Edgar Wallace
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Edgar Wallace

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19

Margaret Maddison war im Begriff, sich zur Ruhe zu begeben, als an der Haustür geklingelt wurde. Sie öffnete die Tür ihres Zimmers und lauschte: unten in der Halle wurde gesprochen; sie hörte die Stimme ihres Dieners, eine andere, tiefere und schließlich die Worte:

»Es ist besser, Sie gehen nach oben und sprechen mit Mrs. Maddison. Ich muß sie sehen . . . Scotland Yard.«

Sie schickte die Zofe nach unten, um zu erfahren, was vorgefallen war, und wenige Minuten später kam das Mädchen zurück.

»Ein Inspektor von Scotland Yard, gnädige Frau, er möchte Sie dringend in einer wichtigen Angelegenheit sprechen.«

»Ist es Mr. Bird?« fragte sie bestürzt.

Warum sie überhaupt bestürzt war, konnte sie sich in diesem Augenblick selbst nicht erklären. Später wurde sie sich darüber klar, daß es vor allen Dingen der Name »Scotland Yard« war – meistenteils mit unangenehmen Nachrichten verbunden. Und dann auch der Gedanke, daß möglicherweise Luke etwas zugestoßen sein könnte.

Es war nicht Bird, sondern ein anderer, der sich als Inspektor Gorton vorstellte.

»Ich bedauere, Sie zu einer so späten Stunde stören zu müssen, Mrs. Maddison, aber wir haben soeben eine Mitteilung von Mr. Hulberts Diener erhalten – ich glaube, Mr. Hulbert ist der Anwalt Ihres Mannes?«

Sie nickte und atmete tief auf.

»Ist etwas vorgefallen – ich meine . . . mit Mr. Maddison?«

»Nein, Mrs. Maddison, nichts Ernsthaftes – möglicherweise hat es überhaupt nichts zu bedeuten. Aber der Diener von Mr. Hulbert hat uns mitgeteilt, daß heute abend bei ihm angerufen wurde, ob jemand in der Wohnung Ihres Mannes wäre. Er erzählte uns außerdem, daß Sie den Schlüssel der Wohnung hätten.«

Margaret nickte.

Der Schlüssel für die Wohnung war ihr wenige Tage nach Lukes Verschwinden ausgehändigt worden. Sein Diener hatte ihn gebracht, und der Schlüssel lag in diesem Augenblick in einem Fach ihres Schreibtisches.

»Soweit ich gehört habe, ist Mr. Maddison im Ausland?«

»Ja, er ist in Ronda – in Spanien«, sagte sie hastig. »Wenn Sie wünschen, können Sie den Schlüssel haben.«

Inspektor Gorton zögerte.

»Es wäre mir eigentlich lieber, wenn Sie uns begleiten könnten, Mrs. Maddison. Ich gebe Ihnen die Zusicherung, daß nicht die geringste Gefahr besteht, aber wir nehmen nicht gern Haussuchungen vor, wenn nicht der Besitzer oder ein Vertreter gegenwärtig sind.«

»Was erwarten Sie denn dort zu finden? Selbstverständlich komme ich gleich mit.«

»Sie können ja im Wagen sitzen bleiben . . . was wir dort zu finden erwarten? Nun, es ist vielleicht möglich, daß der Mann, der angerufen hat, einen Einbruch vorhat – und wir möchten Sie begreiflicherweise keiner Gefahr aussetzen.«

Sie ging in ihr Zimmer, kleidete sich eilig an, nahm einen Mantel und ging mit dem Beamten nach dem Wagen, der vor der Tür hielt. Zwei oder drei Mann saßen im Inneren, und Inspektor Gorton bat sie, sich neben den Führer zu setzen.

Bald waren sie vor Lukes Haustür angelangt.

»Nein, nein, ich gehe mit Ihnen nach oben«, sagte Margaret. »Ich bin selbst nur wenige Male in der Wohnung gewesen, aber vielleicht kann ich Ihnen doch irgendwie behilflich sein.«

Es war ein bitteres Gefühl für sie, die bekannte Vorhalle zu betreten, die vertrauten Möbelstücke verstaubt vor sich zu sehen. Alles erinnerte sie an Luke, und ihr Herz schmerzte bei dem Gedanken, daß er vielleicht nie wieder zurückkehren würde.

»Es gibt doch eine Feuerleiter hier? Wo ist sie angebracht?«

»Bei dem Küchenfenster«, sagte sie.

Der Inspektor trug einem seiner Leute auf, die Wohnung zu durchsuchen. Plötzlich blieb er stehen und zog prüfend die Luft ein.

»Hier ist eine Zigarre geraucht worden, und das ist noch gar nicht so lange her!«

Auch Margaret hatte den schwachen Duft verspürt. In diesem Augenblick kam einer der Beamten aus der Küche gestürzt.

»Das Fenster ist aufgebrochen!«

Gorton nickte wieder. Er schien das erwartet zu haben.

»Wo ist Mr. Maddisons Zimmer?«

Sie wies auf die Tür. Der Schlüssel steckte im Schlüsselloch. Der Beamte drückte die Klinke nieder, aber die Tür öffnete sich nicht: sie war von der Innenseite verriegelt.

»Komm 'raus, mein Junge!« rief der Inspektor und klopfte scharf gegen die Tür. »Polizei!«

Er wandte sich der jungen Frau zu.

»Es ist besser, Sie gehen nach unten, Mrs. Maddison – wir müssen die Tür aufbrechen!«

Luke Maddison, der lauschend auf der anderen Seite der Tür stand, hörte wie versteinert diese Worte. Seine Frau war hier – der einzige Mensch in der Welt, der ihn nicht sehen durfte!


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