Theodor Volbehr
König Bob, der Elefant
Theodor Volbehr

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Guter Rat

Bob schlief tief in den Tag hinein. Bisweilen zuckte er im Traum zusammen, aber immer wieder glätteten sich die Wogen der inneren Erregung. Er schlief, wie er noch nicht geschlafen hatte, seit er den Negern in die Hände gefallen war. Da sprang über ihm in den Baumkronen ein Halbaffe in einem gewaltigen Satz von einem Ast zu einem andern. Der Stoß brach den dürren Ast und ließ ihn mit seiner scharfen Bruchspitze auf den träumenden Bob herunterfallen. Bob fuhr aus seinen Träumen auf, erhob sich, krümmte zornig den Rüssel und stieß ein gewaltiges Geheul aus.

Aber als er keinen Bumbo neben sich sah und auch keine Menschenlast auf seinem Rücken fühlte, da ließ er den Rüssel sinken, nickte befriedigt und schaute sich nach dem Schuhschnabel um, der in der Nacht auf dem Ameisenberg gestanden hatte. Der aber war verschwunden. Der Ameisenhaufen lag einsam und verlassen. Oder nein, – da bewegte sich ja etwas hinter dem Haufen, und jetzt schwankte sogar der ganze Kegel, und die Spitze stürzte in sich zusammen. Was war denn das?

Bob ging vorsichtig näher. Da hob ein Erdferkel den spitzen Kopf aus dem Hügel heraus; und als Bob immer näher herankam, sah er deutlich die lange klebrige Zunge des Ameisenfressers, und es war ihm, als hörte er undeutliche Worte.

Bob blieb stehen und fragte freundlich: »Was sagst du?«

Das Erdferkel zog die Zunge ein und sagte: »Ach, ich wollte nur bitten, daß du mir meinen Ameisenhaufen nicht entzweitrittst.«

»Wenn's weiter nichts ist, mit Vergnügen!« sagte Bob und ging um den Hügel herum. Das Erdschwein grunzte zufrieden und steckte wieder die lange Zunge in die tiefen Gänge des zerstörten Ameisenhaufens und zog das krabbelnde Getier wieder und wieder mit vielem Behagen in sich hinein.

Endlich schien sein Hunger gestillt. Es setzte sich auf die Hinterbeine, kratzte sich mit den Schauflern seiner Vorderpfoten ein paar Ameisen vom borstigen Fell und sah mit seinen blanken Augen zu Bob empor. Bob schwenkte seinen Rüssel leise hin und her und freute sich des lang entbehrten Anblicks. Eigentlich hatte er die Erdferkel nie leiden können; aber jetzt hätte er am liebsten das Tier mit seinem Rüssel gestreichelt. Er nickte ihm freundlich zu und sagte: »Na, hat's geschmeckt?«

Das Erdferkel antwortete: »Hm, geschmeckt? Eigentlich nicht so recht. Denn wie ich im besten Zuge war, hub dein Gebrüll an. Und das hat mich nicht schlecht erschreckt. Weißt du, so auf nüchternen Magen! Das verschlägt einem ja den Appetit!«

Bob sagte: »O, das tut mir leid! Aber ich träumte so häßlich. Ich träumte, der Bumbo stieße mich mit dem Stacheleisen.«

»Der Bumbo? wer ist der Bumbo? Und Stacheleisen? was ist das?« – Das Erdferkel hob die langen, spitzen Ohren und streckte den schmalen Kopf neugierig hinauf.

»Ja so,« sagte Bob, »das weißt du natürlich nicht. Du Glücklicher! Der Bumbo, das ist der Neger, der mich zur Arbeit zwang und der mich mit dem Stacheleisen stieß, wenn ich nicht tat, was er wollte. Und ein Stacheleisen, das sieht so aus.« Bob trat auf einen dürren Ast, brach mit dem Rüssel die kleinen Zweige rechts und links ab und stieß mit dem spitzen Stab gegen des Erdferkels Schulterblatt.

»Au! Au! Na, ich danke!« sagte das Tier und sprang auf. Als Bob aber den Ast fortwarf, setzte es sich wieder zu Bob und sagte: »Und weiter?« – »weiter? Ist das nicht genug? Ich bin dem Neger heute nacht entlaufen. Und vorhin, da habe ich geträumt, daß der Bumbo wieder auf mir sitze und mich stieße. Mußte ich da nicht zornig aufschreien?«

»Freilich, das mußtest du. Aber, was willst du jetzt tun?«

»Jetzt will ich mich meiner Freiheit freuen! Hier ist's doch sicher, nicht wahr?« – »O ja, einigermaßen schon! Und im schlimmsten Falle versteckt man sich eben.« – »Verstecken? wie soll ich mich verstecken?«

»Nun, das ist doch sehr einfach! Das machst du so!« Und das Erdferkel schlug mit seinen Schauflerklauen so wuchtig in das Erdreich, daß die zurückgeworfene Erde im Handumdrehen die Vorderbeine Bobs mit einem Wall umgab. Ehe Bob noch recht zur Besinnung gekommen war, war das Tier in den Tiefen des Ameisenhügels verschwunden. Da bückte sich Bob, stocherte vorsichtig mit seinen Eckzähnen in dem Erdhaufen herum, und – als er die feste Haut des Erdferkels fühlte, klopfte er leise dagegen.

Da kam die schmale Schnauze mit großer Geschwindigkeit wieder hervor, und das Erdferkel sagte ärgerlich: »Warum tust du mir weh, wenn ich dir guten Rat erteile?«

»Guten Rat nennst du das? Mein Bester, sieh dir mal meine Füße an! Ich habe leider keine Schaufeln wie du zum Graben. Und dann sieh dir mal meine Größe an! Die geht in keinen Ameisenhaufen. Nein, mein Freund, in die Erde kriechen kann ich nicht«

»Ja, dann weiß ich nicht! Denn wo in der Welt ist man sonst sicher als in der Erde?«

Bob sah sehr nachdenklich drein. Das Glücksgefühl, das ihn eben noch ob seiner Freiheit erfüllt hatte, war wie weggeblasen, und es war ihm, als höre er schon wieder das Schreien und Lärmen der verfolgenden Neger.

Dann hub er wieder an: »Sag mal, glaubst du wirklich, daß ich hier nicht ganz sicher bin?«

»Ja, ich weiß nicht recht, wenn du die Neger fürchtest – – Ich hab' hier in der Gegend schon manchen Schwarzen gesehen.«

Bob fuhr zusammen. »Wahrhaftig? Ja, dann – -«

Und er wandte sich, um wieder in den Wald zu traben. Aber er blieb stehen, wohin in aller Welt sollte er sich wenden?, wo gab es Sicherheit gegen die Verfolgung? Und vielleicht, wenn er wieder so aufs Geratewohl in den Urwald hineinlief, kam er bei dem Negerdorf wieder heraus, aus dem er entflohen.

Ratlos blickte er umher. Da sagte das Erdferkel: »Du, frag doch den Alten da! Der ist gescheiter als wir alle zusammen.«

»Wer denn?« Bob sah in die Runde. Da bemerkte er im seichten Wasser am Ufer den Vogel, der sein Herz schon in der Nacht so tief beruhigt hatte, den Schuhschnabel.

»Meinst du den dort?«

»Freilich, den mein' ich. Geh nur mal hin zu ihm. Klug ist er, und er kennt mehr vom Urwald als wir andern.«

Bob schritt mit würdevollen Schritten auf den Schuhschnabel zu. Der reckte sich bei Bobs Näherkommen ein wenig auf und schob das zweite, heraufgezogene Bein vorsichtig ins Wasser.

In gemessener Entfernung blieb Bob stehen, neigte sich tief und sagte: »Ich komme mit einer Bitte.«

Mit leisem Klappern öffnete der Vogel den breiten Schnabel und sagte: »Sprich!«

Noch einmal verneigte sich Bob, und zögernd, denn er schämte sich etwas, als Bittender vor einem Vogel zu stehen, sagte er: »O, weiser Vogel! Ich bin den Negern entlaufen und dürste nach Freiheit. Wo aber werde ich sicher sein vor meinen schwarzen Peinigern?«

Der Schuhschnabel legte seinen Schnabel schwer auf den vorgedrückten Kropf und sah mit seinen scharfen, gelben Augen Bob lange prüfend an. Endlich sagte er: »Es gibt eine Insel mitten im Strom, zu der ist noch nie ein Neger gedrungen. Da wirst du in Sicherheit sein.«

»Und wie finde ich den Weg zu dieser Insel?«

»Du folgst diesem Fluß bis dahin, wo er sich in einen breiteren Strom ergießt; dann mußt du dem großen Strom folgen bis zu einem Wasserfall. Und wenn du den Wasserfall hinter dir hast, dann mußt du noch einen ganzen Tag weiterlaufen, bis du einen gewaltigen Felsen im Wasser siehst. Da spaltet sich der Strom in zwei Arme und umfließt eine große, reiche Insel. Die ist so groß, daß du sie an einem Tage nicht durchqueren kannst. Zu der Insel schwimme hinüber. Da bist du sicher.«

Bob verneigte sich tief und dankte aus vollem Herzen. Er wollte sich wenden und sofort am Strom entlang seiner neuen Heimat zulaufen, da klapperte der Schnabel noch einmal, und der Vogel sagte: »Bob, wenn du weise bist, wirst du auf jener Insel dein Glück machen!«

Bob blieb stehen und fragte: »Wie meinst du das, weiser Vogel?«

»Das kann ich dir heute nicht sagen, Bob; aber ich werde dich einst aufsuchen und mich überzeugen, ob du weise gewesen bist. Leb' wohl!«

In tiefen Gedanken schritt Bob zum Erdferkel zurück, bedankte sich bei ihm für den guten Rat und erzählte, was der Schuhschnabel ihm gesagt hatte.

»Siehst du wohl!« sagte das Erdferkel. »Ich wußte ja, daß er alles weiß. Na, dann reise glücklich! Wir werden uns wohl kaum wiedersehen. Denn übers Wasser kann ich nicht, und – weißt du – ich geh nicht gern tief in den Urwald, hier sind wir ja noch ziemlich am Rande der Steppe.«

»Was?« sagte Bob, »am Rande der Steppe?! Um Gottes willen! Dann können die Neger ja in der nächsten Nähe sein! – Leb wohl, mein Junge! Ich habe wirklich keine Zeit mehr. Aber schönsten Dank! Und wenn ich dir mal dienen kann – -«

Damit trabte Bob am Ufer des Flusses entlang, hinein in den dichten Urwald.


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