Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Sprüche zur Zeit Friedrichs II.

(1215-1228)

Leben

32,7-16. Drohung

Jetzt will ich mir auch einmal im scharfen Ton gefallen: wo ich immer nur furchtsam bat, da will ich jetzt befehlen. Denn ich sehe gut, daß man die Verehrungen der Fürsten und die Freundlichkeit der Frauen nun einmal nur mit Gewalt und Zuchtlosigkeit erlangt. Sing ich in meiner höfischen Weise, dann beschweren sie sich bei Stolle. Aber wahrhaftig, ich krieg es vielleicht auch einmal mit der Wut; da sie durchaus nach Bosheit verlangen, so will ich ihnen damit den Hals schon vollstopfen. In Österreich erlernte ich das Musizieren und Dichten, darum will ich mich zuerst da beschweren; wenn ich aber bei Leopold höfischen Schutz finde, so ist mein Zorn beruhigt.

Nû wil ich mich des scharpfen sanges ouch genieten:
    dâ ich ie mit vorhten bat, dâ wil ich nû gebieten.
    ich sihe wol daz man hêrren guot und wîbes gruoz
    gewalteclîch und ungezogenlîch erwerben muoz.
    singe ich mînen höveschen sanc, sô klagent siz Stollen.
    dêswâr ich gewinne ouch lîhte knollen:
    sît si die schalkheit wellen, ich gemache in vollen kragen.
    ze Ôsterrîche lernt ich singen unde sagen:
    dâ wil ich mich allerêrst beklagen:
    vind ich an Liupolt höveschen trôst, so ist mir mîn muot entswollen.

31,33-32,6. An Herzog Leopold von Österreich

»In nomine domini« will ich beginnen: sagt Amen! (das ist gut gegen Unheil und des Satans Unkraut), damit ich in diesem Spruch so zu Ende singen kann, daß jedem traurig zumute wird, der höfischen Sang und Frohsinn stört. Ich habe bisher schön und hofgemäß gesungen; aber mit meinem gesitteten Benehmen bin ich jetzt derart beiseite gedrängt, daß die Ungesitteten jetzt bei Hofe beliebter sind als ich. Was mir Ehre eintragen müßte, das trägt mir Verachtung ein. Leopold, Herzog von Österreich, sprich: du allein kannst mich davon abbringen, andere Töne anzuschlagen.

In nomine dumme ich wil beginnen: sprechent âmen
    (daz ist guot für ungelücke und für des tievels sâmen),
    daz ich gesingen müeze in dirre wîse alsô,
    swer höveschen sanc und fröide stœre, daz der werde unfrô.
    ich hân wol und hovelîchen her gesungen:
    mit der hövescheit bin ich nû verdrungen,
    daz die unhöveschen nû ze hove genæmer sint dann ich.
    daz mich êren solde, daz unêret mich.
    herzoge ûz Ôsterrîche Liupolt, sprich:
    dun wendest michs alleine, sô verkêre ich mîne zungen.

34,34-35,6. Drei Höfe

Solange ich drei Höfe so rühmlicher Männer kenne, solange ist mein Wein gelesen und zischt meine Pfanne schön. Der edle makellose Patriarch ist einer von ihnen; dann steht sogleich daneben mein höfischer Schutz, Leopold, zweimal ein Fürst: von Steiermark und von Österreich. Niemand lebt, den ich dem gleichstelle. Ihm muß man das Höchste nachrühmen: er hat zu schenken; er weiß zu schenken; er schenkt. Sein Oheim aber ist gesinnt wie der freigebige Welf; dessen Ruhm war vollkommen, er überdauert seinen Tod. Ich habe es gar nicht nötig, der Bewirtung wegen irgend weit herumzustreichen.

Die wîle ich weiz drî hove sô lobelîcher manne,
    sô ist mîn wîn gelesen unde sûset wol mîn pfanne.
    der biderbe patrîarke missewende frî,
    der ist ir einer, so ist mîn höfscher trôst zehant dâ bî,
    Liupolt, zwir ein fürste, Stîr und Ôsterrîche.
    niemen lept den ich zuo deme gelîche:
    sîn lop ist niht ein lobelîn: er mac, er kan, er tuot.
    sô ist sîn veter als der milte Welf gemuot:
    des lop was ganz, ez ist nâch tôde guot.
    mirst vil unnôt daz ich durch handelunge iht verre strîche.

28,11-20. Dem heimkehrenden Kreuzfahrer Leopold (1219)

Herzog von Österreich, es ist euch gut gelungen, und so herrlich, daß wir nicht anders können, als Sehnsucht nach euch empfinden. Seid sicher, ihr werdet mit hohen Ehren empfangen, sobald ihr heimkehrt. Ihr habt es wohl verdient, daß wir euch entgegen die Glocken läuten, andringen und gaffen, als sei ein Wundertier gekommen. Ihr kommt zu uns, sowohl von Sünde befreit wie von Schande. Dafür werden wir Männer euch Loblieder singen, und die Frauen werden euch liebhaben. Bringt diesen glänzenden Ruhm daheim zur Vollendung: zeigt euch hier so trefflich, daß niemand euch zum Schimpf sagen kann, ihr wäret besser dort mit Ehren geblieben.

Herzoge ûz Ôsterrîche, ez ist iu wol ergangen,
    und alsô schône daz uns muoz nâch iu belangen.
    sît gewis, swenn ir uns komet, ir werdent hôh enpfangen.
ir sît wol wert daz wir die gloggen gegen iu liuten,
    dringen unde schowen als ein wunder komen sî.
    ir komet uns beide sünden unde schanden frî:
    des suln wir man iuch loben, und die frowen suln iuch triuten.
diz liehte lop volfüeret heime unz ûf daz ort:
    sît uns hie biderbe für daz ungefüege wort,
    daz ieman spreche, ir soldet sîn beliben mit êren dort.

36,1-10. Allzu höfisches Verhalten

Als Leopold für den Kreuzzug, für einstige Ehre sparte, da waren sie alle zusammen zurückhaltend, sie folgten seinem Beispiel. Sie zuckten die Achseln, gleich als getrauten sie sich nicht zu spenden. Das war recht so, man soll sich immer nach dem Hofe richten. Daß sie ihn in der Freigebigkeit nicht übertrumpfen wollten, dafür Segen über sie! sie handelten wie es gehört. Die Recken von Österreich hatten immer höfisches Zartgefühl. Sie waren zurückhaltend, aus Rücksicht auf seine Ehre: das war gut so. Jetzt mögen sie aber spenden – aus Rücksicht auf seine Ehre, sowie er jetzt spendet. Wenn sie sich jetzt nicht auch nach dem Hof richten, so fällt auf jene Höflichkeit ein übles Licht.

Dô Liupolt spart ûf gotes vart, ûf künftige êre,
    sie behielten alle samt, si volgeten sîner lêre,
    si zuhten ûf, alsam si niht getorsten geben.
    daz was billich: wan sol iemer nâch dem hove leben.
    daz sin an der milte iht überhœhen wolten,
    wol in des! si tâten als si solten.
    die helde ûz Ôsterrîche heten ie gehoveten muot.
    sie behielten durch sîn êre: daz was guot:
    nû geben durch sîn êre, als er nû tuot.
    sin leben nâch dem hove nû, so ist eniu zuht bescholten.

85,17-24. Für den Landgrafen Ludwig

Wenn irgendwer wegen seiner feinen Bildung, ob als Dienstmann oder Freier, im Rate des edlen Landgrafen sitzt, der erinnere ihn an meine folgende Unterweisung derart, daß ich den Erfolg merke. Man kennt meinen jungen Fürsten als freigebig; man sagt mir, er sei von beharrlichem Sinn, außerdem feingebildet – das sind drei preiswürdige Eigenschaften. Wenn er sich auch der vierten befleißigte, dann wandelte er auf dem rechten Wege und ohne je fehl zu treten: er sei nicht saumselig! Saumseligkeit schadet der Ernte und schadet der Aussaat.

Swer an des edeln lantgrâven rate sî,
    dur sîne hübscheit, er sî dienstman oder frî,
    der mane in umb mîn lêren sô daz ich in spür dâ bî.
    mîn junger hêrre ist milt erkant, man seit mir er sî stæte,
    dar zuo wol gezogen: daz sint gelobter tugende drî:
    ob er die vierden tugent willeclîchen tæte,
    sô gienge er ebne und daz er selten missetræte;
    wær unsûmic. sûmen schât dem snit und schât der sæte.

84,14-21. Geizige Fürsten (1224)

So oft ich vom Hoftag wegreite, fragt man mich häufig, was ich gesehen habe und was dort vorgefallen sei. Ich habe keine Lust zu lügen und mag auch nicht nur die halbe Wahrheit sagen. So antworte ich: das Gerichtsverfahren in Nürnberg war trefflich. Was die Freigebigkeit dort angeht, so erkundigt euch bei den Fahrenden, die haben scharfe Augen. Die erzählten mir, sie seien mit leeren Taschen abgezogen: unsere heimischen Fürsten seien so voll höfischer Rücksicht, daß Leopold allein hätte spenden müssen, wäre der dort nicht bloß Gast gewesen.

Si frâgent mich vil dicke, waz ich habe gesehen,
    swenn ich von hove rîte, und waz dâ sî geschehen.
    ich liuge ungerne, und wil der wârheit halber niht verjehen.
    ze Nüerenberc was guot gerihte, daz sage ich ze mære.
    umb ir milte frâget varndez volc: daz kan wol spehen.
    die seiten mir, ir malhen schieden dannen lære:
    unser heimschen fürsten sîn sô hovebære,
    daz Liupolt eine müeste geben, wan daz er gast dâ wære.

An Friedrich II.

28,1-10. I: Bitte

Roms Schirmherr und Apuliens König, habt Mitleid, daß man mich bei so reicher Kunst in solcher Armut läßt. Gern möchte ich, wäre es möglich, bei eigenem Herde warm werden. Ha, wie ich dann von den Vöglein sänge, von der Heide und von den Blumen, wie ich einst sang! Gäbe mir dann eine schöne Frau den Preis, der ließe ich Lilien und Rosen aus ihren Wänglein blühen. So aber komme ich spät an und reite früh davon: »Fremder, weh dir, wehe!« Dagegen kann der Wohlbehauste viel schöner von dem grünen Klee singen. Nehmt euch dieser Bedrängnis an, gütiger König, damit eure Bedrängnis vergehe.

Von Rôme vogt, von Pülle künec, lât iuch erbarmen
    daz man mich bî sô rîcher kunst lât alsus armen.
    gerne wolde ich, möhte ez sîn, bî eigenem fiure erwarmen.
zâhiu wiech danne sunge von den vogellînen,
    von der heide und von den bluomen, als ich wîlent sanc!
    swelch schœne wîp mir denne gæbe ir habedanc,
    der liez ich liljen unde rôsen ûz ir wengel schînen.
sus kume ich spâte und rîte fruo, ›gast, wê dir, wê!‹:
    sô mac der wirt baz singen von dem grüenen klê.
    die nôt bedenkent, milter künec, daz iuwer nôt zergê.

27,7-16. II: Zweifelhaftes Geschenk

Der König, mein Herr, hat mir an die dreißig Mark Einkünfte verliehen: von denen bin ich aber nicht in der Lage, etwas in der Truhe zu verschließen oder in irgendwelchen Lastschiffen auf das Meer zu verfrachten. Die Sache klingt großartig, der Ertrag ist aber so beschaffen, daß ich ihn auf keine Weise greifen, hören oder sehen kann. Welches Einkommen in Truhen oder in Schiffen soll ich denn nun angeben? Jetzt rate mir jeder Freund, ob ich's behalten oder aufgeben soll. Wie die Geistlichen mich einschätzen, das läßt mich kalt: sie werden nichts in der Truhe vorfinden, wenn nicht etwas da ist; laßt sie hinrechnen und herrechnen – ich jedenfalls habe nichts darin.

Der künec mîn hêrre lêch mir gelt ze drîzec marken:
    des enkan ich niht gesliezen in der arken,
    noch geschiffen ûf daz mer in kielen noch in barken.
der nam ist grôz, der nuz ist aber in solher mâze,
    daz ich in niht begrîfen mac, gehœren noch gesehen:
    wes sol ich danne in arken oder in barken jehen?
    nû râte ein ieglich friunt, ob ichz behalte ode ob ichz lâze.
der pfaffen disputieren ist gar ein wiht:
    si prüevent in der arken niht, da ensî ouch iht:
    nû prüeven hin, nû prüeven her, son habe ich drinne niht.

84,22-29.* III: Verlegenheit und Bitte (1220)

Ich habe bislang sehr gut drei Arten von Sang getroffen, ich bin hoch, nieder und in der Mitte in solcher Art geflogen, daß diejenigen, die selbst reich an Sang sind, mir für jedes gedankt haben. Wie aber könnte ich von diesen drei Arten jetzt eine zu Dank singen? Der hohe Sang ist mir zu kräftig, der niedere viel zu schwächlich, und für den mittleren bin ich bei dieser verzwickten Lage nicht klug genug. Nun hilf mir, edler König, mit deinem Rat, dazwischen zu fliegen, damit wir gemeinsam ein Lied zustande bringen, das wie die früheren Beifall findet.

Ich traf dâ her vil rehte drîer slahte sanc,
    den hôhen und den nidern und den mittelswanc,
    daz mir die rederîchen iegeslîches sagten danc.
    wie könd ich der drîer einen nû ze danke singen?
    der hôhe der ist mir ze starc, der nider gar ze kranc,
    der mittel gar ze spæhe an disen twerhen dingen.
    nû hilf mir, edelr küneges rât, da enzwischen swingen,
    daz wir als ê ein ungehazzet liet zesamene bringen.

28,31-29,3. IV: Das Lehen (1220)

Ich habe mein Lehen, ihr alle, ich habe mein Lehen! Nun fürchte ich nicht, den Hornung an die Zehen zu bekommen, und nehme mir vor, alle geizigen Herren umso weniger anzugehn. Der großmütige König, der gütige König hat mich versorgt, so daß ich es den Sommer über luftig und im Winter warm habe. Meinen Nachbarn komme ich jetzt weit hübscher vor: sie sehen mich nicht mehr wie früher an, als sei ich ein Schreckgespenst. Ich bin zu lange, leider, arm gewesen. Ich war so voller Schmähsucht, daß mein Atem stank. Das alles hat der König rein gemacht und obendrein mein Singen.

Ich hân mîn lêhen, al die werlt, ich hân mîn lêhen.
    nû enfürhte ich niht den hornunc an die zêhen,
    und wil alle bœse hêrren dester minre flêhen.
der edel künec, der milte künec hât mich beraten,
    daz ich den sumer luft und in dem winter hitze hân.
    mîn nâhgebûren dunke ich verre baz getân:
    si sehent mich niht mêr an in butzen wîs als sî wîlent tâten.
ich bin ze lange arm gewesen ân mînen danc.
    ich was sô voller scheltens daz mîn âten stanc:
    daz hât der künec gemachet reine, und dar zuo mînen sanc.

84,30-37. V: Dank an den Kaiser

Erhabener Kaiser von Rom, ihr habt so an mir gehandelt, daß ich nicht anders kann als euch meinen Dank sagen zu lassen. Mir selbst ist es nicht möglich, mich bei euch so zu bedanken, wie ich es gerne möchte. Klug habt ihr mir eure Kerze gesendet: die hat mir sehr in die Augen gestochen, und die andern haben mich alle mit scheelen Blicken angeschaut; gleichwohl hat sie auch bei ihnen viele Augen blind gemacht. So hat, was mir nutzte und was euch ehrte, ihre Scheelsucht zuschanden gemacht.

Von Rôme keiser hêre, ir hânt alsô getân
    ze mînen dingen, daz ich iu muoz danken lân:
    in kan iu selbe niht gedanken als ich willen hân.
    ir hânt iuwer kerzen kündeclîchen mir gesendet.
    diu hât unser hâr vil gar besenget an den brân,
    und hânt si mir des wîzen alle vil gewendet;
    iedoch hâts ouch in der ougen vil erblendet:
    sus mîn frum und iuwer êre ir schilhen hât geschendet.

Gesellschaft

83,27-39. Die sechs Räte

Ich werde mir viel Dank erwerben; denn ich habe vor, die großen Herren zu unterweisen, wie sie jeglichen Ratschlag richtig beurteilen können. Von guten Ratschlägen gibt es drei, weitere drei stehn als schlechte daneben auf der linken Seite. Laßt euch die sechs bezeichnen. Nutzen und Gnade bei Gott und Ansehen unter den Menschen, das sind die guten – Heil dem, der sie gibt! Den sollte doch ein Kaiser zu seinem höchsten Ratgeber machen. Die andern heißen: Schaden, Sünde und Schande. Wer sie vorher noch nicht gekannt hat, mag sie aus Folgendem kennen lernen: man hört den Worten eines Menschen gut an, wie sein Inneres beschaffen ist. Und: derjenige Anfang ist niemals gut, der ein schlimmes Ende hat.

Ich muoz verdienen swachen haz:
    ich wil die hêrren lêren daz,
    wies iegeslîchen rât wol mügen erkennen.
der guoten ræte der sint drî:
    drî ander bœse stênt dâ bî
    zer linggen hant. lât iu die sehse nennen.
frum unde gotes hulde und weltlich êre,
    daz sint die guoten: wol im der si lêre!
    den möht ein keiser nemen gerne an sînen hôhsten rât.
    die andern heizent schade sünde und schande.
    da erkennes bî der sie ê niht erkande:
    wan hœret an der rede wol wiez umb daz herze stât.
    daz anegenge ist selten guot, daz bœsez ende hât.

21,10-24. Üble Welt

Wehe dir, Welt, wie schlimm sieht es mit dir aus! Was für Dinge tust du immerfort, die nur mit Ekel von dir zu ertragen sind! Du bist schier ganz ohne Schamgefühl. Gott weiß gut, ich bin dir feind; all dein Wesen ist widerwärtig geworden. Wieviel hast du uns aufbewahrt, was uns zum Ruhme gereichen könnte? Niemand sieht, daß du froh wärst, wie man es doch einst war. Wehe dir, womit haben die freigebigen Herzen das verdient? Statt ihrer rühmt man die reichen Geizhälse. Welt, es sieht so schändlich mit dir aus, daß ich es nicht beschreiben kann. Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit sind ganz und gar verrufen; das bedeutet aber auch die Vernichtung aller Ehrenhaftigkeit und Würde.

Owê dir, Welt, wie übel dû stêst!
    waz dinge dû alz an begêst,
    diu von dir sint ze lîdenne ungenæme!
Dû bist vil nâch gar âne scham.
    got weiz wol, ich bin dir gram:
    dîn art ist elliu worden widerzæme.
Waz êren hâst uns her behalten?
    nieman siht dich fröiden walten,
    als man ir doch wîlent pflac.
    wê dir, wes habent diu milten herze engolten?
    für diu lopt man die argen rîchen.
    Welt, dû stêst sô lasterlîchen,
    daz ichz niht betiuten mac.
    triuwe und wârheit sint vil gar bescholten:
    daz ist ouch aller êren slac.

23,11. Verderbnis der Welt

Es träumte – seitdem ist manches Jahr verflossen – in Babylon dem König, es würde auf Erden immer schlimmer werden. Die heute ganz schlimm sind, bekommen die noch schlimmere Kinder, ja, Herr Gott, wem soll ich die gleichstellen? Käme der Teufel mir vor die Augen, er wäre mir nicht so widerwärtig wie des Schlimmen schlimmeres Kind. Solche Nachkommenschaft bringt uns weder Nutzen noch Ansehen. Die sich selber so entehren und ihr schlimmes Wesen noch verschlimmern, mögen sie ohne Leibeserben dahinfahren. Daß die Zahl unedler Herren etwa zunehme, das verhüte du, Herr Gott.

Ez troumte, des ist manic jâr,
    ze Babilône, daz ist wâr,
    dem künge, ez würde bœser in den rîchen.
Die nû ze vollen bœse sint,
    gewinnent die noch bœser kint,
    jâ hêrre got, wem sol ich diu gelîchen?
Der tievel wær mir niht sô smæhe,
    quæme er dar dâ ich in sæhe,
    sam des bœsen bœser barn.
    von der geburt enkumt uns frum noch êre.
    die sich selben sô verswachent
    und ir bôsen bœser machent,
    ân erben müezen si vervarn.
    daz tugendelôser hêrren werde iht mêre,
    daz solt dû, hêrre got, bewarn.

23,26-24,2. Verkehrte Erziehung

Die Väter haben ihre Kinder so erzogen, daß sie beide als Betrogene dastehn; sie handeln oft wider Salomons Rat. Der sagt, wer die Rute spare, der vernachlässige und schädige seinen Sohn. Darum sind die Ungeprügelten ganz ehrlos. Vordem war die Gesellschaft so rücksichtsvoll, jetzt ist sie ebenso hochfahrend geworden. So etwas hat es vor Zeiten nicht gegeben: die Jungen haben die Alten so beiseite geschoben. Nur drauf los: macht euch nur über die Alten lustig! Es wird euch selbst noch aufgespart: wartet, bis eure Jugend dahingeht. Alles was ihr ihnen antut, das vergelten euch eure Kinder. Ich weiß genau, daß sie das und noch mehr tun werden.

Die veter habent ir kint erzogen,
    dar ane si bêde sint betrogen:
    si brechent dicke Salomônes lêre.
Der sprichet, swer den besmen spar,
    daz der den sun versûme gar:
    des sint die ungeberten gar ân êre.
Hie vor dô was diu welt sô schœne,
    nû ist si worden alsô hœne:
    des enwas niht wîlent ê:
    die jungen habent die alten sô verdrungen.
    nû spottent alsô dar der alten!
    ez wirt iu selben noch behalten:
    beit unz iuwer jugent zergê:
    swaz ir in tuot, daz rechent iuwer jungen.
    daz weiz ich wol, und weiz noch mê.

24,3-17. Zuchtlose Jugend

Wer schmückt heute den Saal der Ehren? Der Anstand der jungen Ritter ist mäßig; darum benehmen sich die Knappen mit Worten und auch mit Werken ganz roh; wer Anstand besitzt, der ist ihnen ein Narr. Seht nur, wie ganz die Unsittlichkeit vordringt. Früher prügelte man die Jungen, die da dreiste Reden führten; heutzutage lassen sie sich dafür bewundern. Sie prahlen (mit Liebeserfolgen) und beschimpfen dadurch keusche Frauen. Stäupen und scheren sollte man die, die nicht fröhlich sein können, ohne Frauen bitter zu kränken. Hier kann man Sünde und Schande vereint erblicken, die mancher selber auf sich häuft.

Wer zieret nû der êren sal?
    der jungen ritter zuht ist smal:
    sô pflegent die knehte gar unhövescher dinge,
Mit Worten, und mit werken ouch:
    swer zühte hât, der ist ir gouch.
    nemt war wie gar unfuoge für sich dringe.
Hie vor dô berte man die jungen,
    die dâ pflâgen frecher zungen:
    nû ist ez ir werdekeit.
    si schallent unde scheltent reine frouwen.
    wê ir hiuten und ir hâren,
    die niht kunnen frô gebâren
    sunder wîbe herzeleit!
    dâ mac man sünde bî der schande schouwen,
    die maneger ûf sich selben leit.

30,9-18. Die falschen Lächler

Bei Gott, mein Lob würde immer einem Hofe treu bleiben, wo man auch mitunter hofgemäß handelte, im Benehmen, durch zuverlässiges Wort, mit einer Beisteuer. Mir graust, wenn mich die Lügner anlächeln, deren Zunge von Honig trieft und deren Herz Galle hat. Freundeslachen soll ohne Falsch sein, klar wie das Abendrot, das gute Botschaft bringt. Handle gegen mich freundlich wie dein Lächeln, oder aber lächle anderswo. Wessen Mund mich täuschen will, der behalte sein Lächeln für sich: von dem nähme ich ein wahrhaftes Nein lieber als zwei gelogene Ja.

Got weiz wol, mîn lop wær iemer hovestæte
    dâ man eteswenne hovelîchen tæte,
    mit gebærde, mit gewisser rede, mit geræte.
mir grûset, sô mich lachent an die lechelære,
    den diu zunge honget und daz herze gallen hât.
    friundes lachen sol sîn âne missetât,
    lûter als der âbentrôt, der kündet süeziu mære.
nû tuo mir lachelîche, od lache ab anderswâ.
    swes munt mich triegen wil, der habe sîn lachen dâ:
    von dem næm ich ein wârez nein für zwei gelogeniu jâ.

31,13-22. Böser Besitz

Ich habe von der Seine bis an die Mur acht gegeben, vom Po bis zur Trave kenne ich all ihre Art und Weise. Der Mehrzahl ist es gleich, auf welche Weise sie zu Besitz kommt. Soll ich ihn ebenso erwerben, dann lebt wohl, Hochsinn und Freude! Besitz war immer gern gesehen, doch ging Ehrenhaftigkeit dem Besitze vor. Jetzt aber ist der Besitz etwas so Erhabenes, daß er mit Gewalt vor ihr zu den Frauen geht, mit den Fürsten zu den Königen in ihre Beratungen. Drum wehe dir, Besitz! Wie sieht es mit dem Römischen Reich aus! Du bist nicht gut: du hältst dich allzu sehr an die Schande.

Ich hân gemerket von der Seine unz an die Muore,
    von dem Pfâde unz an die Traben erkenne ich al ir fuore:
    diu meiste menege enruochet wies erwirbet guot.
    sol ichz alsô gewinnen, sô ganc slâfen, hôher muot.
    guot was ie genæme, iedoch sô gie diu êre
    vor dem guote: nu ist daz guot sô hêre,
    daz ez gewalteclîche vor ir zuo den frowen gât,
    mit den fürsten zuo den künegen an ir rât.
    sô wê dir, guot! wie rœmesch rîche stât!
    du enbist niht guot: dû habst dich an die schande ein teil ze sêre.

37,34-38,9. Herren als Gaukler

Reichlich viele Herren gleichen den Gauklern, die geschickt zu trügen und zu täuschen verstehen. Der sagt: »Sieh her, was ist unter diesem Hut? Nimm ihn weg!« – da steht in seiner Vorstellung ein wilder Falke da. »Nimm den Hut weg!«, dann steht ein herrlicher Pfau darunter. »Nimm ihn weg!«, da steht ein Meerwundertier da. Wie oft das auch geschieht, zuletzt ists nur eine Krähe. Freund, auch ich kenne das, haha, haha, haha. Behalte nur deine Falschspielerbüchse für dich; wäre ich so stark wie du, ich schlüge sie dir an den Kopf. Deine Asche stiebt mir in die Augen. Willst du mich vor einem so arglistigen Untier nicht besser beschützen, so hab ich keine Lust, dir noch länger pusten zu helfen.

Genuoge hêrren sint gelîch den gougelæren,
    die behendeclîche kunnen triegen unde væren.
    der sprichet ›sich her, waz ist under disem huote?
    nû zucke in ûf‹: dâ stêt ein wilder valke in sînem muote.
    ›zuck ûf den huot‹: sô stêt ein stolzer pfâwe drunder.
    ›nû zucke in ûf‹: dâ stêt ein merwunder.
    swie dicke daz geschiht, so ist ez ze jungest wan ein krâ.
    friunt, ich erkenne ouch daz, hâhâ hâhâ hâhâ.
    hab dîn valschen gougelbühsen dâ:
    wær ich dir ebenstarc, ich slüeges an daz houbet dîn.
    dîn valewische stiubet in diu ougen mîn.
    ich wil niht mêr dîn blâsgeselle sîn,
    dun wellest mîn baz hüeten vor sô trügelîchem kunder.

Reich

29,15-24. Vorschlag zur Güte (1220)

Ihr Fürsten, diejenigen von euch, die den König gerne los wären, die mögen meinen Rat befolgen; ich rate ihnen nicht aufs Geratewohl. Wollt ihr, so sende ich ihn tausend Meilen und dann noch weiter nach Trani. Der Held will Christi Kriegsfahrt tun; wer ihn daran hindert, der hat gegen Gott und die ganze Christenheit gehandelt. Ihr Feinde, laßt ihn seines Weges fahren; vielleicht wird er euch hierzulande nie wieder stören. Sollte er dort bleiben – was Gott verhüte! –, dann lacht ihr. Kehrt er uns Freunden wieder heim, dann lachen wir. Das laßt uns nun beiderseits abwarten – und habt den Rat von mir.

Ir fürsten, die des küneges gerne wæren âne,
    die volgen mîme râte: ichn râte in niht nâch wâne.
    welt ir, ich schicke in tûsent mîle und dannoch mê für Trâne.
der helt wil Kristes reise varn: swer in des irret,
    der hât wider got und al die kristenheit getân.
    ir vînde, ir sult in sîne strâze varen lân:
    waz ob er hie heime iu niemer mêre niht gewirret?
belîbe er dort, des got niht gebe, sô lachent ir:
    kom er uns friunden wider hein, sô lachen wir.
    der mære warten beidenthalp, und hânt den rât von mir.

85,1-8. An Engelbert von Köln

Edler Bischof von Köln, seid zufrieden! – ihr habt Grund dazu. Ihr habt euch um den Kaiser hochverdient gemacht, und zwar derart, daß mittlerweile euer Ruhm steigt und hoch schwebt. Sollte eure hohe Stellung irgendwelchen elenden Feiglingen schwer aufliegen, so betrachtet das, Oberhaupt der Fürsten, als eine ohnmächtige Drohung. Getreuer Vormund des Königs, hochberühmt seid ihr, des kaiserlichen Ansehens Schützer mehr als je ein Kanzler; Kämmerer der drei Könige und elftausend Jungfrauen.

Von Kölne werder bischof, sint von schulden frô.
    ir hânt dem rîche wol gedienet, und alsô
    daz iuwer lop da enzwischen stîget unde sweibet hô.
    sî iuwer werdekeit dekeinen bœsen zagen swære,
    fürsten meister, daz sî iu als ein unnütze drô.
    getriuwer küneges pflegære, ir sît hôher mære,
    keisers êren trôst baz danne ie kanzelære,
    drîer künege und einlif tûsent megde kamerære.

85,9-16. Auf Engelberts Ermordung (1225)

Wessen Leben ich preise, dessen Tod will ich immerdar betrauern. Wehe dem, der den edlen Fürsten von Köln erschlagen hat! Wehe darüber, daß ihn die Erde noch tragen will! Ich weiß ihm keine Marter zu erfinden, die seiner Sünde entspräche: ihm wäre allzu weich ein Eichenstrang um seinen Hals. Ich wünsche ihm auch nicht das Verbrennen noch Vierteilen noch Schinden noch Rädern noch auch das Aufs-Rad-Flechten: ich warte immerfort, ob ihn die Hölle nicht lebendig verschlingen will.

Swes leben ich lobe, des tôt den wil ich iemer klagen.
    sô wê im der den werden fürsten habe erslagen
    von Kölne! owê des daz in diu erde mac getragen!
    ine kan im nâch sîner schulde keine marter vinden:
    im wære alze senfte ein eichîn wit umb sînen kragen,
    in wil sîn ouch niht brennen noch zerliden noch schinden
    noch mit dem rade zerbrechen noch ouch dar ûf binden:
    ich warte allez ob diu helle in lebende welle slinden.

Auf die Regierung Heinrichs VII. (nach 1225)

83,14-26. I: Niedrige Ratgeber

Wo der Hohe herabsteigt und andererseits der Niedere mit Gewalt zum hohen Rat herangezogen wird, da ist der Hof in Verwirrung. Wie kann ein Unweiser etwas anweisen, wovon er nichts versteht? Kann er mir Abhilfe schaffen gegen etwas, was ihn nicht stört? Wenn die Hohen vor dem Ratszimmer stehn bleiben, dann müssen die Niederen über das Reich ratschlagen. So oft die mit ihrer Weisheit zu Ende sind, seht, tun sie nichts weiter als zum Betrug überzugehen. Solches Betrügen und das Lügen bringen sie den Fürsten bei. Das sind die, welche uns die alten Ordnungen vernichten und unsere Rechte zerstören: seht nur, wie die Krone darniederliegt und wie die Kirche dasteht.

Swâ der hôhe nider gât
    und ouch der nider an hôhen rât
    gezucket wirt, dâ ist der hof verirret.
wie sol ein unbescheiden man
    bescheiden des er niht enkan?
    sol er mir büezen des im niht enwirret?
bestênt die hôhen vor der kemenâten,
    sô suln die nidern umb daz rîche râten.
    swâ den gebrichet an der kunst, seht, dâ tuont si niht mê
    wan daz siz umbe werfent an ein triegen:
    daz lêrent si die fürsten, unde liegen.
    die selben brechent uns diu reht und stœrent unser ê.
    nû sehent wie diu krône lige und wie diu kirche stê.

102,15-28. II: Torenregiment

Ich hatte mich auf den Weg gemacht, um etwas Unerhörtes zu sehen; da fand ich in der Tat Unerhörtes. Ich fand die Throne leider leer, auf denen einst Weisheit, Adel und Alter in aller Kraft gesessen hatten. Hilf, hohe Jungfrau; hilf, du Kind der Jungfrau, den Dreien doch in ihren Kreis zurück; laß sie ihres Sitzes nicht lange verlustig sein. Ihr großer Jammer schmerzt mich von Herzen. Der unerfahrene Reiche besitzt jetzt Thron und Ehre, die den Dreien gebührten. Ach, daß man jetzt gezwungen ist, sich statt vor den Dreien vor dem Einen zu verneigen. Deshalb ist das Recht lahm und der Anstand bekümmert und das Schamgefühl krank. Darüber führe ich Klage – gerne klagte ich noch länger.

Ich was durch wunder ûz gevarn:
    dô vant ich wunderlîchiu dinc.
    ich vant die stüele leider lære stân,
    dâ wîsheit adel und alter
    vil gewaltic sâzen ê.
hilf, frowe maget, hilf, megde barn,
    den drin noch wider in den rinc,
    lâ si niht lange ir sedeles irre gân.
    ir kumber manicvalter
    der tuot mir von herzen wê.
ez hât der tumbe rîche nû ir drîer stuol, ir drîer gruoz.
    owê daz an ir drîer stat dem einen man nû nîgen muoz!
    des hinket reht und trûret zuht und siechet schame.
        diz ist mîn klage: noch klagte ich gerne mê.

102,1-14. III: Liebe und Kindheit

Die Liebe läßt sich dort mit Namen rufen, wo sie selbst doch niemals hinkommen wird; sie liegt den Toren wohl auf den Lippen, vom Herzen läßt sie sich aber nicht fangen. Drum wacht über euch, edle Frauen! Vor Kindern versteckt euer Ja, dann wird es nicht zum Kinderspiel. Liebe und Kindheit sind einander feind. Leider sieht man sehr oft in schöner Gestalt einen treulosen Menschen. Prüfet zuvor, warum, wie, wann und wo, und besonders wem ihr euer liebendes Ja so schenkt, daß es euch Ehre macht. Sieh, Liebe, sieh: wer solcherart prüft, sowohl Weib wie Mann, der sei dein Kind; die andern jage davon!

Diu minne lât sich nennen dâ
    dar si doch niemer komen wil:
    si ist den tôren in dem munde zam,
    und in dem herzen wilde.
    hüetet iuwer, guoten wîp.
vor kinden bergent iuwer jâ:
    so enwirt ez niht ein kindes spil.
    minn unde kintheit sint ein ander gram.
    vil dicke in schœnem bilde
    siht man leider valschen lîp.
ir sult ê spehen, war umbe, wie, wenn unde wâ und rehte weme
    ir iuwer minneclîchez jâ sô teilet mite daz ez iu zeme.
    sich, minne, sich, swer alsô spehe, der sî dîn kint,
        sô wîp sô man: die andern dû vertrîp.

101,23-36. IV.: Absage

Wild aufgewachsenes Kind, du bist zu krumm. Da niemand dich mehr gerade biegen kann (du bist für die Rute leider allzu groß, für das Schwert allzu klein), so schlaf und mach dirs bequem. Ich selber komme mir einfältig vor, daß ich jemals so viel von dir hielt. Deine Zuchtlosigkeit barg ich in Freundes Schoß; was dir wehe tat, nahm ich auf mich; meinen Rücken zerbrach ich mir für dich. Jetzt mag deine Schule ohne Lehrer dastehen, so weit ich den abgegeben habe – ich kann dir nicht mehr helfen. Kann es ein anderer, so soll mich alles freuen, was du dadurch Erfreuliches erfährst. Doch weiß ich gut: wo seine Gewalt aufhört, da steht auch seine Weisheit schutz- und schirmlos da.

Selbwahsen kint, dû bist ze krump:
    sît nieman dich gerihten mac
    (dû bist dem besmen leider alze grôz,
    den swerten alze kleine),
    nû slâf unde habe gemach.
ich hân mich selben des ze tump,
    daz ich dich ie sô hôhe wac.
    ich barc dîn ungefüege in friundes schôz,
    dîn leit bant ich ze beine,
    mînen rugge ich nâch dir brach.
nû sî dîn schuole meisterlôs an mîner stat: ich kan dir niht.
    kan ez ein ander, deis mir liep, swaz liebes dir dâ von geschiht.
    doch weiz ich wol, swâ sîn gewalt ein ende hât,
        dâ stêt sîn kunst ouch sunder obedach.

10,9-16. Gottesfeinde (1227)

Räche, Herr, dich und deine Mutter, du Kind der Jungfrau, an denen, die eures Erblandes Feinde sind! Achte aber außer den Heiden auch den Christen für nichts; denn sie hassen dich beide aus vollem Herzen. Darum laß mit deiner Rache gegen sie, Herr Vater, nicht nach. Du weißt gut, daß nicht bloß die Heiden dich stören. Die zeigen aber ihre Bosheit gegen dich doch wenigstens frei und offen; diese dagegen sind bösartiger, die mit ihnen so heimlich unter einer Decke stecken.

Rich, hêrre, dich und dîne muoter, megde kint,
    an den die iuwers erbelandes vînde sint.
    lâ dir den kristen zuo den heiden sîn alsô den wint,
    wan si meinent beide dich mit ganzen triuwen kleine.
    an dîner râche gegen in, hêrre vater, niht erwint:
    dû weist wol daz die heiden dich niht irrent eine.
    die sint wider dich doch offenlîche unreine:
    dise unreiner, diez mit in sô stille habent gemeine.

10,17-24. Botschaft an den Kaiser (1227)

Bote, teile dem Kaiser den Rat seines ergebenen Dieners mit: wie die Dinge nun einmal stehen, wisse ich keinen bessern. Wenn ihn jemand auf Geld und Mannschaften warten läßt, so breche er rasch auf und komme bald hierher zu uns; er lasse sich nicht zum Narren halten. Wer Gott und ihn gestört hat, den möge er auch stören. Die echten Geistlichen warne er, den falschen Gehör zu schenken, die da hoffen, das Reich in Verwirrung zu bringen. Von diesen trenne er sie, oder er entferne sie allesamt aus den Kirchen.

Bot, sage dem keiser sînes armen mannes rât,
    daz ich deheinen bezzern weiz als ez nû stât.
    ob in guotes unde liute ieman erbeiten lât,
    sô var er balde und kome uns schiere, lâze sich niht tœren;
    irre etelîchen ouch der got und in geirret hât;
    die rehten pfaffen warne, daz si niht gehœren
    den unrehten die daz rîche wænent stœren;
    scheides von in, oder scheides alle von den kœren.

10,25-32. Warnung (1227)

Dürfte ich den Geistlichen einen aufrichtigen Rat geben, so mögen sie den Armen zureden: »Hier, das gehört dir!«. Sie mögen sich darauf beschränken, die Messe zu singen, und gar manchem sein Eigentum überlassen. Sie mögen bedenken, daß sie auch früher um Gottes Willen Almosenspender waren. Erst König Konstantin gab ihnen Anteil an den (Staats-)Einkünften. Hätte er gewußt, daß daraus später Unheil erwachsen würde, dann hätte er gewiß die Bedrängnis des Kaisertums verhindert. Aber damals war ihnen freilich Habgier und hochfahrender Sinn noch fremd.

Solt ich den pfaffen râten an den triuwen mîn,
    sô spræche ir munt den armen zuo ›sê daz ist dîn‹:
    ir zunge sunge und lieze ir hant vil manegem man daz sîn;
    gedæchten daz ouch si durch got ê wâren almuosnære:
    dô gap in êrste geltes teil der künic Constantîn.
    het er gewest daz dâ von übel künftic wære,
    sô het er wol underkomen des rîches swære;
    wan daz si dô wâren kiusche und übermüete lære.

10,33-11,5. Drohung (1227)

Mein alter Klausner, von dem ich damals sang, als uns der frühere Papst in so harte Bedrängnis brachte, der ist jetzt wieder um die Kirchen besorgt: ihre Vorsteher möchten sich als schwächlich erweisen. Er sagt, wenn sie die Guten bannen und den Bösen die Messe singen, dann solle man ihnen den Schlag rasch und kräftig zurückgeben. Dann könnte es ihnen mit Pfründen und Kirchen übel ergehn: es gebe viele, die jetzt darauf rechneten, im Dienste des Kaisers mit schimmernden Panzern ihren (Kirchen-)Besitz zu gewinnen.

Mîn alter klôsenære, von dem ich dô sanc,
    dô uns der êrre bâbest alsô sêre twanc,
    der fürhtet aber der goteshûse, ir meister werden kranc.
    er seit, ob si die guoten bannen und den übeln singen,
    man swenke in engegene den vil swinden widerswanc:
    an pfrüenden und an kirchen müge in misselingen:
    der sî vil die dar ûf iezuo haben gedingen
    dazs ir guot verdienen umb daz rîche in liehten ringen.

13,5-32. Nahes Weltende (Winter 1227/28)

I. Wehe, wie sehr nimmt Deutschland an Ansehen ab! Wer Verstand und Tapferkeit, außerdem Silber und Gold besitzt und doch zu seiner Schande daheimbleibt, ach wie entgeht dem der Sold des Himmelskaisers! Dem sind weder die Engel noch die Frauen gewogen. Ein unseliger Mensch vor der Welt und gegenüber Gott, wie hat der Grund, ihrer beider Spott zu fürchten!

Owê waz êren sich ellendet tiuschen landen!
    witze unde manheit, dar zuo silber und daz golt,
    swer diu beidiu hât, belîbet der mit schanden,
    wê wie den vergât des himeleschen keisers solt!
    dem sint die engel noch die frowen holt.
    armman zuo der werlte und wider got,
    wie der fürhten mac ir beider spot!

II. Wehe, es wird ein Wind kommen, das wisset wahrlich, von dem künden uns Lieder und Geschichten: der wird alle Reiche mit Grimm durchbrausen. Das höre ich Wallfahrer und Pilgrime klagen: Bäume, Türme liegen vor ihm zerbrochen; kräftigen Menschen bläst er das Haupt ab. Darum laßt uns zu Gottes Grab flüchten!

Owê ez kumt ein wint, daz wizzent sicherlîche,
    dâ von wir hœren beide singen unde sagen:
    der sol mit grimme ervaren elliu künicrîche.
    daz hœre ich wallære unde pilgerîne klagen:
    boume, türne ligent vor im zerslagen:
    starken liuten wæt erz houbet abe.
    nû suln wir fliehen hin ze gotes grabe.

III. Wehe uns trägen Menschen, wie haben wir uns zwischen die Freuden verkehrt gesetzt an den Ort des Elends! Aller Tätigkeit hatten wir vergessen, als der Sommer uns unter seine Dienerschaft lud. Der brachte uns vergängliche Blumen und Blätter, da betrog uns der kurze Vogelsang. Heil dem, der immer nach beständigen Freuden gestrebt hat!

Owê wir müezegen liute, wie sîn wir versezzen
    zwischen fröiden an die jâmerlîchen stat!
    aller arebeite heten wir vergezzen,
    dô uns der sumer sîn gesinde wesen bat.
    der brâhte uns varnde bluomen unde blat:
    dô trouc uns der kurze vogelsanc.
    wol im der ie nâch stæten fröiden ranc!

IV. Wehe über das Lied, das wir mit den Grillen sangen, als wir uns gegen die Winterzeit hätten versorgen sollen! Ach, daß wir großen Toren uns nicht zugleich mit der Ameise abgemüht haben, die nun hoch ehrenvoll bei ihren Werken ruht! Darin hat die Welt immer am heftigsten widerstrebt: Toren verwarfen immer den Ratschlag der Weisen. Dort oben erst sieht man deutlich, wer hier auf Erden die Unwahrheit gesagt hat.

Owê der wîse die wir mit den grillen sungen,
    sô wir uns solten warnen gegen des winters zît!
    daz wir vil tumben mit der âmeizen niht rungen,
    diu nû vil werde bî ir arebeiten lît!
    daz was ie der welte meiste strît,
    tôren schulten ie der wîsen rât.
    wan siht wol dort wer hie gelogen hât.


 << zurück weiter >>