Theodor Volbehr
König Bob, der Elefant
Theodor Volbehr

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Die Bob-Falle

Plötzlich fuhr Knieptang aus dem Schlafe auf. Er hatte seltsame Geräusche und merkwürdige Schreie gehört, wie er sie noch niemals im Urwald vernommen.

Als er aus verschlafenen Augen umherblickte, sah er, daß ein Haufen von schwarzen Affen auf die Lichtung trat, ganz wie er es im Traum gesehen. Und es fuhr ihm durch den Kopf, wie gut es sei, daß die kleinen Knieptangs noch in den Eiern säßen und sein Weib in dem sicheren Lehmnest. Vorsichtig lugte er in die Tiefe. Da sah er, daß der Haufen der schwarzen Affen näher und näher kam und daß jeder einzelne wunderliche Äste in den Händen trug, die im Strahl der Sonne aufblitzten wie fließendes Wasser, was mochte das nur sein?

Ob es nicht das vernünftigste war, Bob von dieser seltsamen Einwanderung Mitteilung zu machen. Der wußte gewiß Rat.

Knieptang dehnte bereits die Flügel, um aufzufliegen, da sah er, wie die Zweifüßer stehen blieben und aufmerksam auf den zerstampften Boden sahen und wie sie dann mit lautem Geschrei dorthin liefen, wo die Bobs in den Fluß zu steigen pflegten.

Es dauerte nur einen Augenblick, da fingen die Schwarzen dort am Ufer an zu graben, gerade so, wie es Bob zu machen pflegte, wenn er mit seinen Hauern Erde aufwarf, was das nur sollte?

Kniepetang war sitzen geblieben und sah mit weit vorgerecktem Halse hinab, seine Neugier wuchs von Minute zu Minute. Und als da drunten ein großes, schwarzes Loch gähnte und die schwarzen Geschöpfe in das Loch hineinstiegen und immer noch weiter die Erde hinauswarfen, da kannte er sich nicht mehr bezwingen. Er mußte aus der Nähe sehen, was sie dort machten. Er schwang sich in die Luft und flog, so leise er konnte, näher, bis er direkt über dem Loche kreiste, wahrhaftig, da standen sie unten, daß ihre Körper nicht einmal über den Rand sehen konnten, und patschten im schwarzen Wasser umher. Dann krabbelten sie wieder aus der Tiefe heraus, rannten in den Wald und kamen nach einiger Zeit wieder mit dichten Zweigen und Schlinggewächsen und legten sie vorsichtig über die Grube, bis das schwarze Loch nicht mehr zu sehen war.

Da wurde es Knieptang unheimlich zu Mute. Er mußte denken, daß die Bobs ja jetzt gar nichts mehr von dem Loche sehen könnten, wenn sie am Abend zum Bade kämen, und daß sie sicher in die schwarze Tiefe stürzen würden, sobald sie auf die Zweige träten.

Und wie er das dachte, da vergaß er alle Vorsicht, und seine Flügel klapperten so laut, daß der Lärm bis zu den Grabenden hinunterdrang. Und plötzlich blitzte ein Feuerstrahl auf, und Knieptang fühlte, wie ihm der eine Flügel kraftlos herabsank und ein wilder Schmerz durch seinen Körper zuckte. Er stieß wütende Schreie aus, schlug mit dem gesunden Flügel wie rasend in die Luft und suchte einen Baum am Rande der Lichtung zu erreichen. Und es gelang ihm mit der äußersten Kraftanstrengung.

Als er erschöpft auf dem Aste saß, rastete er einen Augenblick mit fieberhaft klopfendem Herzen; dann hüpfte er ungeschickt weiter von Ast zu Ast, bis er völlig kraftlos bei dem Lehmnest seiner Frau ankam und wie ein Häufchen Elend auf dem Aste vor dem Futterloch zusammensank.

Frau Knieptang war durch den wilden Schrei ihres Gatten aus süßen Träumen geweckt worden und lugte angstvoll aus dem Fenster, als Knieptang herangehumpelt kam. was mochte nun da wieder passiert sein! Sie sah, wie ihm der eine Flügel lasch herabhing und wie ihn alle Kräfte verlassen hatten, schnell schlug sie mit ein paar kräftigen Schnabelhieben die Vorderwand des Nestes heraus, hob sich ein wenig von den Eiern empor, reckte den Kopf weit hinaus, packte mit ihrem starken Schnabel den gesunden Flügel Knieptangs und zog den Armen zu sich ins Nest herein.

Es dauerte lange, bis Knieptang ein Wort sagen konnte, seine Frau drang auch gar nicht in ihn. Sie untersuchte den zerschossenen Flügel, klappte ihn auf und zu und legte dann mit großer Vorsicht Lehm auf beide Seiten der Wunde, so daß kein Blutstropfen mehr hindurchsickern konnte. Darauf steckte sie dem Gatten den ganzen Rest der Beeren in den Schnabel, die ihr Vater Bob gestern geschenkt hatte. Und erst als sie merkte, daß Knieptang anfing, sich zu beruhigen, fragte sie ihn, was denn in aller Welt geschehen sei.

Als Knieptang seine Erlebnisse erzählt und die erste Aufregung und Empörung sich gelegt hatte, fiel Knieptang wieder ein, daß er Bob so schnell wie möglich von dem Vorgefallenen unterrichten müsse. Aber wie sollte man ihm eine Mitteilung zukommen lassen? Knieptang selbst konnte unmöglich in seinem jetzigen Zustande das Nest verlassen, und Mutter Knieptang mußte brüten. Und soweit man sehen konnte, waren alle Vögel wie verschwunden.

Knieptangs dachten hin und her, aber es wollte sich kein Rat finden. Da kam Frau Knieptang auf einen guten Gedanken: Vater Knieptang wäre nun doch einmal im Nest und dürfe es nicht verlassen; da könne er auch gleich für eine kurze Stunde das Geschäft des Brütens übernehmen. Sie würde dann inzwischen, so gut es gehe, auf dem Elefantenpfade der Bobfamilie entgegengehen; fliegen könne sie ja augenblicklich nicht, aber sie sei doch wenigstens sonst gesund.

Knieptang wollte zuerst gar nichts von dieser Ordnung der Dinge wissen; aber als die Zeit des Bades für die Bobs immer näher rückte, da setzte er sich brav auf die fünf Eier und ließ sich von seiner Frau die Flügel zurechtlegen.

Frau Knieptang reckte und streckte sich und putzte ein bißchen an ihrem ärmlichen Federstaat herum, dann kletterte sie aus dem Nest heraus und ließ sich vorsichtig an dem Stamm hinunter auf die Erde gleiten.

Als sie wohlbehalten unten angekommen war, blickte sie ängstlich nach allen Seiten. Aber da sie nichts von den Schlangen sah, von denen Knieptang erzählt hatte, so hüpfte sie auf dem breiten Pfade, den die Bobs getreten hatten, eilig tiefer in den Urwald hinein.

Es war ihr aber nicht sehr behaglich zu Mute. Da oben auf den Zweigen hüpfte es sich doch besser als hier unten zwischen Wurzelwerk und Gestrüpp und vermodertem Holz, was konnte sich da nicht alles verstecken! Ihre Augen fuhren rastlos umher, und ihre Ohren lauschten nach allen Seiten; aber sie hüpfte weiter und weiter, denn das war sie den Bobs schuldig.

Endlich hörte sie ein Schnaufen und Stampfen aus der Ferne. Das klang, als wenn die Bobs kämen. – schnell hüpfte sie auf die Seite und sprang auf eine hohe Wurzel am Wegesrand. Richtig, da kam der Vater Bob in ruhigem Trabe; aber er kam allein. – sofort begann Frau Knieptang aus Leibeskräften zu rufen: »Guhak! Guhak!« Und wirklich, Vater Bob blieb stehen und blickte erstaunt zu den Baumwipfeln hinauf.

Frau Knieptang hüpfte jetzt näher hinzu, ganz dicht vor die Füße Bobs, und schmetterte ordentlich ihr »Guhak! Guhak!« zu ihm hinauf. Endlich merkte Vater Bob, woher der Ruf kam, und blickte auf den Boden hinab.

Zuerst erkannte er seine kleine Freundin gar nicht, so heruntergekommen sah sie aus; dann aber wollte sein Erstaunen kein Ende nehmen, daß Frau Knieptang auf dem Urwaldspfade sitze, statt daheim auf ihren Eiern.

Als er aber gehört hatte, wie alles zusammenhänge, da rollte er den Rüssel auf, als rüste er sich zum Angriff, und aus seinem Maul stieg ein dumpfes, unheildrohendes Grollen. Also waren sie ihm doch nachgekommen, die Neger mit ihren fürchterlichen Blitzen. O, er wußte es wohl: das Loch, das sie dort gegraben, das sollte ihn fangen, ihn und seine Frau und seinen stolzen Jungen! O, dies schändliche Ungeziefer!

Und er streckte seinen Rüssel aus und hieb nach rechts und links in die Luft, als könnte er die Schläge auf die schwarzen Nacken niederfallen lassen.

Frau Knieptang sprang ängstlich zur Seite und begriff nicht, warum Bob gar nichts sage.

Aber plötzlich polterte er los, und seine Stimme klang rauh und hart vor Erregung. Und er rief, er wolle alle Tiere des Waldes zusammenrufen und auf diese scheußlichen Neger hetzen. Das sollte ein Rachezug werden für alles, was er einst erduldet. Und Bobs Füße stampften wütend den Erdboden, und seine Ohren schlugen zornig auf und nieder.

Frau Knieptang sah entsetzt zu ihm auf. So hatte sie den guten König Bob noch nie gesehen.


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