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Dr. Vogel's und Dr. Barth's Zusammentreffen.

Einleitung.
Uebersicht der früheren Reisen nach dem Sudan


Früheste Kunde vom Innern Afrikas. – Herodot. – Die fünf Nasamonier. – Cornelius Balbus. – Claudius Ptolemäus. – El Edresi. – Ebn Batuta. – Leo Africanus. – Friedrich Hornemann. – Joseph Ritchie, Francis Lyon. – Walter Dudnev, Hugh Clapperton. Diron Denham. – Clapperton und Richard Lander. - James Richardson, Adolph Overweg, Heinrich Barth.


. Reisende, welche in das Innere Afrikas, besonders in den sogenannten Sudan eindrangen, giebt es verhältnißmäßig sehr wenig! Erst den jüngsten Expeditionen war es aufbehalten, Berichte der Geographen des Alterthums zu verbessern oder zu bestätigen; ja über weite Flächen des abgeschlossenen Erdtheils haben wir noch jetzt weiter keine Kenntniß, als wie sie uns einige kurze Andeutungen bieten, die, fast ein Jahrtausend alt, gewöhnlich in das Gewand der abenteuerlichen Mythe und Fabel gekleidet sind.

In manchen Beziehungen waren jene alten Geographen und Reisenden viel begünstigter, als dies heutzutage der Fall ist.

Das Klima des Sudan mit seinen tödtlichen Fiebern, die Schrecknisse der ungeheuren Wüste waren zwar dieselben, und die durch die Noth verwilderten Stämme der Sahara traten zwar auch damals schon dem Fremdling feindlich entgegen, die Hauptschranke aber, an welcher bis jetzt gewöhnlich alle weitern Unternehmungen gescheitert sind, baute sich erst durch den Einfall der Araber auf, die jedes Volk, das sich nicht zum Islam bekannte, als vogelfrei betrachteten und die sogenannten Heiden mit ähnlichem Auge ansahen, wie der Amerikaner die Herden der herrenlosen verwilderten Kinder und Pferde der Prairien. Sklaven als Diener für das Haus und die Feldarbeit waren den eindringenden Asiaten ein altes Bedürfniß. Den Religionsverwandten seiner persönlichen Freiheit zu berauben, verbot das Gesetz des Propheten; deshalb wendete man sein Augenmerk ausschließlich auf die nichtmuhamedanischen Völkerschaften, denen man außerdem durch Waffengewalt überlegen war, und Sklavenjagden wurden in regelmäßiger Wiederkehr und immer größerem Umfange Sitte, je mehr sich gleichzeitig auch die Handelsspekulation dieses sehr einträglichen Zweiges bemächtigte.

Jene Gegenden, in welche die alten Geographen die sogenannten Mondgebirge versetzten, bezeichnen die Scheidelinie zwischen den muhamedanischen und heidnischen Völkerschaften. Diese Grenze wird fast jährlich nur in feindlichen Absichten überschritten, und Alles, was seit Jahrhunderten über dieselbe vorgedrungen ist, hat den südlichen Negerstämmen nur Unheil und Verderben gebracht. Kein Wunder ist es daher, daß dieselben den ankommenden Europäer, von dessen wahren Absichten sie nicht die geringste Ahnung haben können, mit höchst mißtrauischen Augen betrachten und ihm, der ihnen als Kundschafter erscheint, ihrer eigenen Sicherheit wegen alle erdenklichen Schwierigkeiten in den Weg legen. Zugleich sind auch die muhamedanischen Völkerschaften jener Gebiete in hohem Grade fanatisch, da sie durch jenen fortwährenden Zusammenstoß immer wieder auf das Auszeichnende ihres Bekenntnisses hingewiesen sind und jeden Andersgläubigen als Todfeind betrachten.

Diese Schranke war in frühern Zeiten nicht vorhanden. Der Verkehr war weniger gehemmt, und dadurch ward es ermöglicht, daß durch Kaufleute Kunde von südlichern Gebieten bis an die Nordküste des Erdtheils gelangen konnte, die zwar nur in bruchstückweisen Andeutungen auf uns gekommen, aber doch ausreichend ist, um auf fernhin gehende Verbindungen hinzuweisen. Die Karthager mögen im Besitz vielseitiger, weitreichender Kunde vom Innern des Landes gewesen sein, aber engherziges Handelsinteresse bewog sie, ihr Wissen mit ängstlicher Sorgfalt zu verheimlichen, um andere Völker von den Vortheilen auszuschließen, die ihnen daraus erwuchsen. Mit der Zerstörung der Weltstadt gingen jene Kenntnisse für immer verloren.

Herodot berichtet bereits, daß sich, die große Wüste von Theben westwärts bis zum Atlantischen Ocean erstrecke, und zählt eine ganze Reihe Oasen und Völkerstämme innerhalb derselben auf. Bei der Aegypten nahe gelegenen Oase des Jupiter Ammon erwähnt er den Sonnenquell, welcher nach seiner Angabe am Mittag kaltes und um Mitternacht siedend heißes (!) Wasser enthalte. Er kennt das Volk der Garamanten im heutigen Fessan, und mehrere seiner Andeutungen scheinen sich auf die Tibu (Teda) zu beziehen.

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Herodot's Karte von Afrika und der übrigen bekannten Welt.

Er erzählt auch von der ersten Erforschungsexpedition, welche nach dem Sudan unternommen ward. Eine Anzahl Jünglinge aus dem Volke der Nasamonier, so berichtet er, wollten sich darüber unterrichten, wo das südliche Ende der Wüste sei. Fünf von ihnen, durchs Loos ausgewählt, machen sich deshalb auf, mit Lebensmitteln hinreichend versehen, und ziehen in der Richtung nach Südwesten fort. Nach vielen Wochen kommen sie zum Ende des Sandmeeres und begrüßen mit Freude und Erstaunen eine fruchtbare Ebene, reich mit Gebüsch und Bäumen bewachsen. Letztere sind von außergewöhnlicher Größe und Dicke, mit reifen, lockenden Früchten behangen. Kaum sind die Reisenden aber im Begriff, an den letztern sich zu erlaben, als eine zahlreiche Schaar schwarzer Menschen hervorstürzt, kleiner gebaut als sie selbst (das Volk der Pygmäen). Man nimmt die Ankömmlinge gefangen und bringt sie an ausgedehnten Sümpfen und Seen vorüber, die von Krokodilen belebt sind, nach der Hauptstadt des Landes. Diese lag an einem mächtigen Flusse, der seinen Lauf von Westen nach Osten zu nimmt. Es liegt sehr nahe, in dem Flusse den Komadugu Waube (Yeou, Jeu) und in dem See den Tsad mit seinen zahlreichen Lachen und Hinterwassern zu vermuthen. Die Angabe, daß ein großer Fluß von West nach Ost Afrika durchströme, veranlaßte Herodot zu der lange Jahre hindurch festgehaltenen Meinung, daß dies der Nil sei, und diese Ansicht ward später vielfach noch dadurch bestärkt, daß die Bewohner des Sudan alle Süßwasser führenden Flüsse mit verwandten Namen bezeichnen und selbst da, wo eine Verbindung zweier Ströme nicht vorhanden ist, doch eine solche unterhalb des Bodens annehmen. Zu letzterer Idee werden sie wahrscheinlich veranlaßt durch die im Boden zusammengesickerten Gewässer, auf welche sie beim Graben der Brunnen stoßen.

Von den Verbindungen der Römer nach dem Innern ist wenig bekannt. Am weitesten ging wahrscheinlich der Zug des Feldherrn Cornelius Balbus im Jahre 19 v. Chr. unter der Regierung des Augustus. Von der kleinen Syrte aus, dem jetzigen Busen von Cabes, ging der Heereszug nach Fessan, dem Lande Phazania. Man passirte dabei die Schwarzen Berge, den Harudsch, deren Farbe man von der starken Wirkung der Sonne herleitete, welche die Gesteine verbrannt hätte. Es stimmte dieser Erklärungsversuch ganz mit den gebräuchlichen Anschauungen überein, die besonders durch die Schilderungen des Agatharchides, eines gelehrten Alexandriners, in Umlauf gekommen waren. »Die Sonnenhitze – so erzählte derselbe – ist in jenen Ländern so übermäßig, daß man zur Mittagszeit die nahestehenden Personen nicht sieht, so dick und schwül ist die Luft. Wer ohne Schuhe auf der Erde geht, bekommt Brandblasen an den Fußsohlen, und wenn man in einem ehernen Gefäße eine Speise mit Wasser an die Sonne stellt, so kocht dieselbe ohne Feuer. Die Sonne verzehrt so schnell die flüssigen Stoffe des Körpers, daß man unrettbar stirbt, wenn man nicht im Stande ist, zur rechten Zeit den Durst zu stillen.« Auf letztern Umstand hatten die Phazanier ihre Vertheidigungsmaßregeln gestützt und die Brunnen an der Straße verschüttet, um die Römer zu vernichten. Zu ihrem Glück fanden letztere aber die Stellen auf, gruben nach und gelangten wieder zu Wasser. Sie eroberten hierauf Cillaba (Zuile), Cydamus (Gadames) und Garma (Dscherma). Letzteres war die Hauptstadt der Garamanten, und die Ueberreste eines Denkmales daselbst sprechen noch jetzt von der Anwesenheit der Römer. Bei seinem Triumphzuge in Rom prangte Balbus mit gefangenen Garamanten und den Namen bezwungener Ortschaften.

Sehr vielseitig sind die Kenntnisse, die der berühmte Claudius Ptolemäus, ein geborner Aegypter, vom Innern Afrikas besaß. Er war es auch, welcher die erste vollständigere Karte von der damals bekannten Welt entwarf. Er verfuhr so gründlich und gewissenhaft, als es bei dem damaligen Stande der Hülfswissenschaften überhaupt möglich war. Die südliche oder nördliche Lage eines Ortes suchte er durch Berücksichtigung der Höhe des Polarsterns, sowie durch Erkundigungen über die Dauer des längsten Tages zu ermitteln. Die östliche und westliche Abweichung der Städte, Flüsse und Gebirge von einander mußte er freilich ziemlich unvollkommen aus den Berichten der Reisenden über die erforderliche Zeit, in welcher man von der einen zur andern gelangen konnte, zu erfahren suchen. An der Westküste der großen Wüste, dem sogenannten Sahel, südlich von Mauritanien (dem heutigen Marokko), führt er Gebirgserhebungen an, von denen wir außer seiner Mittheilung keine anderweitige Kenntniß erhalten haben. Es erscheint nicht unmöglich, daß sich dieselben wirklich in jenem uns unbekannten Gebiete befinden. Im Sudan berichtet er, der Wahrheit sehr nahe kommend, von einer vierfachen Wasserscheide. Die Flüsse des Westens ergießen sich in den Atlantischen Ocean. Von dem Götterwagen, wie er das Scheidegebirge der Mandingo nennt, kommt der Fluß Masitholus, wahrscheinlich der Gambia. Dann folgt im Innern das Flußgebiet des Niger, darauf dasjenige des Gir, und die Gewässer der Ostseite vereinigen sich im Nil. Der Niger, sagt Ptolemäus, setzt das Gebirge Mandron (17º n. Br.) nordwestlich mit dem Gebirge Thala (10º n. Br.) im Südosten in Verbindung. Ohne sich weiter über die Richtung auszusprechen, nach welcher die Wasser des Niger strömen, fügt er hinzu, daß derselbe in seinem westlichen Theile, am Ostabhange des Gebirges Mandron einen See, Nigritis, den jetzigen Dibbie, bilde, von Norden her aus dem Gebirge zwei Zuflüsse erhalte, einen dritten aus dem See Libya und einen vierten von Süden her. Der letztere vereinige sich mit ihm am Abhange des Mandrongebirges. Der Girfluß weist deutlich auf das Gebiet des Tsad-Sees. Derselbe verbinde das Usargalagebirge (Meridian von Karthago) mit dem Gebirge der garamantischen Schluchten (10º n. Br. und Meridian von Cyrene) in einem Laufe von 300 Meilen. Ptolemäus wirft unter dem Namen Gir den Komadugu und Schari/zusammen, die beide sich in den Tsad ergießen. Der nordöstliche Zufluß, den er erwähnt, ist muthmaßlich der Batha, der in Wadai den Fittri-See bilden sollte. Letztern nennt der Aegypter den Schildkrötensee, den Tsad dagegen nennt er Nuba. Ueber die Gebiete in der Nähe des Aequators mangeln dem berühmten Geographen aber auch weitere Angaben.

Nachdem die Araber (Mauren) die Nordküste Afrikas in Besitz genommen, einen Theil der Berberstämme, die hier ansässig waren, zurückgedrängt und mit reißender Schnelle durch Wort und Schwert ihre Religion bis tief in das Herz Afrikas verbreitet hatten, ward vorzüglich ein gelehrter Araber, Abu Abdallah Muhamed el Edresi, wegen seiner ausgebreiteten Kenntniß des Sudan berühmt. Er war ein Sohn des heißen Erdtheils selbst, im Jahre 1099 unserer Zeitrechnung zu Ceuta unweit der Säulen des Herkules geboren und hatte die maurische Universität zu Cordova besucht. Auf dieser war er vertraut geworden mit Philosophie, Himmelskunde und Mathematik, und ein längerer Aufenthalt am Hofe des Königs Roger II. von Sizilien machte ihn gleichfalls erfahren in abendländischer Bildung. Er selbst hatte zwar das Innere Afrikas nicht besucht, wohl aber war es ihm gelungen, vermöge seiner umfassenden Kenntnisse mancherlei Nachricht über jene Gebiete zu erhalten und sie zusammenzustellen.

In der Mitte des 15. Jahrhunderts unternahm ein gebildeter Berber, Muhamed Ebn-Batuta, eine weite Reise durch Afrika, deren Ergebnisse er in arabischer Sprache niederlegte. Letztere sind erst in den neuesten Zeiten zur weitern Kenntniß gekommen. Von Fez aus zog er in das Dattelland an der Nordseite der Sahara und schloß sich in Segelmessa, einer nicht mehr vorhandenen Stadt, einer größern Karawane an, die ihren Weg nach Süden nahm. Nach fünfundzwanzig Tagen gelangte der Zug zu den Salzbrüchen von Teghaza. Ohne irgend welchen Baumwuchs oder Nahrung liefernde Gewächse, liegen diese in der Mitte der Wüste. Das Salz, erzählt Ebn Batuta, wird dort in dicken Platten gebrochen; je zwei derselben machen eine Kameelladung aus. Die Bewohner des trostlosen Salzwerkes bauen sogar ihre Hütten aus demselben Material und decken sie mit Kameelhäuten; sie sind gänzlich auf Das als Speise angewiesen, was ihnen die Karawanen als Zahlung für das Salz mitbringen, und beziehen vom Norden her gewöhnlich Datteln, vom Süden Kameele, deren Fleisch sie sehr lieben. Weitere dreißig Tagereisen brachten die Karawane nach Eiwelaten (Walet). Von dorther war der Karawane vier Tagereisen weit Wasser zugeführt worden, da man Eilboten nach den Brunnen vorausgesendet hatte. Leider werden solche Boten nicht selten zum Verderben der Karawanen »durch die bösen Geister der Luft verblendet und in die Einöde verlockt«. Eiwelaten bezeichnet Ebn Batuta als die erste Stadt im Negerlande. Kaufleute strömten hier aus allen Himmelsgegenden zusammen und fanden für ihre Waaren gutgeschützte Niederlassungen. Nachdem die Handelsgeschäfte beendigt waren, setzte sich der Zug wieder in Bewegung und erreichte nach vierundzwanzig Tagereisen die Stadt Mali (Melle), damals Hauptstadt eines blühenden Reiches. Man verfolgte die Richtung nach dem Niger zu und traf unterwegs erstaunenswürdige große und dicke Bäume (Adansonia). In der Höhlung des einen hatte ein Weber seine Werkstatt aufgeschlagen, in andern fand sich Regenwasser, in wieder andern wilder Honig. Auch durch die Neger, deren Dörfer die Reisenden berührten, wurden ihnen mancherlei Erquickungen geboten. Die schwarzen Frauen brachten ihnen Reis, Mehl, Milch und Hühner und waren erfreut, wenn sie als Bezahlung dafür Salzstückchen erhielten. Endlich kam man nach Mali, nachdem man vorher Karssechu (Sego am Niger) passirt hatte. Der König dieses Ortes bewirthete die Angekommenen sehr kärglich und sandte Ebn-Batuta nichts als etwas Brod, einen getrockneten Fisch und etwas saure Milch. Nur nachdem ihm der Reisende wegen seines Geizes Vorwürfe gemacht hatte, ward die Verpflegung etwas besser. Sonst stand der erwähnte König allgemein wegen seiner uneigennützigen Gerechtigkeitsliebe in gutem Rufe. Man konnte in seinem Reiche mit völliger Sicherheit reisen und selbst der Nachlaß eines Gestorbenen ward geschützt. Von Mali aus gelangte Ebn-Batuta nach Timbuktu. Diese Stadt war damals von Mali abhängig und ward durch einen von dort eingesetzten Vicekönig regiert. In einem Kahne setzte er auf dem Niger seinen Zug ostwärts fort und kam nach Kakaw, dann nach Tekedda. Von letzterer Stadt berichtet er, daß sie aus rothem Stein erbaut sei und reiche Erzadern sich in ihrer Nähe befänden, von denen das Trinkwasser einen eigenthümlichen Geschmack und eine dunkle Färbung erhielte.

Derjenige Gewährsmann, dessen Mittheilungen lange Zeit hindurch die Hauptquelle für die Kenntniß des Sudan bildeten, war Alhasan Ebn Muhamed Alwazzas Alfasi, gewöhnlich unter dem Namen Leo Africanus bekannt. In Granada muthmaßlich ums Jahr 1488 geboren, verließ er diese Stadt, als die Mauren von der Pyrenäischen Halbinsel vertrieben wurden, und zog mit seinen Eltern nach Fez, von welchem Orte er den Beinamen Alfasi erhielt. Bei der hohen Bildung, welche die Mauren jenes Gebietes damals besaßen, ward er sorgfältig erzogen und in den Wissenschaften unterrichtet. Als kaum sechzehnjähriger Jüngling begleitete er seinen Oheim auf einer Gesandtschaftsreise, welche derselbe im Auftrage seines Herrschers nach Timbuktu machte, nach letztgenannter Stadt. Hier erfreute er sich einer sehr freundlichen Aufnahme und ward besonders wegen der zierlichen Gedichte gefeiert, die er verfertigte. Er durchzog später, theils in eigenen Geschäften, theils von Wißbegierde getrieben, oder als fürstlicher Abgeordneter den größten Theil Nordafrikas und einen Theil des südwestlichen Asien. Bei einer seiner Wüstenreisen ward die Karawane, welcher er sich angeschlossen, in der Ebene von Arauan durch den Berberfürsten von Zanhaga angehalten und ihr der Durchgangszoll abverlangt. Für jede Kameelladung mußte ein Stück Tuch, etwa einen Dukaten an Werth, erlegt werden. Der Fürst war von einer bewaffneten Schaar von 500 Mann begleitet, welche auf Kameelen ritten. Danach nöthigte der Häuptling aber die Reisegesellschaft, ihm nach seinem einige zwanzig Meilen entfernten Lager zu folgen, und hier bewirthete er sie gastfrei auf die anständigste Weise einige Tage lang, sodaß ihm der Schmaus weit mehr kostete, als was er an Zoll erhalten hatte.

Leo Africanus hatte bei seinen Zügen funfzehnverschiedene Königreiche im Lande der Neger besucht und giebt ihre Lage, von Westen anfangend, in folgender Weise an: Walata, Djeune, Melle, Timbuktu, Gago, Guber, Agades, Kano, Kasena, Zegzeg, Zanfara, Wangara, Bornu, Gaoga und Nuba. »In dieser Reihenfolge – sagt er – werden sie von den Kaufleuten, die von Walata nach Kairo reisen, häufig durchzogen; die meisten von ihnen liegen am Niger. Früher waren alle selbständig, jetzt sind die meisten dem König von Timbuktu unterthan, andere dem König von Gaoga.«

Als der weitgereiste Mann auf einer seiner Fahrten von Aegypten nach Fez zu Schiff zurückkehren wollte, ward er bei der Insel Dscherba von christlichen Fahrzeugen zum Gefangenen gemacht und wegen seiner besondern Gelehrsamkeit dem Papste Leo X. geschenkt. Von diesem ward er sehr gütig behandelt, und da er sich dazu entschloß, die christliche Religion anzunehmen, versah der heilige Vater selbst bei ihm Pathenstelle und verlieh ihm, dem Gebrauche gemäß, seinen eigenen Namen: Johannes Leo. Er hatte die Ergebnisse seiner Reise ursprünglich in einem ausführlichern, arabisch geschriebenen Werke niedergelegt, sobald er aber des Italienischen hinreichend mächtig geworden war, übertrug er es in diese Sprache und erhielt davon den Beinamen »der Afrikaner«.

Lange Zeiten vergingen, kein Europäer wagte es, in das Innere Afrikas einzudringen. Die Schilderungen von den Schrecknissen der Wüste, vom feindlichen Klima, gefährlichen Thieren und gewaltthätigen Menschen hielten Jeden zurück. Die größte Aufmerksamkeit war theils auf die großen Entdeckungen gerichtet, welche an der Ostküste die Länder am obern Nil bekannter machten, theils auf die Fortschritte der Portugiesen an der Westküste und dem Golf von Guinea. Hier waren es hauptsächlich die Stadt Timbuktu und der Niger, welche man als Ziele festhielt. Die Richtung und der Verlauf des letztern war lange ein unerklärbares Räthsel. Entweder, glaubte man, fließe er ununterbrochen nach Osten und ergieße sich dort in den Nil, wie es Herodot angenommen hatte, oder sein Wasser ströme in den Tsad und verdunste hier. Wieder andere hielten den Kongo für den Unterlauf des Niger. So ward auch das Wenige, was von Timbuktu durch Erzählungen der Eingebornen bekannt geworden war, in der Phantasie vergrößert und ausgeschmückt. Man malte sich den Ort als eine Stadt der Paläste, in welcher die Hausgeräthe, statt aus Thon, von purem Gold seien. Besonders ward die Reiselust durch Mungo Park's zwar unglücklich endende, aber allgemeines Aufsehen erregende Unternehmungen auf den Westen Afrikas gelenkt. Wir übergehen hier alle jene Versuche (mit einziger Ausnahme der zweiten Reise Clapperton's), die von Westen und Osten her unternommen wurden, und beschränken uns nur auf eine kurze Angabe derjenigen Expeditionen, die von Norden aus durch Fessan einzudringen versuchten. Wir halten dieselben als die Basis fest, auf welcher es Dr. Vogel unternahm, weiter zu bauen.

Der erste Europäer, welcher als wissenschaftlicher Reisender nach Mursuk gelangte, war Friedrich Hornemann, und die Persönlichkeit dieses unternehmenden Mannes bietet ebensowol an und für sich viel Interessantes, als sie andererseits auch zu Vergleichungen mit unserm Dr. Vogel auffordert.

Hornemann war der Sohn eines Geistlichen in Hildesheim und ward 1766 in dem Städtchen Alfeld geboren, in welchem damals sein Vater als Prediger angestellt war. Nicht lange danach ward der Vater nach Hildesheim selbst versetzt und Friedrich Hornemann besuchte die Schulen jener Stadt. Im Jahre 1785 verließ er das Gymnasium dieses Ortes. Schon als Knabe zeichnete er sich durch unbezähmbare Reiselust aus. Alle Freizeit verwendete er darauf, die Umgebung seines Wohnorts zu durchforschen. Er kannte ringsum jede Berghöhe, jedes Waldthal und wanderte die einsamsten Pfade am liebsten allein, da Gesellschaft ihm nur störend war. Seine Mitschüler setzte er, da er vorzugsweise Reiselektüre liebte, schon als Tertianer durch begeisterte Erzählungen von fremden Ländern, abenteuerlichen Thiergestalten in denselben und sonderbaren Völkern in Erstaunen. Ja eines Tages lud er seine Mutter und Schwester ein, ihm zu folgen, und führte beide im Walde nach einer Zweighütte, die er sich ganz nach dem Vorbild der nordamerikanischen Indianer gebaut hatte. Daselbst bewirthete er sie auch auf rein indianische Art.

Auf der Universität Göttingen ward er wegen seiner Vorliebe für Naturwissenschaften ein Lieblingsschüler des berühmten Professor Blumenbach. Im Jahre 1788 hatte sich die Afrikanische Gesellschaft in London gegründet, und die Mittheilungen, welche dieselbe in den Jahren 1790–92 herausgab, übten den mächtigsten Reiz auf den jungen reiselustigen Mann aus. Er faßte den Entschluß, sich der Erforschung des unbekannten Erdtheils zu widmen, und ließ sich selbst dadurch nicht irre machen, daß die genannte Gesellschaft ihm weiter keine Aussichten als die nothdürftigste Unterstützung eröffnen konnte. Im Anfange des Jahres 1797 begab er sich nach London, im Juli nach Paris. Hier ward der unternehmende Mann wegen des Planes, den er auszuführen gedachte, mit allgemeiner Theilnahme begrüßt, und Lalande stellte ihn dem Nationalinstitut als einen Forscher vor, von dem man sich die wichtigsten Aufschlüsse über das Innere Afrikas zu versprechen hätte. Das Interessanteste aber, was Hornemann in Paris fand, war ein türkischer Kaufmann, dessen vertrautere Bekanntschaft er machte. Dieser erklärte ihm entschieden, es sei für einen Christen, der nach dem Sudan vordringen wolle, der einzig mögliche Weg der, daß er über Tripoli und Mursukreise; und da Hornemann's Instruktionen ihn nöthigten, zunächst nach Kairo zu gehen, so gab er ihm Empfehlungsschreiben an dortige angesehene Kaufleute mit. Andere Empfehlungsschreiben erhielt er von Lalande und Thullis und verließ Anfang September Paris, um sich über Marseille nach Alexandrien einzuschiffen. Ohne sich in letzterer Stadt länger aufzuhalten, reiste er nach Kairo. Mit der großen Pilgerkarawane, die jährlich, von Mekka zurückkehrend, nach dem Westen zieht, wollte er nach Fessan zu gelangen suchen und war deshalb zu einem zehnmonatlichen Aufenthalte in dieser Stadt genöthigt. Diese lange Muße benutzte er zur Vervollkommnung in der arabischen Sprache und zu anderweitigen Vorbereitungen. Währenddem landeten die Franzosen unter Napoleon, und Hornemann fürchtete sehr, daß dadurch die Ausführung seines Unternehmens unmöglich gemacht werden möchte, da er ja im Auftrage der feindlichen Engländer reiste. Zu seiner Freude nahmen sich aber Berthollet und Monge seiner sehr warm an und empfahlen ihn Napoleon aufs wärmste. Hornemann hatte sich Sprache, Tracht und Sitten der Orientalen so anzueignen gesucht, daß er beabsichtigte, als muhamedanischer Kaufmann zu reisen. Den eigentlichen Zweck seines Unternehmens bemühte er sich durchaus geheim zu halten, und selbst seine Begleiter sollten darüber in Unwissenheit bleiben. Aus demselben Grunde hatte er auch den Konsul in Tripoli gebeten, sich nie nach ihm zu erkundigen, um dadurch nicht die Aufmerksamkeit der Fessaner rege zu machen und ihren Verdacht zu seinem Nachtheil zu erwecken. Freilich war jene Rolle nicht so leicht durchzuführen, da er verschiedene wissenschaftliche Instrumente mit sich führte und Beobachtungen anstellen wollte. Einen wahren Schatz hatte er an seinem Diener gefunden. Dieser, ein geborner Deutscher, war vor längern Jahren zum Sklaven gemacht und gezwungen worden Muhamedaner zu werden, sprach ebenso geläufig Arabisch wie Türkisch und hatte bereits mehrfache Reisen nach dem Innern gemacht.

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Die Oase Siwah (Ammon).

Am 5. September brach die Pilgerkarawane von Kairo nach Westen auf und ward während der ersten vier Tage vielfach durch räuberische Beduinenschaaren beunruhigt, die sie umschwärmten. Am vierten Tage betrat man die Wüste, gelangte nach Mogara und Biljoradek und erstieg am neunten Tage ein Gebirgsland, dessen Plateau von einem unabsehbar breiten und langen Salzlager bedeckt war. Erst am elften Tage kam man wieder zu menschlichen Wohnungen. Am meisten hatten die Reisenden durch den heftigen Nordwind auszustehen, der ihnen den groben Kiessand mit größerer Heftigkeit ins Gesicht warf, als es ein Schloßenwetter gethan haben würde. Stellenweise traf man auf ansehnliche Massen von versteinertem Holz. In der Oase Siwah (Ammon, s. die Abbild. auf S. 9) machte man eine längere Rast und Hornemann benutzte die Zeit dazu, um über die physische Beschaffenheit, die Bewohner, deren Sprache, Regierungsweise, die Ruinen, Katakomben der Umgebung u. s. w. Untersuchungen anzustellen. Unvorsichtiger Weise hatte sein Diener den Argwohn der Siwaher erregt, da er den französischen Paß hatte sehen lassen. Als am 29. September die Karawane abreiste, ward sie von einer Schaar fanatischer Bewohner jener Oase verfolgt, die Hornemann's Tod forderten, da er ein Christ sei, und er hatte es nur seiner genauen Kenntniß des Koran, seiner Fähigkeit, geläufig Arabisch zu sprechen und zu schreiben, und der Gewandtheit seines Dieners zu verdanken, daß man sich beruhigte.

Nach einem sehr anstrengenden Marsche erreichte man Augila, wo man sich eine längere Ruhe gönnte. Von hier aus sandte man einen Boten nach der Grenze von Fessan voraus, der untersuchen mußte, ob die Brunnen in gutem Zustande befindlich seien, und erst nachdem man davon versichert war, brach man am 27. Oktober auf. Der Weg war besonders während der ersten Tage beschwerlich, da sich weder Wasser noch ein Hälmchen Gras für die Kameele fand. Am dritten Tage ward der Anfang der Moria-je-Kette erreicht. Erst am siebenten Tage konnte man wieder im Schatten von Bäumen ruhen und am folgenden erblickte man die Höhen des Schwarzen Harudsch. (S. S. 4.) Hornemann entfernte sich von der Karawane, um dieselben zu besteigen. Er hielt damals die schwarzen Felsen für Basalt, neuerdings sind sie als eisenhaltiger Sandstein erkannt worden. Mit Mühe und Noth fand Hornemann seine Reisegenossen wieder auf, die er währenddem aus dem Gesicht verloren hatte. Abermals geht der Zug fünf Tage lang durch flache, traurige Thäler, in denen ein einzelner dürftiger Baum zu einem Ereigniß wird, und man kommt dann zu den Kalkfelsen des Weißen Harudsch. Am sechzehnten Tage nach der Abreise von Augila langt die Karawane in Temissa an und erfährt daselbst, daß sie einer großen Gefahr entgangen sei. Eine bedeutende Schaar räuberischer Araber hatte sich nämlich versammelt gehabt, in der Absicht, sie zu überfallen. Da ihr Erscheinen sich aber verzögert hatte, waren die Räuber zu der Meinung gelangt, die Karawane sei bei der Eroberung Kairos durch die Franzosen an der Fortsetzung ihrer Reise gehindert worden. Die Räuber hatten sich deshalb anderweitigen Unternehmungen zugewendet.

Am 17. November 1799 kam Hornemann in Mursuk an als der erste Europäer, der Mittheilungen über diese Stadt veröffentlichte. Von hier aus sandte er den ersten Brief an die Afrikanische Gesellschaft, welcher Nachrichten aus Fessan enthielt. Anfänglich beabsichtigte er sofort nach Tripoli zurückzugehen, um dort die erforderlichen Schritte zu seinem weitern Fortkommen zu versuchen, ward aber vom Fieber ergriffen und büßte seinen treuen Diener durch den Tod ein. Kaum genesen, macht er sich endlich langsam auf den Weg nach Tripoli, allenthalben mit größter Umsicht untersuchend, beobachtend und von Pilgern, mit denen er zusammentrifft, Erkundigungen über die Länder im Süden und die Straßen nach denselben einziehend. In Tripoli gelingt es ihm, den Sultan so für sich zu gewinnen, daß dieser ihn in seinen besondern Schutz nimmt und ihm ein Schreiben einhändigt, in welchem er ihn als seinen Diener Jedem dringend empfiehlt. Zum zweiten Mal macht er sich am 1. Dezember 1799 nach Mursuk auf den Weg, wo er am 20. Januar 1800 wohlbehalten ankommt. Zwei Kameele tragen seine Vorräthe, die in allerlei kleinen Waaren bestehen. Seine Reisebibliothek wird nur durch den Koran und einige andere heilige Bücher gebildet. In der Hauptstadt von Fessan ist er zu einem mehrwöchentlichen Aufenthalt genöthigt und er macht die interessante Bekanntschaft eines Scherifs von Bornu, mit dem er nach letzterem Lande zu reisen gedenkt. Zwei weitere Briefe, die er von hier absendete, enthalten mancherlei Nachrichten über die Tibu, Tuarik, über Timbuktu, den Sudan und Bornu. Ein dritter Brief ging verloren. Sein letztes Schreiben datirt vom 6. April 1800. Den 7. April reiste er in frischer Gesundheit und fröhlichen Muthes ah und sprach aus, daß er bis zum September in Bornu zu bleiben gedächte, um dann mit der großen Karawane weiter zu ziehen.

Die spätere Expedition unter Oudney, Denham etc. erfuhr durch Erzählungen der fessanischen Kaufleute Salah und Benderachmani über sein weiteres Schicksal Folgendes: Er sei, sagte man, als muhamedanischer Kaufmann nach Nyffe gereist, hätte dort aber einen Anfall von der Ruhr bekommen und wäre nach sechstägigem Krankenlager daran gestorben. Seine Papiere habe ein gelehrter Mann Jussuf Felata an sich genommen. Der Negerpöbel habe diesen aber als einen Zauberer betrachtet, ihn beschuldigt, daß er Umgang mit bösen Geistern pflege, und ihn deshalb in seinem Hause sammt allem Besitzthum verbrannt. Auf diese Weise sei Alles verloren gegangen.

In Tripoli war es den Engländern gelungen, durch die Bemühungen des Konsuls Warrington ein sehr freundschaftliches Verhältniß mit dem Pascha daselbst anzuknüpfen. Sie hatten die Wichtigkeit der Straße über Fessan nach dem Sudan ins Auge gefaßt, und dem Pascha seinerseits lag daran, in der mächtigen seefahrenden Nation eine kräftige Stütze bei seinen Bestrebungen, sich von der Pforte unabhängig zu machen, zu finden.

Im Jahre 1819 ging deshalb Joseph Ritchie, Sekretär der Gesandtschaft, ein wissenschaftlich gebildeter Mann, von Tripoli aus im Auftrage der englischen Regierung nach dem Süden. Ihn begleitete der Marineleutnant G. Francis Lyon. Sie reisten von Tripoli aus in Gesellschaft des Sultans von Fessan, Mukni, der dem Pascha von Tripoli tributpflichtig war. Anstatt aber den Europäern hülfreich zu ihrem bequemern Fortkommen zu sein, legte er denselben verrätherischer Weise in seiner Hauptstadt Mursuk alle möglichen Schwierigkeiten und Hindernisse in den Weg. Ritchie erkrankte an dem ungesunden Orte an einem Gallenfieber, und da Mukni verboten hatte, ihm beizustehen, starb er. Sein Gefährte Lyon, der gleichzeitig an einem Ruhranfall litt, erholte sich aber glücklicher Weise wieder und veröffentlichte bei seiner Rückkehr nach England die Ergebnisse der Reise, sowie alles Das, was er durch Erkundigungen über die südlichen Länder erfahren. Trotz des ungünstigen Ausgangs dieses Unternehmens war man doch durch die erhaltenen Nachrichten nicht abgeschreckt worden, sondern rüstete schon 1821 einen neuen Reisezug aus, an dessen Spitze der Naturforscher Dr. Walter Oudney stand. Ihn begleiteten der Major Dixon Denham und Leutnant Hugh Clapperton; außerdem der Schiffszimmermann Hillmann und ein englischer Diener Symkins, der außer drei europäischen Sprachen auch fertig Arabisch sprach. Warrington nahm die Reisenden in herzlichster Weise auf, der Pascha unterstützte ihr Vorhaben und nach Beendigung aller Vorbereitungen brachen sie im März 1822 nach Mursuk auf. Clapperton und Oudney reisten über Beniolid voraus, Denham, der später aufgebrochen war, traf sie kurz vor dem Anfang der eigentlichen Sahara. In Sokna erfreuten sie sich einer theilnehmenden Freundlichkeit von Seiten der Einwohner. Besonders erregte die europäische Kleidung, welche die Reisenden beibehalten hatten, die Neugierde der Frauen, und letztere interessirten sich so für die Hosentaschen der Fremden, daß sie ihre Hände versuchsweise in dieselben steckten, mitunter drei bis vier gleichzeitig. Zwischen Sokna und Mursuk hatte die Karawane sehr vom Wüstenwind auszustehen, der ihnen den Sand in die Augen warf, so daß ihre Thiere wild wurden und nicht vorwärts wollten. Auch während der Nacht wüthete der Sturm fort, riß wiederholt die Zeltpflöcke um und bedeckte zollhoch die Schlafenden mit Sand. Als man sich am 8. April Mursuk näherte, ritt ihr israelitischer Diener voraus. Die Einwohner der Stadt hielten denselben für den angekündigten englischen Konsul und erwiesen ihm zur großen Belustigung der später Ankommenden die gebräuchlichen Ehrenbezeigungen, während sonst Juden allgemein verächtlich behandelt werden.

Der jetzige Sultan von Fessan, Mustapha, Mukni's Nachfolger, begegnete den Engländern zwar freundlich, machte ihnen aber allerlei Schwierigkeiten in Bezug auf ihr weiteres Vordringen. Ohne eine Begleitung von mindestens 200 Bewaffneten, erklärte er ihnen, könne man nicht durch die Wüste reisen; es sei aber nicht möglich, vor dem nächsten Frühjahr eine solche Schaar zusammen zu bringen; außerdem bedürfe es auch noch dazu der ausdrücklichen Erlaubniß des Paschas in Tripoli. Ein Kaufmann, Bu Khalum aus Mursuk, der ein Feind Mustapha's war, nahm sich ihrer an, reiste mit Denham nach Tripoli, und wirkte beim Pascha jene Erlaubniß aus. Freilich gelang es erst letztern zu energischen Schritten zu bewegen, als Denham bereits mit einem französischen Schiffe bis Marseille gereist war, um sich in England über den Pascha zu beschweren. Am 17. September befand sich Denham mit Bu Khalum wieder in der Wüste und war mit einem Theil der Mannschaft versehen. Ein anderer Trupp stieß in Sokna zu ihnen.

Am 30. Oktober zog Denham mit Bu Khalum in Mursuk auf pomphafte Weise ein, sodaß ihnen die halbe Bewohnerschaft entgegenströmte. Bu Khalum saß auf einem weißen tunesischen Rosse. Sein Sattel war vergoldet und die Satteldecke aus purpurnem Sammt mit Gold verbrämt. Er selbst war in mehrere Kleider aus den schwersten Seidenstoffen gehüllt und diese mit Goldstickereien, Tressen und vergoldeten Knöpfen geschmückt. Oudney war schon vor seiner Abreise in England leidend gewesen und Denham traf ihn an einer Brustkrankheit darnieder liegend. Clapperton hatte das Fieber. Während dieser Reise Denham's hatten die beiden Zurückgebliebenen einen Ausflug nach den Natronseen und nach der Tuarikstadt Rhat unternommen und bei dieser Gelegenheit die Ruinen von Dscherma (Germa), der Hauptstadt des alten Garamantenreichs, besucht. Der Versuch, die sogenannte Geisterburg oder das Teufelsschloß bei Rhat, eine wildzerklüftete Berggruppe, zu besteigen, war verunglückt, da tiefe Klüfte ihnen das Weitergehen verwehrten. Kurz nach ihrer Rückkehr nach Mursuk waren die beiden Freunde von jenen Krankheiten niedergeworfen worden, an denen sie Denham noch leidend fand. Um so bald als möglich von dem ungesunden Mursuk wegzukommen, suchte man die Abreise, so viel als sich thun ließ, zu beschleunigen. Clapperton und Oudney gingen schon am 19. November nach Gerthrun voraus, zehn Tage später folgte ihnen die übrige Karawane, durch Bu Khalum und seine 200 wohlbewaffneten Araber begleitet. Eine ansehnliche Schaar fessanischer Kaufleute hatte sich mit ihren Sklaven und Sklavinnen angeschlossen. Man traf die Vorausgegangenen sehr krank, und Hillmann, der Zimmermann, war vom Fieber so heftig ergriffen worden, daß er kaum im Stande war, sich auf dem Kameele zu halten. Einen äußerst entmuthigenden Eindruck machte auf die Kranken die Menge der Gebeine und Leichname, welche sie auf der ganzen folgenden Wüstenstrecke trafen und die meistens umgekommene Sklaven eines Transportes vom vorigen Jahre waren, in welchem der Sultan einen Kriegszug nach Süden gemacht hatte. Man gelangte nach Bilma und machte daselbst die Bekanntschaft des Sultans der Tibu. Denham schildert denselben als höchst unreinlich und geistig beschränkt. Sein Hemd und Turban, ehedem weiß, waren schwarz von Schmutz, ähnlich sein Körper, und Denham begriff es sehr wohl, daß der Sultan ihn um ein Stückchen Seife bat. Selbst die Spieldosen, Uhren und andere Gegenstände europäischer Erfindung regten die schwerfälligen Tibu wenig auf; am meisten Eindruck schien noch ein rother Burnus zu machen, den der Sultan zum Geschenk erhielt.

Aus den Dörfern des Tibulandes, an denen man vorüberkam, eilten der Karawane die Einwohner entgegen, warfen sich grüßend auf die Knie und sangen tanzend vor ihnen Loblieder. Die Araber vergalten jene Gastfreundschaft, auf ihre Uebermacht sich stützend, freilich sehr schlecht. Eine Partie von ihnen machte einen Streifzug in die Umgegend und nahm den Hirten zweiundzwanzig Reitkameele weg, um die unterwegs gefallenen zu ersetzen.

Nachdem man am Brunnen Agadem vorbeigekommen war, begegnete man mitten in der Wüste Tintuma zwei Kurieren, die auf dem Wege von Bornu nach Mursuk begriffen waren und diesen weiten Weg in dreißig Tagen zurückzulegen gedachten. Ihr ganzes Gepäck bestand nur aus einem Sack mit gedörrtem Getreide, zwei Schläuchen Wasser, einem kleinen Kupfergefäß und einer hölzernen Schale, höchstens noch aus einigen Streifen getrockneten Fleisches. Kochen sie auf ihren Rastplätzen ja, so benutzen sie als Feuerungsmaterial den gedörrten Kameelmist, den sie in einem unter dem Schwanz des Thieres aufgehangenen Beutel unterwegs gesammelt haben.

Am Brunnen Bire Kaschiferi begrüßte sie Mina Tahr, d. h. der schwarze Vogel, Häuptling der dort wohnenden Gunda-Tibu, welcher von den durchziehenden Karawanen einen Zoll zu erheben pflegte. Er lud die Reisenden ein, ihm nach einem Brunnenplatz zu folgen, der zwei Meilen südlich von der Straße gelegen sei und den Lagerplatz jener Tibuhorde bildete. Die Speisen, welche ihnen der Häuptling bot, waren zwar sehr schlecht, desto schöner aber die zwei Reitkameele, die er Bu Khalum als Geschenk gab und von denen das eine bis zur Höhe des Höckers neun Fuß maß. Die meisten Tibu hatten ihr Gesicht mit Narben verziert, der Häuptling selbst zeichnete sich durch zwei halbmondförmige Narben aus, die sich über und unter den Augen befanden und als Schmuck der Tapferkeit galten. Denham zeigte ihm eine Uhr, bemerkte aber, daß die lebhafte Freude, welche der Tibu äußerte, nicht durch das Uhrwerk hervorgerufen wurde, sondern durch die blanke Innenseite der Gehäuses, welche ihm sein Gesicht wiederspiegelte. Denham schenkte ihm deshalb einen Spiegel, und nun kannte die Seligkeit des schwarzen Burschen keine Grenzen. Er führte zur allgemeinen Belustigung die tollsten Freudensprünge aus.

Die Araber hatten bei ihrem Zuge nicht blos die Beschützung der Reisenden im Auge; es lag ihnen vornehmlich daran, Beute zu machen und mit Raub und Sklaven bereichert in ihre Heimat zurückzukehren. Sowie sie sich den fruchtbarern Gegenden näherten, hatte ein Streiftrupp seitwärts Spuren einer Schafherde entdeckt, und die ganze gierige Schaar eilte nach der Stelle, wo man das Lager der Nomaden ausgekundschaftet. Letztere waren, die Gefahr ahnend, schleunigst aufgebrochen und hatten sich geflüchtet. Dies benutzten die Räuber aber wiederum als einen Vorwand, ein Recht auf deren Habe zu beanspruchen. Es sei das Gesetz der Wüste, schrieen sie, daß die Hirten den durchkommenden Reisenden beistehen müßten. Die Schurken hätten ihnen ihre Hülfe und ihren Beistand entziehen wollen und seien deshalb der strengsten Strafe schuldig. Sie jagten ihrer Spur nach, trafen sie endlich und hatten bereits die ganzen Herden in Besitz genommen, ja selbst den fußfällig flehenden Weibern und Mädchen sämmtliche Kleider vom Leibe gerissen, als Bu Khalum dazukam und, durch die Vorwürfe der Engländer beschämt, die Zurückerstattung befahl. Zehn fette Schafe und einen Ochsen nahm man jedoch als eine Entschädigung für diese eigenthümliche Rechtspflege in Anspruch. Zwei Tage vor diesem Zwischenfall hatte Bu Khalum einen Tibu als reitenden Boten an den Scheikh von Bornu abgefertigt, um officiell die Ankunft zu melden. Beim Weiterziehen fand man den Armen halbverschmachtet an einem Baume festgebunden, wo er seit vierundzwanzig Stunden ohne Speise und Trank geblieben war. Eine Räuberschaar der Wandala-Tibu hatte ihn aufgefangen, völlig ausgeplündert und dem Hungertode preisgegeben. Die anwohnenden Traita-Tibu hatten die entwendeten Briefe den Räubern wieder abgejagt und schickten sie Bu Khalum zurück. Der Bote erholte sich schnell und setzte seinen Weg bald darauf fort. Beim Brunnen Mittimi erreichte die Karawane am 3. Februar üppigen Wald und genoß den langentbehrten Schatten der Bäume. Besonders schön und kräftig waren hier die Mimosen und Akazien entwickelt (s. Abbild. S. 17), die man bisher nur in dürftigen, kümmerlichen Exemplaren zu Gesicht bekommen hatte. Von der schirmartig ausgebreiteten weiten Krone derselben hingen dichte Massen von Schlinggewächsen herab, und zierliche Antilopen, sowie kräftige Büffel zogen sich vor der ankommenden Karawane in das Dickicht zurück, das die Wassertümpel in der Nähe des Tsad umgab. Man traf hier auch den Fennek ( Canis Cerda), eine sonderbare, durch helle Färbung und lange Ohren ausgezeichnete Fuchsart. (Siehe einen solchen auf der Abbildung links im Vordergrunde unter dem Asklepiasbusche.) Am interessantesten war für Denham, als leidenschaftlichen Jäger, die Menge Wasservögel, welche, gänzlich ohne Furcht vor den Menschen, auf dem Wasser ihr Spiel trieben und ihn ganz nahe kommen ließen. Lange saß er am Ufer und schaute dem harmlosen Treiben der Thiere zu, ehe er es wagte, ihren Frieden durch einen Schuß zu stören. Er hatte selbst nicht darauf geachtet, daß sein Pferd, des Harrens müde, davongelaufen war und im Lager durch seine Ankunft große Besorgniß um das Schicksal des Reiters erregt hatte. Am 11. Februar wurde der Reisezug durch zwei Beamte des el Kanemi begrüßt, welche zum Willkommen achtzehn Ochsen überbrachten und die Angekommenen nach Kuka einluden. Man mußte den in den Tsad sich ergießenden Komadugu Waube passiren. Pferde und Kameele schwammen hindurch; die Menschen gelangten in Kähnen hinüber, die auf die roheste Weise aus Planken zusammengesetzt, mit Stricken zusammengebunden und deren Fugen nothdürftig mit Stroh verstopft waren.

Der Empfang, welcher den Ankömmlingen zu Theil ward, war ein wirklich großartiger. Bu Khalum und seine Araber hatten sich aufs beste herausgeputzt, die Engländer ihre Staatsuniform angelegt. Man ritt eben aus einem dichten Walde heraus, als man mehrere Tausend bewaffnete Reiter in musterhafter Parade vor sich aufmarschirt sah. Offiziere sprengten, Befehle gebend, vor der Fronte auf und ab. Sobald die Fremden erschienen, erhoben Alle ein lautes Bewillkommnungsgeschrei und die ganze Schlachtordnung setzte sich gegen sie in einer Weise in Bewegung, daß sie eine Zeit lang wirklich in Ungewißheit geriethen, ob es nur auf eine großartige Begrüßung oder auf ihre Vernichtung abgesehen sei.

siehe Bildunterschrift

Panzerreiter und Bogenschütz aus Bornu.

Von den Flügeln sowol als von der Mitte lösten sich kleine Abtheilungen los und sprengten so dicht an die Karawane heran, daß sie fast mit den Thieren derselben zusammenprallten. Währenddem schritt die ganze Linie vorwärts, schwenkte, die Speere kriegerisch schwingend und laut rufend, links und rechts vor und hatte alsbald die ganze Karawane vollständig umzingelt. Man merkte es deutlich, daß die Neger den Fremden ihre kriegerische Ueberlegenheit zeigen wollten. Das Gedränge ward so stark, daß Bu Khalum zornig zu fluchen begann, obschon er einsah, daß sich gegen eine solche Uebermacht gar nichts anfangen ließ. Sowie der in bunte Seide gekleidete Führer der Neger heranritt, um ihn zu begrüßen, zogen sich seine Leute in größter Ordnung zurück. Besonders zeichnete sich eine starke, auserlesene Schaar, die sogenannten Neger des Scheikhs, durch ihre stattlichen Rüstungen aus. (S. Abbild. S. 16.) Sie trugen Panzerhemden, aus Eisenringen gearbeitet, die vom Halse bis zu den Knien reichten und hinten offen waren, manche hatten metallene Helme, andere Turbane; ebenso waren die Köpfe der Pferde durch Eisenbleche geschützt. Die zehn Fuß langen Lanzen hatten Eisenspitzen von drei Fuß Länge.

siehe Bildunterschrift

Mimosenwald am Tsad.

Sowie man am Thore der Stadt anlangte, machte die ganze Schaar Halt. Nur Bu Khalum, die Engländer und zwölf Araber durften eintreten, die Uebrigen wurden veranlaßt, draußen zu warten. Bis zur Wohnung des Scheikhs war ein Spalier von Reitern gebildet, die drei Mann hoch standen, und die übrige noch freie Straße füllten Fußsoldaten. Bu Khalum ward zuerst eingelassen, eine halbe Stunde nachher durften die vier Engländer eintreten. Man führte sie einzeln die Treppe hinauf, und vor der Thür des Audienzzimmers geboten ihnen Wachen mit gekreuzten Speeren still zu stehen. Als sie endlich eingelassen wurden, fanden sie den Scheikh in eine blaue Sudantobe gekleidet, rings von Pistolen und Flinten und bewaffneten Negern umgeben. Der Scheikh war ein Mann von etwa 25 Jahren und angenehmen Gesichtszügen. Nachdem er sich bei Oudney nach dem Zweck ihrer Reise erkundigt, wies er ihnen die Hütten an, die für sie erbaut worden waren, und forderte sie auf, ihn wieder zu besuchen, sobald sie sich von der Reise etwas erholt haben würden. Am folgenden Tag überreichten sie dem Scheikh ihre Geschenke: eine Doppelflinte mit allem Zubehör, ein paar schöne Pistolen, zwei Stück feines Tuch, eines roth, das andere blau, außerdem Porzellangeschirr und Gewürze. Die Geschenke wurden auf einen Teppich niedergelegt und die Engländer, daneben im Sande niedergekauert, erklärten dem Scheikh den Gebrauch der Gewehrschlösser, der Schraubenzieher und des Pulvermaßes an der Pulverflasche. Sehr erfreut war er, als man ihm versicherte, der König von England habe von ihm gehört, und er meinte gegen seinen Kanzler: dies käme daher, daß er die Baghirmi geschlagen habe. Die Reisenden wurden gastfrei auf die reichlichste Weise versorgt. Sie erhielten Ochsen, Weizen, Reis, Lederbüchsen voll Butter, Töpfe voll frischen Honig, Schüsseln mit gekochtem Fleisch und Gerstenmehl, das mit Fett zubereitet war, sowie ganze Kameelladungen Fische.

Der Scheikh war zwar dem Namen nach dem Sultan von Bornu, der in Neu-Birni am Tsad residirte, untergeordnet, in Wirklichkeit aber Diktator mit unumschränkter Gewalt. Durch die Fellata, welche von Westen her vordrangen, war letzterem sein Reich bereits gänzlich entrissen worden, als der muthige Scheikh den Feind angriff und in die Flucht schlug. Vierzig Schlachten kämpfte er als Sieger, vorzüglich unterstützt durch die treuen Speerträger aus Kanem, und vertrieb nicht nur die Fellata aus den Grenzen des Reichs, sondern erhob Bornu zu einem der mächtigsten Staaten des Sudan. Außer diesen Feinden machten ihm auch die südöstlich wohnenden Baghirmi viel zu schaffen. Diese hatten sich mit dem Sultan von Wadaï im Osten verbündet, wurden aber trotzdem geschlagen und ihre Hauptstadt Kernuk, sowie andere Orte ihres Reiches verbrannt und zerstört. Zur Zeit als die Reisenden in Kuka ankamen, rüsteten die Baghirmi von neuem zum Kriege und überschritten in feindlicher Absicht den Schari, als sie auf die Kunde von der Ankunft der mit Flinten bewaffneten 200 Araber sich eiligst zurückzogen. Dies steigerte den Uebermuth der Araber bis zum Unerträglichen. Sie ergingen sich, auf ihre herzlich schlechten Feuergewehre verweisend, über die mit Pfeilen und Speeren kämpfenden Schwarzen in den verächtlichsten Aeußerungen und erregten dadurch den Unmuth des Scheikhs und der Seinen in solchem Grade, daß dieser ihren Raubgelüsten ein Ziel anwies, an welchem sie gebührende Züchtigung erhalten konnten. Ihr bisheriger Führer Bu Khalum war den unmenschlichen Sklavenjagden und den damit verbundenen Menschenschlächtereien von Herzen abgeneigt und wünschte sehnlichst durch reellere Handelsunternehmungen einen zwar bescheidenern, aber ruhigern Gewinn zu erzielen. Dadurch gerieth er mit den Häuptlingen der Araber in Feindschaft. Sie schrieen ungestüm nach einem Raubzug und er mußte sich schließlich mißmuthig ihrem Verlangen fügen, da er die Ungnade seines heimischen Herrschers fürchtete, dem aus einem solchen Unternehmen ein bedeutender Gewinn erwachsen mußte.

Den Engländern traute der Scheikh als erfahrener Politiker wenig Gutes zu. Er konnte sich lange nicht überzeugen, daß der eigentliche Zweck ihrer Reise nur darin bestehen sollte, daß sie den Tsad-See besahen und einige Vogelbälge, Thierhäute und werthlose Mineralien sammelten; vielmehr fürchtete er, daß die Engländer nur eine Kundschaft ausgesandt hätten, um das Reich vorläufig kennen zu lernen und ihm dann dasselbe Schicksal zu bereiten, was Indien, wie er erfahren, zu Theil geworden war. Er legte ihnen deshalb unter dem Schein zärtlicher Fürsorge alle möglichen Hindernisse in den Weg, nähere Erkundigungen im Lande durch Reisen einzuziehen, und entfernte sogar alle gut unterrichteten Personen aus ihrer Nähe, durch welche sie etwa mittelbar weitere Aufschlüsse hätten erhalten können. Dagegen ließ er durch den Zimmermann Hillmann zu den zwei Kanonenläufen, welche er früher als Geschenk erhalten hatte, Laffetten anfertigen, Kartätschenbüchsen machen und einige seiner Neger in der Handhabung und Bedienung der Geschütze unterweisen. Clapperton wurde veranlaßt, mehrere Raketen steigen zu lassen, um den anwesenden Gesandten eines feindlichen Stammes der Schua heilsamen Respekt vor ihm und seinen Verbündeten einzuflößen, und begierig lauschte er den Erzählungen des Majors Denham, wenn dieser ihm schilderte, wie bei der europäischen Art Krieg zu führen in die Mauern einer belagerten Stadt durch gewichtige Kanonenkugeln Bresche geschossen würde und dann das Fußvolk im Sturm durch die Lücke eindringe. Denham's leutseligem Wesen gelang es endlich die abergläubischen Befürchtungen vor Bezauberungen zu beseitigen, die er selbst unvorsichtiger Weise dadurch erregt hatte, daß er Abbildungen von Personen aus Lyon's Werk vorgezeigt. Die Vornehmen baten ihn unaufhörlich dringend, sie doch ja nicht abzuschreiben. Eine Spieldose wurde schließlich das Mittel, das Mißtrauen zu beseitigen und ein sehr freundschaftliches Verhältniß mit dem Scheikh herzustellen. Dieser lauschte entzückt den lieblichen Weisen des Instruments, und die Art, wie er sich dabei benahm, bezeugte seine höhere Bildung. Er war weit entfernt von den rohen Aeußerungen des Erstaunens, die Denham von den meisten Andern bei ähnlichen Gelegenheiten gehört hatte, ja als einer der Anwesenden beim Schweizer Kuhreigen, den die Dose spielte, durch einen lauten Ausruf den Genuß des Scheikhs störte, erhielt er von letzterem einen so kräftigen Schlag als Zurechtweisung, daß alle Uebrigen zitterten.

Um den unerquicklichen Zänkereien mit den Arabern zu entfliehen, unternahm Bu Khalum einen Ausflug nach Neu-Birni und machte dem Sultan Ibrahim daselbst seine Aufwartung. Die Engländer begleiteten ihn, nahmen aber aus Mißverständniß keine Geschenke für den Sultan mit, während der Fessaner mit reichen Gaben erschien. Spaßhaft war der Gegensatz, welchen der Hofstaat des Scheinkönigs im Vergleich zu der kriegerisch kräftigen Umgebung des Scheikhs el Kanemi bildete. Der Sultan suchte die Würde seiner Person und seines Gefolges durch unmäßige Dicke des Leibes und Größe des Turbans herzustellen.

Bald darauf kehrten die Reisenden nach Kuka zurück. Nachdem Denham an den Ufern des wildreichen Tsad-See einen mehrtägigen Jagdausflug gemacht hatte, ersuchte er den Scheikh um seine Zustimmung, eine Reise nach dem Süden machen zu dürfen. Die Araber waren währenddem durch des Scheikhs Intriguen in zwei Lager gespalten worden. Der eine Häuptling zog mit hundert Mann nach der Nordseite des Tsad, die Andern, denen Bu Khalum wider Willen als Führer dienen mußte, beabsichtigten einen Raubzug gegen die Völkerschaften im Süden. El Kanemi gab denselben zwar 2000 bornuesische Lanzenreiter mit, stellte dieselben aber unter den Befehl seines Vertrauten Barka Gana. Der Scheikh verweigerte dann officiell dem Major Denham die Erlaubniß, sich diesem Zuge anschließen zu dürfen; als aber Denham trotzdem insgeheim aufgebrochen war und der vorausgegangenen Expedition folgte, ließ er ihn durch einen zuverlässigen Mann begleiten und empfahl ihn dem besondern Schutze Barka Gana's.

Die Araber waren anfänglich der Meinung gewesen, daß sie einen Ueberfall der benachbarten wehrlosen Heidenvölker unternehmen könnten, um dabei auf bequeme Weise reiche Beute an Sklaven zu machen. El Kanemi aber wollte ihnen für ihre Anmaßungen eine derbe Lektion geben lassen und sandte sie deshalb zunächst nach Mora, der Hauptstadt im Mandaralande, südwestlich vom Tsad. Der Weg führte über das Gebirge, und auf weite Strecken hin kam man durch prächtigen Wald. Das Unterholz desselben bestand zwar zum großen Theil aus Dornensträuchern und stachelsamigen Gräsern, die Bäume erreichten aber meistens ansehnliche Größe und Dicke, und üppige Schlingpflanzen bildeten Bogengehänge über die schattigen Wege. Der Vortrab des Heeres jagte einen Panther auf und im Gebüsch traf man die halbaufgefressene Leiche eines Negers. Einige Reiter machten sofort Jagd auf das Raubthier. (Hierzu siehe das Tonbild.) Ein Wurfspeer durchbohrte den Hinterschenkel desselben, ein dicht an ihn herangerittener Krieger verwundete es in die Schulter. Da stürzte das gereizte Thier mit wüthendem Geheul auf seinen Angreifer los und würde ihn zerfleischt haben, wenn nicht glücklicher Weise die Kugel eines Arabers seinen Kopf durchbohrt hätte.

Der Fürst von Mandara, ein Muhamedaner, war mit Bornu sehr befreundet. Der Sultan von Bornu hatte eine seiner Töchter vor kurzem zur Frau genommen und beide Staaten waren eng verbündet. Die näher wohnenden heidnischen Völker sandten dem Sultan von Mandara reiche Geschenke, als sie vom Nahen des Kriegerheeres Kunde erhielten, und derselbe erklärte, es sei gänzlich unthunlich, sie zu bekriegen; es bliebe weiter nichts übrig als ein Angriff auf die Grenzorte der südwestlich wohnenden Fellata. Dieser Plan konnte wenig Begeisterung hervorrufen, denn einmal waren die Fellata kriegerisch und in den Waffen geübt, dann aber durften sie eigentlich, als Muhamedaner, nicht zu Sklaven gemacht werden.

siehe Bildunterschrift

Pantherjagd im Mandara-Gebirge.

Der Sultan von Mandara begleitete den bereits 3000 Mann starken Heereszug mit seinen eigenen Kriegern, aber nicht um thatkräftig ihnen beizustehen, sondern nur um zuzusehen, wie die Araber mit den Fellata fertig würden. Im Falle die erstern siegten, hätte man die Beute mit ihnen getheilt, bei einer etwaigen Niederlage aber war man selbst gesichert.

In seinem Palaste zu Mora empfing der Sultan mit himmelblau gefärbtem Barte die Ankommenden in feierlicher Vorstellung. Denham aber erregte allgemeinen Abscheu, als man erfuhr, er sei ein Ungläubiger. Anfänglich schlug man ihm geradezu die Erlaubniß ab, einen Ausflug nach den nächsten Bergen machen zu dürfen, und als er endlich nach vielfachen Verspottungen gehen durfte, wurden ihm sechs Mann mit großen Keulen mitgegeben, die ihm weniger zum Schutz als zur Beaufsichtigung dienten. Er war auch noch gar nicht weit von der Hauptstadt entfernt, als Trompetenstöße ertönten und seine Wache ihn sofort zur Umkehr nöthigte. Endlich, am 25. April, rückte man zu dem verhängnißvollen Unternehmen gegen die Fellata aus. Der Sultan von Mandara ritt voran auf einem schönen isabellfarbenen Hengste mit röthlichen Flecken, ihm folgten seine sechs Lieblingsdiener, dann seine dreißig Söhne. Für jeden der letztern hatten Reitknechte sechs andere Pferde in Bereitschaft, für den Sultan selbst deren zwölf. Die Mannschaften Barka Gana's trugen rothe Burnusse über ihre Stahlpanzer. Das Ganze machte einen imposanten, prächtigen Eindruck.

Zwei Städte der Fellata wurden überfallen und, da die Bewohner eiligst flohen, eingeäschert. Man kam an eine dritte, Musfia genannt, die sich in einer geschützten Lage zwischen zwei Hügeln befand und außerdem noch mit Palissaden und einem tiefen Hohlweg geschützt war. Dahinter standen die Schützen der Feinde und begrüßten mit vergifteten Pfeilen die Angreifenden. Trotz dieser festen Stellung stürmten die Araber mit großer Tapferkeit vorwärts, wurden aber von ihren Verbündeten im Stich gelassen und die Mehrzahl von ihnen auf der wilden Flucht erschlagen. Denham selbst ward von den nachsetzenden Fellata verwundet und ausgeplündert und kam halbtodt und völlig nackt bei dem Rest der Araber wieder an. Bu Khalum war gefallen. In Mora wurden die Flüchtigen von dem dortigen Sultan höchst schnöde behandelt und ihnen alle Hülfe verweigert. Der ganze Feldzug hatte sechs Tage gewährt. Der Scheikh, erstaunt über des Majors wunderbare Rettung, verpflegte ihn in Kuka wohlwollend und meinte: er müsse von Allah zu großen Dingen bestimmt sein, da ihn derselbe aus solchen Gefahren errettet habe.

Nachdem sich Denham hinreichend erholt, auch durch einen nach Tripoli abgehenden Kurier, welcher Bu Khalum's Tod dem Sultan meldete, Nachrichten nach England geschickt, begleitete er den Scheikh auf einem Kriegszuge nach Westen, der gegen die heidnischen Munga gerichtet war. Diese wollten zwar den Sultan von Bornu als Herrn anerkennen, nicht aber den Scheikh, und da sie selbst 12,000 Bogenschützen ins Feld zu stellen vermochten, so zog el Kanemi ein bedeutendes Heer zusammen und vereinigte 5000 Schua und Bornuesen mit 9000 Mann treuergebener Kanembu. Diesmal reisten auch Oudney und Clapperton mit Denham. Sie wohnten einer Musterung bei, welche der Scheikh über sein Heer hielt. Bei letzterem war auch der Sultan mit seinem Hofstaat eingetroffen. Der Scheikh selbst trug zwei weiße, buntdurchwirkte Toben von Musselin, darüber einen weißen Burnus und als Turban einen Kaschmirschal. Ueber seine Schulter hing der Säbel, den ihm nach seiner Ausdrucksweise »der englische Sultan« geschenkt hatte. Ihn umgaben seine bornuesischen Reiter und die Araber, und vor ihm marschirten die Kanembu-Speerträger auf, deren Anführer scharlachfarbene, mit Gold besetzte Burnusse trugen. Auf ein gegebenes Zeichen rückten die Schaaren in Abtheilungen von 800 – 1000 Mann mit lautem Feldgeschrei vor. Sie waren nur mit einem Gürtel aus Ziegen- oder Schaffell angethan und hatten einige schmale Tuchstreifen um den Kopf gewickelt, die unter der Nase über das Gesicht gingen. (Siehe nebenstehende Abbildung.) Ihren Hauptschutz bildete ein großer Schild, fast von der Gestalt eines gothischen Fensters. Dieser war aus Stücken des leichten, aber festen Holzes vom Fogobaume gearbeitet und mit Riemen zusammengebunden. Unter diesen Schilden schliefen sie auch im Lager und schützten sich gut mit denselben gegen die feindlichen Pfeile. Außer dem Speere hatten sie am linken Arme einen Dolch, der durch einen Ring so festgehalten ward, daß der Griff der Hand zugekehrt war.

Sowie sich die Schaaren der Kanembu dem Scheikh näherten, beschleunigten sie ihre Schritte, schlugen mit den Lanzen gegen die Schilde und marschirten an ihm vorüber. Der Scheikh sprengte zum Zeichen seines Wohlgefallens in eine Abteilung hinein, Alle drängten sich um ihn herum, küßten ihm die Steigbügel und gaben deutlich zu erkennen, wie sehr sie sich durch diese Auszeichnung geehrt fühlten.

Glücklicher Weise endigte der Feldzug ziemlich schnell ohne größere Gewaltthaten. Der Ruf von des Scheikhs Macht hatte den Munga Furcht eingeflößt und sie zum Gehorsam und zur Unterwürfigkeit zurückgeführt. Malem Fanami, ihr Anführer, sah sich von den Seinigen im Stich gelassen und gezwungen, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Er kam in dürftiger Kleidung und unbedeckten Hauptes ins Lager und kniete vor dem Scheikh nieder, gewärtig, daß dieser sein Todesurtheil aussprechen würde. Statt dessen begnadigte ihn derselbe, ließ ihm acht schöne Toben über einander anziehen und sein Haupt als Zeichen großer Ehre mit Turbanen so dick umwickeln, daß es einem Scheffelmaß glich. So machte sich el Kanemi durch kluge Mäßigung das ganze Volk der Munga zu seinen besten Freunden und sicherte sich durch sie eine treue Schutzwehr gegen die Fellata im Westen.

Nach Kuka zurückgekehrt, traf der Scheikh Vorrichtungen, um den schon länger beabsichtigten Feldzug gegen die Baghirmi und den Sultan von Wadaï auszuführen. Letzterer beanspruchte insbesondere die östlich am Tsad liegenden Gebiete von Kanem. Zwei Heere sollten gleichzeitig aufbrechen, eins nach Südosten und das zweite östlich an den Tsad, also gerade nach Gegenden, nach denen Denham längst eine Reise gewünscht hatte. Der Scheikh setzte bei diesem neuen Unternehmen seine Haupthoffnung auf die Kanonen mit ihren Kartätschen, sowie auf 200 Flinten, die freilich zum größten Theile unbrauchbar waren.

siehe Bildunterschrift

Kanembu-Häuptling und Fußvolk.

Die lange Regenzeit wurde zunächst abgewartet. Bei eintretendem bessern Wetter begleiteten Oudney und Clapperton eine Karawane, welche nach Westen in das Reich der Fellata zog, trotzdem daß der erstere sehr an seinem alten Brustübel litt. Kaum waren dieselben eine Woche abgereist, als zur Verstärkung der Gesellschaft ein junger kräftiger Offizier Namens Toole von Malta aus eintraf und Geld, Kleider und mancherlei zu Geschenken sich eignende Gegenstände mitbrachte. Toole schloß sich an Denham an und beide richteten ihr Augenmerk auf den Osten. Mehrere Male hatten hier die Baghirmi Einfälle in das Gebiet des Scheikhs gemacht; der letztere hatte vorsichtig gezögert, gegen sie loszuschlagen, weil Gerüchte von einem Angriff gesprochen, der durch die westlichen Fellata und durch den Sultan von Tripoli vorbereitet würde. Als er sich durch Kundschafter von dem Ungrund dieser Befürchtungen überzeugt, wendete er sein Augenmerk auf die Baghirmi. Aber eben als er gegen sie ziehen wollte, erfuhr er, sie hätten sich schleunigst über den Scharifluß zurückbegeben, da die Bewohner von Maffatai und Kusseri, zwei Grenzstädten im Südosten, einen unerwarteten Handstreich gegen sie ausgeführt. Die Baghirmi aus Gulghi hatten nämlich ein Arbeiterdorf auf feindlichem Gebiete am gegenüberliegenden Ufer des Schari erbaut und von diesem aus die Bodenerzeugnisse in Kähnen nach ihrem Lande geführt. Lange hatten die Bornuesen diesen Uebergriffen ruhig zugesehen, plötzlich überfielen die Bewohner der genannten zwei Städte zur Nachtzeit den Baghirmi-Ort, hieben die Männer nieder und machten Weiber und Kinder zu Sklaven. Die Getreidevorräthe steckten sie in Brand. Die erschreckten Baghirmi verließen in Folge dessen das ganze Gebiet um Logone, das sie bisher gebrandschatzt, und die Bewohner des letztern schickten eiligst eine Gesandtschaft an den Scheikh von Bornu, um diesem ihre Ergebenheit zu erklären.

Diesen günstigen Moment benutzte Denham, um sofort mit seinem Genossen eine Reise nach Logone zu unternehmen. Sie durchzogen dabei das sumpfige, reichbewachsene Gebiet des untern Schari und hatten Gelegenheit, sowol die üppigen Waldungen daselbst kennen zu lernen, als auch mit den dickhäutigen Bewohnern desselben, den zahlreichen Elephanten und Flußpferden, sowie mit den unzähligen Stechfliegen und Mücken vielfache Bekanntschaft zu machen. In Logone selbst konnten sie sich nur sehr kurze Zeit aufhalten und mußten die angetretene Fahrt zu Boot weiter den Schari hinauf plötzlich abbrechen, da Nachrichten von dem schleunigen Vorrücken der Baghirmi eintrafen. Schon auf der Hinreise nach Logone war Toole von dem Sumpffieber befallen worden, und da ein Abwarten seiner Genesung unmöglich ward, so starb der bedauernswürdige junge Mann auf dem Rückwege an dieser Krankheit am 26. Februar zu Ngala (Angala). In Ngornu (Angornu), welches Denham am 2. März erreichte, mußte auch er zehn Tage lang am Fieber darnieder liegen und erfuhr währenddem, daß Oudney gestorben sei. – Am 28. März kam es zwischen dem Scheikh und den Baghirmi bei Ngala zu einer Schlacht, in welcher die Baghirmi mit Hülfe der Kanonen völlig geschlagen wurden und seitdem Bornu nicht mehr belästigten.

So sehr nun aber der Scheikh zu Gunsten Denham's gestimmt war, da er dessen Kartätschen den Sieg größtentheils verdankte, so war er doch entschieden gegen eine Reise östlich durch Wadaï, da er sie für unausführbar hielt. Er rieth, die Engländer möchten lieber versuchen, von Aegypten her weiter zu gehen, wenn sie den Drang, fremde Länder zu sehen, nicht mäßigen könnten.

Ende Mai kam neue Verstärkung aus England an. Tyrwhitt, der schon früher erwartet und dessen Stelle damals durch Toole ersetzt worden war, traf ein und brachte außer neuen Geldmitteln für die Expedition auch schöne Geschenke für den Scheikh mit.

siehe Bildunterschrift

An der Mündung des Schari.

Unglücklicher als der Kriegszug gegen die Baghirmi fielen die Unternehmungen aus, welche Barka Gana gegen feindliche Häuptlinge am Ostende des Tsad auszuführen versuchte und bei denen Denham ihn begleitete. Der eine jener Fürsten hatte sich so gut verschanzt und mit so auserlesenen Kriegern umgeben, daß ein Angriff auf ihn gar nicht möglich war. Der zweite dagegen lockte die beutelustigen Krieger des Scheikhs in ein sumpfiges Gebiet, in welchem sie theils versanken, theils von den mit den Oertlichkeiten genau bekannten Feinden niedergestochen wurden. Barka Gana selbst erhielt eine starke Wunde in den Rücken mit einem Speer, welcher vier Toben und das eiserne Panzerhemde durchbohrt hatte. Am 17. Juni kehrte Denham nach Kuka zurück und fand hier seinen Freund Clapperton von seinem Zuge nach Westen wieder angekommen, aber so sonnenverbrannt und abgemagert, daß er ihn nicht eher erkannte, als bis ihn derselbe mit Namen rief.

Clapperton war am 14. Dezember 1823 in Gemeinschaft mit Oudney von Kuka aus nach Westen gezogen. Man verfolgte zunächst den Weg über Katagum nach Kano. Die Nächte waren zum Theil so empfindlich kalt, daß einmal, nach Clapperton's Bericht, Eis gefror. Durch den schnellen Wechsel der Temperatur verschlimmerte sich Oudney's Zustand mehr und mehr, und am 10. Januar starb er zu Murmur in den Armen seines Freundes.

Am 20. Januar kam Clapperton in Kano an. Nachdem ihm hier Boten vom Sultan Bello die Erlaubniß gebracht, daß er denselben besuchen dürfe, verließ er am 23. Februar den ungesunden Ort. Er ließ seinen Diener Jakob und einen großen Theil des Gepäckes in Kano zurück und machte sich mit seinem Führer Muhamed Djolli, einem Fellata, auf den Weg. Der größte Theil des Landes, durch welchen die Straße nach Sokoto führt, zeigte ein sehr fruchtbares Aussehen und war stellenweis gut angebaut. Die Bewohner begegneten den Reisenden freundlich und gefällig, und nur die Furcht vor räuberischen Ueberfällen der in dem Reiche hausenden Rebellen und das Fieber machten den Marsch unangenehm. Bei dem Orte Quoli kam ihnen ein Trupp von 150 Reitern mit Trommeln und Trompeten entgegen, der vom Sultan Bello ausgeschickt worden war, sie zu begleiten und einzuführen.

Clapperton zog »als Diener des Königs von England«, wie er in des Scheikhs Empfehlungsbrief an den Sultan Bello bezeichnet worden war, in Sokoto ein. Er trug dabei seine goldbesetzte Leutnantsuniform, weiße Hosen, seidene Strümpfe, türkische Pantoffeln und auf dem Haupte einen Turban. Die Straßen der Stadt waren dicht gedrängt voll Menschen, und ein Bote erschien, um ihn im Namen des Sultans willkommen zu heißen, der augenblicklich sich nicht in der Stadt befand und erst am Abend in derselben eintraf. Den 17. März Morgens hatte Clapperton bei ihm Audienz. Er fand in ihm einen kräftigen Mann in seinen besten Jahren von edlem Ansehn und mittlerer Größe. Ein kurzer, starkgekräuselter schwarzer Bart umgab seinen hübschen kleinen Mund. Die Nase war griechisch geformt, seine Stirne ausdrucksvoll und seine großen Augen voll Feuer.

Nachdem der Sultan Clapperton über sein persönliches Befinden und seine letzten Reiseerlebnisse befragt, erkundigte er sich nach Religion und Sitten der Engländer. Er sah die letztern mit ziemlich mißtrauischen Augen an und ward in seinem Argwohn besonders durch die Einflüsterungen der anwesenden Araber bestärkt, welche ihrerseits Nachtheile dadurch zu erhalten fürchteten, wenn die Engländer unmittelbar mit Haussa in Verbindung kämen. So erkundigte sich Bello genau nach dem Verhalten, welches die Engländer in dem Kampfe zwischen den Griechen und den Türken beobachtet hatten, ferner nach ihrem Auftreten Algier gegenüber und endlich als kitzlichstem Punkt nach ihrem Benehmen in Ostindien. Er schien durch Clapperton's Antworten so ziemlich beruhigt zu sein, gab demselben auch Auskunft über den Lauf des Niger und die Länder im Westen, versprach ferner, eine ausreichende Gesandtschaft abgehen zu lassen, um die Engländer in Empfang zu nehmen, sobald diese an der Westküste landen würden, hinderte aber durchaus Clapperton's Weiterdringen in die westlichen und südlichen Länder

Der Reisende übergab dem Sultan im Namen des Königs von England reiche Geschenke. Besonderes Interesse hatte Bello an dem hierbei befindlichen Kompaß, da dieser ihn zu jeder Zeit darüber belehrte, wo er Osten zu finden habe, um beim Gebet sein Gesicht dorthin zu richten.

Clapperton mußte seinen Besuch häufig wiederholen und der Sultan fragte ihn wißbegierig über die verschiedenartigsten Dinge Europas, ja er wünschte schließlich sehr lebhaft, daß sich ein englischer Gesandter und ein Arzt in Sokoto niederlassen möchten, um seine Unterthanen in den Künsten und den Kenntnissen der Europäer zu unterrichten. Da er aber fortwährend erklärte, daß wegen des Kriegszustandes, in welchem sich das Land zur Zeit befand, ein Vordringen nach Westen hin unmöglich sei, so war Clapperton ihm noch sehr dankbar, daß er ihm wenigstens keine Hindernisse in den Weg legte, um nach Bornu zurückgehen zu können. Er hatte die Erfahrung gemacht, daß er jedesmal heftiger am Fieber zu leiden hatte, sobald er gezwungen war, längere Zeit an einem Orte zu verweilen, und daß es während der Aufregungen und durch den fortwährenden Ortswechsel auf der Reise erträglicher wurde. Er erhielt vom Sultan ein eigenhändiges Schreiben an den König von England, in welchem derselbe seine freundschaftliche Gesinnung gegen die Engländer aussprach. Die Provinzen, durch welche die Rückreise ging, befanden sich im Aufstande gegen die Fürsten und die Wanderung durch dieselben war deshalb von Gefahren bedroht. Nach einer mühseligen Reise traf Clapperton am 22. Mai in Kano ein und fand seinen Diener Jakob bei leidlichem Wohlsein. Am 3. Juni verließen Beide diesen Ort und rückten wegen der übergroßen Hitze nur langsam weiter. Nachdem Clapperton Sockwa und Girkwa berührt, traf er am 10. Juni mit dem Beginn der Regenzeit in Murmur ein. Zu seiner großen Entrüstung fand er, daß man die von ihm umhegte und geschützte Grabstätte seines Freundes Oudney nicht geachtet, sondern fast bis zur Unkenntlichkeit zerstört hatte. Ein Arabertrupp hatte die Lehmmauer niedergerissen und dann auf dem Grabe ein Feuer angezündet. Clapperton war so erzürnt über diesen Anblick, daß er den Vorsteher des Ortes, dessen besonderem Schutz er das Grab empfohlen, eigenhändig durchprügelte und ihm einschärfte, sofort die Mauer wiederherstellen zu lassen, was dieser denn auch in demüthiger Unterwürfigkeit zu thun versprach.

Nachdem der Reisende Katagum passirt hatte, traf er bei Sansan auf einen Eilboten, den ihm der Major Denham mit Geschenken für den Sultan Bello sendete. Unter den letztern befand sich ein prachtvoller Ehrensäbel. Clapperton begleitete den Boten bis Katagum und trug Sorge, daß derselbe von hier aus sofort an den Sultan sicher weiter ging; dann setzte er seine Reise nach Kuka fort, in welcher Stadt er am 2. Juli eintraf. Er fand nur Hillmann anwesend, der eben einen verdeckten Karren für die Frauen des Scheikhs zimmerte; Denham war noch auf seinem Ausfluge nach dem östlichen Tsad. Die Reise nach Sokoto hatte sieben Monate erfordert; sie war die erste, welche ein Europäer in diesen Gegenden unternommen hatte. Durch sie lernte man das große Reich des Sultans Bello kennen und erhielt sichere Nachrichten von dem eigentlichen Verlauf des Niger.

Denham und Clapperton bereiteten sich zur Heimreise nach Europa vor. Tyrwhitt sollte als Konsul in Kuka zurückbleiben. Der Scheikh sorgte für die beiden Scheidenden mit freundschaftlichster Aufmerksamkeit und übergab ihnen reiche Geschenke für den König von England. Nach herzlichem Abschied und dringend eingeladen, baldigst wieder zu kommen, wurden die Engländer entlassen. Sie versuchten zwar nördlich noch zum Schluß den Tsad zu umgehen, kehrten aber bald wieder um, wegen der zahllosen Schwierigkeiten, die sich ihnen entgegenstellten. Die lange Wüstenreise war reich an den gewöhnlichen Mühseligkeiten, Gefahren und Schreckensbildern dieser Tour. Zusammenbrechende Kameele, denen hungrige Sklaven noch im letzten Todeszucken den Dolch ins Herz stießen und die Stücken Fleisch warm vom Leibe rissen, um sie roh zu verschlingen, Kinder, die kaum auf allen Vieren noch weiter konnten, aber mit der Peitsche vorwärts getrieben werden mußten, wenn sie nicht zum gewissen Tode liegen bleiben sollten, Skelette und halbverweste Leichen, über welche die Reitthiere stolperten: all dergleichen mußte erst noch einmal erlebt werden, ehe man die fruchtbeladenen Dattelpalmen Fessans begrüßen konnte.

Nach einem dreiwöchentlichen Aufenthalt in Mursuk setzten die Reisenden ihren Weg nach Tripoli fort und kamen in dieser Stadt am 21. Januar 1825 wohlbehalten an. Der Pascha ließ sie durch seine Beamten feierlich einholen und betheiligte sich persönlich an einem Balle, welchen die in Tripoli sich aufhaltenden Engländer und Spanier gaben, um die glückliche Rückkehr Denham's und Clapperton's zu feiern. Hillmann ward mit dem Gepäck und den Thieren zur See nach England gesandt, Denham und Clapperton dagegen reisten über die Alpen nach England, wo sie am 1. Juni glücklich eintrafen.


Clapperton war ganz begeistert von den Aussichten, welche ihm Sultan Bello in Bezug auf Handelsverbindungen Englands mit dem Sudan von der Westküste her eröffnet hatte. Er nahm sich kaum Zeit zu den mündlichen Berichten über seine Reise, als er auch sofort bereit war, wieder nach jenem Lande zurückzukehren, in welchem des Sultans Boten versprochenermaßen seiner harren sollten. Am 22. Juni erhielt er die Ernennung zum Kapitän und Kommandeur und bereits am 27. August 1825 ging er in Portsmouth auf der königlichen Schaluppe Brazen unter Segel. Ihn begleitete sein später so berühmt gewordener Diener Richard Lander aus Cornwall, ein Mann, der sich durch seine Treuherzigkeit und stete Heiterkeit auszeichnete, der Einzige, welcher nachmals von der ganzen Expedition zurückkehrte. Dazu kamen der Seeoffizier Pearce, der Schiffschirurg Dr. Morrison und der Chirurg Dickson, der sich durch einen längern Aufenthalt in Westindien bereits mit dem Tropenklima vertraut gemacht hatte. Man langte am 26. Oktober im Meerbusen von Benin an. Dickson wünschte von hier aus den Weg nach Sokoto allein zu versuchen. Er ging mit dem früher erwähnten Diener Columbus und einem Portugiesen Dr. Susa nach Dahome und von dort aus nach Jaouri. Hier verschwinden alle weitern Nachrichten über ihn. Niemand weiß, was aus ihm geworden ist. In Whida und in Benin wußte kein Mensch etwas von den verheißenen Boten des Sultans Bello; die Orte Funda und Racka, welche ebenfalls als Punkte des Zusammentreffens bezeichnet worden waren, kannte man nicht einmal dem Namen nach. Ein englischer Kaufmann, Houtson, der mit den Küstengebieten vertraut war, rieth der Expedition, von Badagry aus vorzudringen, und erbot sich, sie bis zu den Grenzen von Jarriba zu begleiten, ja auf Clapperton's Zureden versprach er, sie bis Katunga (Ejeo), der Hauptstadt von Jarriba, zu bringen.

Man landete deshalb in Badagry am 24. November und trat mit der Bewilligung des Landesfürsten am 7. Dezember 1825 die Reise nach dem Innern an. Zunächst fuhr man in Kähnen auf dem Gazi bis nach Puka stromauf und ging dann zu Lande nach Akalu. Ein Negerhäuptling, welcher sich ihnen hier feindlich entgegenstellte und die Weiterreise verbieten wollte, ward durch ein Glas Grog nachgiebig gestimmt, so daß man unangefochten nach Sado, Bidji und Labu gelangte. Leider litten die Reisenden sehr am Fieber, und selbst Clapperton war oft so schwach, daß er sich in einer Hängematte weiter schaffen lassen mußte. In Djanna, einer ansehnlichen Stadt von etwa 10,000 Einwohnern, nahm man sie mit großer Freude auf. Kurz nach der Abreise von diesem Orte starb aber schon Morrison's Diener Dawson, in Engwa erlag Pearce den zerstörenden Einwirkungen des Fiebers und an demselben Tage Morrison zu Djanna, wo man ihn hatte zurücklassen müssen. Clapperton ließ sich nichtsdestoweniger schwerkrank weiter tragen und erholte sich um ein Merkliches, sobald man in Afura das höhere Gebiet des Kanggebirges betrat. Auf beschwerlichen Pfaden überstieg man das letztere, indem man dabei Duffu, Chadu, Matoni und Erawa berührte, und kam am 13. Januar glücklich nach Cheki, dem höchsten Punkt des Gebirges. Nachdem die Karawane zahlreiche Orte am jenseitigen Abhange passirt, gelangte sie nach Katunga und fand bei dem Herrscher daselbst gute Aufnahme. In eigenthümliche Schwierigkeiten ward Clapperton in Wawa, einem Orte östlich von Katunga, verwickelt. Eine außerordentlich dicke und deshalb nach den Landesvorstellungen außerordentlich schöne Wittwe interessirte sich in so hohem Grade für die angekommenen Fremdlinge, daß sie zunächst Richard Lander als Mann begehrte und, als dieser ein solches Glück verschmähte, Clapperton ihre Reichthümer vorzählte und ihn zur Heirath aufforderte. Er widerstand zwar der Versuchung, hatte aber viel Aufenthalt und Umstände dadurch. Als er nämlich in Bussa, demselben Orte, in dessen Nähe Mungo Park umgekommen war, über den Niger setzen wollte, wartete er vergeblich auf sein Gepäck und erfuhr zu seinem Aerger: jene Wittwe sei ihm mit der bestimmten Erklärung nachgereist, sie werde ihn als ihren Mann wieder zurückbringen, und deshalb hätte der Fürst von Wawa, politische Intriguen befürchtend, vorläufig Beschlag auf Clapperton's Gepäck legen lassen, bis er sich von dessen friedfertiger Gesinnung überzeugt habe. Clapperton sah sich gezwungen, persönlich nach Wawa umzukehren und sich über die wahre Sachlage zu erklären. Eine zweite schwarze Schöne, die Tochter eines Häuptlings, die ihm ihre Neigung zugewendet hatte und ihn stark betrunken besuchte, rührte er durch seine abschlägige Antwort, sowie durch die Erklärung, daß er keinen Branntwein trinke, zu heißen Thränen.

Bei Wondjerke, d. i. des Königs Fähre, unweit des Dorfes Comi, setzte Clapperton über den Niger, der hier 600 Schritt breit ist. Er verließ damit das Land Borgu und traf in Nyffe ein, wohin zu gelangen er bei seiner ersten Reise vergebens gestrebt hatte. Nachdem er dieses Reich durchzogen, kam er unter zahllosen Mühseligkeiten der verschiedensten Art, zu denen sich auch noch bei ihm eine Entzündung der Milz gesellte, in Kano an. Hier fand er leider die früher so angenehmen Verhältnisse sehr zu seinem Nachtheil verändert. Er traf den Sultan Bello mitten im Krieg gegen seine in Empörung wider ihn begriffenen Provinzen, welche nur Herrschern aus ihrem eigenen Gebiet gehorchen wollten. Ebenso war ein blutiger Kampf entstanden zwischen Haussa und Bornu, und der sonst so freundliche Bello belegte die Waffen, die Clapperton als Geschenk für den Scheikh von Bornu mit sich führte, mit Beschlag, verweigerte durchaus jede Reise nach dem Lande des letztern und wollte den Reisenden sogar glauben machen: der Scheikh habe ihn brieflich aufgefordert, den Engländer zu tödten, wenn er wiederkäme. Bello war durchaus von dem Glauben befangen, Clapperton sei ein Spion, und die Engländer beabsichtigten nichts Anderes, als Haussa in ähnlicher Weise erst auszukundschaften und dann in Besitz zu nehmen, wie sie es mit Ostindien gethan. Clapperton war durch seine Krankheit außerordentlich reizbar geworden und dies riß ihn zu ungewöhnlicher und unkluger Heftigkeit hin, durch welche er alle seine frühern Freunde unter den Eingebornen von sich verscheuchte und sogar von seinen eigenen Dienern verlassen ward. Auf einem Jagdausfluge, den er in das Land der Zegzeg unternahm, zog er sich ein schweres Fieber zu, weil er während des Anstandes, von Müdigkeit überwältigt, auf dem nassen Boden liegend eingeschlafen war, und starb an den Folgen dieser Erkältung am 13. April 1826 in dem Armen seines treuen Richard, dem er es überließ, die Mission als der einzige Ueberlebende zu Ende zu führen.

Vom Sultan Bello freundlich unterstützt, versuchte Lander nach Jakoba südlich vorzudringen, um von hier aus nach Funda zu gehen und dann auf dem Niger stromabwärts bis zum Meere zu fahren. So hoffte er das Geheimniß zu lösen, das noch immer über dem Unterlauf dieses Stromes, sowie über dem Benue (Tsadda) lag. Vom Fieber befallen und zum Widerstande unfähig gemacht, ward er in Dunrora durch Reiter aus Zegzeg genöthigt, diesen nach Saria (Soso), der Hauptstadt des letztgenannten Landes, zu folgen, und so war sein Plan für diesmal vernichtet. Er kehrte nach vielen anderweitigen Abenteuern und Gefahren auf demselben Wege zurück, den die Expedition ein Jahr vorher eingeschlagen hatte.


Ziemlich zwanzig Jahre verstrichen, ohne daß ein Europäer es wieder gewagt hätte, in den Sudan vorzudringen. Erst in den Jahren 1845 und 1846 unternahm der Engländer James Richardson eine Reise über Tripoli nach Mursuk und Rhat, der Hauptstadt im Lande der nördlichen Asgar-Tuarik. Er hatte bei derselben weniger die wissenschaftliche Erforschung im Auge, sondern sich die Aufgabe gestellt, alle jene Verhältnisse genauer zu beobachten, welche sich auf den Sklavenhandel in diesen Gegenden beziehen. Er war von Tripoli aus trotz Abrathens seiner Freunde und selbst des Paschas nur mit Unterstützung einiger Kaufleute von Gadames, die er in Tripoli kennen lernte, weiter gereist.

siehe Bildunterschrift

James Richardson.

Es gelang ihm in freundschaftlichen Beziehungen zu den Einwohnern in Mursuk und Rhat zu treten, und er hegte die Hoffnung, daß es gelingen könnte, einen entscheidenden Schritt im Kampfe gegen den Handel mit Schwarzen, diese Krankheit des Menschengeschlechts, vorwärts zu thun, wenn man mit den hier und besonders auch im Herzen Afrikas wohnenden Fürsten von Seiten der englischen Regierung Beiträge zu Stande brächte. Während seines Aufenthalts in Fessan ging keine Karawane nach dem Sudan, und er sah sich genöthigt, nach neunmonatlichem vergeblichen Warten nach Europa zurückzukehren. Er sprach sich in seinem Vaterlande lebhaft für seinen Plan aus und fand auch Theilnahme dafür, obschon durchaus nicht in dem Grade, wie sie die Expedition während ihres spätern Verlaufs erregte. Im Sommer 1849 erhielten seine Vorschläge die Zustimmung der Regierung. Außerordentlich interessirte sich der berühmte Geograph Dr. August Petermann für diese Gelegenheit, nähere Nachrichten über den so wenig bekannten Erdtheil zu erhalten. Da aber Richardson nicht der Mann zu sein schien, der außer dem ausgesprochenen Zwecke auch fähig wäre, den manchfachen Forderungen zu entsprechen, welche die verschiedenen Zweige der Wissenschaft an eine derartige Expedition stellen mochten, so ward durch theilnehmende Vermittlung des Ritters Bunsen, der sich damals als preußischer Gesandter am britischen Hofe befand, die Bewilligung erhalten, daß Richardson ein jungen deutscher Gelehrter als Naturforscher zur Begleitung mitgegeben würde. Die Wahl fiel auf Dr. Adolph Overweg, einen geborenen Hamburger, der sich damals in Berlin aufhielt. Overweg war am 24. Juli 1822 in der alten Hansestadt geboren und hatte im dreizehnten Jahre das Johanneum daselbst besucht. In seinem einundzwanzigsten Jahre ging er auf die Universität Bonn, studirte dort zwei Jahre und besuchte dann seiner weitern Studien wegen Berlin. Nach Verlauf eines Jahres machte er daselbst sein Examen und erwarb sich den Doktortitel. Um seine Studien fortzusetzen, blieb er auch dann noch in Berlin und war eben im Begriff, ein Braunkohlenwerk bearbeiten zu lassen, das er entdeckt zu haben glaubte und von dem er sich reichen Vortheil versprach, als ihm das erwähnte Anerbieten gemacht wurde. Er war sofort für das Unternehmen höchst begeistert und gedachte besonders als Geolog reiche Ausbeute dabei zu finden. Er hatte sich früher durch Turnen und weite Fußreisen an körperliche Anstrengungen gewöhnt und erfreute sich des kräftigsten Wohlbefindens, so daß er den Anstrengungen einer solchen Reise recht wohl gewachsen zu sein glaubte.

Durch Vermittlung der Berliner geographischen Gesellschaft, an welche man sich von London aus wegen des Naturforschers gewendet hatte, wurden vorläufig 1000 Thaler zur Bestreitung der Reisekosten für letzteren angewiesen. Zur großen Freude Overweg's bewarb sich jetzt auch noch ein Dritter um Theilnahme an dem Zuge, nämlich sein Freund und Landsmann Dr. Heinrich Barth, der die Kosten aus eigenen Mitteln decken wollte. Letztgenannter Gelehrter war bereits als tüchtiger Historiker, Archäolog und Sprachenkenner bekannt und hatte sich besonders auch durch eine wissenschaftliche Reise an der Nordküste Afrikas, deren Resultate er veröffentlichte, einen Namen erworben. So sehr man in England die außerordentliche Zweckmässigkeit einer solchen Verstärkung der Expedition anerkennen mußte, so schwierig war man andererseits im Anweisen der Mittel zu dieser Reise. Für Overweg und Barth wurden auf die Strecke bis Fessan nur 100 Pfund Sterling (700 Thlr.) und eben so viel für den Weg bis Bornu bewilligt, eine für die Schwierigkeiten einer Wüstenreise geringe Summe. Später bewilligte zwar die Geographische Gesellschaft aus ihren eigenen Mitteln eine Beihülfe von 1000 Thalern zur Unterstützung der beiden Deutschen. Se. Majestät der König von Preußen, Friedrich Wilhelm IV., wies andere 1000 Thaler dazu an, die Physikalische Gesellschaft Königsberg steuerte 700 Thaler bei, und weitere 300 Thaler wurden durch Privatleute zusammengeschossen, so daß die Summe auf 3000 Thaler anwuchs. Ehe dies Kapital aber zusammen kam, waren die Reisenden bereits genöthigt gewesen aufzubrechen. Da eine geraume Zeit hindurch Nachrichten von ihrem Aufenthalte fehlten, wußte man nicht, wohin man das Geld senden sollte, und benutzte einen Theil davon zur Ausrüstung des später abgehenden Dr. Vogel. In England hatte man den beiden Deutschen auf den Fall, daß sie von Richardson getrennt im Osten auf eigene Hand weitere Forschungen anstellen würden, fernere Zuschüsse in Aussicht gestellt.

Mitte November 1849 reisten Dr. Barth und Overweg von Berlin ab, gingen zunächst nach London, nach kurzem Aufenthalte daselbst über Paris nach Marseille und schifften sich hier nach Afrika ein. Das Dampfschiff brachte sie zunächst nach Tunis. Ueber Susa, Sfar und Dscherbi gelangten sie theils zu Lande, theils in einem Boote nach Tripoli, ihrem Sammelplatze. Richardson besorgte die weitern Vorbereitungen für die lange Wüstenreise, Barth und Overweg unternahmen währenddem einen Ausflug durch das Ghuriangebirge, dessen Verlauf sie von Westen nach Osten bis zum Ufer des Meeres verfolgten. Die Abreise der Reisenden nach dem Innern ward mehrere Wochen dadurch verzögert, daß man auf einige in Malta aufgegebene nothwendige Gegenstände warten mußte. Der umfangreichste derselben war ein flaches leichtes Boot, welches zum Befahren des Tsad-Sees dienen sollte. Als es ankam, sägte man es in vier Stücke, die sich auf Kameelen transportiren ließen.

siehe Bildunterschrift

Dr. Adolph Overweg.

Ende März 1850 zogen die drei Europäer mit ihrer Begleitung der großen bereits vorangegangenen Karawane nach. Man schlug nicht den gewöhnlichen Karawanenweg ein, dem die frühere Expedition unter Oudney und Clapperton gefolgt war, sondern einen westlicher gelegenen Pfad, überschritt den Höhenzug der Ghurians und hielt sich südwestlich nach Misda. Südlich von diesem in einem fruchtbaren Wadi gelegenen Orte ging der Zug über die steinige Hochebene, welche unter dem Namen Hammada bekannt ist. Am neununddreißigsten Tage nach der Abreise von Tripoli zog man in Mursuk ein.

Richardson erachtete es für die weitere Fortsetzung der Reise als Nothwendigkeit, daß man sich unter den ausdrücklichen Schutz der Tuarikhäuptlinge in Rhat stelle und diese veranlasse, die Reisenden von Mursuk abzuholen. Ein dahin lautender Contrakt ward mit dem Häuptling Hatitah abgeschlossen, demselben, der früher schon Oudney und Clapperton beschützt und mit dem Richardson bereits auf seiner ersten Reise Freundschaft geschlossen hatte.

Man zog von Mursuk aus westlich nach Rhat. Nicht weit von dieser Stadt war es, daß Barth bei einem Versuche, die unter dem Namen der »Geisterburg« berüchtigte Gebirgsgruppe zu besteigen, sich verirrte und fast verschmachtet wäre. Am 25. Juli verließ die Karawane Rhat und drang nach Süden vor. Abwechselnd ging der Pfad über wild zerrissene kahle Gebirge, dann über spiegelnde Granitflächen oder durch losen Sand, bis man in das Land Asben oder Air eintrat und hier bereits die Einflüsse des Südens, sowol in Bezug auf die Witterung, als auch auf Pflanzenwelt und Volksleben, hervortreten sah. Nachdem auf diesem Marsche die Reisenden lange genug durch schreckende Gerüchte von einem Ueberfall, den die Asgar-Tuarik gegen sie beabsichtigten, geängstigt worden waren, hielt eine große Schaar dieses Raubgesindels sie endlich an, drohte eine Zeit lang damit, die Christen zu tödten und sich in ihren Nachlaß von Rechtswegen zu theilen, ließ sie aber endlich doch gegen Erlegung eines hohen Lösegeldes weiter ziehen. Eine gewisse Genugthuung gewährte es den Europäern später zu erfahren, daß ihre Peiniger für diese Plünderung von dem Sultan von Agades gezüchtigt worden seien.

Kaum der Gefahr durch Menschen entronnen, schüttete ein Gewitterguß solche Wassermassen als Gruß aus dem Sudan auf die Ankömmlinge herab, daß bald das ganze Thal in einen Fluß verwandelt wurde, welcher die Karawane zu ersäufen drohte. Endlich erreichte man Tintellust, die Residenz des Sultans En-Nur, ward anfänglich von dem letztern zwar kalt empfangen und karg bewirthet, fand in ihm aber schließlich einen rechtschaffenen Mann, der sein einmal gegebenes Wort auch hielt. Während die Reisenden zu einem längern Aufenthalte gezwungen waren, um die Salzkarawane von Bilma zu erwarten, mit welcher sie weiter nach Süden reisen wollten, machte Dr. Barth einen Abstecher nach Agades und wohnte hier den Einsetzungsfeierlichkeiten eines neuen Sultans bei.

Erst Anfang November brach der Sultan En-Nur von Tintellust auf. Sobald sich in Tin-Teggana die erwartete Salzkarawane eingestellt, wanderte man am 12. Dezember weiter zur südlichen Hammada und kam durch Nasamat nach Tadschelel, einem Dorfe, welches dem Sultan En-Nur gehörte. Hier trennten sich die drei Europäer von einander, um auf verschiedenen Wegen das weite, so wenig bekannte Gebiet zu durchziehen und sich endlich in Kuka wieder zu treffen, – vorausgesetzt, daß man das Leben behielte!

Richardson ging östlich über Sinder, Barth hielt sich südwestlich, um Katsena und Kano zu besuchen, und Overweg ging auf einem Umwege westlich durch Gober und Mariadi.

Richardson erreichte Sinder glücklich und fand den gastfreundlichsten Empfang. Er war hier bereits erwartet und ein eigenes Haus für ihn eingerichtet worden, da der Scheikh von Bornu, durch Briefe von Mursuk aus über das Unternehmen unterrichtet, wegen Richardson's Aufnahme in Sinder die nöthigen Anstalten hatte treffen lassen. Der Reisende ward zu einem vierwöchentlichen Aufenthalte genöthigt, da er gerade zu einer Zeit eintraf, als der Herrscher von Sinder mit einer Rasia beschäftigt war. Es ward ihm währenddem reichliche Verpflegung zu Theil und seinen Erkundigungen über Land und Leute nichts in den Weg gelegt.

Als Richardson dem Sultan Ibrahim von Sinder seinen Besuch machte, fand er in ihm einen Neger von etwa 50 Jahren, umgeben von afrikanischem Pomp. Von 300 Frauen besaß derselbe 100 Söhne und 50 Töchter. Weiber und Töchter wurden aber nicht nach orientalischer Art unter engem Verschluß gehalten, sondern durften sich ungehindert und frei bewegen. Auf seiner Wüstenreise hatte sich Richardson in arabische Tracht gekleidet, bei seiner officiellen Visite erschien er aber in Gala als Gentleman mit einziger Hinweglassung des europäischen Hutes, den er durch einen Feß ersetzt hatte. Er traf den Sultan in einer dunklen, aus dicken Lehmwänden gebildeten Behausung, umgeben von 50 Kriegern und einigen Statthaltern der Nachbarorte, welche alle mit untergeschlagenen Beinen am Boden saßen. Die Eingebornen begrüßten den Sultan, indem sie sich Staub auf die Köpfe warfen und dabei ausriefen: »Lang lebe der Sultan! Allah gebe ihm seinen Segen!« Richardson übergab seine Geschenke und der Sultan war höchst heiter gelaunt und zu Scherzen gestimmt.

Der Sultan unternahm, wie gesagt, wahrend Richardson's Anwesenheit eine Menschenjagd, um sich aus drückenden Geldverlegenheiten zu helfen. Wohin dieselbe gerichtet sein sollte, wußte Niemand früher, als bis man auszog, aber es war bekannt, daß sich der Fürst durchaus nicht scheuen würde, einen Einfall selbst in das Gebiet von Bornu zu unternehmen, obschon er in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnisse zum Scheikh in Kuka stand. Er pflegte bei einer solchen Gelegenheit sich zu entschuldigen, daß er nur Diejenigen überfallen habe, welche im Geheimen Heiden seien, und schließlich besänftigte er alle fernern Bedenken damit, daß er dem Scheikh den fünften Theil der Beute zukommen ließ.

Am Morgen des 1. Februar kehrte der Sultan von seinem Raubzuge zurück. Voran kam eine Abtheilung erbeutete Gefangene. Ein Trupp nackter Knaben bildete die Spitze; dieselben waren so heiter, als sei Alles in bester Ordnung und nichts weiter vorgefallen. Ihnen folgten Mütter mit Säuglingen an der Brust, junge, kaum erwachsene Mädchen, Greise mit krummen Knien und weißem Wollhaar, alte Weiber, zu wahren Skeletten abgezehrt und sich nur mühsam an langen Stöcken forthelfend. Sorgsamer verwahrt waren die gefangenen jungen Männer. Man hatte sie mit Ketten am Halse zusammengebunden. Erst am Nachmittag erschien der Sultan selbst mit seiner Umgebung. Einige Reiter sprengten voraus und zeigten ihre Geschicklichkeit in der Behandlung der Pferde. Rings um den Herrscher war eine Schaar von 50 Trommlern, die einen großartigen Lärm verführten. Der Anzug der Krieger war ganz willkürlich, ohne irgend welche Uebereinstimmung. Einer trug einen Messinghelm und ein langes emporstehendes Horn an demselben, der andere einen Turban, manche hatten Panzer aus wattirtem Zeuge angelegt, um gegen die vergifteten Pfeile geschützt zu sein. Der Raubzug hatte mindestens 600 Sklaven eingebracht, welche großentheils im Lande selbst verkauft, theils nach dem Niger hin transportirt und dort gegen Erzeugnisse amerikanischer Industrie nach Amerika verhandelt werden.

Der Scheikh von Bornu hatte Richardson einen Sklaven zu seiner Bedienung gesendet. Ohne daß Richardson etwas davon ahnte, hatte sich dieser Sklave heimlich dem Raubzuge angeschlossen und auch den eigenen freien Diener des Reisenden mit dazu verleitet. Erst am Abend nach der Rückkehr erfuhr Richardson den Vorgang, indem er sie mit ihrer Beute antraf, die in einem Weibe mit einem Kinde und einem jungen Manne bestand. Richardson drängte sich die Ansicht auf, daß der Sklaverei in Afrika wahrscheinlich nicht anders ein Ende gemacht werden könne, als durch Eroberung des ganzen Gebietes seitens einer europäischen Macht.

Auf einem herzlich schlechten Pferde, welches ihm der Sultan von Sinder geschenkt hatte, setzte Richardson am 8. Februar seine Reise in der Richtung nach Kuka zu fort. Im Dorfe Dedegi, welches die Karawane, der er sich angeschlossen hatte, durchzog, flohen die Einwohner erschreckt nach allen Seiten. Sie fürchteten einen Ueberfall, Plünderung und Gefangenschaft. Bei andern Gelegenheiten hatte sich Richardson ganz im Gegentheil über die zu große Zudringlichkeit der Leute zu beklagen gehabt. Ueber Damergu kam er weiter in das Gebiet von Manga und zog am 14. Februar in Gurai, der Hauptstadt dieses Landes, indem er auf diese Weise sich nördlich gewendet und der Sahara genähert hatte, ein. Die Stadt liegt von der gewöhnlichen Sudanstraße seitab; deshalb war Richardson den Leuten daselbst eine ungewöhnliche Erscheinung und er selbst sammt seiner Kleidung erregte ihr höchstes Interesse. Als er den Fürsten des Ortes besuchte und demselben durch Geschenke huldigte, mußte er sich eine bis ins Einzelnste gehende Untersuchung gefallen lassen. Man zog ihm sogar Stiefel und Strümpfe aus und gerieth höchlichst in Erstaunen, als man die weiße Färbung seiner Füße entdeckte. Trotz dieser Abgelegenheit des Ortes war der Sultan doch ziemlich gut über die politischen Verhältnisse Europas und des Orients unterrichtet, erkundigte sich nach dem Verhalten Englands zur Türkei u. s. w. Der Fürst von Gurai war bei dieser Audienz von 2–300 Personen umgeben und wahrhaft fürstlich gekleidet. Er trug einen weiten Mantel aus purpurrother Seide und einen schwarzen, mit Besatz geschmückten Burnus, dazu auf dem Haupte einen sehr schönen Turban von ägyptischer Form. Der ganze Empfang machte auf Richardson, trotz der erwähnten Neugier der Leute, einen angenehmern Eindruck als jener in Sinder. Es fielen hier jene erniedrigenden Scenen des Niederwerfens und Staubaufstreuens weg und nirgends zeigten sich dem Auge Spuren von martervollen Hinrichtungen.

Sehr große Verehrung zeigte der Sultan, ein Neger von etwa 50 Jahren, für die Arzneien, welche Richardson bei sich führte; am liebsten hätte er von jeder etwas gehabt, um dadurch auch gegen jede Sorte von Krankheiten geschützt zu sein. Dabei beobachtete er aber die Vorsicht und ließ die Medizinen erst von dem Dolmetscher der Reihe nach kosten. Er bezeigte sich übrigens dankbar für die erhaltenen Geschenke und schickte Richardson Ochsen und Pferde als Gegengabe. Besonders lieb war Richardson ein von ihm erhaltenes Kameel. Der Ritt auf dem Pferde von Sinder aus hatte ihn sehr angestrengt, an das Reiten auf dem Kameel dagegen war er gewöhnt. Er fühlte sich unwohl und erreichte in sehr hinfälligem Zustande Anfang März Ngurutua, das noch sechs Tagereisen von Kuka entfernt ist. Es drängte sich ihm die Ueberzeugung auf, daß das Klima des Sudan für ihn tödtlich sei; gern wäre er sofort nach Tripoli zurückgekehrt, aber von hier aus ging keine Karawanenstraße, war kein Führer nach Fessan aufzutreiben. Sein Zustand verschlimmerte sich und in der Nacht vom 3. zum 4. März 1851 verschied er. Die Einwohner von Ngurutua begruben den Entschlafenen unter einem großen Baume und schützten sein Grab durch eine Umhegung vor Entweihung.

Der zweite Reisende der Expedition, Dr. Barth, hatte nach der erwähnten Trennung bei Tagelel sich nach Katsena gewendet und dann Kano erreicht. In dieser durch ihren Handel höchst wichtigen Stadt verweilte er ziemlich einen Monat lang, bis Anfang März, und brach am 5. dieses Monats auf, um zur verabredeten Zeit in Kuka eintreffen zu können. Unterwegs erhielt er Kunde von dem Tode seines Gefährten Richardson und eilte so schnell als möglich nach dem Orte, wo derselbe verschieden war. Dort fand er das Grab mit einer Dornenhecke wohl verwahrt. Am 2. April 1851 erreichte Dr. Barth Kuka und stellte sich dem Scheikh als Gesandter Englands vor. Seine Gaben wurden freundlich aufgenommen und ihm die von Europa angekommenen Briefschaften übergeben. Er fand hier Richardson's hinterlassene Sachen. Leider hatte er mehrfache Schwierigkeiten, um in ihren vollen Besitz zu gelangen. Overweg und Barth waren dem Sultan nur als ganz nebensächliche, nichts bedeutende Untergebene Richardson's geschildert worden, und solchen glaubte er unbesorgt Mancherlei vorenthalten zu dürfen, bis er und sein Wesir allmälig eine andere Ansicht von Barth erlangten und dieser durch sein festes Auftreten die unverkümmerte Zurückerstattung aller Sachen erlangte.

siehe Bildunterschrift

Dr. Heinrich Barth.

Die Geldverhältnisse der Reisenden waren von der drückendsten Art. Die manchfachen Erpressungen, denen sie ausgesetzt gewesen waren, hatten ihre ohnehin nicht bedeutenden Mittel aufs äußerste erschöpft. Richardson hatte bei seinem Tode ansehnliche Schulden hinterlassen, seine Dienerschaft hatte den Lohn noch nicht ausgezahlt erhalten, und Barth war ehrenhalber genöthigt, die Forderungen derselben zu befriedigen. Seine eigenen Mittel waren aber gänzlich unzureichend. Da half ihm der Wesir von Bornu durch 100 Dollars, welche er ihm lieh, aus der größten Verlegenheit des Augenblicks, so daß er sich mit Richardson's Dienern wenigstens zum Theil abfinden konnte.

Dr. Overweg traf erst am 7. Mai in Kuka ein. Er hatte sich bei der Trennung westlich gehalten und die unabhängigen heidnischen Länder von Gober und Mariadi besucht, die zwischen dem Wüstengebiete der Tuariks und dem Fellata-Staate Haussa liegen. Unter diesen Völkerschaften, welche mit ihren Nachbarn in ewiger Fehde leben, fand Overweg eine freundliche Aufnahme und verlebte bei ihnen zwei angenehme Monate, begleitete sie auf ihren Jagden und stärkte sich an der dort gesunden, erfrischenden Luft. Anfänglich erregte zwar Overweg's weiße Hautfarbe allgemeines Entsetzen, allmälig gewöhnten sich aber selbst die Frauen und Kinder an dieselbe und er wurde als Arzt vielfach in Anspruch genommen. Hier war es ihm bei geruhigerem Aufenthalte auch möglich, auf die Krankheiten der Leidenden genauer einzugehen und die Arzneien denselben besser anzupassen, als dieses bei der frühern Wüstenreise thunlich gewesen war. Bei dieser hatte sich der gern heiter gelaunte junge Mann auf eine drollige Art zu helfen gesucht, um mit den oft so lästigen zahlreichen Hülfesuchenden möglichst schnell fertig zu werden. Häufig verstand er ja deren Sprache gar nicht, die Verhältnisse der Umgebung und die Eile der Reise machten eine nähere Untersuchung rein unmöglich, zudem waren auch die Krankheiten gewöhnlich nicht ernsterer Art. Overweg hatte deshalb die Einrichtung getroffen, daß jeden Tag der Woche eine bestimmte Medizin an die Reihe kam, die er sich des Morgens zurecht legte. Während des einen Tages bekamen alle Ankommenden Rhabarber, am folgenden Senna, am dritten eine bestimmte Pillensorte u. s. w., lauter Arzneien, mit denen er zwar nicht gerade viel helfen, aber auch schwerlich erheblichen Schaden anrichten konnte. In Mariadi und Gober war ihm, wie gesagt, Zeit vergönnt, etwas gründlicher zu verfahren, damit nicht Der, welcher bereits an Dysenterie litt, noch Senna oder englisches Salz dazu bekam. Da er sich mit den Eingebornen in ihrer Landessprache unterhalten konnte, erfuhr er von ihnen viel Interessantes über ihr Land und über die Geschichte des Sudan, ebenso teilte er den Wißbegierigen Mancherlei über die Verhältnisse und Sitten Europas mit. Am unbegreiflichsten erschien es den Einwohnern, daß man in Europa nur eine einzige Frau heirathe, während bei ihnen Vielweiberei Regel ist.

In Sinder erfuhr Overweg Richardson's Tod und eilte auf einem etwas südlichern Wege als dem, welchen der Engländer gezogen, nach Kuka, wo er seinen Freund Barth am 7. Mai traf.

Beide Reisende machten Kuka zum Ausgangspunkte für ihre folgenden Ausflüge. Hier fanden sie jederzeit gastfreies Unterkommen und Unterstützung, hier erreichten sie die Briefe und Sendungen von Europa. Von hier aus meldete Dr. Barth den Tod Richardson's, sandte dessen sorgsam geführte Tagebücher und Notizen nach London, sprach in dem begleitenden Schreiben den Wunsch aus, daß die durch den Tod gerissene Lücke von einem kräftigen Manne, der wo möglich Astronom sei, ausgefüllt werden möchte, und regte dadurch den ersten Gedanken zur Berufung Dr. Eduard Vogel's an.

Barth setzte sich als nächstes Ziel das im Südwesten gelegene Reich Adamaua und zunächst dessen Hauptstadt Jola. Overweg unternahm dagegen währenddem die Beschiffung und Erforschung des Tsad-Sees. Leider war es ihm nicht gut möglich, seine Tagebücher mit der wünschenswerthen Ausführlichkeit zu führen, so daß von den Expeditionen des Reisenden nur bruchstückweise Bemerkungen bekannt geworden sind. Barth überschritt bei seinem Vordringen nach Jola den Benue, diesen früher als Tsadda bekannt gewordenen größten östlichen Nebenfluß des Niger und trug sich eine Zeit lang trotz des Fiebers, das ihm kaum Kräfte ließ, um auf dem Pferde sitzen zu können, mit der Hoffnung, daß es ihm gelingen möge, von Jola aus nach Südost weiter zu gehen, so das ganze unbekannte Innere des Erdtheils zu durchschneiden und den Indischen Ocean zu erreichen. Vielleicht wäre ihm dieser großartige Plan auch gelungen, wenn nicht der Herrscher von Bornu seine Reise nach Jola zu politischen Zwecken benutzt hätte, von denen Barth nichts ahnte. Es war nämlich zwischen Bornu und dem Herrscher von Adamaua, der dem Sultan von Sokoto unterthan ist, Streit über einen Landstrich an der Grenze beider Reiche. Der Scheikh von Kuka sandte nun gemeinschaftlich mit Barth einen seiner Offiziere nach Jola und ließ durch diesen Briefe überreichen, in welchen die Zurückgabe jener Ländereien verlangt ward. Unglücklicher Weise hatte der Scheikh auf Barth's Persönlichkeit als Gesandter der Engländer hingewiesen und dieselbe zu einer Drohung benutzt, um seinen Forderungen größern Nachdruck zu geben. Er erreichte hierdurch seinen Zweck durchaus nicht, vernichtete aber völlig das freundschaftliche Verhältniß, das Barth bei der Ankunft vorsichtig angeknüpft hatte. Man verweigerte jetzt hartnäckig jede Erlaubniß zu einem weitern Vordringen und verlangte die sofortige Umkehr. Ende Mai 1851 war Dr. Barth von Kuka aufgebrochen und Ende Juli traf er daselbst bereits wieder mit seinem Gefährten zusammen.

Fortwährend schwebte den beiden Reisenden der ferne Indische Ocean als das letzte Ziel ihres Strebens im Geiste vor. Sie ergriffen deshalb eine am 25. November 1851 sich darbietende Gelegenheit und schlossen sich einem Zuge des Wesirs Hadschi Beschir an, dessen Zweck sie zwar höchlichst mißbilligten, den sie aber nicht hindern konnten. Es ward ihnen hierdurch möglich gemacht, ein gutes Stück nach Süden vorzudringen und dabei ein Urtheil über die Ausführbarkeit einer größern Reise in dieser Richtung zu gewinnen. Der Wesir unternahm nämlich einen Raubzug in die südlich von Kuka gelegenen Landschaften der Mußgo, eines heidnischen Volksstammes. Er hatte zu diesem Zwecke eine Armee von 10,000 Reitern und einer gleichen Anzahl Fußvolk versammelt und drang mit derselben raubend und plündernd bis zum Serbewel oder Arre, einem starken Nebenflusse des Schari, vor, dessen tiefes Wasser endlich Halt gebot.

Mit 5000 Sklaven und 1000 erbeuteten Rindern kehrte das Heer zurück. Barth hatte die Gelegenheit benutzt, um dem Wesir die eindringendsten Vorstellungen über die verderblichen Wirkungen solcher Sklavenjagden zu machen und im Gegensatze dazu die Vortheile eines geregelten Handels, sowie einer sorgsamern Bodenkultur hervorzuheben. Leider sind aber dergleichen Raubzüge viel zu sehr mit den Gewohnheiten der Herrscher und des Volkes verwachsen, als daß sie sich durch Vorstellungen allein so schnell beseitigen ließen. Bei diesem Zuge war es den beiden Europäern aber auch klar geworden, daß es unmöglich sei, durch die Länder der mißhandelten Völkerschaften weiter vorwärts zu dringen, da letztere jeden von Bornu ankommenden Fremden als Todfeind ansehen müssen.

Nachdem Dr. Barth so vergebens versucht hatte, nach Südwesten und nach Süden weiter zu dringen, unternahm er es, in der Richtung nach Südost vorwärts zu gehen. Es kam ihm hierbei das freundschaftliche Verhältniß, welches zwischen dem Herrscher von Bornu und dem Sultan von Baghirmi stattfand, sehr erwünscht, und durch Empfehlungsbriefe von ersterem hoffte er eine gute Aufnahme zu finden. Schon an der Grenze traf er aber bedeutende Schwierigkeiten, da die Eingebornen von dem eindringenden Europäer Uebles für ihr Land fürchteten. Nachdem er doch endlich bis Masena, der Residenz des Sultans, gelangt war, ward es ihm verwehrt, weiter zu gehen, ja er hatte sogar nicht unerhebliche Schwierigkeiten zu überwinden, um wieder nach Kuka zurück zu dürfen.

Währenddem hatte sein Gefährte Dr. Overweg am 24. April 1852 eine Reise nach Südwest unternommen, um wo möglich hier in das Reich der Fellata einzudringen. Vor letzterem warnte ihn aber der Scheikh, es sei denn, daß es ihm gelänge, sich schon vor Ueberschreitung der Grenze des Schutzes jenes Volkes zu versichern. Overweg durchzog die Grenzlande Gudscheba, Baber und der als Menschenfresser verschrienen Kerrikerri. In Fika brachte sein Erscheinen die Bevölkerung in solchen Aufruhr, daß er es nicht für gerathen hielt, sein Leben durch ein forcirtes Weitergehen unnützer Weise aufs Spiel zu setzen. Er kehrte deshalb nach Kuka zurück und traf daselbst am 22. Mai wieder ein. Am 24. Juni langten hier endlich auch die sehnlichst erwarteten Sendungen von Europa an. Außer Geldern und Waaren waren Vollmachten für die Ueberlebenden beigelegt. Lord Palmerston hatte die Summe von 800 Pf. St. zu den frühern Geldern hinzugefügt und für 65 Pf. St. Metallwaaren, Nadeln, Messer, Scheeren, Rasirmesser, Uhren, Kompasse u. dgl. gesendet. Am 20. August war es erst Dr. Barth möglich geworden, sich aus der halben Gefangenschaft, in welcher er zu Masena gehalten wurde, zu befreien und in Kuka einzutreffen. Er fand Overweg körperlich sehr herabgekommen, abgemagert, ohne Eßlust und durch die Anstrengungen ununterbrochener Reisen, sowie durch die zerrüttenden Wirkungen des fiebererzeugenden Klimas geschwächt. Um den verderblichen Einflüssen, welche die am 15. Juni beginnende Regenzeit in Kuka ausübt, zu entgehen, hatte er einen Ausflug an den Komadugu gemacht und sich dadurch auch etwas erholt. Als er aber nach Kuka zurückkehrte und bei seinen Streifzügen in der Umgebung von Maduari am Ufer des Tsad sich in durchnäßten Kleidern eine abermalige Erkältung zuzog, befiel ihn das gelbe Fieber. Am 27. September Morgens 4 Uhr starb er zu Maduari. Barth begrub den Armen dessen Wunsche gemäß an seinem Lieblingsplätzchen, jener Stelle am Tsad-Ufer nämlich, wo das Boot ruhte, mit dem er als der erste Europäer den Tsad-See befahren. Selbst von den Eingebornen wurde der unglückliche junge Mann lebhaft bedauert, da er sich durch sein liebenswürdiges Betragen allgemeines Wohlwollen erworben hatte.

Dr. Barth stand nun gänzlich allein und nur auf sich angewiesen. Er meldete den Tod seines Gefährten seinen Freunden und Gönnern in London, theilte aber in demselben Schreiben seinen Entschluß mit, auf eigene Gefahr hin den großen Zug über Sokoto nach Timbuktu versuchen zu wollen. Dieser Brief erreichte England gerade am Morgen des Tages, an welchem der neuerwählte Gefährte der Expedition, Dr. Vogel, sich nach Afrika einschiffen wollte.

Wir hielten diesen kurzen Ueberblick über die vorhergegangenen Unternehmungen in Innerafrika für erforderlich, um die Bedeutung des letztgenannten jungen und muthvollen Reisenden in entsprechender Weise auffassen zu können, und verweilen nun in Nachstehendem ausschließlich bei dessen Geschick, da wir dieses Buch vorzugsweise ihm als einem uns so nahe stehenden Landsmanne gewidmet haben.

siehe Bildunterschrift

Dr. Eduard Vogel.

Die allgemeine Theilnahme verfolgt jedes Unternehmen, welches neue Aufschlüsse über das Innere des benachbarten Erdtheils Afrika zu geben verspricht. Eben so lebhaft aber, wie die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt auf die Ergebnisse jener Entdeckungsreisen gerichtet ist, eben so lebhaft interessirt sie sich auch für die Personen jener kühnen Männer, die mit wahrem Heldenmuthe ihr Leben aufs Spiel setzen, um den geheimnißvollen Schleier zu lüften. Es sieht ja Derjenige, welcher die Berichte der Wanderer liest, jene Länder und Völker zunächst nur durch die Augen dieser Gewährsmänner, und es erscheinen ihm ja die Angaben derselben in demselben Grade zuverlässiger, je mehr ihm ihre Persönlichkeit selbst Vertrauen einzuflößen im Stande ist. Zugleich bedünken aber auch Den, welchen selbst Wissensdurst durchglüht und der gar zu gern die Träume seiner Jugend, die ihn zu Freund Robinson Crusoë auf die fernen Inseln versetzten, in irgend einer, wenn auch bescheidenen Weise verwirklichen möchte, ihn bedünken jene Reisenden Bevorzugte des Schicksals, die freilich auch oft genug, ähnlich den Führern im Kriegsgetümmel, das tödtliche Geschoß feindlicher Mächte zuerst dahinrafft. Leicht kommt der Nichtunterrichtete dazu, Demjenigen, den der Ruf einer mächtigen Regierung als den Auserwählten bezeichnet, den sie mit Instrumenten und Geldmitteln reichlich ausstattet, für ein besonderes Glückskind zu halten, und dies um so mehr, wenn derselbe von so jugendlichem Alter ist, als es Dr. Eduard Vogel zu der Zeit war, als ihm der ehrenvolle Auftrag zu Theil ward, sich den vorangegangenen Gefährten anzuschließen. Leicht läßt man dabei außer Acht, daß gerade hierin der Fingerzeig liegt: man habe es mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit zu thun, die sich durch die geeigneten Anlagen und durch den beharrlichsten Fleiß die erforderlichen Fähigkeiten erworben, welche im Stande waren, die Aufmerksamkeit so hoher Behörden auf sich zu lenken.

Es gewährt uns einen wirklichen Genuß, dem Leser, welcher sich aus den angeführten Gründen für die Persönlichkeit unsers Reisenden interessirt, dessen früheres Leben in wenigen Umrissen zu zeichnen. Dasselbe bietet ein wahres Musterbild eines deutschen Jünglings, der ausschließlich der Wissenschaft lebt.

Eduard Vogel ward am 7. März 1829 zu Krefeld geboren. In dieser Stadt war zu jener Zeit sein Vater, der um das deutsche Schulwesen so hoch verdiente und allgemein gefeierte Dr. K. Vogel, Rektor der höhern Stadtschule. Eduard war ein Kind von zartem Körperbau, ein Kind der Sorge, und nur einer so treuen, aufmerksamen Pflege, wie sie ihm die liebende Mutter in aufopfernder Weise zu Theil werden ließ, war es nächst Gottes Hülfe zu verdanken, daß er den zahlreichen Gefahren entging, welche das früheste Alter der Kindheit bedrohen. Der Vater ward nach Leipzig versetzt, um als Direktor den Bürgerschulen daselbst vorzustehen, und Eduard ward bereits im Alter von fünf Jahren ein Schüler der durch ihre eigenthümliche Unterrichtsweise berühmt gewordenen Elementarklasse jener Anstalt. Während der folgenden Jahre besuchte er die untern sechs Klassen der genannten Bürgerschule und dann ein Jahr die städtische Realschule. Es zeigte sich bei ihm auf glänzende Weise, wie heilbringend eine Unterrichtsmethode wirkt, welche den Schüler nicht zum mechanischen Werkzeug herabdrückt, die nicht ausschließlich nur sein Gedächtniß in Anspruch nimmt und ihn mit einem beschwerenden Ballast von unverstandenem Scheinwissen ausfüllt, sondern die gleichzeitig den ganzen jungen Menschen berücksichtigt und vor Allem die Selbstthätigkeit zu wecken und in das geregelte Gleichmaß zu leiten sucht. Als Eduard 1841 die Thomasschule besuchte, um sich auf dieser zu seinen akademischen Studien vorzubereiten, traten seine Lieblingsneigungen bereits klar und deutlich ausgesprochen hervor. Seine schon auf der Realschule sich geltend machende Liebe zu den mathematischen Wissenschaften fand hier geeignete Nahrung und er verfolgte mit angestrengtem Eifer Alles, was sich hierauf bezog. Außerdem beschäftigte er sich aber leidenschaftlich gern während seiner Mußestunden mit praktischer Himmelskunde und mit Botanik, und es war schwer zu entscheiden, ob er mehr den freundlichen Blumen oder den lieben Sternen den Vorzug gebe. Hatte er seine Schularbeiten vollendet, Griechisch, Latein oder Französisch getrieben, so eilte er hinaus auf Entdeckungen eines neuen Gewächses, begrüßte jubelnd den Fund, bestimmte das ihm unbekannte Pflänzchen, bereitete es sorgsam für seine Sammlung und ordnete sauber die letztere. Und wenn die Schatten der Nacht Feld und Wald deckten und vor dem spähenden Auge des jungen Botanikers verbargen, dann hob er seine Augen empor zum funkelnden Himmel und beobachtete sorgsam die hellen Gestirne. Daß er dabei seine eigentlichen Arbeiten als Schüler nicht vernachlässigte, davon sprechen seine rühmlichen Zeugnisse und die Prämien, welche ihm als Zeichen besonderer Zufriedenheit von seinen Lehrern zu Theil wurden.

Kaum 18 Jahre alt, hatte er bereits die Reife zur Universität erlangt, als ihn ein bösartiges Nervenfieber ergriff und auf ein langwieriges Krankenlager warf. Ein halbes Jahr später, Ostern 1848, war es ihm vergönnt, die Universität Leipzig zu besuchen, um sich hier ausschließlich dem Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften zu widmen.

Mit größter Gewissenhaftigkeit besuchte er regelmäßig während der Vormittagsstunden die Collegien und verfügte über die freie Nachmittagszeit nach einem wohlgeordneten Plane. Zweimal während der Woche unternahm er botanische Ausgänge, oft bis zu ziemlich weiten Entfernungen. Bei denselben gewöhnte er sich, mit heiterm Sinne Hitze und Kälte, Hunger und Durst zu ertragen, ohne sich dadurch aus der guten Laune bringen zu lassen, und nicht selten, wenn er des Abends ermüdet zurückkehrte und der wolkenlose Himmel sich für Beobachtungen der Sterne günstig zeigte, überwand er die Ermattung und eilte zur Warte, wo sein verehrter Freund, Professor Dr. d' Arrest, seiner harrte.

Er huldigte der richtigen Ansicht, daß nur ein gesunder und frischer Körper ein geeignetes Werkzeug für einen thätigen, strebenden Geist sei, und daß die Pflege des erstern durch geeignete Uebungen ebenso heilige Pflicht sei, als das Studium für den letztern. Deshalb verwendete er die übrigen freien Nachmittage dazu, sich auf dem Turnplatz Kraft und Gewandtheit zu erwerben, und zeichnete sich hierbei besonders durch Geschicklichkeit im Springen aus. Das Schwimmen, das er schon in früher Jugend erlernt hatte, setzte er tüchtig fort und übte sich eine Zeit hindurch gleich eifrig auf dem Fechtboden. Dabei war er ein heiterer und gern gesehener Gesellschafter, an dem man nur tadelte, daß er sich Abends nicht selten möglichst unbemerkt hinwegstahl, sobald er bemerkte, daß der Himmel sich aufhellte und für Beobachtungen günstig zu werden versprach.

Durch solchen rastlosen Fleiß, der dem ermüdeten Körper nur wenige Stunden Schlaf gönnte und während der ganzen Zeit mit geregelter Thätigkeit das vorgesteckte Ziel verfolgte, erwarb sich Eduard Vogel das Wohlwollen seiner Lehrer in hohem Grade. Der genannte Professor Dr. d'Arrest empfahl ihn deshalb, als sich Eduard 1851 nach Berlin begab, den Akademikern Professor Enke und Professor K. Ritter auf so warme Weise, daß sich beide Herren des strebsamen Jünglings in wahrhaft väterlicher Art annahmen. Während ihn der berühmte Astronom praktisch im Beobachten und Berechnen der Gestirne übte und ihm die Schlüssel zur Sternwarte anvertraute, ihn häufig in seinem Studirstübchen besuchte und seine Arbeiten nachsah und prüfte, lehrte ihn der große Geograph die Erscheinungen der Welt von bestimmten Gesichtspunkten aus beherrschend zusammenfassen, mit prüfendem Geiste die Menge der Einzelnheiten ordnen und ihnen eine höhere Bedeutung verleihen, indem er ihn unterwies, dieselben als Theile zu einem Ganzen zu gestalten. Kein Wunder war es, daß durch das begeisternde Wort eines solchen Lehrers der Erdkunde Vogel's Lust am Reisen täglich genährt und gemehrt ward und er seinem Wanderdrange zunächst durch zahlreiche Ausflüge zu genügen suchte.

Unter den von gleichem Streben beseelten Männern, mit welchen er in Berlin in ein vertrauteres Verhältniß trat, werden uns besonders Luther (jetzt Direktor der Sternwarte zu Bilk am Rhein), Rümker aus Altona (jetzt in England) und Sieveking aus Hamburg genannt. Ebenso suchte er den belehrenden Umgang gebildeter Männer höhern Alters und schloß sich vorzugsweise dem liebenswürdigen Zeune der seitdem verstorben ist, näher an. In Berlin veröffentlichte er auch zuerst einzelne seiner wissenschaftlichen astronomischen Arbeiten und ließ dieselben in den Schumacher'schen »Astronomischen Jahrbüchern« erscheinen. Diese lenkten zunächst die Aufmerksamkeit der Londoner Astronomen auf ihn und wurden in Gemeinschaft mit Professor Enke's Empfehlung Veranlassung, ihn trotz seines jugendlichen Alters von 22 Jahren nach der Hauptstadt Englands zu berufen.

Eduard Vogel hatte während der Herbstferien 1851 von Leipzig aus eine Reise ins Riesengebirge unternommen und widmete sich auf derselben ganz seiner Lieblingsbeschäftigung mit den Pflanzen, zu der die schöne Voralpenflor dieses Gebirges ihm die reichlichste Gelegenheit bot. Währenddem gelangte von dem berühmten Planetenentdecker Hind eine Einladung an ihn, an der Sternwarte des Herrn Bishop in Regentspark die Stelle eines Assistenten zu übernehmen, mit welcher vorläufig ein Jahresgehalt von 800 Thalern verbunden war. Jubelnd nahm er das ehrenvolle Anerbieten, das ganz seinen längstgehegten Wünschen entsprach, an und kehrte nur auf kurze Zeit nach Berlin zurück, um sich daselbst von seinen Freunden und hohen Gönnern, zu denen auch Alexander von Humboldt zählte, zu verabschieden. Mit wenigen, aber guten Empfehlungen kam er in London an und suchte sich mit allen Kräften sofort in seiner neuen Stellung heimisch zu machen. Seinen regen Feuereifer, seiner umsichtigen Anstelligkeit, mit Natürlichkeit und Bescheidenheit gepaart, gelang es auch bald, sich die Zufriedenheit der angesehenen Männer zu erwerben, mit denen ihn seine Stellung in nähere Berührung brachte. Zu diesen gehörte außer dem genannten Astronomen Hind auch der treffliche Herr Bishop, ein Mann, der zur Förderung der astronomischen Wissenschaft jährlich mehrere Tausend Thaler auf die uneigennützigste Weise opferte.

Zugleich erlangte Vogel durch sein anspruchsloses, fast kindliches Wesen Zutritt zu mehreren achtbaren englischen Familien, ein Vortheil, der bekanntlich einem Fremden selten verstattet wird. So rühmt Vogel hauptsächlich die Güte und Freundlichkeit, mit welcher er in dem Hause des Mr. Burton in London aufgenommen wurde. Sehr warm ward er auch von Seiten des Ritters Bunsen unterstützt, der sich damals als preußischer Gesandter am Hofe von St. James befand und dem er durch einen Freund des väterlichen Hauses warm empfohlen worden war.

Durch seine außergewöhnlichen Kenntnisse und seinen nie rastenden Fleiß, mit welchem er auch hier fortfuhr, als Astronom weiter zu arbeiten, und durch die von ihm veröffentlichten Arbeiten in diesem Gebiete, durch welche er sich den Ruf eines besonders zuverlässigen astronomischen Rechners erwarb, zog er bald die Aufmerksamkeit der englischen Gelehrten in einem solchen Grade auf sich, daß er bereits im Januar des Jahres 1852 mit seltener Stimmeneinheit zum Mitglied der Königlichen Astronomischen Gesellschaft gewählt ward, trotz seines jugendlichen Alters von kaum 22 Jahren.

Vogel fühlte sich in London ganz heimisch. Hauptsächlich um seine Kenntniß der englischen Sprache möglichst zu fördern, besuchte er häufig das Theater und liebte den Umgang gebildeter Engländer. Doch auch mit deutschen Gelehrten, die sich in England aufhielten, kam er bald in vertraute Verhältnisse und knüpfte ein inniges Freundschaftsband mit dem bekannten Reisenden und Botaniker Berthold Seemann, sowie mit dem berühmten Königl. Geographen Dr. August Petermann. Durch Beide ward er in die Königl. Geographische Gesellschaft eingeführt und hier seine Aufmerksamkeit auf die großen Entdeckungsreisen der Gegenwart hingelenkt. Hierdurch erhielt seine alte Reiselust neue Nahrung und er kannte keinen lebhaftern Wunsch als den, daß ihm das Glück zu Theil werden möge, einer größern Entdeckungsexpedition als Astronom und Botaniker beigegeben zu werden. Trotzdem daß er sich in einer behaglichen, zugleich ehrenvollen und sorgenlosen Stellung befand, war er doch jederzeit bereit, dieselbe aufzugeben und sich unverzagt allen jenen Gefahren auszusetzen, welche dem Reisenden in unwirthlichen Ländern durch ungewohntes Klima, Anstrengungen und feindliche Menschen drohen, sobald es galt, der Wissenschaft zu dienen und dadurch ein Werkzeug zu sein, welches zum Wohle des Fortschrittes des gesammten Geisteslebens wirkt. So sprach es Vogel offen aus, daß er stets zu einer solchen Reise bereit sein würde – »sei es auch nach dem Nordpol oder Südpol, nach Afrika oder Neu-Guinea, an irgend einen Ort, wo es noch etwas Interessantes zu thun gäbe«. So war er auch sehr nahe daran, den Kapitän Inglefield auf seiner Polarreise im Herbst 1852 zu begleiten, aber zum Glück für die Geographie Centralafrika's zerschlug sich dieses Projekt.

Die größte Aufmerksamkeit der Geographischen Gesellschaft wie der gebildeten Welt überhaupt war zu dieser Zeit auf die von Richardson, Barth und Overweg unternommene Expedition nach dem Sudan gerichtet, die Ende 1849 begonnen und damals bereits drei Jahre lang gewährt hatte. Der Chef derselben, James Richardson, war zwar schon nach einem Jahre erlegen, aber seine beiden deutschen Begleiter hatten nichtsdestoweniger ihre Unternehmungen unverzagt fortgesetzt. Die Nachrichten von Dem, was die beiden rastlosen Männer bis Ende August 1852 unternommen und ausgeführt hatten, erreichten London um die Weihnachtszeit desselben Jahres. Auf das so klein und bescheiden angefangene Unternehmen war im Anfang von Seiten der englischen Regierung kein besonderes Gewicht gelegt worden, und deshalb hatte man keine großartigen Fonds dazu angewiesen. Unter Anderm waren auch die Instrumente für die verschiedenen wissenschaftlichen Beobachtungen der Expedition etwas karg zuertheilt, und dieselben hatten natürlich durch die dreijährigen Kreuz- und Querzüge arg gelitten. Auch war das Flottmachen des Unternehmens so schleunig betrieben worden, daß zu den Vorbereitungen, wie sie solche Reisen erfordern, wenn der Zweck derselben in seinem ganzen Umfange erreicht werden soll, durchaus keine Zeit dagewesen und die nöthige Ausbildung und Uebung in einigen Beziehungen, wie z. B. für astronomische Beobachtungen, fehlte.

Die genannten Reisenden hatten sich zwar von Anfang an riesige Aufgaben gestellt, aber ihre Freunde in Europa zweifelten sehr, ob es selbst dem heroischen Muthe, welchen dieselben besaßen, gelingen würde, jenes Heer von Hindernissen zu überwältigen, das sich dem Fremden in jenen Ländern entgegenstellt. Einige Male sprach sich selbst in den Briefen der Reisenden der leise Wunsch um Verstärkung und Nachsendung von Gefährten aus. So schrieb Dr. Barth am 13. Juli 1852: »Was sind zweier Menschen Arbeiten für diese weite und beschwerliche unbekannte Welt!«

Die oben angedeuteten Mängel wurden im Laufe der Zeit immer fühlbarer, je mehr die Bedeutung des Unternehmens sich steigerte, und es erschien der Geographischen Gesellschaft von größter Wichtigkeit, einen tüchtigen Astronomen von Profession, ausgerüstet mit einem Assortiment der erforderlichen Instrumente, jenen beiden Reisenden nachzusenden. Zu einer solchen Sendung erschien nun E. Vogel als der geeignetste Mann, und die von Dr. Petermann Ende Januar 1853 an ihn gestellte Anfrage: ob er sich wol dazu entschließen könne, die Stelle des verstorbenen Richardson bei der afrikanischen Expedition zu ersetzen, ward von demselben mit einem begeisterten freudigen »Ja!« erwiedert. Er brannte vor Verlangen, den beiden kühnen Landsleuten Barth und Overweg nachzueilen, ihnen neue Hülfsmittel zu überbringen und mit ihnen vereint das angefangene große Werk fortzusetzen. Er sagte um so freudiger dem ehrenvollen Antrage zu, da er der Einwilligung seiner Eltern, die längst schon auf einen solchen Entschluß vorbereitet waren, versichert sein konnte, und erklärte, er würde spätestens, in acht Tagen bereit sein, dahin abzugehen, wenn er das Glück hätte, den Auftrag dazu zu erhalten.

Ein ausführliches Schreiben wurde nun von Dr. Petermann unter dem Datum des 11. Januar 1853 an Ritter Bunsen gerichtet, denjenigen Mann, der allein es vermochte, den Vorschlag und Plan zu Vogel's Reise bei der englischen Regierung zu befürworten und deren Genehmigung durchzusetzen. In der That erkannte Ritter Bunsen mit dem ihm eigenen Scharfblick die Wichtigkeit des vorgelegten Planes und lieh demselben seine angelegentliche Betheiligung und mächtige Fürsprache. Zuvörderst wurde Dr. Vogel mit einigen der ersten Gelehrten Englands zusammen gebracht, um deren Urtheil über seine Befähigung zu erlangen. Dasselbe fiel ohne Ausnahme aufs allergünstigste aus; besonders äußerten sich Admiral W. H. Smyth, Colonel Sabine, Sir William J. Hooker schriftlich darüber, und in einem dieser Schreiben heißt es unter Anderm: »daß es schwer sein würde, in ganz England einen Mann von seinem Alter zu finden, der so viele Fähigkeiten eines tüchtigen Reisenden besäße als Dr. E. Vogel.«

Auf diese Weise unterstützt, wurde eine Eingabe an Lord John Russell, den damaligen Minister des Auswärtigen, gemacht und von diesem erleuchteten Manne das Gesuch in seinem ganzen Umfange genehmigt.

Unterm 1. Februar 1853 schrieb Vogel von London aus an seinen Vater: »Am 15. Februar verlasse ich England, um im Auftrage und Dienste der englischen Regierung eine große Entdeckungsreise nach dem Innern Afrikas anzutreten. Du wirst vielleicht, betroffen durch das Plötzliche meines Entschlusses, denken, daß ich diesen Plan Dir absichtlich verschwieg; ich wußte aber in der That noch vor vierzehn Tagen nicht das Geringste davon und wurde erst am 17. Januar vom Ritter Bunsen mit der Nachricht überrascht, daß man beabsichtige, mich den beiden Reisenden Barth und Overweg nachzuschicken, um genaue astronomische Ortsbestimmungen festzustellen, magnetische und meteorologische Beobachtungen zu machen und außerdem den Vegetationsverhältnissen einige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Jetzt hilft kein Abrathen mehr, ich bin schon gebunden und werde in etwa vierzehn Tagen in Begleitung von zwei Sappeurs, die man mir zur Unterstützung mitgiebt, mit dem englischen Packetboot nach Malta abgehen. Dort hat der Gouverneur Befehl, mir ein Schiff zur Disposition zu stellen, welches mich nach Tripoli bringen soll. Von da aus gehe ich mit den nöthigen Dienern – ich nehme noch einen Malteser und einen Araber mit – nach Mursuk und von da nach dem Tsad-See, wo ich mit den genannten beiden Reisenden zusammenzutreffen hoffe, um mit ihnen gemeinschaftlich in südöstlicher Richtung die Reise fortzusetzen. Giebt Gott seinen Segen, so suchen wir die Quellen des Nils auf, erforschen das sogenannte Mondgebirge und die neuerlichst so viel besprochenen Schneeberge und kommen, so Gott will, Ende 1855 bei Zansibar oder Mosambik wieder zum Vorschein. Lord John Russell hat sich sehr gnädig gegen mich bewiesen und mich ermahnt, nur die Kosten nicht zu scheuen und alles Nöthige reichlich mitzunehmen. Ich werde ihn vor meiner Abreise noch einmal sehen bei einem großen Diner, welches Bunsen auf Veranlassung meiner Sendung in nächster Woche zu geben gedenkt. Alles was in England irgendwie einen Namen der Wissenschaft hat, interessirt sich aufs höchste für mein Unternehmen. Obrist Sabine hat mir die magnetischen Instrumente besorgt, Sir William Hooker und R. Brown die zum Pflanzensammeln nöthigen Utensilien geliefert u. s. w. Bishop und Hind sind zwar traurig, mich fortlassen zu müssen, indeß hat mein freundschaftliches Verhältniß zu ihnen dadurch nicht im mindesten gelitten. Ich habe Sir William Hooker gebeten, die ersten drei neuen Pflanzenarten, die ich entdecken werde, Bishopia, Bunsenia und Hindia zu nennen. Ich bitte Dich, beruhige die gute Mutter über die Gefahren der Reise. Dieselben sind keineswegs so groß, wie sie sich etwa vorstellt. Das Klima ist in allen Theilen, die ich besuchen werde, durchaus nicht ungesund, wovon Barth und Overweg, die sich darin schon über zwei Jahre gut befunden haben, das beste Zeugniß geben. Die Eingebornen sind nicht zu fürchten, denn einmal flößt selbst ihnen der Name Englands Respekt ein, und dann, wenn wir nach Gegenden kommen, wo derselbe unbekannt sein sollte, so werden sieben bis acht wohlbewaffnete Europäer sammt ihren Dienern sich auch schon allenfalls durchschlagen können. Daß selbst von oben her die Expedition nicht für sehr gefährlich gehalten wird, beweist auch der Umstand, daß man mir allein für mehr als 1500 Thaler mathematische und physikalische Instrumente mitgiebt. Außer diesen nehme ich viele Kisten voll Glasperlen, kleinen Spiegeln, Messern, Scheeren, Spieluhren und Harmonikas, nebst gewebten Stoffen aller Art mit, da jenseits Mursuk das Geld seine Geltung verliert und Waaren wie die genannten seine Stelle vertreten müssen.

Beruhigt Euch also und vertrauet Gott, unter dessen Obhut ich reise.«

Jene kostbaren Instrumente waren besonders auf Veranlassung des Ministers Sir John Russell angeschafft worden, der sich in hohem Grade für das Unternehmen und für den jungen Reisenden insbesondere interessirte. Er sorgte auch dafür, daß letzterem zwei erfahrene und an das tropische Klima gewöhnte Männer aus dem königlichen Ingenieurcorps, Church und Swenny, als Gehülfen mitgegeben wurden. Als nächste Instruktion war Vogel aufgegeben worden, er solle, sobald er am Tsad-See angekommen sei, so genau und vollständig als möglich die geographische Länge und Breite, sowie die absolute Höhe dieses Sees zu ermitteln suchen; gleichzeitig solle er Mittheilungen machen über seine eigenen Beobachtungen in allgemeiner Beziehung und über seine astronomischen Beobachtungen unterwegs bis zu diesem Punkte. Mit der nächsten Karawane solle er seine gesammelten getrockneten Pflanzen schicken, desgleichen alle Sämereien, deren er habhaft werden könne; dasselbe solle er mit etwaigen zoologischen Gegenständen und mit denjenigen Sammlungen thun, welche auf Overweg's Rath von Naturerzeugnissen und Manufakturen in Bornu veranstaltet worden waren. Als Hauptzweck seiner Reise ward noch festgehalten, daß er den beiden Freunden Barth und Overweg als Genosse sich zugesellen solle, um bei den gemeinschaftlich anzustellenden Reisen vorzugsweise die astronomischen und botanischen Interessen im Auge zu behalten.

Die Freunde in London fühlten sich im Geiste glücklich bei dem Gedanken, welche Freude es den beiden wackern Männern im Innern Afrikas gewähren würde, wenn der junge, talentvolle und liebenswürdige Mann mit seinen beiden kräftigen und gewandten Begleitern und den reichen Hülfsmitteln ankommen würde, nachdem sie sich, ohne eines Europäers Antlitz erblickt zu haben, zwei Jahre hindurch zwischen räuberischen Tuariks und den gefährlichen Horden der Fellata durchgeschlagen. Vogel's Abreise sollte deshalb so sehr als möglich beschleunigt werden, um sie baldigst an dem bezeichneten Punkte zu treffen.


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