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Zwölftes Kapitel.
Ein alter Bekannter

Schon waren drei Tage vergangen, seitdem Lorenz seinen Heiratsantrag abgesendet hatte, doch noch immer war keine Antwort eingetroffen, von dem liebreizenden. Mädchen, das er mit verzehrender Leidenschaft liebte.

Aus diesem Grunde befand sich der Makler in begreiflicher Aufregung.

Aber noch ein anderer Umstand kam hinzu, der ihm die Ruhe raubte, sodaß er darüber fast vorübergehend Ella vergaß.

Wiederholt war er aus dem Wege zur Börse einem alten Matrosen begegnet, der ihn stets forschend angeblickt hatte, so durchdringend, daß Lorenz erschreckt sein Antlitz abwenden mußte.

War es ihm doch, als ob er dem Unheimlichen zu einer Zeit und unter Umständen begegnet sei, an welche er nicht gern erinnert sein mochte.

Zudem schien es ihm, als ob der Verdächtige ihm folgte, so daß Lorenz beschloß, von nun an doppelt vorsichtig zu sein.

Hatte der reiche Makler denn etwas zu fürchten? Es mußte wohl so sein, denn derselbe traf plötzlich trotz der glühenden Liebe zu Ella insgeheim Vorkehrungen zu seiner Abreise.

Noch heute wollte er alle seine Beziehungen an der Börse lösen und dann am nächsten Tage L. und überhaupt der deutschen Erde Lebewohl sagen.

Er befand sich auf dem Wege zur Börse, als er sich plötzlich angeredet hörte.

Unwillig blickte er empor, doch dieses Gefühl wich dem der bangen Unbehaglichkeit, als er in dem Fremden jenen unheimlichen Matrosen erkannte, dessen Anblick in ihm wiederholt ein Gefühl des Schreckens wachgerufen hatte.

»Potz Haifisch und Kabeljau!« rief Larsen, denn er war es, »soll mich doch gleich der Klabautermann fressen, wenn ich den Herrn nicht kenne.«

Er sah Lorenz bei diesen Worten unverschämt grinsend an.

»Sie irren, mein Freund,« gab dieser unsicher zurück. »Ich wüßte nicht, wo ich Sie jemals gesehen hätte.«

»Potz Kiel und Bramsegel! rief Larsen. »Ihr Landratten habt freilich ein schlechtes Gedächtnis für ein Gesicht, aber unsereins, der durch Wochen mit einem Menschen auf dem Ozean treibt, erkennt ihn noch nach Jahren wieder. Freilich,« fügte er mit gut erheucheltem Gleichmut hinzu, »Sie haben sich, seit Sie unsern Ostindienfahrer verlassen haben, verdammt verändert. Der Vollbart ist verschwunden und statt des polnischen Kauderwälsch, sprechen Sie sogar deutsch. Aber der alte Larsen erkennt Sie drum.«

»Verschonen Sie mich,« unterbrach Lorenz, »wenn Sie nicht erfahren wollen, wie ich mir lästige Personen abschüttle.«

»Doch nicht etwa wie den Kaufherrn Jansen?« fragte Larsen leise, doch jedes Wort scharf betonend. »Wir sind aber hier nicht auf offener See, auch nicht in der Kajüte. Außerdem ist es nicht finstere Nacht und in meiner Jacke steckt kein gespicktes Portefeuille.«

Lorenz war schneeweiß geworden und vermochte sich nur noch mühsam aufrecht zu erhalten.

»Kommen Sie in jenes Lokal dort,« sprach er im Flüsterton, auf eine in der Nähe befindliche Restauration deutend. »Ich glaube. Sie sind ein vernünftiger Mann. Wenn Sie Ihren Vorteil verstehen, werden wir schnell einig werden.«

Er schritt Larsen voraus in die Restauration. Dieser folgte ihm, nicht ohne, von Lorenz unbemerkt, einem Herrn ein Zeichen zu geben, der gleich nach den Beiden ebenfalls das Lokal betrat.

»Machen wir's kurz,« nahm Lorenz, nachdem er in der entferntesten Ecke mit feinem Begleiter Platz genommen und zwei Gläser Grog bestellt hatte, das Wort. »Sie sind einmal Zeuge eines peinlichen Vorfalls geworden, der für mich Unannehmlichkeiten zur Folge haben könnte, wenn Sie plaudern. Ich zahle Ihnen also zwanzigtausend Mark Schweigegeld und wir sind fertig.

Zwanzigtausend Mark,« wiederholte er, »bedenken Sie, das ist eine Summe, die Sie vielleicht nur einmal in Ihrem Leben verdienen. Nicht wahr, ein schön Stück Geld, das ich Ihnen biete?«

»Das will ich meinen,« gab Larsen zurück.

»Dann,« fuhr Lorenz im Flüsterton fort, »geben Sie den unsicheren Seemannsberuf auf, kaufen sich in der Nähe der Küste ein kleines Anwesen und während Ihre früheren Kameraden sich bei Nacht und Sturm auf dem Ozean umhertreiben, sitzen Sie ruhig im Sorgenstuhl, rauchen Ihr Pfeifchen und sagen sich –«

»Larsen, Du bist doch ein infamer Schurke, daß Du von dem Blutgelde eines verdammten Mordgesellen lebst,« fiel Larsen mit lauter, fast dröhnender Stimme ein.

Entsetzt war Lorenz aufgesprungen, doch im nächsten Augenblick schon war er gefesselt.

Der Herr, dem Larsen auf der Straße ein Zeichen gegeben hatte, war ein gewiegter Kriminalbeamter, welcher gleich darauf den Makler Lorenz in entern geschlossenen Wagen in das Untersuchungs-Gefängnis beförderte.

Gleich in den ersten Verhören entpuppte sich Lorenz als der vielgenannte James Warren, welchen Jansen einst vertrauensselig in seine Verhältnisse eingeweiht hatte.

Begierig nach dem Vermögen Jansens, hatte Warren unter täuschender Maske sich auf dem Ostindienfahrer eingeschifft und hier die Blutthat an dem Handelsherrn verübt.

Zu vielen Verhören kam es übrigens nicht, denn kaum acht Tage nach seiner Verhaftung fand man den Mörder in seiner Zelle vergiftet vor.

Derselbe mußte wohl eine giftige Substanz bei sich geführt haben, die er bei der Einlieferung im Gefängnis vor den Wärtern zu verbergen wußte.

In seinem sofort vom Gericht beschlagnahmten Nachlaß wurde der bei weitem größte Teil der, dem Ermordeten geraubten Summe vorgefunden.

Als unter Beistand Jordans die Gläubiger befriedigt worden waren, blieb für Ella immer noch ein bedeutendes Vermögen zurück.

Natürlich wurde Reinhold Thümler sofort freigelassen, er hatte das Vergehen, einmal der niederen Rachsucht gestöhnt zu haben, schwer gebüßt.

Das aber empfanden auch alle, die ihm einst vor Jahren nahe gestanden und nahmen sich daher des Unglücklichen an.

Bald hatte er eine gute Stellung in einem bedeutenden Handelshause, in welchem er noch heute als Prokurist eine ebenso gesicherte wie geachtete Position entnimmt

Freudig ergriffen war Ella von dem so unerwarteten, glücklichen Wechsel ihrer Verhältnisse, den sie wohl nimmermehr erhofft hatte. Indessen, ob auch der Besitz sie erfreute, das höchste Glück bedeutete ihr doch der Umstand, daß der Name ihres armen Vaters wieder unter denen der ehrlichen Menschen genannt wurde.

Nun endlich durfte sie auch, ohne von Scham behindert zu werden, die ausharrende Liebe Eduards lohnen, die Liebe des wackeren, reichbegabten, jungen Künstlers, der ihr die Treue bewahrt hatte und den kein äußerer Glückswandel, ja nicht einmal ihre Absage in seiner Liebe hatte wanken machen können.

Wenige Wochen nach der Verhaftung des Mörders wurde Ella ihrem Eduard angetraut.

Ganz in aller Stille vollzogen die beiden Liebenden diesen Weiheakt, der Gedanke an Jansens schreckensvollen Tod hatte in Ella die Freude an prunkvollen Festlichkeiten ertötet. Nur Jordan und dessen biedere Frau, Ellas Beschützer und Anna, Ellas treueste Freundin, wohnten als Trauzeugen der weihevollen Feier bei. Heute aber ist Anna auch bereits die brave Gattin eines ebenso braven Mannes. Das Ehepaar Jordan aber lebt bei Ella und Eduard und wird bei ihnen, die die biederen Alten wie Eltern verehren, auch wohl einst seine Tage beschließen.

Ende

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