Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

siehe Bildunterschrift

Wadi Telissare.

III.
Fessan und die Natron-Seen.


Mursuk. – Die Gewächse Fessans. – Statistik. Handel und Gewerbe in Fessan. – Die Imoscharh und Imrhad. – Reise nach den Natron-Seen. Dscherma. Römisches Denkmal. Die Garamanten. – Der Trona-See und Babr el Dud. – Der Fessan-Wurm. – Das nordwestliche Fessan. – Ederi. – Das westliche Fessan. – Wadi Telissare. – Land der Asgar-Imoscharh. – Die Geisterburg Idinen. – Rhat.


. Das sehr flache Kesselthal von Mursuk ist rings von einem Zuge Sanddünen umgeben der im Norden ziemlich dicht mit Dattelpalmen bepflanzt ist. Im Schutze derselben gedeihen einige Obstbäume: Granaten, Pfirsichen und Feigen und eine Anzahl kleiner Gärten. In letztern baut man etwas Gemüse, Weizen und Gerste. Hütten, mit Palmenzweigen bedeckt, sind in den Gärten errichtet und gewähren den Besitzern einigen Schutz vor der Sonne. Die größern jener Hütten enthalten mehrere Zimmer und einen kleinen Hofraum, die kleinern dagegen nur ein finsteres, enges Gemach. Nach Süden zu zieht sich die Dattelpflanzung auf den Dünen entlang in unregelmäßiger Weise; bald bildet sie einen langgestreckten, schmalen, ziemlich lichten Streifen, bald wieder stellt sie dichtere, einzeln gelegene Wäldchen dar. Im Südosten fehlt sie gänzlich; hier tritt die nackte Wüste bis unmittelbar an die Mauern von Mursuk heran.

Die Stadt bildet ein ziemlich regelmäßiges Viereck von ungefähr einer Stunde im Umfange. Sie wird von Lehmmauern umschlossen, welche sich an runde und eckige Bastionen stützen. Aus diesen Mauern krystallisirt das Salz, das der Lehm in reichlicher Menge enthält, an der Oberfläche aus, so daß sie im Sonnenlicht sonderbar glitzern. Drei Thore führen in die Stadt; die an der Westseite und Nordseite befindlichen sind sehr eng, so daß kein beladenes Kameel dieselben passiren kann; das östliche ist das einzige, durch welches Karawanen einziehen können. Unmittelbar an ihm befindet sich deshalb auch das Zollhaus. Ost- und Westthor werden im Innern durch eine breite Straße verbunden. Die Südseite besitzt keinen Eingang.

Von Norden her, wo unsere Reisenden ankamen, macht Mursuk nicht gerade den besten Eindruck. Ehe die Karawane an das enge Thor gelangt, muß sie an einem großen Tümpel des faulsten Salzwassers vorüber, der ringsum die Luft durch die von ihm aufsteigenden Dünste verpestet. Die eigenthümliche Lage der Stadt, ringsum von Dünen und Palmen umgeben, hält jeden reinigenden, kräftigern Luftzug ab. Höchst selten befeuchtet ein schwacher Regen den Sandboden und die drückend heiße Atmosphäre ist fortwährend mit einem Nebel von Staubtheilen erfüllt, welcher die Hitze noch mehr steigert.

Dr. Vogel ward bei seiner Ankunft in Mursuk von dem englischen Konsul daselbst, Herrn Gagliuffi, aufs freundlichste empfangen und ihm in dem Gebäude des Konsulats daselbst seine Wohnung angewiesen. Von hier aus hatte er die Aussicht auf den Bazar, der ziemlich in der Mitte der Stadt liegt und rings mit Hallen, auf Säulen aus Palmenstämmen ruhend, umgeben ist. Diese schattigen Plätze gewähren Käufern und Verkäufern behaglichen Aufenthalt zur Besorgung ihrer Geschäfte. Gerade dem Konsulatgebäude gegenüber, an der Ostseite des Bazars, zeichnet sich das Wachthaus durch seine aus sechs Säulen gebildete geschmackvolle Halle aus.

Unmittelbar an die Westseite des Konsulats stößt die Wohnung des Scheikhs und neben dem westlichen Thore erhebt sich das Kastell mit dicken Mauern und engen Gemächern. Neben demselben ist in neuern Zeiten eine Kaserne erbaut worden, ein großes viereckiges Gebäude mit einem Waffenplatze in der Mitte. Die Gemächer der Offiziere nehmen die Ostseite ein, während sich die langen Säle für die Soldaten an den übrigen Seiten hinziehen. Das Gebäude ist für 2000 Mann eingerichtet, gewöhnlich bewohnen es aber nur 400 Mann, die ebenso bequemes Quartier als gute Nahrung haben. Die tägliche Kost der gewöhnlichen Bevölkerung erscheint, mit der Nahrung dieses Militärs verglichen, wahrhaft dürftig, und doch würde jeder Fessaner lieber Hungers sterben, als freiwillig in die Reihen des stehenden Militärs eintreten.

siehe Bildunterschrift

Mursuk, Hauptstadt von Fessan.

Durch die breite Straße, welche vom Bazar aus in gerader Richtung nach dem westlichen und östlichen Thore führt, gewinnt die Stadt zwar einen heitern, hellen Charakter, wird aber in demselben Grade auch heißer. Auch ihre übrigen Straßen sind gerade, obschon enger. Durch diese Bauart ähnelt Mursuk mehr den Städten des Sudan als den arabischen. Das alte Sudan , das »Land der Schwarzen« rechnete man früher schon vom Südende der Hammada und den Schwarzen Bergen an. Im engsten Sinne des Wortes versteht man das Reich der Haussa oder Fellata darunter. Wir werden dieses Wort stets nur im weitern Sinne anwenden und unter Sudan die innerafrikanischen Länder überhaupt begreifen.

Die Gesammtbewohnerschaft Mursuks mag gegen 2800 Seelen, einschließlich der Sklaven, betragen. Die Gewerbsthätigkeit Mursuks ist nur unbedeutend. Der Handel muß sich nur mit der Vermittelung der Orte begnügen und bringt keine oder nur unbedeutende eigene Produkte. Es führen von hier aus zwei Hauptstraßen nach Norden: die eine, von Vogel benutzte, über Sokna, Bondschem und Beniolid, die andere, welche Richardson wählte, durch die Hammada. Ebenso gehen auch zwei Karawanenwege weiter nach Süden, der eine östlich über Bilma nach Kuka, der andere westliche über Rhat durch die Gebiete der Tuariks und Aïr oder Asben. Mit beiden werden wir uns später näher vertraut machen, Dr. Vogel schätzt den jährlichen Ertrag des Handels gegen 150,000 Thaler, von denen sieben Achtel auf Sklaven kommen.

In Mursuk ward Dr. Vogel's Aufenthalt bis zum 15. Oktober verzögert Von dieser Verzögerung trug hauptsächlich Hadschi Achsen , der Vetter des Sultans von Bornu, die Schuld. Es mußte Vogel in hohem Grade wichtig sein, in Gesellschaft dieses angesehenen Herrn nach Kuka zu reisen. Derselbe hatte ihm versprochen, drei Wochen nach dem Beiramfest, also Anfang August von Mursuk abzureisen; als Vogel zur rechten Zeit hier eintraf, erklärte er aber, er habe den großen Beiram, der in die Mitte September fällt, gemeint. Wenn irgend mögIich, suchen es die auf strenge Ausübung der Religionsgebräuche bedachten Bornuaner zu umgehen, während der Fastenzeit die Wüste zu durchreisen, da sich Fasten und Dursten mit den Anstrengungen der Reise nicht verträgt. Das Beiramfest bildet den Schluß der Fasten und wird mit Schmaus und heitern Vergnügungen gefeiert. Achsen durfte sich um so weniger einen Verstoß gegen die fromme Sitte zu Schulden kommen lassen, da er ja so eben von Mekka zurückkam. Jeder welcher eine Pilgerfahrt nach der heiligen Stadt ausgeführt hat, erhält den Ehrennamen eines Hadschi.

Da es nun bei dem unsichern Zustande des Landes für eine kleine Karawane unmöglich war, allein nach Bornu zu gehen, so mußte sich Vogel gedulden bis zum 13. Oktober. Er verwendete seine Zeit darauf, die von ihm auf der Reise von Tripoli bis Mursuk gesammelten Materialien zu ordnen und seine Sammlungen und Berichte nach Europa abgehen zu lassen.

Auf dieser Wegstrecke hatte Dr. Vogel durch zehn von ihm angestellte astronomische genaue Beobachtungen die Lage aller berührten Orte festgestellt. Die frühern Reisenden hatten sich zur Bestimmung der geographischen Lange der Orte vorzugsweise des Kompasses bedient. Da indeß die Magnetnadel an den meisten Stellen der Erde etwas von der genauen Richtung Süd-Nord abweicht, diese Abweichungen aber von jenen Reisenden nicht in Rechnung gebracht worden waren, so hatte man alle jene berührten Punkte zu weit östlich auf den Karten verzeichnet. Die Chronometer erweisen sich zur Bestimmung der geographischen Lange dem Schiffer ziemlich sicher und lassen aus dem Unterschied, den sie zwischen der Zeit an dem Orte, wo sich der Reisende befindet, und der Zeit des Ortes der Abreise angeben, die östliche oder westliche Abweichung vom Mittagsstriche (Meridian) des letztern Ortes berechnen. Während einer langen Wüstenreise gerathen aber selbst gut gearbeitete Chronometer in Unordnung durch das unausgesetzte Stoßen und die Erschütterungen, welche sie durch den schweren Tritt der Kameele erleiden. Nur durch Mondbeobachtungen, welche Dr. Vogel mit aller von der Wissenschaft geforderten Genauigkeit, trotz Hitze und Reisebeschwerden, anstellte, war es möglich, alle jene Irrthümer sicher zu verbessern. Außerdem hatte Dr. Vogel auch zahlreiche Höhenmessungen mittelst des Barometers veranstaltet und möglichst zahlreiche Steinproben und Pflanzen gesammelt. Die letztern sandte er an Dr. B. Seemann in Kew bei London, um dieselben dem berühmten Botaniker Brown zur Untersuchung zu übergeben. Gleichzeitig theilte er Notizen über seine Erlebnisse und besondere Naturerscheinungen mit, welche ihm aufgefallen waren. So berichtet er, daß er unterwegs mehrere Mal Erdbeben verspürt, und erzählt, daß man am 7., 8. und 31. Juli eine große Anzahl Sternschnuppen habe fallen sehen. An den sonst wegen ihres reichen Sternschnuppenfallens berühmten Tagen des 9. 10. und 11. August (die feurigen Thränen des heiligen Laurentius) bemerkte man dagegen sehr wenige, reichlichere aber wiederum am 1., 2. und 3. Oktober Ueber seinen Aufenthalt in Mursuk berichtet er an seine Mutter Folgendes:

 

»Mursuk, den 12. August 1853.

Ich habe gerade noch Zeit, Dir in aller Kürze mitzutheilen, daß ich am 5. dieses Monats wohlbehalten in Mursuk eingetroffen bin. Von den Folgen des Sturzes den ich in Tripoli hatte, bin ich vollkommen wieder hergestellt und auch sonst im besten Wohlsein, trotz der beschwerlichen Wüstenreise, die ich mitten im Sommer gemacht habe. Wir waren achtunddreißig Tage unterwegs und während dieser Zeit dreimal fünf Tage lang ohne frisches Wasser (in funfzehn Tagen trafen wir nur drei Brunnen), und was es heißt: Wasser trinken, das fünf Tage in einem ledernen Schlauche gewesen, weiß nur Der zu würdigen, der es gekostet hat.

Als ich hier in Mursuk ankam, brachen wir Alle in einen Ruf der Freude und Verwunderung aus, daß wir durch das Wasser, das wir tranken, hindurch bis auf den Boden des Gefäßes sehen konnten; ein Vergnügen, das wir nicht gehabt seit wir Tripoli verließen. Ich bin überall in jedem Orte, durch den ich kam, aufs beste aufgenommen worden, schon meines Freundes Warrington wegen, der bei allen Arabern in hohem Ansehn steht. Hier in Mursuk wohne ich ganz bequem und angenehm im Konsulate; die einzige Plage sind Schwärme von Fliegen, die einen fast toll machen, und zahlreiche Skorpione. Gestern Abend, wo es sehr warm war, wurden allein auf dem Platze, auf dem wir wohnen, nicht weniger als vierundzwanzig Leute von Skorpionen gestochen, und ich finde jeden Abend einen oder zwei in meiner Stube. Die Hitze ist hier mäßig, im Zimmer 32°, draußen 36, – in der Sonne am Mittag 45°. Von Abendkühle ist hier nicht die Rede. Das Thermometer sinkt höchstens ein bis zwei Grad.

Die Reise hierher habe ich theils zu Pferde, theils auf einem Kameele gemacht. Nach Kuka werde ich zu Pferde reisen, bei weitem das Angenehmste, zumal da mein Fuß jetzt wieder in Ordnung ist.

Ich denke Mitte September hier abzureisen, werde aber jedenfalls vorher noch zwei- oder dreimal schreiben und eine ausführliche Erzählung meiner recht interessanten Reise einsenden.

Ich heiße hier Abd el Wochad, »Sklave des einen Gottes«, – meinen eignen Namen könnte kein Araber verstehen und merken.«


Dr. Vogel sandte einen jener Skorpione, den er gefangen hatte, in einem Fläschchen mit Spiritus nach London und bemerkt dabei, daß diese häßlichen Thiere ( Androctonus), welche in Mursuk die Stuben bevölkern, um die Fliegen zu fangen, äußerst schnell laufen und deshalb schwierig zu fangen sind. Wir geben anbei unsern Lesern die Abbildung des algerischen Skorpions ( Andr. Paris), der jenem fessanischen gleich oder wenigstens sehr nahe verwandt ist. Der Stich dieser Thiere ist schmerzhafter als jener des gemeinen Skorpions und wird deshalb allgemein gefürchtet. Am ehesten beugt man den üblen Folgen dadurch vor, daß man das verletzte Glied möglichst rasch und fest unterbindet; auch bewähren sich Einreibungen mit Ammoniak hierbei als vortreffliches Gegenmittel.

Eine eigentliche Regenzeit giebt es, nach Vogel's Mittheilungen, in Mursuk nicht, wol aber kommen leichte Regenschauer zuweilen im Winter und Frühjahr daselbst vor, selten dagegen im Herbst. Die Einwohner von Mursuk sind aber so sehr an das trockene Klima gewöhnt, ihre ganzen Einrichtungen sind demselben so angepaßt, daß ein starker Regen als ein großes Unglück betrachtet wird. Die nur aus Lehm leichthin zusammengeklebten Häuser stürzen dann ein und viele Dattelbäume werden zerstört, indem der Regen die großen Mengen Salz auflöst, welche im Boden enthalten sind. Vor etwa zwölf Jahren wurden durch einen sieben Tage anhaltenden Regen in der Umgegend von Mursuk 12,000 Stück dieser Palmen vernichtet.

Die vorherrschenden Winde bei Mursuk sind südlich und östlich; die stärksten derselben kommen aber gewöhnlich aus Westen und Nordwesten. Zwei- oder dreimal sah Vogel Wirbelwinde durch die Stadt selbst passiren; auf der Wüstenstrecke zwischen Beniolid nach Mursuk hatte er aber diese Erscheinung oft beobachtet. Stets fand er, daß ihre Drehung von Ost nach Nord und die Richtung ihres Laufes nach Süden gerichtet war. Wie neben den Pfeilern einer Brücke, hinter denen zwei verschiedene Strömungen des Wassers aufeinander treffen, sich stets Wasserwirbel und Strudel bilden, wie dies die Meeresströmungen ihrerseits auch im Großen thun, so findet dieselbe Erscheinung auch da statt, wo verschiedene Luftströmungen aufeinander stoßen. Die außerordentlichen Wärmegrade, welche der Wüstensand und der pflanzenlose Felsboden jener Gebiete bei Tage annehmen, erhitzen die untern Luftschichten, stören das Gleichgewicht der Atmosphäre und verursachen Windströmungen. Jedes von Felsen beschattete Wadi, jede vorübereilende Wolke bringt eine stellenweise Abkühlung anderer Lufttheile hervor und die einmal erzeugten Wirbel finden auf den einförmigen, meilenlangen Ebenen nichts, das sie unterbricht oder sich ihnen störend entgegenstellt. (Siehe Tonbild »Thierleben in der Wüste«.)

Im Dezember und in der ersten Hälfte des Januar fällt in Mursuk das Thermometer bis auf den Gefrierpunkt, und an Stellen, die dem Winde ausgesetzt sind, erstarrt mitunter bei Nacht das Wasser zu Eis.

Eine sehr naheliegende Folge dieser Witterungsverhältnisse, besonders der trostlosen Dürre in der Umgebung von Mursuk, ist die außerordentliche Armuth an Pflanzenformen. Nur in den vorhin erwähnten kleinen Gärten, welche sich im Schutze der nördlichen Palmenwälder befinden, zieht man mit vieler Mühe im Winter etwas Weizen und Gerste, im Sommer aber etwas Gosub und Gafuli. Letztere bilden die Hauptnahrung der Bewohner der Sahara. Dr. Vogel sandte von letztern beiden wichtigen Nutzpflanzen Samen nach London, um mit Hülfe derselben die Verwirrung zu lösen, welche in Bezug auf die botanische Bestimmung der erstgenannten Pflanze noch besteht. Von einigen Reisenden wurde sie bisher für Bohnen, von andern für eine Reissorte, von noch andern für eine Hirseart erklärt. Der bekannte Türkische Weizen (Mais, Zea Mais) wird unter dem Namen »Gafuli mosri« hier gepflegt und seine Aehren am liebsten gebrochen, ehe sie gänzlich reif sind. Man ißt sie dann, indem man sie zuvor röstet.

siehe Bildunterschrift

Algerischer Skorpion ( Androctonus Paris).

Von dem geringen Ertrage, den trotz der größten Mühe der Garten- und Feldbau hier nur giebt, kann man sich einen Begriff machen, wenn man von Dr. Vogel erfährt, daß die Bewohner von Mursuk um jede einzelne Aehre des Mais und des Gosub ein zierlich geflochtenes Körbchen befestigen, um die wilden Tauben von den Samen abzuhalten.

Unter den wenigen Bäumen, die man in der Umgebung von Mursuk angepflanzt sieht, ist der sogenannte Kurno unstreitig der schönste. Es ist nach Vogel's Meinung eine Cornus-Art Dr. Barth bezeichnet im vierten Bande seiner Reisen in Afrika den Kornu-Baum als eine Art Judendorn ( Zizyphus), welcher sonach mit dem Brustbeerstrauch, dem Lotos, Nabec und Christusdorn zu derselben Gattung gehört und unserm Wegdorn ( Rhamnus) nahe steht., verwandt unserer Korneelkirsche und unserm Hornstrauch. Er scheint eigentlich in Sudan und Bornu einheimisch zu sein und am 26. Grad die nördliche Grenze seiner Verbreitung zu finden.

Den Hauptschmuck der Gärten von Mursuk bildet die bekannte hohe Sonnenrose ( Helianthus annuus), die hier in größter Pracht 8-9 Fuß emporschießt und deren Samen wie bei uns gegessen werden.

Die wichtigste aller Nutzpflanzen für Mursuk und seine Umgebung ist die Dattelpalme ( Phoenix dactilifera), von deren Früchten die ganze Bewohnerschaft von Fessan und halb Tripoli lebt und welchen Vogel natürlich besondere Aufmerksamkeit schenkte. Er beschreibt 37 verschiedene Sorten dieser Palme, welche sich aber nur in den Früchten deutlich von einander unterscheiden. Sobald der Baum nicht Früchte besitzt, ist selbst der einheimische Araber nicht im Stande zu erkennen, welcher Sorte derselbe angehört. Die Datteln mancher Spielarten haben nur 8, andere 20 Linien Länge, die erstern eine Breite von 5, die letztern von 10½ Linien. Die Färbung wechselt vom Fleischfarbigen, Ledergelb, Weißlichgelb, Olivengrün, Chromgelb, Kirschroth, Rothbraun bis zum Chocoladefarbig und Dunkelblau. Manche sind lebhaft glänzend, andere matt.

In Mursuk ist jede Thür, jeder Pfosten aus Dattelholz gemacht; in den Häusern besteht die Decke der Zimmer aus Dattelstämmen, zwischen und über welche Zweige gelegt sind, wie bei uns das Rohr. Die ärmern Leute wohnen in Hütten, ganz von Palmenzweigen zusammengebaut. Palmenzweige liefern das gewöhnliche Brennholz. Die armen Burschen bringen sie von ein bis zwei Meilen weit her nach der Stadt und verkaufen hier zwei Bündel, so viel der Mann schleppen kann, für 1 Piaster (2 Sgr.). Datteln sind die Nahrung für Menschen und Thiere. Kameele, Pferde, Hunde, Alles verzehrt hier Datteln. Sogar die Kerne derselben werden eingeweicht und in dieser Form dem Vieh gegeben.

Es giebt aber auch eben weiter nichts, was den Thieren ausreichendes Futter bieten könnte. Gras oder sonstiges grünes Futter für das Vieh ist nicht vorhanden, ein wenig Safsfah ( Melilotus, Steinklee) ausgenommen, der mit derselben Mühe wie das Korn in Gärten gezogen wird und deshalb hoch im Preise steht. Ein Bündel, etwa so viel, als man mit beiden Händen halten kann, kostet 2 Piaster (fast 4 Sgr.). Vogel mußte seine Kameele 25 Meilen weit nördlich schicken; erst in dieser Entfernung, so weit wie von Leipzig nach Berlin, war der nächste Ort zu treffen, an dem sie hinreichend zu fressen fanden. Um Mursuk ist nichts als Salz und Sand. Die 90 kleinen Gärten bedecken zusammen nur etwa ein Sechzehntel Quadratmeile. In ganz Mursuk giebt es deshalb auch nur zwei Kühe, von denen eine dem Pascha gehört. Ziegen waren zur Zeit, als sich Vogel in Mursuk aufhielt, gar keine vorhanden, und die Schafe, welche man zum Verspeisen bedurfte, mußten aus dem Wadi Scherzi, aus einer Entfernung von 12 Meilen herbeigebracht werden. »Wenn wir einmal Milch zum Kaffee haben«, schreibt der Reisende an seinen Freund Dr. B. Seemann, »so denken wir, es sei ein Feiertag!«

Der Ertrag, welchen die Dattelpalmen bringen, ist verhältnißmäßig gering: hundert große Bäume geben im Durchschnitt 40 Centner Datteln, die hier einen Werth von 12 Thalern haben. In Tripoli würde die gleiche Quantität etwa viermal mehr kosten. Die Datteln werden, sowie sie geschnitten sind, auf dem Boden zum Trocknen ausgebreitet und, wenn sie steinhart geworden sind, in den Sand vergraben. So halten sie sich gegen zwei Jahre; allein schon nach etwa achtzehn Monaten kommen die Würmer dazu und nach dem fünften halben Jahre wird man kaum mehr als die Kerne finden.

Als Nahrungsmittel sind die Datteln sehr erhitzend, weshalb man sie nicht gern den Leuten mit auf die Reise giebt, indem dieselben zu viel danach trinken müssen. Am besten und wohlschmeckendsten sind sie mit Gerstenmehl, Zumito, zu einem Teig geknetet. Wenn man die innersten Blätter, das Herz, aus der Palme herausschneidet, so sammelt sich in der Höhlung ein trüber süßlicher Saft, »Lagbi«, der recht erfrischend und gelinde abführend wirkt. In wenigen Stunden geht derselbe in Gährung über, wird sauer und ist dann stark berauschend. Der Saft wird nicht abgezapft, wie irrthümlich von Andern berichtet worden ist. Aus den reifen Früchten wird Syrup gemacht, der vorzüglich dazu dient, Lederschläuche öldicht zu machen. Ebenso wird ein Branntwein, »Arogi«, daraus gebräunt. Im Frühjahr (Anfang April) blüht die Palme. Die Befruchtungswerkzeuge sind bekanntlich bei ihr wie bei unsern Weiden, Hanf und Hopfen in der Weise vertheilt, daß die eine Palme ausschließlich Blüten mit Staubgefäßen, die andere nur solche mit Fruchtknoten hervorbringt. Um einen sicherern Ertrag zu erzielen, befruchtet man die letztern künstlich, indem man mit einem spitzen Stocke die Samenblütenrispen öffnet und ein Bündelchen mit Staubblüten dazwischen klemmt. Eine Palme mit Staubblüten reicht für hundert fruchttragende hin. Das ist die einzige Mühe, die der Baum macht. Er wird keineswegs bewässert, nur etwa für die ersten sechs Monate seines Lebens. Gewöhnlich pflanzt man ihn in ein Loch, das mit verwestem Dünger angefüllt ist. Später ist ihm das Wasser nicht nur unnütz, sondern, wie bereits angedeutet, hier sogar höchst schädlich, da es das Salz auslöst und in übergroßen Mengen seinen Wurzeln zuführt, die dadurch absterben.

Das Dattelholz ist ziemlich zäh, kann aber seiner groben Fasern wegen und wegen des eigenthümlichen Verlaufs derselben nicht in dünne Breter zersägt werden. Thüren und Fensterladen sind deshalb aus halben Stämmen zusammengesetzt. Aus den Bastfasern, welche die jungen Zweige einhüllen, fertigt man sehr gute Stricke.

Junge Dattelpalmen bilden ein nicht zu durchdringendes Dickicht, indem die Blätter ungemein hart und spitz sind und der niedrige Stamm zahllose Zweige nach allen Richtungen hin ausstreckt. Alljährlich bringt die Palme einen neuen Kreis Blätter hervor. Der untere Kreis stirbt ab, wird aber nicht abgeworfen, sondern bleibt verdorrt stehen. An wenig bewohnten Orten, wo diese Zweige nicht für häusliche Zwecke gesammelt werden, ist dann der ganze Stamm in dieselben eingehüllt, da sie sich mit der Zeit immer tiefer hinabbeugen. Solche Wildlinge erhalten einen eigenthümlichen Anblick. Die Höhe der Dattelpalmen schwankt zwischen 40 und 70 Fuß. Sie werden bis gegen hundert Jahre alt.

Bei dem erdrückenden Klima von Mursuk, der unerquicklichen Oede der Umgebung, welche keinen Naturgenuß möglich macht und gleichzeitig rein geistige Erholungen verbietet, ist es nicht zu verwundern, daß die Bewohner des Ortes sich so viel als möglich in ihre etwas kühlern Gemächer zurückziehen und sich sinnlichen Genüssen ergeben. Die schlechte Luft erzeugt häufig Fieber und die Meisten suchen sich durch reichlichen Genuß von berauschendem Palmenbranntwein dagegen zu schützen.

siehe Bildunterschrift

Harmelraute ( Peganum Harmala).

Außer dem Fieber werden die Einwohner Mursuks auch vielfach von Augenübeln heimgesucht. Als Schutzmittel dagegen gilt bei ihnen vorzüglich der Harmel ( Peganum Harmala), eine unserer Gartenraute verwandte Pflanze. Man empfiehlt besonders die halbreifen Samenkapseln. Jeder Araber verschluckt im Frühjahr ein Dutzend derselben und behauptet dann in Folge dessen von jeder Augenkrankheit verschont zu bleiben. Vogel konnte nicht erfahren, ob diese Samenkapseln vielleicht blutreinigend wirken, fand aber den Gebrauch ganz allgemein, von der Nordküste bis nach Fessan.

Dr. Vogel hatte während seines längern Aufenthaltes in Mursuk gute Gelegenheit, genaue statistische Notizen über die Provinz Fessan zu sammeln. Diese Regentschaft ist in fünfzehn Kreise oder Distrikte getheilt. Das früher besprochene Bondschem ist der nördlichste derselben und Gartrun oder Gatrone mit Einschluß von Tagerry der größte. In diesen Bezirken liegen 98 Ortschaften, von 10,864 fessanischen und 1025 arabischen Familien bewohnt, die eine Gesammtbevölkerung von 54,000 Seelen ausmachen. Zur Zeit rechnete man auf die Hauptstadt Mursuk 2700 freie Einwohner und 650 Sklaven, die Besatzung betrug ungefähr 240 Mann. Die Artillerie bestand aus vier sechspfündigen Kanonen. Der normale Stand der Garnison wird, wie bereits erwähnt, auf 400 Mann gerechnet; zu diesen kommen noch 22 Mann irreguläre Reiterei. Letztere sind in den übrigen Ortschaften vertheilt.

Die Einnahme des Sultans beträgt aus ganz Fessan 659,500 türkische Piaster oder 40,000 Thaler; außerdem zahlt jede Stadt 7500 Piaster (450 Thaler) jährlich für das Recht, einen Kadi für sich zu haben, und 11,820 Piaster (720 Thaler) als Abfindungssumme für alle indirekten Abgaben.

In Mursuk befindet sich die einzige Zollstätte des Staates. Jeder Artikel, der aus dem Innern mit der Bestimmung nach Tripoli kommt, ist mit zwölf Prozent Steuer belegt. Nur die Sklaven haben das traurige Vorrecht, geringer besteuert zu werden. Bei ihnen werden für den Kopf drei Mabul (gegen 3 Thaler 20 Silbergroschen) bezahlt, was fünf Prozent ausmacht. Als Vogel Mursuk verließ, legte der Sultan plötzlich 1 Thaler 5 Silbergroschen mehr Steuer auf jeden Sklaven zur großen Entrüstung der Tibuhändler, und der Doctor fürchtete, daß sie aus Rache die Straße von Bornu unsicher machen würden. Von Elfenbein werden nur drei Prozent erhoben.

In Tripoli zahlen alle Artikel einen neuen Zoll von zwölf Prozent, Sklaven nur zehn Prozent.

siehe Bildunterschrift

Zweig vom Sennesblätterstrauch ( Cassia lanceolata).

Unter den Erzeugnissen des Landes steht Salz wegen seiner Häufigkeit mit an der Spitze. Ganz Fessan ist gewissermaßen eine ungeheure Saline. An den Natron-Seen gewinnt man Natron. Der kleinste derselben, der Trona-See, liefert jährlich 17,000 Centner dieses Stoffes und ist um 3750 Thaler verpachtet. Der Preis des Natrons ist von 10 Silbergroschen für den Centner, wie er ehemals galt, auf 3 Thaler 10 Silbergroschen gestiegen. In den südlichen Theilen Fessans und im Lande der Tibu wächst der Sennesblätterstrauch ( Cassia lanceolata), ein vielästiges Büschchen von kaum mehr als Fußhöhe und lanzettförmigen Blättern, welche in unsern Apotheken als allgemein übliches Abführungsmittel in Gebrauch sind. Besonders häufig findet sich die Senna in Air. In frühern Zeiten wurden jährlich gegen 50,000 Pfund dieser Blätter nach Mursuk gebracht, seit aber auf dieselben eine so hohe Transitsteuer von 24 Prozent gelegt ist, wirft der Handel damit keinen Vortheil mehr ab. Die Senna wird deshalb fast kaum noch gesammelt und man kann in Mursuk jetzt 100 Pfund für 25 Silbergroschen kaufen.

Lebhafte Nachfrage findet in Bornu nach Zink statt, das jenem Lande von Mursuk aus zugeführt wird. Aus diesem Metall werden in Bornu die schweren Arm- und Beinspangen verfertigt, mit denen sich die Frauen jenes Landes zieren. Es wird in Mursuk jährlich etwa für 3000 Mabul (4000 Thlr.) umgesetzt. Man verkauft es in Blöcken von 25-30 Pfund, den Centner für 20 Thlr. Auch Bernstein ist ein gesuchter Artikel, von dem jährlich für etwa 2000 Thlr. nach dem Sudan geht.

Den Hauptgegenstand des Handels bilden die Sklaven, von denen der größte Theil aus Bornu oder Sudan gebürtig ist.

Die ursprüngliche Bevölkerung Fessans, die durch Neger gebildet wurde, ist längst verschwunden. Ihre Sprache mit ihr. Von Westen drangen die Berber in das Gebiet ein, von Osten her die Araber, und obschon das Land gegenwärtig unter türkischer Hoheit steht, so finden doch so eigenthümliche Beziehungen zahlreicher Bewohner zu den in der Gegend von Rhat wohnenden Tuariks statt, daß aus denselben für den letztgenannten Stamm erhebliche Vortheile erwachsen würden, wenn es zwischen ihm und den Türken etwa zu einem Kriege käme.

Die Berberstämme der Wüste werden mit der gemeinsamen Benennung Hogar bezeichnet, ein Name, welcher so viel als »die in die Wüste Geflüchteten« bedeutet. Ein Stamm derselben sind die um Rhat ansässigen Asgar-Imoscharh, von den Arabern Tuariks genannt. Diese Imoscharh bilden eine Art Kriegeraristokratie und üben, obschon verhältnißmäßig nur in einigen Hundert Familien vorhanden, auf die übrige Bevölkerung einen bedeutenden Einfluß aus. Sie erfreuen sich aller jener Vortheile, welche auch in andern Ländern die eingedrungenen fremden Eroberer für sich in Anspruch genommen haben. Besonders zeigen die Gestalten und Physiognomien der Männer die unveränderten Merkmale der Berbernation. Die Frauen erscheinen dagegen mehr oder minder kupferfarbig, nur in seltenern Fällen mit einem schmutzigen Weiß. Ihre glänzend schwarzen Haare sind bei den einen schlicht und lang, bei andern dagegen erinnern sie durch ihre Neigung zum Lockigen schon an das Negerartige. Ebenso ist die Nase bei manchen breit, bei andern von schön ägyptischer Form. Der lange Speer, ein breites, gerades Schwert und ein Dolch sind das Kennzeichen des freien Imoscharh (Tuarik). Die Asgar sind in ihrer Haltung gemessen und ernst, wegen ihrer bevorzugten Stellung sehr für sich eingenommen und dem Fremden gegenüber zurückhaltend. Von Gesang sind sie nicht sonderliche Freunde, obschon sie mehrere Lieder besitzen, die sich durch mündliche Ueberlieferungen weiter vererben. Zwar besitzen sie Schriftzeichen, die sehr an die alten punischen erinnern, aber kein einziges Buch ist vorhanden, das mit denselben geschrieben wäre. Aus demselben Grunde ist ihre Sprache auch sehr unentwickelt geblieben. Nur an Felsenwänden und Steinblöcken findet sich gelegentlich ein Name mit diesen Zeichen eingemeißelt.

Die meisten Asgar begnügen sich mit einer Frau; freilich trennen sie sich oft von derselben, wenn sie alt wird, und ersetzen ihre Stelle durch eine jüngere. Sonst ist das Verhältniß der Frauen für letztere angenehmer Art; man begegnet ihnen mit Achtung und sperrt sie nicht eifersüchtig ein.

Die Haupteinnahme beziehen die Asgar, von denen jede Unterabtheilung unter einem besondern Häuptling steht, von den durchziehenden Karawanen. Jede Person hat ihnen einen gewissen Tribut zu entrichten für die Erlaubniß, ihr Land passiren zu dürfen. Am schlimmsten kommen hierbei die Bewohner von Tunis weg, auf welche Stadt die Asgar eifersüchtig sind; von jedem Kopf verlangen sie zehn Thaler. Diese ansehnlichen Einnahmen verwenden die Tuariks großentheils zur Anschaffung reicher Festkleider, während ihr täglicher Unterhalt durch die Imrhad herbeigeschafft werden muß.

Die Imrhad bilden die Hauptbevölkerung des Landes der Asgar, zahlreiche Familien sind aber auch über den westlichen Theil Fessans zerstreut. Sie sind die Leibeigenen jener herrschenden Familien und zeigen schon körperlich ihre verschiedene Abkunft. Ihre Färbung ist fast schwarz, besonders diejenige der Frauen, und auch in sonstiger Körperbeschaffenheit besitzen sie viel Negerartiges. Auch die Männer haben nicht selten völlige Negerphysiognomien, dabei aber einen schlanken Wuchs. Im Gegensatz zu den Asgar, d. h. den »Wanderhirten«, sind sie seßhafte Bebauer des Landes und bewohnen runde Hütten, aus Buschwerk und Gras gearbeitet, die durch ihr kegelförmiges Dach an die Wohnungen des Sudan erinnern. Der Eisenspeer und das Schwert sind den Imrhad verboten; von dem Ertrage ihrer Dattelpflanzungen und Kunstfelder haben sie ihren gestrengen Herren, den Imoscharh, einen bestimmten Theil abzugeben und so durch ihre Arbeit jene zu erhalten. Wahrscheinlich sind die Imrhad durch Vermischung untergeordneter Berberstämme mit den Resten der Negerbevölkerung entstanden. Wie sie körperlich im Vergleich mit den kräftigen Kriegergestalten der Imoscharh zurückstehen, so ist auch ihre Geistesentwickelung geringer. Dem Fremden gegenüber zwar unverschämt und keck genug, wird ihre geistige Beschränktheit aber von den Asgar selbst zum Gegenstande des Spottes benutzt. So erzählen sie z. B. von einem Imrha, der mit seinem beladenen, todmatten Esel an einen steilen Gebirgspaß kam. Aus Mitleid nahm er dem Thier die Last ab und lud sie auf seine eigenen Schultern, setzte sich jedoch selbst schließlich auf den Rücken des Thieres.

Auch dem Europäer muß es interessant sein, wenn er bei einem so entfernten und ihm in den meisten Beziehungen so fremd stehenden Volke Anschauungsweisen begegnet, die unsern heimatlichen aufs Haar gleichen. Als Beispiel führen wir eine Thierfabel der Tuariks an, die unserer bekannten Erzählung vom Fuchs und dem Löwen höchst ähnlich sieht.

Die Asgar erzählen: Ein Löwe, ein Panther, ein Tassurit (wahrscheinlich die Hyäne) und ein Schakal waren Freunde und gingen gemeinschaftlich auf Raub aus. Es glückte ihnen, ein Schaf zu erbeuten. Als es getödtet war, fragte der Löwe: »Wer soll es theilen?« – »Der Schakal!« antwortete man ihm, »denn dieser ist der Kleinste!« Der Schakal machte sich bereitwillig daran und theilte das Thier in vier gleiche Theile. Sprach der Löwe: »Welcher Theil ist mein?« – Der Schakal erwiederte: »Alle vier Theile sind gleich, wähle selbst nach deinem Gefallen!« Da erboste sich der König der Thiere und schrie: »Du verstehst nicht zu theilen!« Damit gab er ihm einen Schlag, der ihn todt zu Boden streckte. »Wer theilt nun?« fragte der Löwe wieder. »Ich will es wol thun!« antwortete der Tassurit, legte das Fleisch des Schakals zu demjenigen des Schafes und machte sechs Haufen davon. »Was soll das heißen?« knurrte der Löwe, »Du machst sechs Theile und wir sind ja doch nur unser drei?« Und der Tassurit entgegnete schnell: »Ein Theil gehört dem Könige, unserm Herrscher, der zweite Theil gehört dir, unserm Freunde, und zwei andere erhalten die rothen Augen (ein Beiname des Löwen)!« – Da schmunzelte der Löwe zufrieden und fragte den Tassurit: »Wer hat dich diese Art der Theilung gelehrt?« – »O«, sagte der Tassurit, »das hat der Streich gethan, den du dem Schakal vorhin gegeben hast!«

siehe Bildunterschrift

Bahr el Mandra, der südwestlichste Natron-See Fessans.


 

Reise nach den Natron-Seen.

In den ersten Wochen des September machte Dr. Vogel einen Ausflug nach den Natron-Seen Fessans und bestimmte deren genaue geographische Lage. Zwei von den vier vorhandenen Seen, den Trona-See und Om el Hassan, besuchte er zwar nicht selbst, verbürgt aber die Richtigkeit der von ihm angegebenen Lage, da die von den Arabern bezeichneten Entfernungen von Sebha, Mandra, Dscherma (Germa) und Mursuk alle genau stimmten.

Sämmtliche Seen liegen ungefähr in der Mitte zwischen dem Brunnen »Hassi« am Südrande der Hammada, und Mursuk, von letzterem Orte aus nach Nordwesten. Eine Umschau über jene Gegenden vervollständigt uns das Bild, was wir von der nördlichen Wüste zusammenzustellen versuchten.

Das Land zwischen der Hammada und Mursuk, etwa zwei Breitengrade, 30 Meilen umfassend, ist vorherrschend Wüste, die »Ramle« genannt, und zwar meistens in ihrer wildesten, schreckenreichsten Gestalt; nur zwei ansehnlichere Fruchtthäler durchziehen die Einöde in derselben Richtung wie die früher bereits geschilderten Wadis, von Ost nach West; es sind das Wadi Cherbi und Schergi im Süden und das Wadi Schiati im Norden.

Wadi Schergi und Wadi Cherbi bilden gemeinschaftlich » das Wadi«, eines ist die Fortsetzung des andern. Die Richtung dieses Thales wird sehr gut durch eine Linie bestimmt, welche man durch Bimbeja und Dscherma zieht, die beide nahe am Nordrande liegen. Die Breite schwankt zwischen drei und vier Meilen, der Südrand ist begrenzt von schroffen Felsen weichen Sandsteins, der hin und wieder von Eisen schwarz und rothbraun gefärbt ist. Es ist sonderbar, daß das lange Thal zwei ganz verkehrte Namen hat; der westliche Theil heißt Wadi Cherbi, d. i. Ostthal, als wenn er von Leuten von Rhat kommend benannt worden wäre, der östliche Wadi Schergi, d. i. Westthal, als hätten ihm die Bewohner von Sebha oder Rhodoa den Namen gegeben.

Von Mursuk aus führt der Weg theils über Sandebene, theils durch Hügelland und Schluchten. Manche der letztern zeigen ein malerisch wildes Ansehn. Die Seiten sind mitunter mit Steinblöcken bedeckt und treten eng an einander. Die Sandsteinfelsen sind von dünnen Schichten Alaunschiefer durchsetzt, dazwischen zeigen sich Schichten von blauem oder von porphyrartigem Thon. Da die Natur hier höchst selten eine Pflanzengestalt dem Reisenden bietet, so ziehen die Lagen und Gestalten der Gesteinbildungen um so mehr die Aufmerksamkeit auf sich, zumal deren Formen und Tinten sonderbar fremdartig ihn anmuthen. Durch Verwittern und Abbröckelnder untern Flötze entstehen Aushöhlungen in den Seiten der Schluchten. Die überhängenden, drohend aussehenden Felsen aus feinem Sandstein, welche die Spitze der Hügel bilden, stürzen endlich, ihrer Unterlage beraubt, herab und vermehren durch ihre Trümmer die Wildheit der Gegend, während der feinere Sand, hier vorherrschend gelbe Färbung annehmend, dem Sandocean neuen Zuwachs liefert.

siehe Bildunterschrift

Die Gummi-Akazie (Acacia nilotica)

Nur Akazienbäume klammern hie und da ihre zähen Wurzeln an das kahle Gestein und strecken ihre stachligen Zweige der glühenden Sonne entgegen. Benetzt sie ein Regenschauer, der freilich mitunter in manchen Landstrichen lange genug ausbleibt, so entfalten sie rasch die zartgefiederten Blättchen und locken mit ihren duftenden Blütenbüscheln einige genügsame Insekten herbei, obschon letztere nur spärlich vorhanden sind. Die meiste Zeit über schlummern sie aber als »vegetabilische Mumien«, durch Trockniß zu langer Ruhe verurtheilt. Die Dürre bringt hier dieselbe Erscheinung hervor, wie in den Polarländern und auf den Spitzen der Hochgebirge übergroße Kälte. Wie an letztern Lokalen das niedere Kraut und die fingerlange Weide jahrelang unter übermäßiger Schneedecke schlummert, die nur ein besonders günstiger Sommer wegzunehmen vermag, dann aber in größtmöglicher Hast aus dem Wurzelstock oder dem Zweig Blütentheile und Blätter entwickelt und die Samen zu reifen sucht, so verharren die Gewächse der Wüste während des Sommers im Zustande des Scheintodes, bis sie durch die belebenden Tropfen geweckt werden. Aus den Zweigen der Akazie dringt der bekannt Stoff, der als arabisches Gummi im Handel gebräuchlich ist. Nach dem Regen oder in Folge starken Thaues schwillt die Rinde der Zweige auf, da sich unter ihr der Saft häuft. Tritt nun trockner heißer Wind ein, so zieht sich die Rinde zusammen, reißt und preßt den Gummisaft aus. An den Bäumen, die der Straße nahe stehen, findet der Reisende selten Gummi, denn die vorbeiziehenden Araber nehmen es ab und verzehren es, in abgelegenem Thälern ist es aber genugsam vorhanden. Stücke, welche eben frisch vom Baume genommen und innen noch saftig sind, bieten auch wirklich eine angenehme Erquickung. Das meiste Gummi wird von Tuariks nach Mursuk gebracht und von denselben in der Gegend zwischen Dscherma und Rhat gesammelt. Nur wenige andere Baumarten vermögen an solchen ungünstigen Stellen auszudauern, am ehesten tritt noch der Ethelbaum ( Tamarix orientalis) und der Talhabaum auf. Von krautartig niedern Gewächsen findet sich einzeln der Retem ( Vincetoxicum), ein Giftgewächs mit milchigem Saft, der Agul, der dem Besenpfriemen oder Hülsendorn ( Ulex) ähnelt und schöne Schmetterlingsblüten trägt, hie und da auch wol eine wohlriechende Raute. Am liebsten begegnet der Reisende der Schia( Artemisia odoratissima), einer Art sehr wohlriechenden Beifuß, die das Lieblingsfutter der Kameele ist.

siehe Bildunterschrift

Der Schakal.

Ebenso spärlich ist das Thierleben entwickelt, das ja eng an die Pflanzenwelt geknüpft ist. Die Fußspuren im Sande verrathen die Gegenwart flüchtiger Antilopen; Schakale bergen sich in dem Geklüft und horchen auf den Tritt des Kameeles, stets bereit, das erschöpft dahinsinkende Thier zu verzehren. Auch der unverwüstliche Allerweltsbewohner, Reinecke Fuchs, ist hier zu Hause und sucht es möglich zu machen, von den zwei Hühnern des armen Arabers eines für sich zu erbeuten.

Im wenig besuchten Seitenthale trifft der Wanderer die Schalen von Straußeneiern , und vielleicht glückt es ihm auch, die Riesenvögel am Saume der Oase zu belauschen, wo sie die melonenähnlichen Früchte der Koloquinte mit kräftigen Schnabelhieben zerlegen, um die Kerne zu verspeisen. Im Sande marschiren Ameisen, anders geformt und anders gefärbt als ihre europäischen Schwestern. Ihre Zangen zeigen in der Form Aehnlichkeit mit den großen Scheeren der Krabben und ihr lichtbrauner Körper ist mit silberweißen Flecken besetzt. Einen einzigen Käfer fand Dr. Vogel in dem an Insekten armen Lande. Wir fügen das von ihm selbst entworfene Bild desselben hier bei, ohne leider die Art genau bestimmen zu können, welcher er angehört. Höchst wahrscheinlich ist er zur Gattung Prionus gehörig, den Bockkäfern verwandt, welche sich von ausschwitzenden Pflanzensäften oder von Knospen ernähren.

siehe Bildunterschrift

Bockkäfer ( Prionus) aus Fessan

Mitten durch das weite Wadi zieht ein breiter Streifen aus geblühten Salzes. Dattelgestrüpp tritt in Menge auf und die höhern Stämme zeigen sich in ihrer ganzen wilden Schönheit, die braunen, verdorrten Blätter früherer Jahrgänge rings am Stamme herabhängend, während droben die scharfgeschlitzten frischen Fiedern, mattgrau grünglänzend, wie Dolche emporstarren. So malerisch der Anblick ist, so verräth er doch gleichzeitig, daß sich wenig Industrie und wenig Betriebsamkeit bei den Bewohnern des Thales findet, und daß sie selbst die verhältnißmäßig so spärlich zugemessenen Gaben der Natur nicht benutzen. In der Nähe der Wohnungen trifft der Wanderer bewässerte Fruchtfelder, deren Pflege meistens durch Negersklaven besorgt wird. Männer und Frauen verrichten hier, fast nackend, die anstrengende Arbeit des Wasserziehens oder des Einerntens während der Sonnenglut mit Gesang und leichtfertigen Geberden und geben durch ihr oft unanständiges Benehmen einen Beweis von den lockern Sitten, durch welche die Bewohner des Wadi Cherbi berüchtigt sind.

Ein Streifen von Dattelpalmen zieht sich längs des Nordrandes durch das ganze Thal hin, mit zahlreichen Quellen und gleich zahlreichen Dörfern; Bimbeja, Kerkiba (4 Meilen von Dscherma) und Dscherma (Germa) sind darunter die wichtigsten.

Dscherma war die erste Stadt, die Dr. Vogel hier im Wadi Cherbi berührte. Er befand sich im Lande der alten Garamanten. Dscherma ist das Garama der Römer. Das Volk der Garamanten, dessen schon Herodot erwähnt, soll ehedem nicht blos im alleinigen Besitz von Fessan gewesen sein, sondern auch über zahlreiche kleinere libysche Völkerschaften gegen Norden hin bis nahe zur Küste seine Herrschaft ausgedehnt haben. Als Südgrenze ihres Gebietes werden sogar der südliche Bagradesfluß (der heutige Steppenfluß von Agades) und Darfur, sowie die Quellen des Nil und die Mondberge bezeichnet. Die Tibu sollen die Ueberreste der nach Süden zurückgedrängten Garamanten sein.

Zur Seite der Ruinen der alten Stadt starren jähe Felsenriffe 300-400 Fuß hoch steil empor. Ueberreste von Thürmen aus Lehm, innerlich oft mit wunderlichen Einrichtungen versehen, deuten den ehemaligen Umfang des Ortes an, der 5000 Schritte beträgt. Neu-Dscherma wird nur von zehn Familien, etwa vierzig Seelen in Summa, bewohnt. Nicht viel ansehnlicher ist das nahe dabei liegende Tuasch, obgleich dasselbe aus drei getrennten Theilen besteht, nämlich einem Tuarikdorf, aus Hütten von Palmenzweigen, einer äußern Vorstadt vereinzelter Lehmwohnungen und einem kleinen, regelmäßig viereckigen Platze, von einer Erdmauer umgeben und mit zwei Thoren versehen, einem an der Ost- und einem an der Westseite. Die Straßen sind regelmäßig und kreuzen einander in rechten Winkeln.

Etwas östlich von Dscherma findet sich das südlichste Denkmal durch Römer gebaut, das südlichste sichere Zeichen, wie tief jenes Volk ins Innere von Afrika gedrungen. Jenes Bauwerk ist nur ein Stock hoch und scheint auch nie höher gewesen zu sein. Jede Seite seines Grundes mißt gegen sieben Fuß. Innen befindet sich eine geräumige Grabkammer. Von den Seiten des Hauptkörpers messen zwei 5 ½ Fuß, die andern beiden 7 Fuß. Sie sind mit korinthischen Säulen geschmückt. Es ist aus demselben Sandstein gebaut, aus dem die benachbarten Hügel bestehen. Der Zug, welchen die Römer bis in diese entlegenen Gegenden unternahmen, fällt in das Jahr 735 nach der Erbauung der Stadt Rom oder 19 vor Christus. Damals drang Lucius Balbus Gaditanus bis hierher, aber nicht auf der Straße von Misda, die damals noch nicht bekannt war. Balbus war ein geborner Spanier, hatte aber römisches Bürgerrecht und Konsulat erhalten und unternahm jenen Zug muthmaßlich als Prätor von Afrika. Höchst wahrscheinlich hatten die Garamanten durch räuberische Ueberfälle den Karawanenhandel gestört und dadurch den Kriegszug hervorgerufen. In jenem Jahre hielt Balbus einen Triumpheinzug in Rom als Eroberer von Cydamus (Ghadames) und von Garama (Dscherma). Das noch gut erhaltene Denkmal beweist, daß die Herrschaft der Römer hier keineswegs eine so ganz schnell vorübergehende war; da aber der Triumph des Balbus gerade in die unruhige Zeit nach Cäsar's Ermordung fiel, so gerieth das Andenken an die Erfolge jenes Zuges unter wichtigern Dingen in Vergessenheit.

Auch eine Brunneneinfassung fand Dr. Vogel in Dscherma, welche unzweifelhaft römischen Ursprungs war. Die alten Thürme und Gräber dagegen, welche er zwischen Dscherma und Kerkiba antraf und anfänglich auch für römischen Ursprungs hielt, da die jetzigen Bewohner dieselben als Werke der Heiden bezeichnen, erkannte er später als Bauwerke der ältesten Bewohner von Fessan. Ein solcher Irrthum war sehr verzeihlich, da die Gräber gar zu sehr von jenen kaum fußtiefen Gruben abstechen, in die Türken und Araber jetzt ihre Todten einscharren. Zahlreiche Schlösser und Thürme, Alles Bauwerke jener alten Fessaner, fand Vogel an fast ganz verödeten Orten, ja geradezu mitten in der Wüste. Daß jene Bauwerke nicht römischen, sondern fessanischen Ursprungs sind, erkannte der Doctor bei einem Besuche von Sesan. Sein Freund, der berühmte Geograph A. Petermann, meint, daß dieses Sesan wahrscheinlich gleich sei mit dem von Lyon Zaizow genannten Orte, welcher 2 ½ Meilen östlich von Mursuk liegt. Sesan ist eine der ältern Städte des Landes und war nach Zuëla die bedeutendste in Fessan. Vogel fand daselbst ganz dieselbe Art von Ziegeln und Mauerwerk, sowie sonderbarer Weise überall statt gewölbter Fenster dreieckige. Die Blütezeit von Sesan fällt um etwa 1000 n. Chr. Die Gräber erinnern an die Art und Weise, in der die Tibu ihre Todten begraben; sie werfen die Leiche in eine tiefe Grube und füllen dieselbe mit den schwersten Steinen, die sie nur auftreiben können, um den Gestorbenen am Wiederkommen zu verhindern.

Die alten Schlösser bestehen aus etwa 20 Fuß hohen Mauern, die einen quadratischen Raum von 40-60 Fuß Seite umschließen und an den Ecken mit Thürmen versehen sind. Um sie herum läuft ein niedriges Außenwerk. Dr. Vogel fand Niemand, der ihm hätte Kunde geben können, wann und von wem sie gebaut sind; er glaubt, daß sie sich aus der Blütezeit Fessans, etwa um 800 n. Chr. herschreiben, doch hält er es für möglich, daß sie älter sind, da die Schollen mit Salzwasser getränkter Erde, aus denen sie errichtet sind, in diesem trockenen Klima Jahrtausenden zu trotzen vermögen.

Der Hauptgrund davon, daß die Ortschaften Fessans in der gegenwärtigen Zeit so sehr an Bewohnern verlieren, liegt außer in dem Druck, den die Türken durch ihr Steuersystem auf das Land ausüben, hauptsächlich in dem Abscheu, welchen die Eingebornen gegen den Militärdienst empfinden. Nicht wenige schlagen sich lieber einige Zähne aus, verstümmeln sich Finger oder andere Glieder, als daß sie sich entschließen, Kommißbrod zu essen, und nicht wenige Familien ziehen sich mit ihren Herden in entlegnere Gegenden zurück, in denen sie von jenem Zwange befreit sind.

Vom Wadi Cherbi aus drang Vogel nach den mehrfach erwähnten Natron-Seen vor. Die Wüste, in der sie liegen, ist fürchterlich, ein System von Bergen, Thälern und Abgründen von und im feinsten Flugsande, in den die Thiere bis an den Bauch einsinken und in dem buchstäblich keine Quadratelle ebener Grund ist. Um das Zelt und Kochgeschirr nebst zwei Wasserschläuchen fortzuschaffen, Alles zusammen etwa 350 Pfund Gewicht, brauchte Vogel nicht weniger als fünf Kameele und legte trotzdem in 18 Stunden nur etwas über zwei Meilen zurück. Was für anständige Hügel von Flugsand die erwähnten sind, kann man aus einer trigonometrischen Messung sehen, die der Doctor von den am Südufer des Wurm-Sees gelegenen gemacht hat. Er fand dieselben aus drei sehr gut stimmenden Beobachtungen 530 Fuß über dem Spiegel des Wurm-Sees. Vogel hätte gern die Erhebung des Sees über den Spiegel des Mittelländischen Meeres bestimmt, es war aber unmöglich, ein Barometer dahin zu transportiren.

Oudney, der früher diese Gegend bereiste, hatte den nordwestlichsten der Natron-Seen, den Mandra-See (siehe das Bild auf Seite 104) besucht und denselben anschaulich beschrieben. Er fand ihn von einer Gruppe Dattelpalmen umgeben und seine Ufer überall mit Gras und einer großen Binsenart bedeckt. Er ist ungefähr eine Viertelstunde lang und über 200 Ellen breit. Im Juli, als sich Oudney an ihm befand, war er nicht tief und an manchen Stellen sogar trocken, die während des Winters und Frühjahrs bedeckt sind. Am Grunde des Sees krystallisirt das Salz beim Verdunsten des vollständig damit gesättigten Wassers; nimmt dann die Wassermenge wieder zu, so löst sich ein Theil des Natrons wieder auf. »Das Wasser ißt das Salz!« pflegen die Araber zu sagen. Die abgelagerte Salzschicht ist von verschiedener Stärke, die größte Dicke beträgt 2-3 Zoll. Die Oberfläche am Grunde fühlt sich rauh an, obgleich das Auge keine hervorstehenden Krystalle bemerkt. Das Wasser unmittelbar darüber ist voll von zahlreichen kleinen, schönen Krystallen von Salz; die Linie, wo sie zusammenstoßen, ist immer bemerkbar. Wenn nicht durch kleinere Salztheilchen an der Oberfläche die Natronschicht undurchsichtig gemacht wird, sieht man die kleinen tafelförmigen Salzstücken, aus denen sie besteht, in jeder Lage. Die Oberfläche des Wassers ist an manchen Stellen mit großen dünnen Salzschichten bedeckt, so daß es aussieht, als wenn der See theilweise gefroren wäre: es bildet sich ein Häutchen nach dem andern, bis das Ganze ziemlich dick wird. Der Boden des Sees besteht aus dunkelbraunem Sande, der ins Schwarze spielt, klebrig und schleimig anzufühlen ist. An den nicht lange vom Wasser entblößten Stellen der Ufer quillt etwas hervor, das wie Erdöl oder Naphtha aussieht. Die Menge Natron, welche man jährlich vom Trona-See wegholt, rechnet man zu 4-500 Kameelladungen, jede zu etwa vier Centnern. Man entnimmt es dem See erst, sobald es verlangt wird. Das Verfahren dabei ist sehr einfach: man bricht es am Ufer los, entfernt so viel als möglich die anhängenden Schmutztheile und Grasstengel und macht viereckige Stücke daraus, die man mit den zähen Fasern der Palmblätter zusammenbindet. Das Meiste dieses Salzes, was nicht in Fessan selbst verbraucht wird, geht nach Tripoli.

Dr. Vogel wendete besonders dem sogenannten Wurm-See (Bahr el Dud) seine Aufmerksamkeit zu, den seiner wilden, schwer zugänglichen Lage wegen vor ihm noch kein Europäer besucht hatte. Man hatte Vogel erzählt, dieser See sei unergründlich tief, und jedes lebendige Wesen, welches hinein gelange, würde von dem finstern Wasser verschlungen. Seine Begleiter waren deshalb nicht wenig entsetzt, als er frisch hineinsprang, um mit der Senkleine in der Hand die Tiefe desselben zu messen. Diese war im Durchschnitt nicht mehr als 18 Fuß und an der von den Eingebornen als die tiefste bezeichneten Stelle 24. Die dunkle Farbe des Wassers macht den See tiefer erscheinend, als er wirklich ist. Seinen Ruf hat derselbe – außer seinem Salzreichthum – besonders den kleinen sogenannten Fessan-Würmern zu verdanken, die ihn in unzähligen Schaaren bevölkern. Vogel entwarf eine Zeichnung von denselben, nach welcher nebenstehende Figur gefertigt ist. Er sagt von ihnen bei dieser Gelegenheit: »Diese Würmer sehen recht niedlich aus und schmecken rein salzig. Die Farbe ist glänzend roth, genau die des Goldfisches. Beim Schwimmen schlängeln sie den Leib wie eine Schlange und bewegen die Füßchen (etwa elf oder zwölf an jeder Seite) mit großer Geschwindigkeit vor- und rückwärts. Die Länge eines ausgewachsenen Exemplars beträgt 3 7/12 Pariser Linien, die Breite dicht unter dem Kopfe 1¼ Par. Linien. Während der Tageshitze ziehen sich die Würmer in die Tiefe des Sees zurück, Morgens und Abends erscheinen sie an der Oberfläche des Wassers, Man fängt sie mit Kattunnetzen und dabei zugleich unzählige Exemplare einer Fliegenlarve, von denen der See voll und seine Oberfläche bedeckt ist; Alles zusammen wird mit einer rothen Dattel zu einem Brei verarbeitet, der einen starken Heringsgeruch und Salzgeschmack hat und von den Bewohnern Fessans anstatt Fleisch zum Basin u. s. w. gegessen wird. Die erwähnten Fliegenmaden sind Feinde des Wurmes und fressen ihn.« Oudney sagt von ihnen, sie seien einen Zoll lang, beständen aus Ringen und hätten an jeder Seite sechs Füße, sowie zwei schmale hornförmige Auswüchse am Schwanz.

siehe Bildunterschrift

Der Fessan-Wurm, Dud ( Artemia Oudneyi). nach Dr. Vogel's Zeichnung.
Der beigezeichnete Strich ist die natürliche Größe.

Wenn die geschilderten Seethierchen »Würmer« genannt worden sind, so ist dies Wort hierbei nicht im Sinne der Wissenschaft gebraucht worden. Ihrem Körperbau nach gehören die Fessan-Würmer ( Artemia Oudneyi) zu der großen Abteilung der Krustenthiere und sind somit Verwandte des bekannten Krebses, wenn auch nur weitläufige. Mit dem in Regenpfützen und Sumpflachen bei uns einheimischen Kiemenfuß ( Brachiopus) werden sie zu der Ordnung der Blattfüßer gestellt, die durch den eigenthümlichen Bau ihrer Füße gekennzeichnet wird. Letztere zeigen drei Theile und dienen ebenso wol zum Fortbewegen als auch zum Athmen, deshalb sind sie auch, selbst wenn das Thier ruht, in ununterbrochener Schwingung. Als Hauptnahrung dienen dem kleinen Geschöpf vorzugsweise Infusionsthierchen. Eine nahe verwandte Art Salzwürmer ( Artemia salina) bevölkert in ebenso zahlreichen Mengen die Lachen eingedämmten Seewassers, aus welchen man durch Verdunstung in England, Portugal und Südfrankreich Salz gewinnt, und ist daselbst von den Salzsiedern gern gesehen, da man die Meinung hegt, daß sie viel zur Reinigung der Soole beitrügen. Aus diesem Grunde versetzt man sie auch sorgfältig aus einer Lache in die andere. Ihre Vermehrung schreitet in Erstaunen erregendem Grade vorwärts.

Der Fessan-Wurm (Dud) findet sich nicht ausschließlich in dem insonderheit nach ihm genannten Wurm-See, sondern bevölkert auch die übrigen Natron-Seen dieser Senkung.

Nördlich von den Seen behält das Land denselben Charakter bis zu dem gegen sechs Meilen nördlicher liegenden Wadi Schiati. Hohe Sandhügel aus feinem Flugsand erschweren das Fortkommen unendlich. Nicht selten bildet der Wind aus dem Sand ähnliche scharfe Vorsprünge und Kanten, wie sie uns eine schneebedeckte Winterlandschaft nach anhaltendem Windwehen und Schneegestöber zeigt. Der Reisende ist gezwungen, stellenweise vorauszugehen und mit den Händen die hinderlichsten Stellen abzuflachen, um den beladenen Kameelen, die bei jedem Fußtritt tief einsinken, das Weiterkommen zu ermöglichen. Besonders fremdartig wird der Anblick, den diese Sandwüste zur Nachtzeit bei heller Mondbeleuchtung gewährt. Das weiße Licht, das vom dunkeln Himmel herabstrahlt, nicht durch das kleinste Wölkchen getrübt, contrastirt scharf mit der tief goldgelben Färbung des Sandoceans. Ein einzelner Hügel trägt eine Gruppe Palmen mit malerisch wild herabhängenden Blättern, umstarrt von Gestrüpp; gleich Ertrinkenden strecken einige Dattelbäume im Thale daneben ihre Häupter aus dem Flugsande empor, der ihre Stämme verschüttet hat. Selten unterbricht ein lebendiges Wesen die lautlose Stille; das Heulen einer fernen Hyäne, das Kläffen eines Fuchses sind die einzigen Töne, welche die Wüstenruhe stören. Der kühle Ostwind treibt ein leichtes Sandwölkchen gleich einer Geisterschaar vor sich her und kräuselt es um die schwarzblauen Felsklippen, welche wie Dämonen der Unterwelt in der Ferne hervorschauen.

Das Wadi Schiati liegt um ein Ansehnliches höher als das große Wadi Cherbi; eine Reihe hoher Sanddünen, hier weiß von Farbe, begrenzt es im Süden, nach Norden zu verläuft es sich flacher. Zahlreiche Brunnen werden hier zu Spendern des Lebens. Ihre geringe Tiefe erfordert nur eine mäßige Anstrengung, um das Wasser in die Rinnsale zu leiten, welche die Felder erquicken, ja manche sind so flach, daß sich ihr Wasser von selbst in größere Becken sammelt, um von hier aus die Pflanzungen zu speisen. Getreidefelder gedeihen in weiter Ausdehnung, freundlich grüne Krautstreifen breiten sich neben den fruchtschweren bräunlichgelben Saaten und gewähren den Kameelherden reiche Weide, die gleichzeitig ohne Beihülfe des Menschen aus den flachen Quellbrunnen den Durst zu löschen vermögen. Aber dicht daneben erstrecken sich wieder schwarze Züge unfruchtbarer Sandsteinklippen und erheben sich zu ansehnlich hohen, malerisch zerrissenen Hügelketten. Von ihnen stechen die weißen Sanddünen des Südrandes grell ab und in der Mitte des Thales ist der tiefschwarze, kahle Boden mit einer weißen Kruste ausblühender Salzkrystalle überzogen, welche bei der glühenden Mittagssonne dem aus Norden stammenden Fremdling das Bild einer Schneefläche sonderbar vorspiegeln. Ein großer Dattelhain, welcher in langen engen Streifen sich über einen weiten Raum erstreckt, leitet den Blick an den zahlreichen kleinern Dörfern mit ihren Palmblattdächern und Lederzelten vorbei nach dem größern Ederi, das durch seine Lage die Aufmerksamkeit vorherrschend fesselt.

Das alte Ederi bedeckte den Gipfel eines terrassenförmig ansteigenden ansehnlichen Felsens von ziemlicher Höhe (190 Fuß). Die schwarzen Wände fallen nach Süden schroff ab und lassen nur einen Zugang von der Nordseite zu. Durch diese Lage begünstigt, die eine seltene Ausnahme unter den Ortschaften Fessans ist, gelangte die Stadt zu einem politischen Uebergewicht über ihre Nachbarn und behauptete ihre Herrschaft auch bis zu Anfang der vierziger Jahre dieses Jahrhunderts. Zu dieser Zeit ward sie durch die Tyrannei Ald el Djelil's, des kriegerischen Häuptlings der Uëlad Sliman, zerstört und der unabhängige Sinn ihrer Bewohner gebrochen. Die Trümmer, welche noch jetzt die Felshöhe bedecken sprechen von der dichten Bevölkerung, deren sich der Ort erfreute. Die Straßen waren eng und zogen sich steil an der Nordseite hinauf. Die neuere Stadt ist am Fuße des Berges angelegt worden, da die türkische Regierung das Bedürfniß nach befestigten Plätzen weniger lebhaft empfinden läßt, obschon sie das Land nichtsdestoweniger auf andere Weise ebenso aussaugt.

In der Südseite des Felsens und in einem zweiten benachbarten, ähnlich gestalteten Sandsteinberge finden sich unterirdische Wohnungen eingearbeitet, deren Entstehung aus den Urzeiten des Landes sich herschreibt und über welche keine geschichtlichen Nachrichten uns überliefert sind. Der Grundriß vieler ähnelt einem Kleeblatt. Der Eingang ist durch herabgestürzte Steine und eingewehten Sand bei mehreren versperrt, und die abergläubische gegenwärtige Bevölkerung meidet sie als Orte der Furcht und Sitze feindlicher Dämonen.

Die Landschaft zwischen dem Wadi Schiati und dem Südrande der Hammada giebt an Unfruchtbarkeit und Oede den südlichern Distrikten nichts nach. »Wüst und grauenhaft« nennt sie Barth, »ein Bild von Wüstenei und Wildheit, gleichsam ein unvollendetes Gebiet der Schöpfung.« Nur nach dem Nordrande hin bringt der Granit, welcher hier auftritt und durch seine felsigen Erhebungen und Klippen den Pfad zu mäanderartigen Krümmungen zwingt, einige Abwechselung hervor, und das von den Kameelen so geliebte Schia (der wohlriechende Beifuß) bedeckt einzelne Thalgründe mit erfreulicher Ueppigkeit.

Im Süden wird das Wadi Cherbi von dem Plateau von Mursuk begrenzt, das sich in einer mittlern Erhebung von 1000 Fuß über dem Meere gegen 30 Meilen weit nach Westen hin erstreckt. Der Karawanenweg von Mursuk nach Rhat, der das Plateau entlang führt, folgt dem Wadi Berdhusch, das sich viele Meilen weit von Ost nach West hinzieht. Nach seiner Mitte zu senkt es sich bis gegen 900 Fuß, steigt aber im Westen bis zu 2000 Fuß an. Sand, Kies und Kalkgeröll bilden den Boden des Thales, streckenweise begleiten es Sandstein und Kalkwände, an andern Stellen Sandhügel, und wiederum an andern verflacht es sich zur ebenen Wüste. Der ferne Südhorizont zeigt sehr gebirgiges Land. Unverkennbar sind in dem Wadi die Spuren, welche heftige Regenströme zurückgelassen haben. Dergleichen Ergüsse sind hier keineswegs zu selten. Die schweren Wolken entladen sich, von starken Wirbelwinden begleitet, in überreichem Maße. Die großen schweren Tropfen fallen in einer Dichtigkeit und Menge, daß wir jeden dergleichen Regen mit dem Namen Wolkenbruch bezeichnen würden. In jedem der über hundert Seitenthäler sammeln sich die Wasser zu Regenbächen, und im Laufe von wenig Stunden entsteht in dem Hauptwadi ein mächtiger Strom, der sich brausend und schäumend über die Felsterassen stürzt, mitten im Wüstengebiet die Erscheinung von Katarakten bietend. An andern Stellen wühlt der ephemere Fluß den Grund tief auf und reißt die Sanddünen, die ihm der Wind hemmend in den Weg gebaut hat, aus einander, so daß nur die einzelnen, mit Tamarisken gekrönten Hügel übrig bleiben. Ebenso schnell als sie entstanden, verlaufen sich die Wassermassen auch wieder. An den tiefsten Thalstellen bilden sie Teiche oder kleinere Sumpflachen, das übrige Wasser verdunstet oder sinkt in den lockern Grund ein. Gräbt hier der Reisende einen Brunnen, so stößt er schon bei geringer Tiefe auf die gewünschte Erquickung. Ein heiteres Leben sammelt sich um jene Wüstenteiche im Wadi. Gräser, deren langhinkriechende Wurzeln und harte Samen unbeschadet lange im dürren Boden schlummerten, sprossen auf und bieten den Kameelen reichliches Futter. Die Akazienbäume bedecken sich mit Laub, die Tamarisken beginnen ihre Blütensträuße rosig zu entfalten. Mit Freudengeschrei begrüßen die durstenden Dromedare der anlangenden Karawane den Wasserspiegel. Der Ruf der Treiber ist nicht nöthig, um sie zur Eile anzuspornen. In langen Zügen schlürfen sie das Labsal, während die von der Hitze ermatteten Pilger sich durch ein langentbehrtes Bad erquicken. Hat der Reisezug gestärkt und erfrischt den Teich verlassen, so naht sich demselben das verscheuchte Wild. Antilopen kommen aus den Seitenthälern in kleinen Rudeln herbei, Schwärme von Flughühnern und Felstauben treiben am Ufer heitere Spiele und zahlreiches kleineres Geflügel, Steinschmätzer, lerchen- und drosselähnliche Vögel finden sich zur Tränke ein; ja selbst ein seltener Schmetterling und eine Libelle gaukeln über dem Wasserspiegel, ein fremdartiger Anblick im Wüstenland!

Ungefähr in der Mitte zwischen Mursuk und Rhat, wenige Meilen von dem Westrande des Plateaus von Mursuk entfernt, bildet das Wadi einen Thalkessel, der unter dem Namen Wadi Telissare (siehe das Anfangsbild S. 91) bekannt ist. Ein Seitenthal mündet hier in die Hauptsenkung und die zusammentreffenden Regenwasser sammeln sich zu einem Tümpel, der wenigstens einige Monate hindurch einen ziemlichen Wasservorrath bewahrt. Mimosen bieten im Thalgrunde angenehmen Schatten und mancherlei aufsprossendes Grün, Kräuter und Gräsermachen das Plätzchen dem Reisenden und seinen Lastthieren zu einem angenehmen Rastort. Das Interesse des Europäers wird aber besonders durch die Skulpturen gefesselt, welche er an den senkrechten Felswänden eingemeißelt findet.

An einer senkrechten Felswand im Thale fand Dr. Barth eine ganze Gruppe Rinder in den verschiedensten Stellungen abgebildet. Alle bewegten sich nach der rechten Seite hin, an der wahrscheinlich der Tränkplatz angedeutet war. Weiterhin im Gebirge sind mehrfach Opferkreise, aus Quadern erbaut, vorhanden und Büffel, Strauße, kleinere Vögel und ähnliche tägliche Begleiter des Wüstenbewohners in die Blöcke eingearbeitet. Nirgends findet sich jedoch eine Abbildung des Kameels, und es wird dadurch die Thatsache bestätigt, daß dieses mit dem Haushalt der jetzigen Nomaden so innig verwachsene Thier früher hier gänzlich unbekannt war. Der Waarentransport geschah in jenen Zeiten mit Hülfe der Rinder, und es ist deshalb interessant, zu erfahren, daß noch ums Jahr 1848 ein Reisezug von Kano nach Rhat mit Hülfe von Rindern ausgeführt wurde, die man jeden zweiten Tag tränkte. Erst durch die Araber ward das Dromedar in Nordafrika eingeführt und hat hier seine zweite Heimat gefunden.

Von der Hochebene von Mursuk hinab nach dem Thale Ilaghlarhen und von diesem wiederum nach der noch tiefer gelegenen Ebene von Rhat gelangt der Reisende nur durch enge wilde Schluchten. Wahrscheinlich sammeln sich in den höhern Thälern des hier hoch aufstarrenden, vielfach zerrissenen Gebirges bei Regengüssen bedeutende Wassermassen an, die sich dann durch dieselbe Kluft den Weg bahnen, welche den Karawanen als Pfad dient. Sechshundert Fuß tief zieht sich letzterer hinab und besitzt dabei streckenweise nur eine Breite von sechs Fuß. Die Sandsteinmassen sind wild zerborsten und starren links und rechts senkrecht, ja an vielen Stellen überhängend bis 100 und mehr Fuß empor. Die untere Hälfte der Wände besteht aus Mergellagern mit Ueberresten von Seemuscheln, aus den Urzeiten ihrer Entstehung stammend. Zwischen dem thonigen Mergel lagern wiederum Flötze von Kalkstein und Eisenerzen. In Vertiefungen der Seiten haben sich einzelne Talhabäume angesiedelt und bringen mit ihrem freundlichen Grün einiges Leben in die wilde Scene der Zerstörung. Vielfach windet sich der enge Weg in scharfen Winkeln links und rechts und ist auf weite Strecken sowol an seinem Grunde, als auch an den Seiten so glatt, als sei er von Menschenhand mit dem Meißel bearbeitet worden. Dieser enge Paß, der nahe der Grenze zwischen Fessan und dem Gebiete der Tuariks liegt, würde ein höchst wichtiger Punkt werden, sobald ein Krieg zwischen beiden Völkerschaften entstände.

siehe Bildunterschrift

Die Geisterburg Idinen.

Vier Stunden bedarf der Reisende, ehe er durch die erste Schlucht, Rhalla genannt, nach dem tief eingefurchten Thale von Erasar n Tesse gelangt, das mit Kraut und einigen Talhabäumen bewachsen ist und gegen 1500 Fuß über dem Meeresspiegel liegt. Hat der Wandrer die zweite ähnlich wilde und von zerrissenen Felsen umgebene Schlucht passirt, die ihn nach der Ebene von Rhat führt, so sieht er im Westen der letztern, in etwa anderthalb Meilen Entfernung, das berüchtigte Teufelsschloß Idinen vor sich, ein halbmondförmiges Gebirge mit einem jähen, tief zerrissenen Kamm von flimmernd blendendweißer Farbe und hochrothem, flacherem Fuße aus Mergelschichten.

Hier hausen nach dem Glauben der Asgar Schaaren von Dämonen, hier versammeln sich die Geister der Wüste, die Schrecken der Hirten. Zwischen ihnen und den Asgar besteht, den überlieferten Erzählungen zufolge, die Uebereinkunft, daß keiner der letztern das geheimnißreiche Felsenlabyrinth betreten darf, wenn er nicht sein Leben verlieren will. Die Dämonen ihrerseits haben die Felsenmauern in Westen als Bollwerk für die Bewohner aufgeführt und lassen ihnen in der Wüste ihren Schutz angedeihen. Nur ein einziger, schwer zu findender Brunnen ist in der ganzen Umgebung von Idinen zu finden, und Felsklüfte, zerbröckelnde, stürzende Blöcke, mit Flugsanddünen wechselnd, bieten wirkliche Gefahren genug, um der Phantasie der abergläubischen Asgar Nahrung zur Bildung jener Sagen zu geben. Wir brauchen uns nur an die Teufelssagen unsers heimatlichen Brockens und Riesengebirges zu erinnern, in denen die Gefahren des Gebirges Fleisch und Bein erhalten haben, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn die Tuariks, deren Furcht jeden Hügel mit einer Sage von kameelgroßen Schlangen, von verscharrten Schätzen, die Marabutgeister bewachen, u. dgl. belebt, aus den zerrissenen Riffen und Kämmen jenes Gebirges eine Geisterburg geschaffen haben. In gleichem Grade, wie jene Sagen jeden Eingebornen von einem Besuche des Gespensterschlosses abhalten, fühlt sich der vorurtheilsfreie, vom Forschereifer getriebene Europäer angespornt, dasselbe zu besuchen und den geheimnißvollen Schleier zu lüften, der darüber ausgebreitet ist. Nicht daß man die wirklichen Gefahren des öden Gebirges verkennte und sie muthwilliger Weise unbesonnen herausforderte, – die Geistersagen der Asgar knüpfen sich gar zu oft an Inschriften, Skulpturen und andere Zeichen, die eine frühere Bevölkerung zurückgelassen hat und die dem Geschichtsfreund eben so viele Anziehungspunkte bieten, als dem Geologen die zerklüftete Gebirgsart Aufschlüsse über die Formationen jener Gebiete verspricht. Alle Europäer, die bis Rhat vordrangen, unternahmen es, die Geisterburg zu besteigen, alle hatten mehr oder minder unglücklichen Erfolg, den die Eingebornen natürlich aus der Macht der Geister herleiteten.

Schon Oudney hatte es versucht, das Teufelsschloß zu besteigen. Er fand den Berg so steil, mit so vielen losen Steinen umlagert, daß er nur auf eine der Höhen gelangen konnte. Ein tiefer Abgrund, den er antraf, verwehrte ihm jegliches Weiterkommen. Richardson hatte bei seiner ersten Reise nach Rhat ebenfalls eine Besteigung unternommen, auf dem Rückwege aber sich verirrt und dabei fast das Leben verloren. Barth und Overweg wagten den Besuch des Teufelsschlosses auch, jeder für sich, der erstere geschichtliche, der letztere geologische Forschungen im Auge behaltend. Keiner der Tuariks wollte ihnen als Führer dienen; Richardson, der im Lager blieb, bewog endlich einen Neger, Overweg mit einem Wasserschlauche zu folgen. Keiner der beiden Europäer kehrte zurück, obschon sie wußten, daß die Karawane nur während der heißesten Stunden des Tages hier rasten würde. Gegen 5 Uhr Nachmittags langte Overweg, von dem Neger unterstützt, im Zustande äußerster Ermattung an. Von Dr. Barth fand man nicht die geringste Spur, hing deshalb bei einbrechender Nacht eine Laterne in den Gipfel eines hohen Baumes und zündete Signalfeuer an, um dem Verirrten Zeichen zu geben.

Es hatten sich mehrere Umstände vereinigt, das Gelingen von Barth's Unternehmen zu erschweren. Unglücklicher Weise war den Tag vorher gerade der erfrischende Teig aus Gerstenmehl zu Ende gegangen, der sonst die Haupterquickung des Reisenden bildete. Er konnte also nur etwas Schiffszwieback und einige Datteln als Mundvorrath mitnehmen, und dies war gerade unter diesen Umständen die allerungeeignetste Kost. Ein kleiner Wasserschlauch und ein Paar Pistolen bildeten das übrige Gepäck, gerade hinreichend schwer für den durch die vorhergegangenen Anstrengungen ermatteten Wandrer. Die Halsstarrigkeit der Führer verweigerte ihm ein Kameel bis zum Fuße der Geisterburg; würde er bis dorthin haben reiten können, so hätte er leicht mit frischen Kräften den Berg erstiegen. Nachdem Barth, ohne zu wissen, daß Overweg ihm folgte, die weit ausgedehnten Vorhöhen überschritten, die theils aus losem Sand, theils aus schwarzem Kieselgeröll bestanden, langte er an dem Teufelsschloß selbst an. Sehr ermattet klomm er einen tiefen Abgrund hinab und an der jenseitigen Wand desselben empor, bis er zu einem förmlichen Felsenrande von Klippen und Blöcken gelangte, ohne an denselben eine Spur von Inschriften oder Skulpturen zu entdecken. Ebenso wenig gewahrte er das Geringste von den herrlichen Palmenhainen, die nach den phantastischen Erzählungen der Asgar sich daselbst finden sollen; nichts bot sich dem Auge dar, als Steintrümmer und Sandfelsen, einige der grotesken Bildungen an ihrem Fuße tiefschwarz und in dem obern Theile blendendweiß. Keine Handbreit Schatten gewährte dem Erschöpften Erquickung; eine kurze Rast in der sengenden Mittagsglut, ein Schluck warmen Wassers von dem geringen Vorrath erfrischten ihn nicht. Von der mitgenommenen Speise konnte Barth nichts genießen. Er dachte an den Rückweg und verfolgte ein Thal, von dem ihm der Tuarikführer gesagt hatte, daß es zu dem einzigen Brunnen der Gegend führe, und durch welches er wieder zu seinen Gefährten kommen würde.

Nach langem Herumirren sah er erfreut einige Hütten zur Seite eines vertrockneten Baumes, schleppte sich mühsam bis zu ihnen hin und fand sie zerfallen, allem Anschein nach seit langen Zeiten von ihren Bewohnern verlassen. Er konnte vor Ermattung nicht weiter. Auf Nothschüsse, die er abfeuerte, erfolgte keine andere Antwort als das höhnende Echo der Geisterburg. An dem Baume sank er, von heftigem Fieber befallen, nieder und verbrachte die Nacht, die schnell hereinbrach, in einem gräßlichen Zustande. In der Ferne leuchtete ihm das Signalfeuer der Karawane, aber es gebrach ihm an Kraft, ein gleiches anzuzünden. Die aufgehende Sonne brachte ihm neue Hoffnung, aber auch neue Schrecken. Der wüthende Durst quälte ihn bis zu dem Grade, daß er sein eignes Blut trank. Die täuschenden Bilder der Luftspiegelung malten ihm die herannahende Karawane vor und erklärten ihm leicht, wie der Nomade der Wüste die letztere mit Dämonenschaaren bevölkert. Kaum besaß er noch so viel Kraft, daß er sein fieberkrankes Haupt fortrückte, wie sich der dürftige Schatten des Baumstammes nach dem Stande der Sonne veränderte. Zu Mittag schwand endlich der letzte Rest von Schatten und die glühenden Strahlen fielen sengend auf den Unglücklichen. Er verfiel in einen Zustand halber Bewußtlosigkeit und erwartete hoffnungslos seinen Tod, – da traf der Schrei eines Kameeles sein Ohr. Barth gesteht, daß nie in seinem Leben eine Musik ihm lieblicher geklungen habe! Ein Asgar auf einem Dromedar war in der Nähe und spähte nach den Fußtapfen im Sande, die er bemerkt hatte und deren weiterem Verlauf er aufmerksam folgte. »Wasser! Wasser!« waren die einzigen Worte, welche der Verschmachtende zu stammeln vermochte. »Ja, ja!« erscholl als Gegenantwort. In wenig Augenblicken war der Retter bei ihm und wusch ihm vorsichtig das Haupt mit Wasser. Der Trank, den er ihm dann einflößte, dünkte dem Armen gallenbitter zu sein. Auf dem Kameel festgebunden, langte Barth mit seinem Begleiter bei der Karawane an und ward hier mit Jubel begrüßt. Man hatte fünfzig Dollar Demjenigen als Belohnung verheißen, der den Verirrten auffinden würde, und die Tuariks waren erstaunt, daß er noch lebte, denn Niemand, sagten sie, könne in der Wüste länger als zwölf Stunden ohne Wasser dem Tode entgehen. Während der nächsten drei Tage war Barth aber kaum im Stande etwas zu essen und erholte sich nur allmälig wieder.

»Auffallend ist es«, sagt er selbst über diese vollständige Ermattung, »wie der Europäer in diesen Gegenden nur von Dem lebt, was er augenblicklich zu sich nimmt, und daß er, so wie er einen Tag verhindert ist, das gewöhnliche Quantum von Nahrung zu genießen, augenblicklich um alle seine Kräfte kommt.«

Südlich von dem Berge Idinen liegt Rhat, die Hauptstadt des Asgargebietes. Sie zieht sich am nordwestlichen Fuße einer felsigen Anhöhe entlang, die in die Mitte des Thales vortritt und an ihrer Westseite mit Sandhügeln umgeben ist. Palmenpflanzungen umgrünen sie, theils als langgestreckte Streifen, theils als kleinere geschlossene Gruppen. Die Stadt gewährt einen freundlichen Anblick. Die Mauern ringsum sind aus weißem Thon und Sand aufgeführt und die Häuser aus gleichem Material gebaut, wodurch das Ganze einen heitern Anstrich bekommt. Der Begräbnißplatz ist in zwei Theile getheilt, einer für die Erwachsenen bestimmt, der zweite für die Kinder, und befindet sich außerhalb der Stadt. Die Einrichtung der Häuser ist ähnlich wie diejenige in Mursuk; die Lagerstätten zur nächtlichen Ruhe sind aus Palmenblättern gearbeitet und fünf Fuß über dem Boden erhaben, da man sich auf diese Weise leichter vor den häufigen Skorpionen schützt. Den sonderbarsten Anblick gewähren dem Fremden die Kinder des Ortes. Man pflegt denselben nämlich das Haar in der Weise zu scheeren, daß nur ein von der Stirn über den Scheitel laufender Kamm stehen bleibt.

Die Moschee von Rhat ist schöner als irgend eine in Fessan und befindet sich ziemlich dicht am Fuße des erwähnten Berges. Auf dem letztern soll ehedem die alte Stadt gestanden haben, durch Einsturz des Felsens aber zerstört worden sein, bei welcher Gelegenheit auch eine große Anzahl Einwohner ihr Leben verloren.

Trotzdem daß der Ort verhältnißmäßig klein ist und nur etwa 250 Häuser zählt, besitzt er doch für den Handel besondere Wichtigkeit. Die letztere würde sich noch um ein Bedeutendes steigern, wenn nicht die Eifersucht des weit nordwestlich gelegenen Tauat den Asgar feindlich entgegen träte, sobald letztere eine unmittelbare Verbindung mit dem fernen Timbuktu versuchen. Die Bewohner von Tauat suchen mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln den Gütertransport zu dem bedeutenden Umwege über ihre Stadt zu zwingen.


 << zurück weiter >>