Die immer über mich gebieten wird, die hat auch die Macht, mir das Trauern zu benehmen und vielfältige Freude zu senden.

Ganzer fröiden wart mir nie sô wol ze muote:
    mirst geboten, daz ich singen muoz.
sælic sî diu mir daz wol verstê ze guote!
    mich mant singen ir vil werder gruoz.
diu mîn iemer hât gewalt,
    diu mac mir wol trûren wenden
    unde senden    fröide manicvalt.

II. Gibt Gott es, daß ich mein Ziel bei ihr noch erreiche, die mir Seele wie Leib dazu drängt, freudig zu sein, seht, dann wäre ich immerdar froh. Denn noch nie zuvor hat mich eine Frau so bedrängt. Früher wußte ich gar nicht, daß die Minne nach ihrem Belieben drängen würde, bis ich es an ihr erfahren habe.

Gît daz got daz mir noch wol an ir gelinget,
    seht, sô wære ich iemer mêre frô,
diu mir beide herze und lîp ze fröiden twinget.
    mich betwanc nie mê kein wîp alsô.
ê was mir gar unbekant
    daz diu Minne twingen solde
    swie si wolde,    unz ichz an ir bevant.

III. Minne, eine Fülle von Freude weißt du zu schaffen wenn du gut bist; wenn du aber drängst, kannst du viel Freudigkeit zerstören. Trauer lehrst du aus strahlenden Augen lachen, wo immer du dein Wunderspiel noch wunderbarer machen willst. Und du weißt auch umgekehrt freudigen Sinn in solche Verwirrung zu stürzen, daß die Wunden, die du schlägst, in sanfter Weise herbe schmerzen.

Minne, wunder kan dîn güete liebe machen,
    und dîn twingen swenden fröiden vil.
dû lêrst ungemüete ûz spilnden ougen lachen,
    swâ dû mêren wilt dîn wunderspil:
dû kanst fröidenrîchen muot
    sô verworrenliche verkêren,
    daz dîn sêren    sanfte unsanfte tuot.

IV. O, süße Minne, da nun nach deiner süßen Lehre mich eine Frau so bedrängt hat, so bitte sie, daß sie ihre weibliche Güte mir zuwende; dann werde ich von meinen Sorgen befreit sein. Mit dem Glanz ihrer strahlenden Augen hat sie mich so schön aufgenommen, daß meine Traurigkeit ganz geschwunden war.

Süeze Minne, sît nâch dîner süezen lêre
    mich ein wîp alsô betwungen hât,
bit si dazs ir wîplîch güete gegen mir kêre:
    sô mac mîner sorgen werden rât.
dur ir liehten ougen schîn
    wart ich alsô wol enpfangen,
    gar zergangen    was daz trûren mîn.

V. Mich wird immer freuen, daß ich einer so vollkommenen Frau in der Hoffnung auf Liebeslohn dienen darf. Mit dieser Zuversicht verscheuche ich mir oft meine Traurigkeit, und all mein Kummer schwindet. Nimmt mein Unglück ein Ende, dann weiß ich fürwahr, daß nie einem Manne an Freude größeres Heil widerfahren ist.

Mich fröit iemer daz ich alsô guotem wîbe
    dienen sol ûf minneclîchen danc.
mit dem trôste ich dicke trûren mir vertrîbe,
    und wirt al mîn ungemüete kranc.
endet sich mîn ungemach,
    sô weiz ich von wârheit danne
    daz nie manne    an liebe baz geschach.


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