Theodor Volbehr
König Bob, der Elefant
Theodor Volbehr

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Die Flucht aus dem Negerdorf

Bob trottete in tiefen Gedanken von seinem Arbeitsplatz nach Hause. Er hatte wieder einmal vergessen, daß der dicke Neger Bumbo auf seinem Nacken saß. Und als eine Wegbiegung kam, schlug er den Weg nach dem Urwalde ein.

Bumbo merkte es zuerst nicht; denn er war selig entschlummert und schwankte auf dem festen Nacken Bobs hin und her wie ein Betrunkener.

Aber als sich Bob langsam in eine schnellere Bewegung setzte und schließlich gar anfing, mit langen Schritten zu laufen, da wachte Bumbo auf, blickte erstaunt um sich, und als er sah, daß die Häuser des Negerdorfs hinter ihm lagen, statt vor ihm zu liegen, da reckte er sich wütend auf und stach Bob mit seinem Stacheleisen in die dicke Haut.

Bob spürte nicht viel davon; aber er fuhr doch aus seinen Träumen auf, hob ein wenig den Rüssel und, als ein zweiter Stich folgte und ein Platzregen von Schimpfworten ihm ans Ohr schlug, drehte er sich langsam um und trabte gemächlich den schmalen Pfad zurück.

An der Wegscheide blieb Bob einen Augenblick stehen, als besänne er sich, wohin er gehen solle; da fuhr wieder das Stacheleisen auf seinen Rücken nieder. Ärgerlich schüttelte er den Kopf. Als wenn er nicht selbst den Weg kennte! Aber es eilte ihm wahrhaftig nicht, nach Hause zu kommen!

In ruhigem, gemessenem Schritt bog Bob in den Dorfweg ein. Und wie sehr Bumbo auch stach und schlug und schimpfte, Bob schritt mit dem ruhigen Anstand des Weisen ins Dorf, ging an den niederen Bambushütten vorbei und stellte sich breit und sicher vor den umzäunten Hof hin, den man für ihn gebaut hatte.

Bumbo rutschte von seinem hohen Sitz herunter, machte das Tor auf und stieß Bob noch ein letztes Mal mit seinem Stachelstab in die Seite.

Bob rollte den Rüssel langsam zusammen und streckte ihn dann wieder straff aus. Keinen Laut ließ er hören, und stumm schritt er über die Schwelle. In seinem Innern aber kochte die Wut.

Was brauchte ihn dieser schwarze Affe Tag für Tag und Stunde für Stunde zu ärgern? Jetzt war es genug! Und wenn sich eine gute Gelegenheit zeigte, dann sollte der dumme Kerl schon merken, wer der Stärkere war!

Mit großen Schritten ging Bob in seinem Hofe auf und ab. Vom Urwalde herüber drangen vereinzelte Schreie. Der Himmel verlor seinen Glanz. Es wurde dämmrig unter den Bambusstäben seines Nachtlagers.

Bob blieb stehen und horchte hinaus in die Ferne. Die Stimmen des Urwaldes wurden immer lauter. Und in Bobs Herzen wuchs die Sehnsucht. Die Nacht brach an, und still und weiß stieg am Himmel der Mond empor. – Plötzlich hob ein toller Lärm an. Ein Klappern und Stampfen drang vom Dorfplatz herein, und dazwischen quiekten die Töne eines scharfen Instruments. – Bobs Ohren wölbten sich wie zwei aufgeblähte Segel. Er hob den Rüssel und öffnete das Maul, als wollte er jeden Ton in sich hineinschlürfen. Dann rannte er an die Umzäunung heran, reckte den Kopf, so hoch er konnte, und lugte ins Freie.

Wahrhaftig! da fing es wieder an, das Freudenfest des Negerdorfes!

Wie die schwarzen Leiber über den weißen Platz flogen und die blassen Mondschatten um sie herumhuschten! Und die Weiber mitten im Getümmel! Wie wunderlich die sangen und mit den Beinen stapften, daß die Fußringe klapperten! – Einmal hatte Bob solchem Feste schon zugesehen; aber damals war er zu dumm gewesen, die gute Stunde zu nutzen. Damals hatten sie gerade so da draußen getanzt und gelärmt, und dann hatten sie den heißen Palmwein getrunken, bis keiner mehr so recht auf den Beinen stehen konnte. Und dann war Bumbo zu ihm hereingetorkelt und hatte mühsam das Tor verschlossen und war dann in der Ecke des Hofes auf die Streu gefallen.

Diesmal wollte Bob nicht warten, bis das Tor wieder verriegelt war. Nein, diesmal wollte er klüger sein! – Bob trat von der Umzäunung zurück und stellte sich vor das schwere Tor. Leise wiegte er seinen schweren Leib hin und her. Er hatte seine kleinen Augen geschlossen und tat, als wenn er schliefe; aber er hörte jeden Ton, der von draußen zu ihm drang. – Und je lauter die Weiber sangen und mit ihren Beinringen klapperten, und je stärker der Boden unter dem Aufstampfen der tanzenden Krieger zitterte, desto erregter schlug Bobs Herz. Denn er wußte, jetzt konnte es nicht mehr lange dauern, dann kam das große Trinkgelage, und dann kam der Augenblick, der ihm die Freiheit bringen konnte!

Jetzt brachen Musik und Tanz mit einem wilden Kriegsgeschrei ab. Bob schritt an die Bambushecke heran und lugte hinüber. Der Mond schien nicht mehr. Aber Bob sah bei dem Schein eines mächtigen Feuers die Neger im Kreise niederhocken. Und der Duft von heißem Palmwein drang zu ihm. – Schnell ging Bob auf seinen Warteposten zurück. Durch die Nacht klang das Zusammenstoßen der Trinkgefäße und das Schreien heiserer Stimmen. Und darein mischten sich die geheimnisvollen Rufe des Urwalds.

Bob stand unbeweglich und lauschte. Bisweilen fielen ihm die Ohren lasch herunter, und eine große Müdigkeit kam über ihn; aber dann hob er wieder die schweren Ohrendeckel und strich sich mit dem Rüssel über die Vorderbeine, um sich wach zu halten. – Da schreckte er auf. Er hatte ein Herumtasten an der Pforte gehört. Er öffnete die Augen weit.

Der Mond stand wieder am Himmel. In der Ferne verhallten gröhlende Stimmen. Nun bewegte sich das Tor, – und Bobs Wärter stand zwischen den Pfosten und sah mit blöden Augen zu Bob auf.

Aber schon sauste Bobs Rüssel durch die Luft und schlug klatschend gegen den nackten Rücken Bumbos und warf ihn der Länge nach auf einen Grashaufen in der Ecke des Hofes.

Und dann sahen die letzten heimwärtsschwankenden Neger einen riesigen dunklen Koloß durch die Dorfstraße traben. Sie dachten, es wäre der böse Geist, und griffen nach den Zaubermuscheln an ihren Halsketten.

Bob aber trabte durch die Maisfelder und dann weiter durch das ganze breite Grasland. Und er lief, als gälte es sein Leben.

Zuerst auf breitgetretenen Negerpfaden. Dann wandte er sich plötzlich vom Wege ab und brach querwaldein durch das dichte Unterholz. Die dicken Stricke der Schlingpflanzen zerrissen vor der Wucht seines Laufes wie mürbe Zwirnsfäden. Die Äste der Bäume krachten und splitterten und ritzten ihm die dicke Haut. Er achtete dessen nicht und stürzte vorwärts in wildem Jagen. – So ging es meilenweit durch den nachtdunklen Wald. Bob hörte nur das Geräusch des eigenen Laufes und hin und wieder den scharfen Schrei eines Raubtieres. Und es wurde ihm wohler und wohler ums Herz. Endlich kam er an eine Waldlichtung.

Der Mond stand licht und groß über dem weiten Feld und spiegelte sich blinkend in den fließenden Wellen eines Flusses. Am Rande des Wassers erhob sich kegelförmig ein hoher Ameisenhaufen. Und auf ihm stand der scheueste aller Vögel, der Schuhschnabel.

Bob war stehengeblieben und sah auf den einsamen Vogel. Der blinzelte nur ein wenig mit den Augen; dann zog er den Hals tiefer zwischen die Schultern, versteckte das eine Bein im Federwerk und balancierte weiter auf dem langen Stelzbein. Er schlief.

Als Bob das sah, atmete er tief auf. Jetzt war er geborgen, wo der Schuhschnabel stand und schlief, da gab es sicher weit und breit keinen Neger.

Schwerfällig ließ Bob sich zur Erde nieder, streckte den Rüssel vor sich hin, schielte nach einmal zu dem schlafenden Vogel auf dem Ameisenberg hinüber und schloß befriedigt die Augen.


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