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Wider die hohe Minne

(1197-1210?)

Gegen Reimar

111,23-31*

I

Ein Mann steigert ohne Einsatz das Spiel so, daß keiner imstande ist, ihm nachzukommen. So oft sein Auge eine Frau erblickt, behauptet er nämlich, seine »Osterwonne« habe sie mattgesetzt. Was würde uns anderen in solchem Falle geschehen, wenn wir dem, was er will, alle beistimmen sollten? Ich jedenfalls kann ihn überbieten: mir wären liebenswürdige Worte lieber von meiner Geliebten. Damit ist sein Matt abgewehrt.

Ein man verbiutet âne pfliht
    ein spil, des nieman im wol volge geben mac.
er gihet, swenne ein wîp ersiht
    sîn ouge, ir sî mat sîn ôsterlîcher tac.
wie wære uns andern liuten sô geschehen,
    solt wir im alle sînes willen jehen?
    ich bin der imez versprechen muoz:
    bezzer wære mîner frowen senfter gruoz.
    deist mates buoz.

111,32-112,2

II

»Ich bin bisher eine Frau gewesen so ehrenfest und auch so zufriedenen Sinnes, daß ich mich auch fernerhin sehr wohl davor zu bewahren getraue, daß mich jemand durch Diebstahl schädigt. Wer die Absicht hat, hier bei mir einen Kuß zu erlangen, der möge sich vielmehr mit Anstand und anderen Künsten darum bemühen. Wenn er ihm sonst irgend zuteil wird, dann haftet er mir immer für den Diebstahl; den möge er da behalten und anderwärts.«

›Ich bin ein wîp dâ her gewesen
    sô stæte an êren und ouch alsô wol gemuot:
ich trûwe ouch noch vil wol genesen,
    daz mir mit stelne nieman keinen schaden tuot.
swer küssen hie ze mir gewinnen wil,
    der werbe ab ez mit fuoge und anderm spil.
    ist daz ez im wirt sus iesâ,
    er muoz sîn iemer sîn mîn diep, und habe imz dâ
    und anderswâ.‹

53,25-54,36

I. Das wunderschöne Weib – würde mir doch ihr Dank und Siegespreis zuteil! Ihrem Liebreiz räume ich in meinem Hochgesang den Ehrenplatz ein. Mit Freuden will ich ihnen allen huldigen, aber diese habe ich mir auserwählt. Ein anderer kennt gut die seinige, die mag er meinetwegen loben; dabei mag er sich meiner Melodien und Worte bedienen – sing ich hier mein Lob, so mag er's dort tun.

Si wunderwol gemachet wîp,
    daz mir noch werde ir habedanc!
ich setze ir minneclîchen lîp
    vil werde in mînen hôhen sanc.
gern ich in allen dienen sol:
    doch hân ich mir dise ûz erkorn.
    ein ander weiz die sînen wol:
    die lob er âne mînen zorn;
    hab ime wîs unde wort
    mit mir gemeine: lob ich hie, sô lob er dort.

II. Ihr Haupt ist so voller Wonne, als ob es mein Himmel sein wolle. Wem könnte es sonst auch gleich sein? Es hat ja auch himmlischen Glanz. Zwei Sterne leuchten da herab; o, hielte sie mir die so nahe, daß ich mich doch einmal darin spiegeln könnte! Dann kann sich leicht ein Wunder begeben: wenn sie das tut, werde ich verjüngt, und ich Sehnsuchtkranker werde von Liebesqual erlöst.

Ir houbet ist sô wünnenrîch,
    als ez mîn himel welle sîn.
wem solde es anders sîn gelîch?
    ez hât ouch himeleschen schîn.
dâ liuhtent zwêne sternen abe,
    dâ müeze ich mich noch inne ersehen,
    daz si mirs alsô nâhen habe!
    sô mac ein wunder wol geschehen:
    ich junge, und tuot si daz,
    und wirt mir gernden siechen seneder sühte baz.

III. Gott hat auf ihre Wänglein große Sorgfalt verwendet; er strich so kostbare Farbe darauf, so reines Rot, so reines Weiß, hier rosig, dort lilienfarben. Darf ich's trotz der Sünde aussprechen, so schaute ich sie immer lieber an als Himmel oder Himmelswagen. O, was lobe ich Tor sie so? Erhebe ich sie zu hoch über mich, dann wird gar leicht das Lob meines Mundes zum Leid meines Herzens.

Got hât ir wengel hôhen flîz,
    er streich sô tiure varwe dar,
sô reine rôt, sô reine wîz,
    hie rœseloht, dort liljenvar.
ob ichz vor sünden tar gesagen,
    sô sæhe ichs iemer gerner an
    dan himel oder himelwagen.
    owê waz lob ich tumber man?
    mach ich si mir ze hêr,
    vil lîhte wirt mîns mundes lop mîns herzen sêr.

IV. Sie hat ein Kissen (oder: etwas zum Küssen), das ist rot. Könnte ich das für meinen Mund erwerben, dann würde ich von dieser Pein genesen und wäre gesund für immer. Wo sie das an ihre Wänglein legt, da wäre ich gerne nahe bei. Es duftet, wenn man es irgend bewegt, als sei es voll Balsam. Das muß sie mir leihen. So oft sie es dann zurückhaben will, geb ich's ihr.

Sie hât ein küssen, daz ist rôt:
    gewünne ich daz für mînen munt,
sô stüende ich ûf von dirre nôt
    unt wære ouch iemer mê gesunt.
swâ si daz an ir wengel legt,
    dâ wære ich gerne nâhen bî:
    ez smecket, sô manz iender regt,
    alsam ez vollez balsmen sî.
    daz sol si lîhen mir:
    swie dicke sô siz wider wil, sô gibe ichz ir.

V. Ihr Hals, ihre Hände, beide Füße – das alles ist vollkommen schön. Darf ich etwas dazwischen rühmen, so meine ich freilich mehr erblickt zu haben. Ich hätte ungern »Deck die Blöße!« gerufen, bekannte, ich stände nun einmal ihrem Herzen nahe. So sehr braucht niemand sich zu wundern, wenn mein Herz jetzt glücklich ist.

Ir kel, ir hende, ietweder fuoz,
    daz ist ze wunsche wol getân.
ob ich da enzwischen loben muoz,
    sô wæne ich mê beschowet hân.
ein mannes heil mir dâ geschach,
    dâ si mit rehten triuwen jach,
    ich müese ir herzen nâhe sîn.
    sus darf es nieman wunder nehmen,
    ob âne sorge lebt daz mîn.

113,31-114,22

I. »Ein und dasselbe Verlangen tut mir wohl, und doch ist mir dazwischen weh zumute. Ich liebe heimlich einen Ritter. Dem kann ich nicht länger abschlagen, worum er mich gebeten hat. Tue ich's nicht, so kommt es mir vor, als könne mir nie mehr geholfen werden.

»Mir tuot einer slahte wille
    sanfte, und ist mir doch dar under wê.
ich minne einen ritter stille:
    dem enmag ich niht versagen mê
des er mich gebeten hât:
    entuon ichs niht, mich dunket daz mîn niemer werde rât.

II. Oft komme ich mir so fest entschlossen vor. Zu solcher Zeit würde es nichts nutzen, wie sehr er mich dann auch anflehte. Jetzt denke ich: was nutzt das? diese Stimmung dauert ja keinen Tag lang.

Dicke dunke ich mich sô stæte
    mînes willen. sô mir daz geschiht,
swie vil er mich denne bæte,
    al die wîle daz enhulfe niht.
ieze hân ich den gedanc:
    waz hilfet daz? der muot enwert niht eines tages lanc.

III. Möchte er mir doch weiter fern bleiben! Wahrhaftig, er sucht mich allzu häufig auf. Ach, ich habe große Angst, daß ich ihm sein Verlangen einmal erfüllen muß. Mit Freuden hätte ich's jetzt getan, aber ich muß es ihm verweigern und habe die Pflicht, weibliche Ehre zu bewahren.

Wold er mich vermîden mêre!
    jâ versuochet er mich alze vil.
ouwê des fürht ich vil sêre,
    daz ich müeze volgen swes er wil.
gerne het ichz nû getân,
    wan deichz im muoz versagen und wîbes êre sol begân.

IV. Vor tausend Sorgen, die mein Herz heimlich Tag und Nacht bedrängen, wage ich leider nicht, seinen Wunsch zu erfüllen. Aber daß ich's jedesmal einen Tag aufschieben muß, darüber habe ich immer im tiefsten Herzen geklagt.

In getar vor tûsent sorgen,
    die mich tougen in dem herzen mîn
twingent âbent unde morgen,
    leider niht getuon den willen sîn.
daz ichz iemer einen tac
    sol fristen, dêst ein klage diu mir ie bî dem herzen lac.

V. Da ihm die Besten nachgerühmt haben, er wisse ein so vorbildliches Leben zu führen, so habe ich ihm ganz nahe bei mir im Herzen eine Stätte gegeben, die noch niemand betreten hat. Sie haben das Spiel verloren: er allein setzt sie alle matt.«

Sît daz im die besten jâhen
    daz er alsô schône künne leben,
sô hân ich im mir vil nâhen
    inme herzen eine stat gegeben,
dâ noch nieman in getrat.
    si hânt daz spil verlorn, er eine tuot in allen mat.«

85.34-86,38

I. Herrin, laßt euch mein Wort gefallen, wenn es schicklich ist. Könnte ich von euch dafür belohnt werden, so würde ich gern zu den Besten gehören. Wisset: ihr seid schön! Besitzt ihr, wie ich überzeugt bin, außer der schönen Gestalt auch noch innere Vorzüge, wieviel Rühmliches findet sich dann in euch allein!

Frowe, 'n lât iuch niht verdriezen
    mîner rede, ob si gefüege sî.
möhte ichs wider iuch geniezen,
    sô wær ich den besten gerne bî.
wizzet daz ir schœne sît:
    hât ir, als ich mich verwæne,
    güete bî der wolgetæne,
    waz danne an iu einer êren lît!

II. »Ich bin doch nicht so unverständig, euch nicht gerne reden zu lassen. Sagt nur alles, was ihr wollt; das habt ihr mir mit eurem liebenswürdigen Lob abgewonnen. Ich weiß nicht, ob ich schön bin; gern besäße ich aber die Vorzüge, die einer Frau anstehn. Unterweiset mich, wie ich die bewahren kann: Schönheit ist wertlos ohne rechte Gesinnung.«

›Ich wil iu ze redenne gunnen
    (sprechent swaz ir welt), obe ich niht tobe.
daz hât ir mir an gewunnen
    mit dem iuwern minneclîchen lobe.
ichn weiz obe ich schœne bin,
    gerne hete ich wîbes güete.
    lêret mich wiech die behüete:
    schœner lîp entouc niht âne sin.‹

III. Herrin, darin will ich euch unterweisen, wie eine Frau sich in der Gesellschaft verhalten soll. Ehrt die Edlen, blickt sie liebenswürdig an und grüßt sie freundlich! Einem aber gebt euren Leib (= euch) zu eigen und nehmt dafür den seinen (= ihn). Herrin, wolltet ihr etwa den meinen (= mich), den gäbe ich für ein so schönes Weib.

Frowe, daz wil ich iuch lêren,
    wie ein wîp der werlte leben sol.
guote liute sult ir êren,
    minneclîch an sehen und grüezen wol:
eime sult ir iuwern lîp
    geben für eigen, nement den sînen.
    frowe, woltent ir den mînen,
    den gæb ich umb ein sô schœne wîp.

IV. »Anblicken sowohl wie grüßen – alles was ich in dieser Hinsicht unterlassen habe, das will ich herzlich gern wieder gutmachen. Ihr habt wie ein feingebildeter Mann an mir gehandelt. Handelt mir zuliebe länger so, doch begnügt euch mit meiner Unterhaltung; ich kenne niemand, dem ich den Leib (das Leben) nehmen möchte – das bereitete ihm vielleicht Schmerz.«

›Beide schowen unde grüezen,
    swaz ich mich dar an versûmet hân,
daz wil ich vil gerne büezen.
    ir hânt hovelîch an mir getân:
tuont durch minen willen mê,
    sît niht wan mîn redegeselle.
    in weiz nieman dem ich welle
    nemen den lîp: ez tæte im lîhte wê.‹

V. Herrin, gerade so laßt michs nur frei wagen: ich bin schon oft größerer Gefahr entronnen. Und nehmt es nicht so schwer; sterb ich aber, so habe ich milden Tod erlitten. – »Ritter, ich will noch länger leben. Vielleicht ist euch das Leben (der Leib) zuwider. Meinen Leib für den euren geben – wozu hätte ich solches Leid nötig?«

Frowe, lânt michz alsô wâgen:
    ich bin dicke komen ûz grœzer nôt:
unde lânts iuch niht betrâgen:
    stirbe ab ich, sô bin ich sanfte tôt.
›hêrre, ich wil noch langer leben.
    lîhte ist iu der lîp unmære:
    waz bedorfte ich solher swære,
    solt ich mînen lîp umb iuwern geben?‹

56,14-57,22. Das Preislied

I. Sagt »Willkommen!«: denn ich bin es, der euch Neuigkeiten bringt. Alles was ihr bisher zu hören bekommen habt, das ist ganz nichtig: so fragt mich! Ich verlange aber Botenlohn. Fällt der Entgelt einigermaßen gut aus, dann berichte ich euch vielleicht, was euch wohltut. Nun seht zu, was ihr mir verehren wollt.

Ir sult sprechen willekomen:
    der iu mære bringet, daz bin ich.
allez daz ir habt vernomen,
    daz ist gar ein wint: nû frâget mich.
ich wil aber miete:
    wirt mîn lôn iht guot,
    ich gesage iu lîhte daz iu sanfte tuot.
    seht waz man mir êren biete.

II. Ich will von deutschen Frauen so sprechen, daß sie allen Leuten umso besser gefallen werden – das tue ich ohne große Vergütung. Was für einen Lohn wollte ich auch? Sie stehen mir zu hoch dafür. Drum bin ich bescheiden und bitte sie um weiter nichts, als daß sie mir freundlich begegnen.

Ich wil tiuschen frowen sagen
    solhiu mære daz si deste baz
al der werlte suln behagen:
    âne grôze miete tuon ich daz.
waz wold ich ze lône?
    si sint mir ze hêr:
    sô bin ich gefüege, und bite si nihtes mêr
    wan daz si mich grüezen schône.

III. Ich habe viele Länder gesehen und gerne die Edelsten kennen gelernt. Unheil möge mich treffen, vermöchte ich je meinen Sinn dahin zu bringen, daß ihm ausländische Art wohlgefiele. Wozu hülfe es mir auch, etwas Falsches zu behaupten? Deutsche Lebensart und Bildung übertrifft sie alle.

Ich hân lande vil gesehen
    unde nam der besten gerne war:
übel müeze mir geschehen,
    kunde ich ie mîn herze bringen dar
daz im wol gevallen
    wolde fremeder site.
    nû waz hulfe mich, ob ich unrehte strite?
    tiuschiu zuht gât vor in allen.

IV. Von der Elbe bis an den Rhein und hierher zurück bis an Ungarn – da leben gewiß die Edelsten, die ich in der Welt kennengelernt habe. Verstehe ich mich auf Schönheit und vollendetes Benehmen – so wahr mir Gott helfe, ich legte einen Eid darauf ab, daß die Frauen hier edler sind als anderwärts.

Von der Elbe unz an den Rîn
    und her wider unz an Ungerlant
mugen wol die besten sîn,
    die ich in der werlte hân erkant.
kan ich rehte schouwen
    guot gelâz unt lîp,
    sem mir got, sô swüere ich wol daz hie diu wîp
    bezzer sint danne ander frouwen.

V. Deutsche Männer sind feingebildet, die Frauen sind wie wahre Engel. Wer sie schmäht, der ist falsch berichtet; anders kann ich ihn nicht begreifen. Wer nach hohem Sinn und keuscher Liebe verlangt, der komme in unser Land, da ist Lust und Wonne. Dürfte ich noch lange darin leben!

Tiusche man sint wol gezogen,
    rehte als engel sint diu wîp getân.
swer si schildet, derst betrogen:
    ich enkan sîn anders niht verstân.
tugent und reine minne,
    swer die suochen wil,
    der sol komen in unser lant: da ist wünne vil:
    lange müeze ich leben dar inne!

VI. Sie, der ich meinen Dienst ganz gewidmet habe und immerdar mit Freuden widmen will – die gebe ich keineswegs frei. Aber ihrerseits bereitet sie mir so viel Weh. Herz und Geist weiß sie mir schmerzlich zu verwunden. Nun verzeih ihr Gott, daß sie unrecht an mir handelt; aber künftig kann sie ja darin andern Sinnes werden!

Der ich vil gedienet hân
    und iemer mêre gerne dienen wil,
diust von mir vil unerlân:
    iedoch sô tuot si leides mir sô vil.
si kan mir versêren
    herze und den muot.
    nû vergebez ir got dazs an mir missetuot.
    her nâch mac si sichs bekêren.

100,3-23

I. Ich habe edle Frauen nie gepriesen, ohne, wenn ich betrübt war, froh zu werden. Liebeskummer wußte ich nie schöner zu vertreiben als auf solche Art. Heil mir, daß es mir möglich ist, mit meinem Loblied in ihnen freudige Hochstimmung zu erwecken, und daß ich mir selber damit wohltue.

Ich gesprach nie wol von guoten wîben,
    was mir leit, ich wurde frô.
sende sorge konde ich nie vertrîben
    minneclîcher danne alsô.
wol mich, daz ich in hôhen muot
    mit mînem lobe gemachen kan,
    und mir daz sanfte tuot!

II. Ach, ich würde keinen Tag mehr traurig sein, hätte ganz allein eine herrliche Frau, der ich meinen Dienst widme, den Willen dazu; aber es hilft mir gar nichts, wie schön ich sie auch besinge. Das ist ihr zwar lieb und angenehm; aber wenn man mir danken soll, vergißt sie mich jedesmal.

Owê wolte ein sælic wîp alleine,
    sô getrûrte ich niemer tac,
der ich diene, und hilfet mich vil kleine
    swaz ich sie geloben mac.
daz ist ir lieb und tuot ir wol:
    ab si vergizzet iemer mîn,
    sô man mir danken sol.

III. Fremde Frauen danken mir aufs freundlichste; allen Segen über sie! Aber gegen den Lohn, den meine Herrin geben könnte, bedeutet mir das nur einen winzig kleinen Dank. Doch wie auch ihre Gesinnung gegen mich sei, meine Gesinnung ist gut, und ich beklage es nur, wenn die Werke hinter dem Wollen zurückbleiben.

Frömdiu wîp diu dankent mir vil schône.
    dazs iemer sælic müezen sîn!
daz ist wider mîner frowen lône
    mir ein kleinez denkelîn.
si hab den willen den sie habe,
    mîn wille ist guot, und klage diu werc,
    gêt mir an den iht abe.

70,22-71,18

I. Bitte, Herrin, hab doch Einsicht und mach es so: laß mich in Zukunft dir allein leben; ich schwöre, daß ich von dir weggehn werde, wenn ich dagegen verstoße! Nur eines mußt du mir verzeihen: das kannst du mir auch leicht erlauben, damit ich mir die Zeit vertreibe, solange ich auf deine Huld warten muß. Ich nenne es nicht, ich habe jenes im Sinn – du kennst es gut. Ich sage dir, wovor ich Angst habe: ich fürchte, daß ich da wieder so werde.

Genâde, frowe! tuo alsô bescheidenlîche:
    lâ mich dir einer iemer leben:
obe ich daz breche, daz ich von dir furder strîche!
    wan einez soltû mir vergeben:
daz mahtû mir ze kurzewîle erlouben gerne,
    die wîle unz ich dîn beiten sol.
    ich nenne ez niht, ich meine jenz, dû weist es wol.
    ich sage dir wes ich angest hân:
    dâ fürht ich daz ichz wider lerne.

II. »Komm ich je an einen Geliebten, den will ich für mich allein haben; mein Freund dagegen liebt andere Frauen. Alles Gute will ich gern mit andern gemeinsam haben, nur den Freund will ich nicht mit ihnen teilen. Wenn mir manchmal sein Besuch willkommen wäre, dann ist er mir ferne und anderswo. Da er dort so gern ist, so mag er nur immer dort sein. Dergleichen schmerzt so viele Frauen, daß es mich nicht freuen kann.«

›Gewinne ich iemer liep, daz wil ich haben eine:
    mîn friunt der minnet andriu wîp.
an allen guoten dingen hân ich wol gemeine,
    wan dâ man teilet friundes lîp.
sô ich in under wîlen gerne bî mir sæhe,
    sô ist er von mir anderswâ.
    sît er dâ gerne sî, sô sî ouch iemer dâ.
    ez tuot sô manegem wîbe wê,
    daz mir dâ von niht wol geschæhe.‹

III. Die begnadete Frau ist über mich allzu aufgebracht, weil ich mich hier und dort anfreunde. Sie hat mich ja, trotz all meines heißen Flehens, nie so für sie leben lassen, wie sie es jetzt darlegt. Was nutzt es mir, daß ich von allen nur sie liebe? Sie schweigt jedesmal, wenn ich ihr mein Leid klage. Wünscht sie, daß ich mich von andern Frauen lossage, so möge sie meinen Minnesang jetzt etwas freundlicher aufnehmen als früher.

Si sælic wîp, si zürnet wider mich ze sêre,
    daz ich mich friunde an manege stat.
sin gehiez mich nie geleben nâch ir lêre,
    swie jâmerlîch ich sis gebat.
waz hilfet mich daz ich si minne vor in allen?
    si swîget iemer als ich klage.
    wil si daz ich andern wîben widersage,
    sô lâze ir mîne rede nû
    ein wênic baz dann ê gevallen.

IV. »Ich muß dir zugeben, daß du oft dringend um mich warbst, während ich keine Rücksicht darauf nahm. Aber damals wußte ich schon genau, daß du es überall ebenso machtest; darum habe ich mich dir ganz entzogen. Will einer, der nach meiner Freundschaft verlangt, mich auch erringen, der muß solche Unbeständigkeit meiden. Mir scheint: ein Liebes mit andern teilen heißt Leides teilen. Nun sprich: weißt du etwas anderes? Aus diesem Grund getrau ich mir nicht, dich lieb zu gewinnen.«

›Ich wil dir jehen daz dû mîn dicke sêre bæte,
    und nam ich des vil kleine war.
dô wisse ich wol dazt allenthalben alsô tæte:
    dâ von wart ich dir fremede gar.
der mîn ze friunde ger, wil er mich ouch gewinnen,
    der lâze alselhe unstætekeit.
    gemeine liep daz dunket mich gemeinez leit:
    nû sage, weist dû anders iht?
    dâ von tar ich dich niht geminnen.‹

96,29-97,33

I. Beständigkeit bedeutet Angst und Pein; ich weiß nicht, ob sie auch Ehre bringt; jedenfalls schafft sie viel Mißgeschick. Wieviel Leid ist mir zuteil geworden, seitdem ich auf das Geheiß der Liebe mich der Beständigkeit anschloß! Gebt mich frei, liebe Frau Beständigkeit! Aber wenn ich sie auch immer wieder darum bat, so ist sie noch weit beständiger als ich. Ich werde meiner Beständigkeit wegen noch zugrunde gehn, wenn sich die Liebe ihrer nicht annimmt.

Stæt ist ein angest und ein nôt:
    in weiz niht ob si êre sî:
    si gît michel ungemach.
sît daz diu liebe mir gebôt
    daz ich stæte wære bî,
    waz mir leides sît geschach!
lât mich ledic, liebe mîn frô Stæte.
    wan ob ich sis iemer bæte,
    sô ist si stæter vil dann ich.
    ich muoz von mîner stæte sîn verlorn,
    diu liebe en underwinde ir sich.

II. Trägt einem seine Beständigkeit Liebes ein, wer wird dem Dank dafür wissen, daß er um Beständigkeit bemüht ist? Wenn man dagegen einen, der durch Beständigkeit nie etwas erreicht hat, an der Beständigkeit festhalten sieht, seht, dessen Beständigkeit ist grundecht. Ganz so hab ich bisher nach Beständigkeit gestrebt, und habe doch damit leider nichts erreicht. Das verhüte du, begnadete Herrin, daß meine Beständigkeit mich etwa zum Gespötte der leichtfertigen Ungetreuen mache.

Wer sol dem des wizzen danc,
    dem von stæte liep geschiht,
    nimt der stæte gerne war?
dem an stæte nie gelanc,
    ob man den in stæte siht,
    seht, des stæte ist lûter gar.
alsô habe ich stæte her gerungen:
    nochn ist mir leider niht gelungen.
    daz wende, sælic frowe mîn,
    daz ich der valschen ungetriuwen spot
    von mîner stæte iht müeze sîn.

III. Hätte ich nicht meinen ganzen Freudenschatz bei dir, innig Geliebte, angelegt, so ließe sich gut Abhilfe schaffen. Da aber nun meine Freude und mein ganzes Glück, dazu all mein Ansehen und Wert allein auf dir beruhen, so würde ich mir selber verhaßt, müßte ich jetzt mein Gemüt von dir trennen: das wäre kein Glück für mich. Bedenke doch, begnadete Frau, daß ich jetzt schon lange leide.

Het ich niht mîner fröiden teil
    an dich, herzeliep, geleit,
    sô möht es wol werden rât:
sît nû mîn fröide und al mîn heil,
    dar zuo al mîn werdekeit,
    niht wan an dir einer stât,
solt ich dan mîn herze von dir scheiden,
    sô müest ich mir selben leiden:
    daz wære mir niht guot getân.
    doch solt dû gedenken, sælic wîp,
    daz ich nû lange kumber hân.

IV. Herrin, ich kenne deine Gesinnung genau: daß du die Beständigkeit liebst, das habe ich wohl erkannt. Wahrlich, dich hat die makellose weibliche Klugheit, die edle Frauen behüten soll, aufs schönste behütet. Daß du glücklich und hochgeehrt bist, freut mich so sehr, daß es meine einzige Freude ist. Nun sag: wird mir jetzt mein Verlangen erfüllt? Du mußt mich doch, Herrin, dafür belohnen, daß ich so geziemend geworben habe.

Frowe, ich weiz wol dînen muot:
    daz dû gerne stæte bist,
    daz hab ich befunden wol.
jâ hât dich vil wol behuot
    der vil reine wîbes list
    der guotiu wîp behüeten sol.
alsus fröit mich dîn sælde und ouch dîn êre,
    und enhân niht fröide mêre.
    nû sprich, bin ich dar an gewert?
    dû solt mich, frowe, des geniezen lân,
    daz ich sô rehte hân gegert.

70,1-21

I. Daß ich dir so selten persönlich huldige, Herrin, daran trag ich gar keine Schuld. Ich meine, Liebende dürfen sehr wohl einmal einander zürnen, wenn es nur aus liebevollem Herzen kommt. Also sei du nicht traurig, sei fröhlich: sanft sein im Zürnen und heftig im Versöhnen – das ist das Wesen der Liebe; innige Neigung will es gerade so.

Daz ich dich sô selten grüeze,
    frowe, deist ân alle mîne missetât.
ich wil daz wol zürnen müeze
    liep mit liebe, swa'z von friundes herzen gât.
niene trûre dû, wis frô:
    sanfte zürnen, sêre süenen, deis der minne
    reht: diu herzeliebe wil alsô.

II. Ich habe nie Tage so jäh dahinrinnen sehen wie meine. Ich schaue ihnen immerfort nach: wüßte ich nur, wohin sie ziehen möchten und warum sie es so eilig haben. Leicht können sie von mir zu dem kommen, der sie nicht so ziemlich behandelt wie ich: wenn sie Vorwürfe erheben, so mögen sie dann zeigen, wem sie sie machen.

In gesach nie tage slîchen
    sô die mîne tuont. ich warte in allez nâch:
wesse ich war si wolten strîchen!
    mich nimt iemer wunder wes in sî sô gâch.
si mugen von mir komen zuo deme
    der ir niht sô schône pfligt als ich: sô lâzen
        denne schînen ob si wîzen, weme.

III Ein Wort darfst du nicht in den Mund nehmen, Herrin; so schickt es sich auch ganz zu deinem edeln Wesen. Ich wenigstens müßte gehässig werden, sprächst du, wie die Knauser sprechen, wenn es ans Entlohnen geht: »Hätt er Glück, tät ich ihm wohl!« Der ist selbst ohne Glück und verwünscht, wer gerne so spricht und niemals demgemäß handelt.

Dû solt eine rede vermîden,
    frowe: daz gezimt den dînen güeten wol:
spræchestuz, ich woldez nîden,
    daz die bœsen sprechent, dâ man lônen sol,
›hete er sælde, ich tæte im guot.‹
    er ist selbe unsælic, der daz gerne sprichet
        unde niemer diu gelîche tuot.

69,1-28

I. Erklärt mir jemand, was Minne ist? Wenn ich etwas davon weiß, so wüßte ich gerne mehr darüber. Wer sich besser darauf versteht als ich, der belehre mich, weswegen sie so weh tut. Minne ist Minne, wenn sie wohltut. Tut sie weh, so bezeichnet man sie unzutreffend als Minne. So aber weiß ich nicht, wie man sie dann bezeichnen soll.

Saget mir ieman, waz ist minne?
    weiz ich des ein teil, sô wist ichs gerne mê.
der sich baz denn ich versinne,
    der berihte mich durch waz si tuot sô wê.
minne ist minne, tuot si wol:
    tuot si wê, so enheizet si niht rehte minne.
        sus enweiz ich wie si danne heizen sol.

II. Sollte ich richtig erraten können, was Minne ist, so sagt dann: ja. Minne ist die Freude zweier Herzen; teilen sie sich darin zu gleichen Teilen, dann ist die Minne da. Kann aber nicht geteilt werden, dann ist ein Herz allein nicht imstande, sie aufzunehmen. Ach, meine Herrin, möchtest du mir doch helfen!

Obe ich rehte râten künne
    waz diu minne sî, sô sprechet denne jâ.
minne ist zweier herzen wünne:
    teilent sie gelîche, sost diu minne dâ:
sol abe ungeteilet sîn,
    sô enkans ein herze alleine niht enthalten.
        owê woldest dû mir helfen, frowe mîn!

III. Herrin, ich trage viel zu schwer. Hast du überhaupt die Absicht mir zu helfen, so hilf solange es Zeit ist. Sollte ich dir aber ganz gleichgültig sein, so sag es deutlich; dann geb ich den Kampf auf und werde wieder ein freier Mann. Eins sollst du aber genau wissen, Herrin: niemand ist imstande, schönere Lieder auf dich zu singen.

Frowe, ich trage ein teil ze swære:
    wellest dû mir helfen, sô hilf an der zît.
sî abe ich dir gar unmære,
    daz sprich endelîche: sô lâz ich den strît,
unde wirde ein ledic man.
    dû solt aber einez rehte wizzen, frouwe,
        daz dich lützel ieman baz geloben kan.

IV. Versteht meine Herrin die Kunst, Süßes sauer zu machen? Bildet sie sich ein, ich gäbe ihr Freude, wenn sie mir Leid gibt? Soll ich sie verherrlichen, um mich zum Dank von ihr verächtlich behandeln zu lassen? Ließe ich mir das gefallen, so müßte ich nicht recht sehen können! – O, was sage ich da, ich Ohrenloser, Blinder? Aber wen die Minne blendet, wie kann der etwas erblicken?

Kan mîn frowe süeze siuren?
    wænet si daz ich ir liep gebe umbe leit?
sol ich si dar umbe tiuren,
    daz siz wider kêre an mîne unwerdekeit?
sô kund ich unrehte spehen.
    wê waz sprich ich ôrenlôser ougen âne?
        den diu minne blendet, wie mac der gesehen?

55,35-56,3

I. Frau Glück teilt um mich her aus und kehrt mir den Rücken zu. Aber sie wird sich doch noch rühren lassen: so ratet, Freunde, was ich anstellen soll. Sie wendet sich mir ungern zu; lauf ich um sie herum, so komme ich doch immer wieder hinter sie zu stehn: sie wünscht mich nun einmal nicht anzublicken. Ich wollte, die Augen ständen ihr im Nacken: dann müßte sie es auch gegen ihren Willen tun.

Frô Sælde teilet umbe mich
    und kêret mir den rügge zuo.
wan kan si doch erbarmen sich:
    nû râtent, friunt, waz ich es tuo.
si stêt ungerne gegen mir:
    louf ich hin umbe, ich bin doch iemer hinder ir:
    sin ruochet mich niht an gesehen.
    ich wolte daz ir ougen an ir nacke stüenden:
        sô müest ez ân ir danc geschehen.

54,37-56,13

I. Ich Armer, dem niemand zu Freude verhilft, warum mache ich manchen froh, der mir dafür keinen Dank weiß? Ach, warum benehmen sich die Freunde so? Ja, Freund! Was sprech ich da von Freunden! Hätt ich einen, der würde meine Klage auch anhören. Jetzt hab ich keinen Freund, jetzt hab ich keine Hilfe. Jetzt mach mit mir, was du nur willst, liebliche Minne, da niemand sich meiner annimmt.

Ich freudehelfelôser man,
    war umbe mach ich manegen frô,
der mir es niht gedanken kan?
    owê wie tuont die friunde sô?
jâ friunt! waz ich von friunden sage!
    het ich dekeinen, der vernæme ouch mîne klage.
    nun hân ich friunt, nun hân ich rât:
    nû tuo mir swie dû wellest, minneclîchiu Minne,
        sît nieman mîn genâde hât.

II. Du liebreizende Minne, durch dich hab ich mein eigenes Ich eingebüßt. Du willst in meinem Herzen herrschend aus- und eingehen. Wie kann ich nun ohne mein Ich bestehn? Dort wo es sein müßte, hältst du dich auf; du schickst es – du weißt gut, wohin. Dort kann es aber leider nichts ausrichten, Frau Minne; o, du müßtest selber dahin.

Vil minneclîchiu Minne, ich hân
    von dir verloren mînen sin.
dû wilt gewalteclîchen gân
    in mînem herzen ûz unt in.
wie mac ich âne sin genesen?
    dû wonest an sîner stat, da'r inne solte wesen:
    dû sendest in dû weist wol war.
    dan mac er leider niht erwerben, frowe Minne:
        owê dû soltest selbe dar.

III. Bitte, Frau Minne! Wenn du diesen Auftrag übernimmst, will ich dir noch viel zuliebe tun. So zeige mir jetzt einmal deine besten Eigenschaften! Ihr Herz ist ein Schatz wahrer Freude, schön geschmückt mit lauterer Keuschheit. Erzwingst du dir dort Zutritt, so laß mich hinein, damit wir beide mit ihr reden können. Denn als ich allein sie anging, schlug mirs fehl.

Genâde, frowe Minne! ich wil
    dir umbe dise boteschaft
noch füegen dînes willen vil:
    wis wider mich nû tugenthaft.
ir herze ist rehter fröiden vol,
    mit lûterlîcher reinekeit gezieret wol:
    erdringest dû dâ dîne stat,
    sô lâ mich in, daz wir si mit ein ander sprechen.
        mir missegie, do ichs eine bat.

IV. Du liebenswürdige Minne, halt ein! warum peinigst du mich so? Du bedrückst hier, so bedrücke auch dort und sieh zu, wie sie dir widersteht. Jetzt will ich einmal prüfen, ob du etwas vermagst. Du darfst ja nicht behaupten, du könntest nicht in ihr Herz: noch nie entstand ein so künstliches Schloß, daß es dir, du Meisterin der Diebe, standgehalten hätte. Schließ auf! sie nimmt sich gegen dich zu viel heraus.

Genædeclîchiu Minne, lâ:
    war umbe tuost dû mir sô wê?
dû twingest hie, nû twing ouch dâ
    und sich wâ sie dir widerstê.
nû wil ich schowen ob du iht tügest.
    dun darft niht jehen daz dû in ir herze'n mügest:
    ezn wart nie sloz sô manicvalt,
    daz vor dir gestüende, diebe meisterinne.
        tuon ûf! sist wider dich ze balt.

V. Wer gab dir, Minne, die Macht, daß du so übermächtig bist? Du bedrückst Jung wie Alt: dagegen weiß niemand ein Mittel. Da deine Fesseln mich nun einmal drücken, so preise ich Gott, daß ich so gut erfahren habe, wo man würdig werben kann. Davon lasse ich nie wieder. Bitte, Königin: laß mich ihr mein Leben weihen!

Wer gap dir, Minne, den gewalt,
    daz dû doch sô gewaltic bist?
dû twingest beide junc unt alt:
    dâ für kan nieman keinen list.
nû lob ich got, sît dîniu bant
    mich sulen twingen, deich sô rehte hân erkant
    wâ dienest werdeclîchen lît.
    dâ von enkume ich niemer. gnâde, ein küniginne!
        lâ mich ir leben mîne zît.

40,19-41,12

I. Ich habe sie so gefeiert, daß mancher in der Gesellschaft sie jetzt rühmt. Hat sie zum Lohne dafür mir Übles getan, ach, dann bin ich ein Tor gewesen, daß ich die verherrlicht und mit Lob bekränzt habe, die mich dagegen verächtlich macht. Frau Minne, das geht auf euch!

Ich hân ir sô wol gesprochen,
    daz si maneger in der welte lobet:
hât si daz an mir gerochen,
    owê danne, sô hân ich getobet,
daz ich die getiuret hân
    und mit lobe gekrœenet,
    diu mich wider hœnet.
    frowe Minne, daz sî iu getân.

II. Frau Minne, ich habe euch noch weiter zu klagen: verschafft mir mein Recht und sprecht euer Urteil über mich. Ich war es, der immer gegen unbeständige Menschen für euer Ansehen kämpfte. Hierbei bin ich verwundet worden: ihr habt mich geschossen, während sie unversehrt einhergeht. Sie ist wohlauf, ich aber bin krank.

Frowe Minne, ich klage iu mêre:
    rihtet mir und rihtet über mich.
der ie streit umb iuwer êre
    wider unstæte liute, daz was ich.
in den dingen bin ich wunt.
    ir hât mich geschozzen,
    und gât sie genozzen:
    ir ist sanfte, ich bin ab ungesunt.

III. Herrin, laßt mir das zugute kommen! Ich weiß es wohl: ihr habt noch mehr Pfeile. Könntet ihr doch die ihr ins Herz schießen, damit ihr so wehe würde wie mir! Könntet ihr doch, edle Königin, eure Wunden gerecht verteilen oder die meinige heilen! Soll ich denn allein auf solche Weise zugrunde gehen?

Frowe, lât mich des geniezen:
    ich weiz wol, ihr habet strâle mê:
muget irs in ir herze schiezen,
    daz ir werde mir gelîche wê?
muget ir, edeliu künegîn,
    iuwer wunden teilen
    oder die mîne heilen?
    sol ich eine alsus verdorben sîn?

IV. Ich bin schon der eurige, Frau Minne; schießt dahin, wo man sich euch widersetzt. Helft mir sie bezwingen. O Herrin, daß sie ja nicht etwa entkomme! Laßt mich euch sagen, was sonst das Ende ist: entkommt sie uns beiden, dann sind wir Zwei geschiedene Leute; denn wer möchte dann euch noch jemals eine Klage vortragen?

Ich bin iuwer, frowe Minne:
    schiezent dar dâ man iu widerstê.
helfet daz ich sie gewinne.
    neinâ frowe, daz sis iht engê!
lât mich iu daz ende sagen:
    und engêts uns beiden,
    wir zwei sîn gescheiden.
    wer solt iu danne iemer iht geklagen?

52,23-53,24

I. Meine Herrin ist grausam, wenn sie gegen mich so unrecht handelt. Ich war doch jung und frohgestimmt, als ich in ihren Dienst trat. O, damals ging es mir gut; wie ist das jetzt dahin! Was habe ich erlangt? Anderes nichts als den Kummer, den ich leide.

Mîn frowe ist ein ungenædic wîp,
    dazs an mir als harte missetuot.
nû brâht ich doch einen jungen lîp
    in ir dienest, dar zuo hôhen muot.
owê dô was mir sô wol:
    wiest daz nû verdorben!
    waz hân ich erworben?
    anders niht wan kumber den ich dol.

II. Ich habe nie ein schöneres Haupt erblickt; in ihr Herz zu blicken war mir nie gegeben. Eben damit bin ich trotz aller treuen Hingabe völlig getäuscht worden. Bei meiner Seelen Seligkeit: hätte ich Sonne, Mond und alle Sterne ihr verschaffen können, das gehörte ihr.

In gesach nie houbet baz gezogen:
    in ir herze kunde ich nie gesehen.
ie dar under bin ich gar betrogen:
    daz ist an den triuwen mir geschehen.
möhte ich ir die sternen gar,
    mânen unde sunnen
    zeigene hân gewunnen,
    daz wær ir, so ich iemer wol gevar.

III. Ach, meine schönen Tage! Wieviele von denen hab ich in ihrem Dienst vergeblich hingebracht! Das werde ich immer beklagen, wenn die Freude bei mir ein solches Ende nehmen soll. Leide ich Liebesqual und Mühe, darüber beklage ich mich nicht; nur wenn ich meine Jahre vergeblich zugebracht habe, so tut mir das weh.

Owê mîner wünneclîchen tage!
    waz ich der an ir versûmet hân!
daz ist iemer mînes herzen klage,
    sol diu liebe an mir alsus zergân.
lîde ich nôt und arebeit,
    die klage ich vil kleine:
    mîne zît aleine,
    hab ich die verlorn, daz ist mir leit.

IV. Ich habe nie ein solches Verhalten gesehen: gegen ihre besten Freunde ist sie gehässig; aber wer ihr feind ist, mit dem hält sie Zwiesprache. So etwas hat noch nie ein gutes Ende genommen. Ich weiß genau, wie das endet: Feind und Freund werden sie zusammen verlassen, wenn sie mich und jene falsch behandelt.

Ich gesach nie sus getâne site,
    dazs ir besten friunden wære gram.
swer ir vîent ist, dem wil si mite
    rûnen; daz guot ende nie genam.
ich weiz wol wiez ende ergât:
    vînt und friunt gemeine,
    der gestêts aleine,
    sô si mich und jen unrehte hât.

V. Meine Herrin braucht sich nicht darüber zu kränken, daß ich in andere Länder reite und mich nach Frauen erkundige, die hohes Ansehen genießen und zudem schön sind; von solchen sind mir gar viele bekannt. Aber unter ihnen allen gibt es keine einzige, deren »Nein« mir je Schmerz bereiten könnte.

Mîner frowen darf niht wesen leit,
    daz ich rîte und frâge in frömediu lant
von den wîben die mit werdekeit
    lebent. der ist vil mengiu mir erkant;
und die schœne sint dâ zuo:
    doch ist ir deheine,
    weder grôz noch kleine,
    der versagen mir iemer wê getuo.

90,15-91,16

I. Nichts Erfreuliches und soviel Betrübendes, – wer könnte das auf die Dauer aushalten? Wäre es nicht wider den Anstand, so möcht ich schreien: »Hier, Glück, hier!« Aber das Glück hört nicht und blickt niemals einen gerne an, der aufrichtig und treu ist. Ist dem aber so, wie kann mir je geholfen werden?

Âne liep sô manic leit,
    wer möhte daz erlîden iemer mê?
wær ez niht unhövescheit,
    sô wolt ich schrîen ›sê, gelücke, sê!‹
gelücke daz enhœret niht
    und selten ieman gerne siht,
    swer triuwe hât.
    ist ez alsô, wie sol mîn iemer werden rât?

II. Ach, täglich muß ich sehen, wie jammervoll wenig man erreicht. Daß ich mit meinem zuchtvollen Benehmen so zum Narren gemacht worden bin und daß kein Mensch mich davor bewahrt! Mit der alten Treue ist man in der Gesellschaft jetzt aus der Mode gekommen. Angesehen und reich ist heutzutage nur der Bösewicht.

Wê wie jâmerlich gewin
    vor mînen ougen tegelîchen vert!
daz ich sus ertôret bin
    an mîner zuht, und mir daz nieman wert!
mit den getriuwen alten siten
    ist man zer welte nû versniten.
    êr unde guot
    hât nû lützel ieman wan der übel tuot.

III. Aber daß die Männer solche Bösewichter sind, daran sind allein die Frauen schuld; und zwar folgendermaßen. Als ihr Sinn auf Ehrenhaftigkeit gerichtet war, da war die Gesellschaft froh gestimmt in der Erwartung ihrer Gunst. O wie pries man sie da in Minneliedern, als man an ihnen Schicklichkeit wahrnahm. Jetzt dagegen sieht man klar, daß man ihre Liebe mit Unschicklichkeit gewinnen muß.

Daz die man als übel tuont,
    dast gar der wîbe schult: daz ist alsô.
dô ir muot ûf êre stuont,
    dô was diu welt ûf ir genâde frô.
hei wie wol man in dô sprach,
    dô man die fuoge an in gesach!
    nû siht man wol
    daz man ir minne mit unfuoge erwerben sol.

IV. Wenn ich zu den Frauen gehe, so schmerzt es mich am meisten, daß ich umso weniger geschätzt werde, je anständiger ich mich betrage. Den sittsamen Mann verachten sie; es sei denn, es handle sich um eine verständige Frau: die meine ich nicht; die schämt sich, wo immer etwas vorkommt, was Frauen Schande macht.

Lât mich zuo den frowen gân:
    sô ist daz mîn aller meiste klage,
so ich ie mêre zühte hân,
    sô ich ie minre werdekeit bejage.
si swachent wol gezogenen lîp;
    ezn sî ein wol bescheiden wîp:
    der meine ich niht:
    diu schamt sich des, swâ iemer wîbes scham geschiht.

V. Dank den keuschen Frauen und edeln Männern, soviel ihrer leben! Denen will ich dienen, soviel es mir nur möglich ist, damit sie meiner gedenken. Hiermit künde ich ihnen an: wenn es in der Gesellschaft nicht bald besser wird, dann will ich mein Leben genießen, so gut ich kann, und mein Singen aufgeben.

Reiniu wîp und guote man,
    swaz der lebe, die müezen sælic sîn.
swaz ich den gedienen kan,
    daz tuon ich, daz sie gedenken mîn.
hie mite sô künd ich in daz:
    diu werlt enstê dan schiere baz,
    sô wil ich leben
    sô ich beste mac und mînen sanc ûf geben.

72,31-73,22

I. Lange zu schweigen hatte ich mir vorgenommen: jetzt bin ich entschlossen, wieder wie früher zu singen. Dazu haben mich edle Menschen veranlaßt; die können noch weit mehr über mich verfügen. Ich werde also musizieren und dichten, und mich ganz nach ihren Wünschen richten; dagegen sollen sie mir mein Leid klagen helfen.

Lange swîgen des hât ich gedâht:
    nû wil ich singen aber als ê.
dar zuo hânt mich guote liute brâht:
    die mugen mir wol gebieten mê.
ich sol singen unde sagen,
    und swes si gern, daz sol ich tuon: sô suln si mînen kumber klagen.

II. Vernehmt, was mir Erstaunliches begegnet ist, und zwar durch meine eigene Tätigkeit. Eine Frau will mich künftig nicht mehr anblicken. Die habe ich zu solchen Ehren gebracht, daß sie jetzt so hochgemut ist. Sie weiß aber wahrhaftig nicht, daß ihr Ruhm vergeht, sobald ich mein Singen einstelle.

Hœret wunder, wie mir ist geschehen
    von mîn selbes arebeit.
mich enwil ein wîp niht an gesehen:
    die brâht ich in die werdekeit,
daz ir muot sô hôhe stât.
    jon weiz si niht, swenn ich mîn singen lâze, daz ir lop zergât.

III. Herr Gott, was für Verwünschungen wird die zu hören bekommen, sobald ich jetzt meinen Gesang einstelle. Alle, die sie jetzt rühmen, werden sie dann, das weiß ich genau, leider schmähen. Tausend Herzen wurden froh, wenn sie mir freundlich war; die müssen nun dafür büßen, wenn sie mich so zugrunde gehen läßt.

Hêrre, waz si flüeche lîden sol,
    swenn ich nû lâze mînen sanc!
alle die nû lobent, daz weiz ich wol,
    die scheltent danne ân mînen danc.
tûsent herze wurden frô
    von ir genâden; dius engeltent, lât si mich verderben sô.

IV. Als ich in ihr das Höchste und Beste sah, wer bemühte sich damals mehr für sie als ich? Das steht aber fest: alles was sie mir antut, das hat sie auch von mir zu erwarten. Erlöst sie mich von dieser Liebespein, so wird sie durch mich berühmt; sterb ich aber (vor Kummer), dann ist sie tot.

Dô mich dûhte daz si wære guot,
    wer was ir bezzer dô dann ich?
dêst ein ende: swaz si mir getuot,
    des mac ouch si verwænen sich,
nimet si mich von dirre nôt,
    ir leben hât mînes lebennes êre: stirbe ab ich, sô ist si tôt.

V. Werde ich in ihrem Dienst alt, so wird sie unterdessen auch nicht viel jünger. Da sieht mein Haar vielleicht derart aus, daß sie dann einen Jungen will. Nun, Gott mit euch, Herr Junker: rächt mich denn und macht euch mit Ruten an ihr altes Fell!

Sol ich in ir dienste werden alt,
    die wîle junget si niht vil.
so ist mîn hâr vil lîhte alsô gestalt,
    dazs einen jungen danne wil.
sô helfe iu got, hêr junger man,
    sô rechet mich und gêt ir alten hût mit sumerlaten an.

44,35-45,36

I. Die Herren behaupten, man müsse es den Frauen schuld geben, daß es mit der Gesellschaft so steht. Sie schauen nicht mehr fröhlich auf wie früher, sie blicken zu sehr zu Boden. Ich habe auch die Gegenrede gehört: die Frauen sagen – und das vernichtet eben ihren Frohsinn –, die Männer hätten alle Lebenslust und Freude am Besitz eingebüßt; niemand verhelfe ihnen mehr (durch seinen Gesang) zu fröhlicher Stimmung. Wer soll nun in dieser Klagesache Recht sprechen?

Die hêrren jehent, man sülz den frouwen
    wîzen daz diu welt sô stê.
    si sehent niht frœlîch ûf als ê,
    si wellent alze nider schouwen.
ich habe ouch die rede gehœret:
    si sprechent, daz in fröide stœret,
    si sîn mê dan halbe verzaget
beidiu lîbes unde guotes,
    niemen helfe in hôhes muotes.
    wer sol rihten? hiest geklaget.

II. Meine Herrin beliebt allzu übermütig zu spotten, ich sei am Ende meines Lobens angelangt. Die ist töricht, wenn nicht gar verrückt. Denn wahrhaftig, ich wurde noch nie so reich an Lob. Getraute ich mir's vor den Tadelnswerten, so lobte ich die Lobenswürdigen. Denn darauf darf sie nicht rechnen: mag es auch den Schlechten mißfallen, nie werde ich sie alle loben, wenn sie nicht alle wieder gut werden.

Mîn frowe wil ze frevellîche
    schimpfen, ich habe ûz gelobet.
    si tumbet, obe si niht entobet.
    jon wart ich lobes noch nie sô rîche:
torst ich vor den wandelbæren,
    sô lobte ich die ze lobenne wæren.
    des enhabe deheinen muot,
ichn gelobe si niemer alle,
    swiez den lôsen missevalle,
    sine werden alle guot.

III. Ich kenne eine, die nicht eifersüchtig ist, wenn man edle Frauen preist. So vollkommen edel ist sie, daß sie sich das Lob guter Frauen gerne gefallen läßt. Der sie geschaffen hat, gab ihr reichlich Schönheit und Edelsinn. Der diese beiden zusammenfügte, wie kunstvoll verstand er sich auf's Fügen! Der müßte immer Gebilde gießen, der dieses Gebilde goß!

Ich weiz si diu daz niht ennîdet,
    daz man nennet reiniu wîp.
    sô rehte reine sost ir lîp,
    daz si der guoten lop wol lîdet.
er engap ir niht ze kleine,
    der si geschuof, schœn unde reine.
    der diu zwei zesamne slôz,
wie gefuoge er kunde sliezen!
    er solt iemer bilde giezen,
    der daz selbe bilde gôz.

IV. Frauen und Geistliche schädigen sich selber dadurch, daß sie keinen Unterschied unter sich gelten lassen. Wer den Schamlosen beistimmt, ist leicht geneigt, ebenso zu handeln wie sie ... Ach, daß zwei so edle Stände mit den Schamlosen verkehren! Die gehen gewiß noch zugrunde, wenn ihnen nicht die Scham kommt.

Sich krenkent frowen unde pfaffen,
    daz si sich niht scheiden lânt.
    die den verschampten bî gestânt,
    die wellent lîhte ouch mit in schaffen.
.    .    .    .    .    .    .    .    .    .
    .    .    .    .    .    .    .    .    .
    wê daz zwên als edele namen
mit den schamelôsen werbent!
    sicherlîche si verderbent,
    sine wellens sich erschamen.

47,36-49,24

I. Wie roh ich auch sein mag, in zwei Dingen besitze ich doch Zartgefühl, das hab ich mir von klein auf zu eigen gemacht: ich nehme an der Freude anderer geziementlich teil und lache ungern, wenn man neben mir weint. Um der Gesellschaft willen bin ich froh, um der Gesellschaft willen will ich Kummer tragen. Ist mir selbst anders zumute, was liegt daran? dann werde ich meine Stimmung eben von andern entlehnen. Wie sie auch sind, so will ich sein, damit ich ihnen nicht mißfalle. Manchem ist alles gleichgültig, was einen andern bekümmert – der mag sich meinetwegen auch in der Gesellschaft traurig gehaben.

Zwô fuoge hân ich doch, swie ungefüege ich sî:
    der hân ich mich von kinde her vereinet.
ich bin den frôn bescheidenlîcher fröîde bî,
    und lache ungerne sô man bî mir weinet.
durch die liute bin ich frô,
    durch die liute wil ich sorgen:
    ist mir anders danne alsô,
    waz dar umbe? ich wil doch borgen.
    swie si sint sô wil ich sîn,
    daz si niht verdrieze mîn.
    manegem ist unmære
    swaz einem andern werre:
        der sî ouch bî den liuten swære.

II. Früher, als man sich in der Minne liebenswürdig benahm, da waren meine Lieder voll Freudigkeit. Seitdem aber die liebliche Minne so zugrunde gegangen ist, seitdem hab auch ich recht unlieblich gesungen. Man muß jedesmal den Umständen gemäß singen. Sobald also die Rücksichtslosigkeit verschwindet, werde ich wieder höfische Minnelieder singen. Frohsinn und die Zeit zu singen kehren noch wieder: glücklich der, der's abwarten kann! Wenn mir's einer glauben wollte: ich würde die schickliche Art und Weise schon wissen, wann und wie man singen müßte.

Hie vor, dô man sô rehte minneclîchen warp,
    dô wâren mîne sprüche fröiden rîche:
sît daz diu minneclîche minne alsô verdarp,
    sît sanc ouch ich ein teil unminneclîche.
iemer als ez danne stât,
    alsô sol man danne singen.
    swenne unfuoge nû zergât,
    sô sing aber von höfschen dingen.
    noch kumpt fröide und sanges tac:
    wol im, ders erbeiten mac!
    derz gelouben wolte,
    so erkande ich wol die fuoge,
        wenn unde wie man singen solte.

III. Ich will euch sagen, was unsere ganze Geselligkeit schädigt: die Frauen stellen uns Männer viel zu sehr gleich. Daß die Bösen unter uns ihnen ebenso lieb sind wie die Guten, seht, diese Gleichstellung vernichtet unsere höfische Freudigkeit und unser Ansehen. Machten die Frauen einen Unterschied unter uns wie früher, derart, daß sie auch unter sich Unterschiede gelten ließen, das wäre ein dauernder Gewinn für beide Geschlechter. Was geziemt sich, was geziemt sich nicht, seitdem man uns nicht mehr unterscheiden darf? Ihr edeln Frauen, bedenkt, daß auch die Männer sich auf etwas verstehen: wenn die (in ihren Liedern) auch euch alle gleich behandeln, dann seid gerade ihr benachteiligt.

Ich sage iu waz uns den gemeinen schaden tuot:
    diu wîp gelîchent uns ein teil ze sêre.
daz wir in alsô liep sîn übel alse guot,
    seht, daz gelîchen nimet uns fröide und êre.
schieden uns diu wîp als ê,
    daz si sich ouch liezen scheiden,
    daz gefrumt uns iemer mê,
    mannen unde wîben, beiden.
    waz stêt übel, was stêt wol,
    sît man uns niht scheiden sol?
    edeliu wîp, gedenket
    daz och die man waz kunnen:
        gelîchents iuch, ir sît gekrenket.

IV. »Weib« ist nun einmal immer die schönste Bezeichnung für das weibliche Geschlecht und ehrt, so viel ich sehe, mehr als das Wort »Frau«. Wo sich nun etwa irgend eine ihres Weibtums schämt, so gebe sie auf dieses Lied acht und entscheide sich dann. Unter Frauen ist manches Unweib; ein Weib kann dies niemals sein. Der Name Weib und echtes Weibtum sind beide überaus hold. Wie auch die Frauen in ihrer Gesamtheit beschaffen sein mögen, echt weiblich sollen alle Frauen sein! Ein zweifelhaftes Lob bringt Unehre, so wie bisweilen das Wort »Frau« (Dame): – Weib ist ein Wort, das ihnen allen eine Krone verleiht.

Wîp muoz iemer sîn der wîbe hôhste name,
    und tiuret baz dan frowe, als ichz erkenne.
swâ nû deheiniu sî diu sich ir wîpheit schame,
    diu merke disen sanc und kiese denne.
under frowen sint unwîp,
    under wîben sint si tiure.
    wîbes name und wîbes lîp
    die sint beide vil gehiure.
    swiez umb alle frowen var,
    wîp sîn alle frowen gar.
    zwîvellop daz hœnet,
    als under wîlen frouwe:
        wîp dêst ein name ders alle krœnet.

V. Einst habe ich für mein Singen von den Frauen bloß verlangt, sie möchten mir freundlich begegnen; das bekam ich als Lohn für mein Lob. Wo ich aber jetzt vergebens auf Dank warten muß, da mag ein anderer loben, den sie freundlich behandeln. Wo ich mir mit meinem Lied keinen freundlichen Gruß erringen kann, dahin wende ich Lehensmann mit Herrensinn meinen Nacken oder meine eine Wange. Das bedeutet: »mir ist an dir genau so viel gelegen wie dir an mir«. Ich will mein Lob Frauen zuwenden, die zu danken verstehn; was hab ich von den Überstolzen?

Ich sanc hie vor den frowen umbe ir blôzen gruoz:
    den nam ich wider mîme lobe ze lône.
swâ ich des geltes nû vergebene warten muoz,
    dâ lobe ein ander, den si grüezen schône.
swâ ich niht verdienen kan
    einen gruoz mit mîme sange,
    dar kêr ich vil hêrscher man
    mînen nac ode ein mîn wange.
    daz kît ›mir ist umbe dich
    rehte als dir ist umbe mich.‹
    ich wil mîn lop kêren
    an wîp die kunnen danken:
        waz hân ich von den überhêren?

58,21-59,36

I. Die Kleingläubigen erklären, alles sei tot, es gebe jetzt keine Sänger mehr. Nun laßt die aber die allgemeine Notzeit in Rechnung stellen: wie da alle mit Sorgen zu kämpfen haben. Kommt der Tag zum Singen wieder, dann wird man wieder musizieren und dichten hören: man weiß noch eine Menge Lieder! Ich hörte ein kleines Vöglein dasselbe beklagen, das duckte sich unter: »Ich sing erst, wenn's Tag wird.«

Die zwîvelære sprechent, ez sî allez tôt,
    ezn lebe nû nieman der iht singe.
nû mugen si doch bedenken die gemeinen nôt,
    wie al diu welt mit sorgen ringe.
kumpt sanges tac, man hœret singen unde sagen:
    man kan noch wunder.
    ich hôrte ein kleine vogellîn daz selbe klagen:
    daz tet sich under:
    ›ich singe niht, ez welle tagen.‹

II. Die Gehässigen schmähen vor edlen Frauen meine Lieder und behaupten, ich spräche schlecht von ihnen. Laß sie sich alle gegen mich zusammentun, mir ist das recht: ein Feigling wäre der, der hier zurückwiche! Nun her mit dem, der deutsche Frauen jemals mehr gerühmt hätte! Nur mache ich einen Unterschied zwischen guten und schlechten. Seht, deshalb feinden sie mich an. Aber wenn ich beide in gleicher Weise lobte, wie sähe das aus?

Die lôsen scheltent guoten wîben mînen sanc
    und jehent daz ich ir übel gedenke.
si pflihten alle wider mich und haben danc:
    er sî ein zage, der dâ wenke.
nû dar swer tiuschen wîben ie gespræche baz!
    wan daz ich scheide
    die guoten von den bœsen. seht, daz ist ir haz.
    lobt ich si beide
    gelîche wol, wie stüende daz?

III. Feindschaft und Haß, wenn man euch auf Kundschaft ausschickt, dann bin ich euch für eins sehr verbunden: daß ihr nämlich so eifrig gerade die trefflichen Menschen heimsucht und dadurch eurem eigenen Herrn Schimpf und Schande bereitet. Wenn ihr Spione keinen Treuen ausspionieren und verleumden könnt, dann macht euch nur – es hilft euch nichts! – heim in euer Haus, um dort den Lügenmund und scheelen Blick der Schande preiszugeben.

Ich bin iu eines dinges holt, haz unde nît,
    sô man iuch ûz ze boten sendet,
daz ir sô gerne bî den biderben liuten sît
    und dâ mit iuwern hêrren schendet.
ir spehere, sô ir niemen stæten muget erspehen,
    den ir verkêret,
    sô hebt iuch hein in iuwer hûs (ez muoz geschehen),
    daz ir unêret
    verlogenen munt und twerhez sehen.

IV. Wer so dringend um eine edle Frau wirbt wie ich, wieviel gute Eigenschaften müßte der nicht haben! Nun hab ich ihr leider nur wenig anzubieten. Zwei Eigenschaften hab ich, auf die man früher Wert legte: Schamgefühl und Ehrgefühl. Die sind beide heutzutage sehr nachteilig. Nun, mögen sie nur! Ich bin keiner von den Neumodischen: wem ich einmal gewogen bin, dem bin ich's rückhaltlos.

Der alsô guotes wîbes gert als ich dâ ger,
    wie vil der tugende haben solte!
nun hân ich leider niht dâ mite ich sie gewer,
    wan obs ein lützel von mir wolte.
zwô tugende hân ich, der si wîlent nâmen war,
    scham unde triuwe:
    die schadent nû beide sêre. schaden nû alsô dar!
    ich bin niht niuwe:
    dem ich dâ gan, dem gan ich gar.

V. Ich bildete mir ein, sie sei ohne Tadel. Jetzt erzählen sie mir etwas anderes. Sie behaupten, nichts Lebendes sei ohne Fehler. Dann hat auch meine Herrin Fehler. Ich weiß aber nichts auszudenken, was an ihr zu tadeln wäre, außer einer winzigen Kleinigkeit: sie schädigt ihre Feinde nicht und sie quält ihre Freunde. Gibt sie dieses eine auf, dann kann ich, soviel ich auch suche, keine weiteren Fehler an ihr finden.

Ich wânde daz si wære missewende frî:
    nû sagent si mir ein ander mære,
si jehent daz niht lebendes âne wandel sî:
    so ist auch mîn frowe wandelbære.
ichn kan ab niht erdenken waz ir missestê,
    wan ein vil kleine:
    si schadet ir vînde niht, und tuot ir friunden wê.
    lât si daz eine,
    swie vil ich suoche, ichn vindes mê.

VI. Ich habe euch alles genannt, was an ihr zu tadeln ist: zwei Fehler habe ich euch bezeichnet. Nun erfahrt aber auch, was für gute Eigenschaften sie besitzt (derer sind auch zwei), damit ihr sie kennen lernt. Gerne nennte ich euch tausend, aber es sind nicht mehr da als Schönheit und Sittsamkeit. Die hat sie beide in Fülle. Hat sie sie wirklich? Ja! Was kann sie außerdem noch verlangen? Hiermit hat sie ein hohes Lob empfangen – ihr mögt anderswo loben!

Ich hân iu gar gesaget daz ir missestât:
    zwei wandel hân ich iu genennet.
nû sult ir ouch vernemen waz si tugende hât
    (der sint ouch zwô), daz irs erkennet.
ich seit iu gerne tûsent: irn ist niht mê dâ,
    wan schœne und êre.
    die hât si beide volleclîche. hât si? jâ.
    waz wil si mêre?
    hiest wol gelobt: lobe anderswâ.

115,30-116,32

I. Ich möchte nur einmal wissen, was eine gewisse Frau an mir entdeckt hat, daß sie mich verzaubert. Was ist ihr denn widerfahren? Sie hat ja doch Augen im Kopf; wie kommt es dann, daß sie so schlecht sieht? Ich bin doch wahrhaftig nicht der schönste aller Männer.

Mich nimt iemer wunder waz ein wîp
    an mir habe ersehen,
dazs ir zouber leit an mînen lîp.
    waz ist ir geschehen?
jâ hât si doch ougen:
    wie kumt dazs als übele siht?
    ich bin aller manne schœnest niht,
    daz ist âne lougen.

II. Hat ihr jemand etwas von mir vorgelogen, so sehe sie mich genauer an. Wenn es ihr wirklich nur um Schönheit zu tun ist, so ist sie damit bei mir ganz auf dem Irrweg. Wie sieht mein Kopf aus! Der ist nicht allzu hübsch. Wenn sie das nicht glaubt, so täuscht sie wohl eine törichte Vorstellung.

Habe ihr ieman iht von mir gelogen,
    sô beschou mich baz.
sist an mîner schœne gar betrogen,
    wil si niht wan daz.
wie stât mir mîn houbet!
    dazn ist niht ze wol getân.
    sie betriuget lîhte ein tumber wân,
    ob siz niht geloubet.

III. Wo sie zu Hause ist, da leben gewiß tausend Männer, die viel schöner sind. Auf etwas Schicklichkeit verstehe ich mich wohl, aber mit meiner Schönheit ist es nichts. Schicklichkeit besitze ich allerdings ein wenig: die ist jedoch sehr beliebt, sodaß sie vielen edeln Menschen immer zur Verfügung stehen soll.

Dâ si wont, dâ wonent wol tûsent man
    die vil schœner sint.
wan daz ich ein lützel fuoge kan,
    so ist mîn schœne ein wint.
fuoge hân ich kleine:
    doch ist sie genæme wol,
    sô daz si vil guoten liuten sol
    iemer sîn gemeine.

IV. Will sie mit Schicklichkeit statt mit Schönheit vorlieb nehmen, so hat sie die rechte Gesinnung. Versteht sie sich darauf, dann steht ihr alles wohl an, was sie mir zuliebe tut. Dann werde ich mich dankend verbeugen und alle ihre Wünsche erfüllen. Was hat sie jedoch auch vielen Zauber nötig? Ich gehöre ja doch ihr zu eigen.

Wil si fuoge für die schœne nemen,
    so ist si wol gemuot.
kan si daz, sô muoz ir wol gezemen
    swaz si mir getuot.
sô wil ich mich neigen,
    und tuon allez daz si wil.
    waz bedarf si denne zoubers vil?
    ich bin doch ir eigen.

V. Laßt euch erzählen, wie es mit ihrer Zauberkraft bestellt ist, die sie in Fülle hat. Sie ist eine Frau, die über Schönheit und Sittsamkeit verfügt, dazu über Glück und Qual. Daß sie sich noch auf andere Künste verstehe, solcher Vermutung muß man sich ganz entschlagen; nur ihre große Lieblichkeit bereitet Schmerz und Wonne.

Lât iu sagen wiez umbe ir zouber stât,
    des si wunder treit.
sist ein wîp diu schœne und êre hât,
    dâ bî liep und leit.
dazs iht anders künne,
    des sol man sich gar bewegen,
    wan daz ir vil minneclîchez pflegen
    machet sorge und wünne.


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