Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweites Kapitel.
Das Erwachen des Selbst

Als erstes in der Reihe der mystischen Stadien müssen wir das entscheidende Ereignis, das Erwachen des übersinnlichen Bewußtseins, betrachten.

Dies Erwachen erscheint unter psychologischem Gesichtspunkt als eine gesteigerte Form der viel erörterten Erscheinung, die man als »Bekehrung« bezeichnet. Besonders ist es nahe verwandt mit den tiefen und dauernden Bekehrungen der Erwachsenen, die einige Religionspsychologen »Heiligung« nennen Vgl. Starbuck, The Psychology of Religion Kap. 29.. Es ist eine Störung des seelischen Gleichgewichts, die zu einer Verschiebung des Bewußtseinsfeldes von niederen auf höhere Ebenen führt, wobei sich das Interesse, das sich bis dahin auf das Subjekt konzentrierte, ausschließlich einem nun in die Erscheinung tretenden Objekte zuwendet. Dies ist der notwendige Anfang jeder Entwicklung zum Transzendenten. Man darf diesen Vorgang jedoch nicht mit dem verwechseln, was wir gewöhnlich unter religiöser Bekehrung verstehen: mit der plötzlichen und gefühlsmäßigen Annahme theologischer Glaubensformen, die man bis dahin entweder verworfen oder als Konventionen, die am Rande des Bewußtseins ihren Platz und für das praktische Leben keine Bedeutung haben, betrachtet hatte. Von außen gesehen mag jener Vorgang so ziemlich derselbe sein; aber nach seinem Erlebnisgehalt und seinen Folgen gehört er in eine höhere Ordnung.

Was Starbuck von der Bekehrung sagt, trifft viel mehr auf das mystische Erwachen zu als auf die Erweckungserscheinungen, wie sie der amerikanische Protestantismus fördert. »Bekehrung«, sagt er, »ist zunächst eine Entselbstung. Zuerst wird der Mensch in seine eigene kleine Welt hineingeboren. Er wird beherrscht von den tief eingewurzelten Instinkten der Selbsterhaltung und Selbstausdehnung, die zweifellos ein Erbe von seinen tierischen Vorfahren sind. Sein Ich bildet den Mittelpunkt seines Universums.« Die Bekehrung tritt nun ein, wenn »das größere Welt-Bewußtsein sich dem Einzel-Bewußtsein aufdrängt. Oft bricht es plötzlich herein und wird zu einer großen neuen Offenbarung. Dies ist die erste Stufe der Bekehrung: der Mensch tritt aus einer kleinen und begrenzten Daseinswelt in eine größere Welt des Seins. Sein Leben wird von einem größeren Ganzen verschlungen Ebenda Kap. 12.«.

Jede Bekehrung hat zur Folge das plötzliche oder allmähliche Auftauchen unmittelbarer Wahrnehmungen aus dem Unterbewußtsein und die sich daraus ergebende Erneuerung des Bewußtseinsfeldes, eine Veränderung in der Haltung gegenüber der Welt. Aber bei dem Mystiker ist dieser Vorgang zur höchsten Intensität gesteigert, denn bei ihm bedeutet er das erste Hervorbrechen jenes Sinnes für das Absolute, der seinen besonderen Charakter ausmacht und der von nun an ein Ereignis von ungeheuerer Bedeutung für alle Seiten seines Lebens wird. Die, denen dies geschieht, sind oft schon »religiös« und sind es bisweilen schon in hohem Maße. Rulman Merswin, die hl. Katharina von Genua, Madame Guyon, George Fox – sie alle waren in Frömmigkeit erzogen und erkannten die christliche Überlieferung in allen Einzelheiten an. Nichtsdestoweniger wurden sie sich einer gänzlichen Umwandlung ihrer Welt bewußt, als die Augen ihrer Seele geöffnet wurden.

Bisweilen geschieht dies Auftauchen des mystischen Bewußtseins allmählich, ohne daß sich eine bestimmte Krise bemerkbar macht. Das Selbst gleitet sanft, fast unmerklich, aus der alten Welt in die neue. Nach den Urkunden der Mystik scheinen dies jedoch Ausnahmefälle und scheinen Wehen die normale Begleitung der Geburt zu sein. Es gibt noch einen andern Typus, wie ihn z. B. George Fox vertritt, bei dem es eine Bekehrung im eigentlichen Sinne überhaupt nicht gibt; sondern eine allmählich zunehmende Helle, die das Selbst im Anfange kaum bemerkt, begleitet mit Unterbrechungen die Seelenqual und die inneren Kämpfe, die für die Läuterungsstufe charakteristisch sind. Bekehrung und Reinigung gehen dann Hand in Hand und gehen schließlich in die heitere Klarheit des Zustandes der Erleuchtung über. Fox' Tagebuch aus dem Jahre 1647 enthält eine lebendige Schilderung dieser immer stärker werdenden übersinnlichen Wahrnehmungen eines Geistes, der noch nicht mit sich selbst eins ist und nach Klarheit strebt. »Obwohl meine Prüfungen und Leiden sehr groß waren,« sagt er, »so waren sie doch nicht so unausgesetzt, daß ich nicht dazwischen Ruhepausen gehabt hätte, ja, bisweilen überkam mich eine so himmlische Freude, daß ich mich wie in Abrahams Schoß fühlte … So hielt in den größten Leiden und Versuchungen, die mich immer wieder befielen, der Herr in seiner Gnade mich aufrecht. Ich empfand in mir zwei Verlangen: eins nach den Kreaturen, um von ihnen Hilfe und Kraft zu erlangen, und eins nach dem Herrn, dem Schöpfer … Es war, als wenn zwei Stimmen in mir sprächen. Eines Tages, als ich einsam umher gewandert war und heimkam, fühlte ich mich ganz eingehüllt in Gottes Liebe, so daß ich von der Größe seiner Liebe überwältigt war. Während ich in diesem Zustande war, wurde sie mir durch das ewige Licht offenbart, und in diesem Lichte sah ich alles klar … Aber ach! da sah ich meine Leiden und Prüfungen und Versuchungen deutlicher, als ich es je getan Journal of George Fox Kap. I (Vol. I, p. 10, 12, 14; Übers. v. Marg. Stähelin S. 9-11).

An die Stelle der großen Schwankungen des typischen Mystikers zwischen Freude und Schmerz treten hier eine Anzahl von kleineren. Die »zwei Verlangen«, das des oberflächlichen und das des geistlichen Bewußtseins, behaupten sich abwechselnd. Jeder Schritt vorwärts auf die Vision des Wirklichen zu bringt einen Rückschlag mit sich. Die entstehenden übersinnlichen Kräfte ermüden leicht, und das Pendel des Selbst macht kürzere Schwingungen. »Ich ward emporgerissen zu dir von deiner Schönheit und wiederum hinweg von dir herabgerissen von meinem eigenen Gewicht«, sagt der hl. Augustinus, indem er das Geheimnis dieses Erlebens in wenige unvergeßliche Worte zusammenfaßt Conf. VII, 17..

Am häufigsten jedoch, wenn wir nach den authentischen Berichten, die wir besitzen, urteilen dürfen, ist die mystische Bekehrung ein einmaliges plötzliches Erlebnis, das sich von den langen dumpfen Kämpfen, die ihm vorhergehen und folgen, scharf abhebt. Gewöhnlich gibt es sich als eine plötzliche und lebhafte Wahrnehmung eines Glanzes und einer wunderbaren Wirklichkeit in der Welt – oder bisweilen ihres Gegenteils, der göttlichen Trauer im Herzen der Dinge –, die sie nie vorher wahrgenommen haben. Soweit ich die Möglichkeiten menschlicher Sprache kenne, gibt es keine Worte, die eine solche Wahrnehmung ausdrücken können. Sie ist von so starker Wirkung, daß daneben alle früheren Wahrnehmungen in der normalen Welt nur dämmerhaft erscheinen. Das Bewußtsein hat plötzlich seinen Rhythmus geändert, und ein neues Bild des Universums steigt vor ihm auf. Die störenden Nebel sind hinweggefegt und lassen, wenn auch nur auf einen Augenblick, den scharfen Umriß der Ewigen Hügel sehen. »Wer es geschaut hat, weiß, was ich sage, daß die Seele dann ein anderes Leben empfängt Plotin, Sechste Enneade IX, 7.

In den meisten Fällen überkommt dieses neue Bewußtsein den Menschen so plötzlich, so offenbar viel mehr von außen sich aufdrängend als von innen heraus entwickelt, daß es als etwas Übernatürliches erscheint. Das typische Beispiel dafür ist natürlich der hl Paulus: das plötzliche Licht, die Stimme vom Himmel, die Verzücktheit, die vollständige Umwandlung des Lebens. Wir werden jedoch sehen, wenn wir die Zeugnisse derjenigen Mystiker prüfen, die uns einen detaillierten Bericht über ihren Seelenzustand vor ihrer Bekehrung hinterlassen haben, daß die scheinbar plötzliche Bekehrung in Wirklichkeit fast immer die Folge und das Ergebnis einer langen Periode der Unruhe, Ungewißheit und seelischen Not ist. Das tiefere Selbst regt sich unruhig in seinem Gefängnisse, und sein Hervorbrechen geschieht erst nach vielen vergeblichen Fluchtversuchen. Die Naturanlage des Menschen, seine Umgebung, eine unbestimmte, aber nie weichende Vorstellung von einer übersinnlichen Wirklichkeit, die er nicht finden und doch nicht vergessen konnte, alles dies hat ihn für diese plötzliche Wandlung vorbereitet Man vergleiche, wie Augustin in seinen Konfessionen die Jahre der Ungewißheit und des Kampfes beschreibt, die ihn für das plötzliche »Tolle, lege!« [Nimm und lies! VIII, 29], den Abschluß des Schwankens und die Einführung in das lange gesuchte Leben der Wirklichkeit, vorbereiteten.«.

Wenn jedoch die unterbewußten Wahrnehmungen, die schon lange im Keimen waren, endlich zum Leben erwachen und die Augen sich einem neuen Licht öffnen – und es ist bedeutsam, daß dieser Bewußtseinszustand stets von einem Gefühl blendender Helle begleitet wird –, sind aller Sturm und Drang, alle dumpfen Sehnsüchte und Zweifel des vergangenen Lebens vergessen. Bei dieser plötzlichen Erkenntnis der Wirklichkeit »ist alles neu geworden«; an diesem Punkte beginnt das Leben des Mystikers. Eine Bekehrung dieser Art könnte man definieren als eine plötzliche, intensive Wahrnehmung des dem Weltall innewohnenden Gottes, der göttlichen Schönheit und unaussprechlichen Herrlichkeit jenes größeren Lebens, in das der Einzelne eingetaucht ist, und eines neuen Lebens, das das Selbst fortan in Übereinstimmung mit dieser sein ganzes Dasein beherrschenden Tatsache führen soll. Der Nebel der Täuschung reißt plötzlich entzwei, und die Märchengefilde der Ewigkeit werden dem Auge sichtbar. Einen Augenblick sieht der Neophyt die Natur mit den Augen Gottes. In diesem glorreichen Augenblick »ist alles Schönheit, und dies sehn, ist lieben, und Lieben Pflicht [Roß. Browning, The Guardian-Angel (Dramatic Lyrics) str. V.]«. Aber was alles eine solche Erklärung bedeutet, das wissen nur die Mystiker, und selbst sie scheinen nicht imstande, dies zu sagen.

Ich will hier zum Vergleich ein paar Beispiele einer solchen mystischen Bekehrung heranziehen, indem ich, wo dies angängig ist, die Schilderung des Betreffenden selbst oder, wenn diese fehlt, den frühesten authentischen Bericht darüber zitiere. Wenn wir diese Fälle zusammennehmen, so werden wir bestimmte, immer wiederkehrende charakteristische Eigentümlichkeiten sehen, aus denen wir vielleicht das psychologische Gesetz ableiten können, das ihre eigentümliche Gestaltung bestimmt.

Das erste unter diesen der Zeit nach und vielleicht auch der Bedeutung nach ist das Beispiel des hl. Franz von Assisi, jenes großen Dichters und Kontemplativen, jenes leidenschaftlichen Liebhabers des Absoluten, den die unselige Begeisterung seiner agnostischen Bewunderer der modernen Welt als einen himmlischen Patron der sozialistischen Bewegung und des einfachen Lebens hingestellt hat. Die Tatsache, daß der hl. Franziskus wenig schrieb und viel lebte, daß seine Handlungen von unvergleichlicher Einfalt und Unmittelbarkeit waren, hat uns gegen die andere Tatsache blind gemacht, daß er ein typischer Mystiker ist, der einzige vielleicht, der die alltäglichsten und niedrigsten Begebenheiten des sinnlichen Lebens zwang, zum vollkommenen Ausdruck der Wirklichkeit zu werden.

Nun war der Erweckung des hl. Franziskus, die im Jahre 1206, als er 24 Jahre alt war, stattfand, ein langer, harter Kampf vorausgegangen zwischen dem Leben der Welt und dem unablässigen Ruf des Geistes. Sein Geist war, wie wir heute sagen, noch nicht eins geworden. Er war ein temperamentvoller Knabe, voll von Lebenskraft, von Natur ein Künstler, mit der ganzen Kompliziertheit, wie sie einem künstlerischen Temperament eigen ist. Sowohl Krieg wie weltliche Vergnügungen zogen ihn an, und damit »vergeudete er«, wie seine Legende erzählt, »elendiglich seine Zeit Thomas von Celano, Legenda Prima Kap. I, § 2.«. Trotzdem fühlte er sich irgendwie unbefriedigt. Inmitten der Feste versank er oft plötzlich in Geistesabwesenheit: die ersten mißglückten Versuche des wachsenden übersinnlichen Bewußtseins, das, noch unter der Schwelle eingeschlossen, doch die Berührung mit der Wirklichkeit schon spürte, ans Licht zu dringen und die Zügel zu ergreifen. »Noch in Unwissenheit befangen, war er schon auf dem Wege zur vollkommenen Erkenntnis«, sagt Thomas von Celano. Er liebte die Schönheit, denn er war von Natur ein Dichter und ein Musiker, und wich unwillkürlich vor der Berührung mit Krankheit und Häßlichkeit zurück. Aber etwas in ihm widersetzte sich dieser natürlichen Neigung und besiegte sie bisweilen. Dann gesellte er sich zu Bettlern, pflegte die Aussätzigen und verrichtete impulsiv Taten der Barmherzigkeit und der Selbsterniedrigung Thomas von Celano, Legenda Secunda Kap. V. (Das Folgende Kap. VI.) Vgl. P. Sabatier, Leben des hl. Franz von Assisi, 2. Kap., wo die Berichte der Quellen ausführlich vorgelegt werden..

Als dieser zwiespältige Zustand, den die Legende als »den Versuch, vor Gottes Hand zu fliehen«, beschreibt, einige Jahre gedauert hatte, geschah es eines Tages, daß er in der Umgegend von Assisi umherwanderte und an der kleinen Kirche von San Damiano vorbeikam, »die (ich zitiere hier wieder Thomas von Celanos »Legenda Secunda«) fast ganz verfallen und von allen Menschen verlassen war. Vom Geiste getrieben, trat er ein und fiel in inbrünstigem Gebet vor dem Kruzifix nieder, und nachdem er von ungewohnten Heimsuchungen betroffen war, verließ er den Ort als ein anderer, als der er hineingegangen war«.

Hier haben wir also die erste Stufe der Bekehrung. Der Kampf zwischen zwei entgegengesetzten Lebensidealen ist zu Ende. Ein plötzlicher und scheinbar irrationaler Impuls zu einer entscheidenden Handlung dringt aus der siedenden Tiefe ins Oberflächenbewußtsein. Dem Impulse wird gehorcht, und nun erfolgt sogleich das Hervorbrechen des transzendentalen Sinnes. Diese »ungewohnte Heimsuchung« bewirkt eine plötzliche und unwillkürliche Veränderung im Bewußtsein des Menschen, wodurch er buchstäblich »ein anderer Mensch« wird. Er ist wie einer, der geschlafen hat und nun erwacht.

Nun folgt die Verdichtung dieser neuen, zuerst fließenden Wahrnehmung der Wirklichkeit zu einer Vision oder Stimme, der direkte Appell der Wahrheit an das erwachte Selbst. »Und während er so erregt dalag, geschah etwas Niegehörtes: das gemalte Bildnis des gekreuzigten Christus öffnete die Lippen, und indem es ihn mit Namen rief, sprach es: ›Franz, geh, und bessere mein Haus aus, das, wie du siehst, in Trümmer zerfällt.‹ Und Franz zitterte, aufs äußerste bestürzt, und gleichsam von diesen Worten emporgehoben und fortgetragen. Und er schickte sich an zu gehorchen und richtete sein ganzes Sinnen auf die Erfüllung dieses Befehls. Allein da er fühlte, daß das, was über ihn gekommen, unaussprechlich war, geziemt es auch uns, davon zu schweigen …« Von der Zeit an »war er unermüdlich an der Wiederherstellung der Kirche tätig. Denn wenn auch die Worte, die ihm gesagt waren, sich auf die göttliche Kirche bezogen, die Christus mit seinem eigenen Blut erkauft hatte, so strebte er nicht gleich nach solchen Höhen, sondern ging allmählich von den Dingen des Fleisches zu denen des Geistes über Thomas von Celano, Legenda Secunda Kap. VI.«.

In einem Augenblick ist seine ganze Welt vollständig umgeordnet. Zögern und Zweifel gibt es nicht. Er weiß, daß die Wandlung, die mit ihm vorgegangen ist, und die er nicht beschreiben kann, zentrale Bedeutung hat für sein ganzes Leben. Keinen Augenblick denkt er daran, der gebieterischen Stimme, die von einer höheren Wirklichkeitsebene zu ihm spricht und das Opfer seiner Laufbahn fordert, nicht zu gehorchen.

Vergleichen wir nun mit der Erfahrung des hl. Franziskus die einer andern großen Heiligen und Mystikerin, die wie er das aktive Leben mit dem kontemplativen verband. Katharina von Genua, die von Kindheit auf eine religiöse Natur gewesen zu sein scheint, wurde durch Jahre der Einsamkeit und Trübsal, die aus einer unglücklichen Heirat folgten, für die Erneuerung ihres Bewußtseins vorbereitet. Auch sie hatte, wie der hl. Franziskus, – aber viel mehr in Leid als in Freude – zwischen der Welt, die sie nicht befriedigte, und der Religion, die ihr nicht mehr helfen konnte, geschwankt. Schließlich war sie in einen Zustand dumpfer Verzweiflung geraten, wo sie sowohl sich wie das Leben haßte.

Ihre Befreiung geschah ebenso plötzlich. Im Jahre 1474, als sie 26 Jahre alt war, »am Tage nach dem Feste des hl. Benediktus, ging Katharina (auf Drängen ihrer Schwester, die eine Nonne war), zum Beichtvater des Nonnenklosters, um bei ihm zu beichten. Sie war nicht in der Stimmung dafür, aber ihre Schwester sagte: ›Geh wenigstens und empfiehl dich seiner Fürbitte, denn er ist ein sehr frommer Mann‹; und das war er in der Tat. Und plötzlich, als sie vor ihm kniete, empfing sie in ihrem Herzen die Wunde der unermeßlichen Liebe Gottes, mit einer so deutlichen Einsicht in ihr eigenes Elend und ihre Fehler und Gottes Güte auf der andern Seite, daß sie fast zur Erde fiel. Und wie sie die unendliche Liebe fühlte und zugleich die Kränkungen, die sie diesem huldreichen Gott zugefügt, wurde ihr Gemüt so von läuternder Liebe ergriffen, daß sie fast außer sich war und alle armseligen Dinge dieser Welt um sie her versanken; und sie rief in ihrem Herzen in inbrünstiger Liebe: ›Keine Welt mehr! Keine Sünden mehr!‹ Und wenn sie tausend Welten zu eigen gehabt hätte, so hätte sie sie in diesem Augenblick alle von sich geworfen … Und sie ging heim, entzündet und tief verwundet von einer so großen Liebe Gottes, die ihr innerlich offenbart worden war zugleich mit ihrer eigenen Erbärmlichkeit, daß sie wie außer sich war. Und sie schloß sich in einem Zimmer ein, dem abgelegensten, das sie finden konnte, mit Weinen und heißem Seufzen. Und in diesem Augenblick ward sie innerlich unterwiesen im Gebet, aber ihre Zunge konnte nichts anderes sagen als dies: ›O Liebe, kann es sein, daß du mich mit einer so großen Liebe gerufen und mir in einem einzigen Augenblick offenbart hast, was Worte nicht auszudrücken vermögen?‹« Auf diese innere Wahrnehmung des Absoluten folgte eine innere Vision des kreuztragenden Christus, die ihre Liebe und Selbsterniedrigung noch vermehrte. »Und sie rief wiederum: ›O Liebe, nie mehr, nie mehr Sünden!‹ Und ihr Selbsthaß war größer, als sie ertragen konnte Vita e Dottrina di Santa Caterina da Genova Kap. II, 1-5.«.

Von dieser Erfahrung sagt von Hügel: »Wenn die Beweise der Wirklichkeit solcher Dinge in ihrer dauernden Wirkung und Fruchtbarkeit bestehen, dann muß an jenem Festtage von Maria Verkündigung in jener Klosterkapelle etwas zutiefst Wirkliches und Bedeutungsvolles in der Seele jener traurigen und müden sechsundzwanzigjährigen Frau sich zugetragen haben von Hügel, The Mystical Element of Religion II, p. 29..« Es ist ganz gewiß, daß für die hl. Katharina wie für den hl. Franziskus an diesem Punkte buchstäblich ein vollkommen neues Leben begann. Der Mittelpunkt ihres Interesses verschob sich, und ihr Bewußtseinsfeld wurde ein anderes. Sie »erkannte in einem Augenblick, was Worte nicht ausdrücken können«. Eine Hülle wurde von ihrem Herzen gerissen, so plötzlich, daß eine Wunde zurückblieb. Zum ersten Male sah und erkannte sie die Liebe, in die alles Leben eingetaucht ist, und antwortete auf ihren Ruf mit der ganzen Kraft und Leidenschaft einer starken Natur.

Die Bekehrung der Madame Guyon zum mystischen Leben, wie sie selbst sie im achten Kapitel des ersten Teiles ihrer Autobiographie erzählt – »wie ein heiliger Mönch sie dahin brachte, Gott in ihrem Herzen zu finden, und welche wunderbaren Folgen dies hatte« ist der charakteristische Titel dieses Kapitels – diese Bekehrungsgeschichte liest sich wie eine abgeschwächte Version derjenigen der hl. Katharina. Auch sie folgte auf eine Periode großer Seelennot, die ebenfalls das Ergebnis einer unglücklichen Ehe war. Aber da dem etwas zerfahrenen, unausgeglichenen und sentimentalen Charakter der Madame Guyon der Gehalt, die Würde, die Inbrunst und Zartheit fehlte, wie sie der hl. Katharina eigen war, so wird auch der Bericht über ihre innere Entwicklung zu oft durch eitle Selbstbespiegelung entstellt Aus der Überschrift des 10. Kapitels (I. Teil) ihrer Selbstbiographie geht klar hervor, daß, wenn nicht sie selbst, so doch ihre Herausgeber sich der seltsamen Übereinstimmungen zwischen ihren Erfahrungen und denen der hl. Katharina von Genua wenigstens zum Teil bewußt waren. Besonders ist die Parallele zwischen der frühen Kindheit der beiden so genau und ins einzelne gehend, daß ich geneigt bin, zu glauben, die Kenntnis dieser Ähnlichkeit und die Befriedigung darüber habe ihre Erinnerungen an diese Vergangenheit wenigstens teilweise beherrscht oder beeinflußt. Solche wahrscheinlich unwillkürlichen Beeinflussungen bilden einen merkwürdigen und bisher unbeachteten Fall »unbewußten religiösen Plagiats«..

Madame Guyons Wert für den Erforscher der Mystik besteht zum großen Teil in dieser Schwäche ihrer Oberflächenintelligenz, die deshalb ihr geistiges Leben wenig oder gar nicht beeinflußte und förderte. Ihrem Hauptprinzip der Passivität oder »Stille« getreu, gibt sie sich ganz ihren inneren Impulsen hin, und so können wir in ihrem Falle das Wirken dieser Impulse ungewöhnlich gut beobachten, da es weder durch einen starken Intellekt noch durch einen disziplinierten Willen gehemmt wird. Der Wind, der da wehet, wohin er will, saust durch ihre Seele, und die Antwort, die sie gibt, ist mehr die eines Wetterhahns als einer Windmühle. Sie folgt jeder Strömung, oft hält sie einen Luftzug für den Odem Gottes; ihre eigenen Drehungen erscheinen ihr ungeheuer wichtig. Allein wenn sie schildert, wie sie zum tieferen Leben erwachte, so verleiht die natürliche Intensität ihres Gefühls selbst ihrem überschwenglichen Stil eine gewisse Würde.

Madame Guyon hatte seit ihrer Kindheit einen übertriebenen Hang zu frommen Übungen entwickelt. Mit 12 Jahren las sie eifrig in den Werken des hl. François de Sales und der hl. Jeanne Françoise de Chantal; sie bat ihren Beichtvater, sie die Kunst des inneren Gebets zu lehren, und als er es nicht tat, versuchte sie es allein zu lernen, doch ohne Erfolg Vie I, 4.. Sie hatte damals den Wunsch, als Nonne in Madame de Chantals Heimsuchungsorden einzutreten, ebenso wie die hl. Katharina im selben Alter eine Augustinernonne zu werden wünschte; aber da man das Verlangen zwölfjähriger kleiner Mädchen nach dem Kloster selten ernst nimmt, sind wir nicht überrascht, in dem Kapitel, das die Überschrift trägt: » Diverses croix chez M. son pére« die Verweigerung der elterlichen Erlaubnis verzeichnet zu finden. Zu einer ungewöhnlich schönen Jungfrau herangewachsen, ging sie in Gesellschaft und genoß eine kurze Zeitlang ihr Leben auf fast weltliche Weise. Ihre Heirat mit Jaques Guyon jedoch – eine Heirat, deren Kontrakt sie unterzeichnete, ohne daß man ihr den Namen des Bräutigams gesagt hatte – machte ihrer Fröhlichkeit ein Ende. »Die ganze Stadt war erfreut über diese Heirat, und inmitten all der Freude war ich die einzige Traurige … Kaum war ich verheiratet, als mein früherer Wunsch, Nonne zu werden, mich wieder überkam Ebenda L 6.

Ihr junges Eheleben im Hause der Schwiegermutter war äußerst unglücklich. Sie kam bald dahin, Trost in religiösen Übungen zu suchen. »Da sie zum Lieben geschaffen war und um sich her nichts fand, was sie lieben konnte, schenkte sie Gott ihre Liebe«, sagt Guerrier kurz und bündig Madame Guyon p. 36.. Aber sie war unbefriedigt; wie die meisten andern Mystiker hatte sie schon ein unbestimmtes Gefühl, daß ihr etwas fehlte, daß eine wesentliche Kraft in ihr ungenützt blieb, und sie glaubte, daß dieses Etwas dasselbe wäre wie das »Gebet der Stille« oder die »Vergegenwärtigung Gottes«, die mystisch gesinnte Freunde ihr geschildert hatten. Sie versuchte, bewußt dahin zu gelangen, und es mißlang natürlich. »Ich konnte mir das nicht durch Vielfältigkeit erwerben, was du selbst gibst und was nur in Einfältigkeit erfahren wird Vie I, 8.

Als diese inneren Kämpfe fast zwei Jahre gedauert hatten und Madame Guyon 19 Jahre alt war, kam die lang ersehnte, kaum noch erhoffte Offenbarung wie bei der hl. Katharina plötzlich, fast wie durch Zauber, und unter merkwürdig ähnlichen Umständen. Sie geschah durch ein paar Worte eines Franziskanermönchs, den eine »geheime Macht«, die in ihrem Interesse handelte, in ihre Nähe geführt hatte und den aufzusuchen man ihr geraten hatte. Er war Einsiedler, dem es widerstrebte, die Beichte von Frauen zu hören, und schien über ihren Besuch durchaus nicht erfreut, was er später auf ihr elegantes Äußeres zurückführte, »das ihn mit Furcht erfüllte«. »Er näherte sich mir kaum und verhielt sich lange Zeit schweigend. Ich jedoch sprach zu ihm und sagte ihm in wenig Worten von meinen Schwierigkeiten bei der Gebetsübung. Er antwortete sogleich: ›Frau, Ihr sucht draußen, was Ihr in Euch selber habt. Gewöhnt Euch, Gott in Eurem Herzen zu suchen, und Ihr werdet ihn finden.‹ Nachdem er dies gesagt hatte, verließ er mich. Am nächsten Morgen war er sehr erstaunt, als ich ihn wieder aufsuchte und ihm sagte, welche Wirkung diese Worte auf meine Seele gehabt hätten; denn sie waren in der Tat wie ein Pfeil, der mein Herz ganz durchdrungen hatte. Ich fühlte in diesem Augenblick eine tiefe Wunde, die mich mit Liebe und Entzücken erfüllte – eine Wunde, so süß, daß ich wünschte, sie möchte niemals heilen. Diese Worte hatten mir das ins Herz gelegt, was ich so viele Jahre lang gesucht hatte, oder vielmehr: sie ließen mich das finden, was schon da war. O mein Gott, du warst in meinem Herzen, und du gebotest mir nur, in mich selbst einzukehren, um deine Gegenwart zu fühlen. O unendliche Güte, du warst so nahe, und ich lief hierhin und dorthin, um dich zu suchen, und fand dich nicht!« Auch sie lernte, wie die hl. Katharina, in diesem Augenblick die lange gesuchte Kunst des Gebets und der Kontemplation. »Von jenem Augenblick an war mein Gebet von jeder Form, Besonderheit und Bildersprache entleert; nichts von meinem Gebete ging durch den denkenden Geist hindurch, sondern es war ein Gebet freudiger Willensüberzeugung, wobei die Hingabe an Gott so groß, rein und einfach war, daß sie die beiden andern Seelenkräfte in vollkommener Passivität in sich sammelte A. a. O.

Nehmen wir jetzt das Beispiel eines weniger bedeutenden, aber nicht weniger echten Mystikers, der ebenfalls eine lebendige persönliche Schilderung seines Eintritts in das mystische Leben hinterlassen hat. Rulman Merswin war ein reicher, frommer und angesehener Straßburger Kaufmann. Im Jahre 1347, als er etwa 36 Jahre alt war, zog er sich vom Geschäft zurück, um sich ganz religiösen Dingen widmen zu können. Es war die Zeit jener religiösen Erneuerung innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland, die in weitem Umfange von den großen rheinischen Mystikern Seuse und Tauler beeinflußt war und deren Vertreter sich »Gottesfreunde« nannten, und Merswin selbst war einer von Taulers Schülern Einen der besten englischen Berichte über diese Bewegung und die großen Persönlichkeiten, die an ihr beteiligt sind, findet man bei Rufus Jones, Studies in Mystical Religion Kap. 13..

Eines Abends, im Herbst des Jahres, wo er sich zurückgezogen hatte, gegen Martini, schlenderte er allein in seinem Garten umher, in fromme Betrachtungen versunken. Plötzlich sah er vor seinem Geiste ein Bild des Gekreuzigten. In solch einer Phantasievision ist natürlich nichts, was man im geringsten abnorm nennen könnte. Die Gedanken eines frommen Katholiken, der sehr unter dem Einflusse Taulers und seiner Schule stand, müssen auf seinen einsamen Spaziergängen oft eine solche Richtung genommen haben. Merswin wurde plötzlich von heftigem Haß gegen die Welt und gegen seinen eigenen freien Willen ergriffen. »Indem er seine Augen zum Himmel erhob, gelobte er feierlich, seinen eigenen freien Willen aufzugeben und alle seine Habe in den Dienst Gottes zu stellen A. Jundt, Rulman Merswin p. 19. Jundts Bericht, den ich hier übersetze, bildet eine Zusammenziehung von Merswins eigener Darstellung seiner Bekehrung, in seinem »Buch von den vier Jahren seines anfangenden Lebens«, veröffentlicht von Carl Schmidt, Die Gottesfreude im vierzehnten Jahrhundert (= Beiträge zu den theologischen Wissenschaften V, Jena, 1854), S. 54-76. [Obige Stellen s. ebenda S. 58.] Alles, was wir über Merswin wissen, gründet sich auf die Gruppe von Dokumenten, zu denen diese Konfession gehört, das »Buch von den zwei Mannen«, die Vision »von den neun Felsen« usw. Die Echtheit dieser Dokumente ist in den letzten Jahren mehrfach in Frage gestellt worden, und es ist wohl kein Zweifel, daß sie durch den redaktionellen Eifer seiner Anhänger sehr gelitten haben. Einige Kritiker gehen so weit, daß sie sie als fromme Dichtungen ansehen, die als Zeugnisse für Merswins Lebensgeschichte unbrauchbar sind. Dieser Ansicht, die von Karl Reider (Der Gottesfreund von Oberland, 1905) vertreten wird, kann ich nicht zustimmen. Die beste Lösung der vielen Schwierigkeiten scheint mir die glänzende Hypothese Jundts zu geben, daß wir in Merswin und dem geheimnisvollen Gottesfreunde aus dem Oberlande, dem wir auf seiner geistlichen Laufbahn immer wieder begegnen, einen merkwürdigen Fall geteilter Persönlichkeit haben. Merswins eigenartige seelische Veranlagung, wie sie in seiner Autobiographie geschildert wird, unterstützt diese Ansicht, die ich weiterhin als angenommen voraussetzen werde. Es scheint mir unglaubhaft, daß der lebendige Bericht von seiner Bekehrung, den ich anführe, nichts als eine Tendenzdichtung ohne tatsächliche Grundlage sei. Vgl. Jundts Monographie und ebenfalls Rufus Jones, Studies usw. pp. 245-253, wo das ganze Problem erörtert wird..« Auf die vollständige Hingabe, die sozusagen das erdgebundene Selbst befreite, folgte sogleich die erste rein mystische Wahrnehmung. »Die Antwort von oben kam alsbald. Ein strahlendes Licht umfing ihn, er vernahm eine göttliche Stimme von wunderbarer Süße, es war ihm, als werde er emporgehoben und mehrmals rund um den Garten getragen Jundt a. a. O..« Optische Störungen, Stimmen und Schwebegefühle sind natürlich wohlbekannte physische Begleiterscheinungen solcher Verschiebungen der Bewußtseinsebene. Es gibt wenig Fälle, wo sich nicht eine oder die andere zeigt, und bisweilen finden wir alle drei. Als Merswin nach diesem Erlebnis wieder zu sich selbst kam, war sein Herz erfüllt von einem neuen Bewußtsein des Göttlichen und von begeisterter Liebe zu Gott, die ihn trieb, mit aller Energie die Kasteiungen, die er zur Reinigung seiner Seele für nötig hielt, auf sich zu nehmen. Von dieser Zeit ab entwickelte sich sein mystisches Bewußtsein stetig. Daß es ein ganz andersartiges Bewußtsein war als die aufrichtige Frömmigkeit, die ihn vorher veranlaßt hatte, sich von seinen Geschäften zurückzuziehen, um sich der religiösen Wahrheit zu widmen, beweist die Tatsache, daß er die Vision im Garten als Bekehrung bezeichnet und von diesem Punkte an den Beginn seines wahren Lebens datiert.

Die Bekehrung von Merswins größerem Zeitgenossen Seuse scheint weniger plötzlich gewesen zu sein. Er spricht davon ganz im allgemeinen am Anfang seiner Autobiographie, wo er sagt, daß »des Dieners erster Anfang in seinem 18. Jahre geschah Leben, Einl. (Bihlmeyer S. 8, 4 f). Seuses Selbstbiographie ist in der dritten Person geschrieben. Er spricht durchweg von sich als dem »Diener der ewigen Weisheit«.«. Er war damals, wie St. Franziskus seiner Zeit, ruhelos und unbefriedigt, mit dem unklaren Bewußtsein, daß das, was ihm Frieden geben könnte, irgendwo vorhanden sei. Sein Charakter, der zugleich tief menschlich und inbrünstig religiös war, mit leidenschaftlicher Liebe für sinnliche Schönheit und doch unfähig, in ihr zu ruhen, hatte seine Einheit noch nicht gefunden; auch gelangte er erst völlig dahin nach einer Reinigungsperiode, die an Härte der Kasteiung in der Geschichte der abendländischen Mystik nicht ihresgleichen hat. »Er fühlte, zu welchen Dingen, die ihm begehrlich schienen, er sich auch wenden mochte, in sich ein Unbefriedigtsein, und es war ihm, als müsse es wohl etwas anderes sein, was sein wildes Herz zum Frieden bringen sollte. Und es ward ihm weh in seiner unruhigen Weise … bis ihn der milde Gott durch eine plötzliche Bekehrung davon befreite. Man wunderte sich ob der geschwinden Änderung, die mit ihm vorgegangen, und sprach der eine dies, der andere das. Wie es aber in Wirklichkeit war, das traf niemand, denn es war ein verborgener lichtreicher Zug von Gott, der plötzlich die Umkehr bewirkte A. a. O. (Bihlmeyer 8, 9-18).

Diese Bekehrung wurde vollendet durch ein stärkeres Emporströmen der jetzt erwachten und tätigen übersinnlichen Kräfte. Seuse, den man sich als einen großen, höchst kraftvollen Künstler vorstellen könnte, hätte sein Genius nicht statt dessen die Bahn der Heiligkeit gewählt, hatte sein Leben lang Visionen von besonderem Glanz und besonderer Schönheit. Oft scheinen diese Visionen sozusagen aus dem Unterbewußtsein heraufgeschwebt zu sein, ohne den Lauf seines bewußten Lebens zu stören, gleichsam als bloße, deutlich sichtbar gewordene Ausdrücke seines inbrünstigen Erstrebens und seiner innern Gewißheit göttlicher Wirklichkeiten. Die große ekstatische Vision – oder vielmehr innere Wahrnehmung, denn sie wird nicht durch die Sinne wahrgenommen – womit diese Reihe beginnt, ist jedoch von ganz anderer Art und stellt das charakteristische Erlebnis der Ekstase in seiner vollkommensten Form dar. Es wird mit einer Detailfülle und Intensität geschildert, die es zu einem besonders wertvollen Dokument des mystischen Lebens machen. Es ist zweifelhaft, ob Seuse jemals mehr als dies sah; seine lange mystische Erziehung bestand vielmehr in einer Anpassung seiner Natur an die Wirklichkeit, die sich ihm damals offenbarte.

»In seinem Anfang geschah es einmal, daß er am Tage St. Agnesen in den Chor ging, nachdem der Konvent zu Mittag gespeist hatte. Er war da ganz allein und stand in dem niedern Gestühl des rechten Chores. Zur selben Zeit hatte er eine sonderliche Bedrängnis von schwerem Leiden, das auf ihm lag. Und wie er so allein dastand, trostlos, und niemand bei ihm noch um ihn war, ward seine Seele im Leibe oder aus dem Leibe verzückt. Da sah er und hörte, was allen Zungen unaussprechlich ist: Es war formlos und artlos und hatte doch aller Formen und Arten freudenreiche Lust in sich. Sein Herz war gierig und doch gesättigt, sein Sinn war lustig und wohlgestimmt, sein Wünschen hatte sich gelegt und sein Begehren war vergangen. Er starrte nur in den glanzreichen Widerglast, in dem er seiner selbst und aller Dinge Vergessen trank. War es Tag oder Nacht – er wußte es nicht. Es war vom ewigen Leben eine ausströmende Süßigkeit in gegenwärtiger stillstehender ruhiger Empfindung. Er sprach danach: ›Ist dies nicht das Himmelreich, so weiß ich nicht, was Himmelreich ist; denn all das Leiden, das man in Worte fassen kann, vermag billig die Freude nicht zu verdienen, wenn man sie ewiglich besitzen soll.‹«

Auch die körperlichen Begleiterscheinungen der Ekstase waren vorhanden. »Diese überschwengliche Entrückung währte wohl eine Stunde oder eine halbe; ob die Seele im Leibe blieb oder vom Leibe geschieden war, er wußte es nicht. Als er wieder zu sich selbst kam, da war ihm ganz und gar wie einem Menschen, der von einer andern Welt gekommen ist. Dem Leibe ward von dem kurzen Augenblick so weh, wie er nicht glaubte, daß einem Menschen außer dem Tode in so kurzer Zeit geschehen könnte. Er kam mit einem tiefen Seufzen wieder zu sich, und der Leib neigte sich ohne seinen Willen zur Erde nieder wie bei einem Menschen, der in Ohnmacht sinken will. Er schrie innerlich auf und seufzte im tiefsten Innern und sprach: »Ach Gott, wo war ich? Wo bin ich nun?« Und sprach: »Ach, herzinniges Gut, diese Stunde kann nimmermehr aus meinem Herzen schwinden.« Er ging mit seinem Leibe, und auswendig sah und merkte ihm niemand etwas an; aber Seele und Gemüt waren ihm inwendig voll himmlischen Wunders; die himmlischen Blitze gingen hin und her in seiner innersten Innerlichkeit, und es war ihm gleich, als schwebe er in der Luft. Die Kräfte seiner Seele waren erfüllt mit süßem Himmelsduft, wie wenn man eine gute Latwerge aus einer Büchse schüttet, und die Büchse behält dennoch den guten Geruch.«

Die letzten Worte des Kapitels endlich drücken die wahre Bedeutung aus, die dieser Zustand ekstatischer Freude als erstes Glied der langen Kette seiner mystischen Entwicklung hat: »Dieser himmlische Duft verblieb ihm danach lange Zeit und verlieh ihm ein himmlisches Sehnen nach Gott Leben, Kap. II.

Die mystische Tätigkeit beginnt also, wie alle andern Tätigkeiten des Menschen, mit jener scharfen Anspornung des Willens, wie nur das Gefühlsleben ihn geben kann.

Seuse war ein Gelehrter und, seiner Anlage nach, Theologe. Während der Zeit, die zwischen seiner Bekehrung und seinem Bericht darüber liegt, war er ein Schüler Meister Eckeharts und studierte die Werke des Dionysios und des hl. Thomas von Aquino. Seine Schriften zeigen Vertrautheit mit den Kategorien der mystischen Theologie, und dieser Umstand, ebenso wie die Tatsache, daß sie zu Erbauungszwecken geschrieben waren, hat wohl bis zu einem gewissen Grade die Sprache, in der seine Bekehrungsekstase geschildert ist, beeinflußt.

Als Gegenbeispiel will ich jetzt zwei authentische Schilderungen mystischer Bekehrung geben, in der offenbar theologische Gelehrsamkeit keine oder nur eine sehr kleine Rolle spielt. Beide wurden mit wenig Jahren Abstand in Frankreich geschrieben und stellen den Eindruck der Wirklichkeit auf zwei sehr verschiedenartige Geister dar. Die eine ist das geheime Dokument, worin ein großer Geist in Worten, die nur für seine eigenen Augen bestimmt waren, über eine zweistündige Ekstase berichtet. Die andere ist der schlichte, ungeschminkte Bericht eines einfachen Bauern. Die erste ist natürlich das berühmte Memorial oder Amulett Pascals, die zweite der Bericht des Bruders Laurentius.

Das Memorial Pascals ist ein Fetzen Pergament, auf dem rings um eine flüchtige Zeichnung des flammenden Kreuzes ein paar seltsame abgerissene Worte und Sätze geschrieben stehen, die einzige Nachricht, die wir haben über eine der seltsamsten ekstatischen Offenbarungen, die in der Geschichte der Mystik verzeichnet sind. Nach Pascals Tode fand ein Diener eine Abschrift dieses kleinen Dokuments, dessen Original verloren ist, in sein Wams eingenäht. Er scheint es immer an sich getragen zu haben, als ständiges Denkzeichen des himmlischen Erlebnisses, der Einweihung in die Wirklichkeit, die es beschreibt. Außer dem, was wir diesen wenigen Zeilen entnehmen können, haben wir keine direkte Kenntnis der Vorgänge in Pascals innerm Leben; allein das wissen wir: diese plötzliche Erleuchtung folgte auf eine lange Periode seelischer Not, mit Gleichgültigkeit gegen seine sonstigen Interessen auf der einen Seite, und auf der andern gänzlicher Unfähigkeit, die Anziehungskraft der göttlichen Wirklichkeit zu fühlen, die seine große Seele als das einzig angemessene Ziel der Sehnsucht erkannte.

Das Memorial beginnt:

» L'an de grâce 1654
lundi, 23 novembre, jour de Saint Clément, pape
et martyr, et autres au martyrologe,
veille de Saint Chrysogone, martyr et autres,
depuis environ dix heures et demie du soir jusques
environ minuit et demie,
Feu.
«

»Von halb elf bis halb eins Feuer!« Das ist alles, was von Beschreibung gegeben wird, doch offenbar genug, um dem Eingeweihten das Geschehene ins Gedächtnis zu rufen. Das übrige sagt uns nur von der leidenschaftlichen Freude und Gewißheit, die diese namenlose Offenbarung – diese lange, flammende Vision der Wirklichkeit – im Gefolge hatte. Es ist nur eine Reihe von erstaunten Ausrufen, atemlos gestammelten Worten, jäh und wirr hervorbrechend, wobei der Künstler in ihm gänzlich paralysiert war; die Namen der übermächtigen Gefühle, die ihn eins nach dem andern durchfluteten, wie das Feuer der Liebe seine Geheimnisse enthüllte, fachten eine erwidernde Flamme der Demut und Begeisterung in seiner Seele an.

» Dieu d Abraham, Dieu d'Isaac, Dieu de Jacob,
Non des philosophes et des savants.
Certitude. Certitude. Sentiment. Joie. Paix.
«

»Nicht der Gott der Philosophen und Gelehrten!« ruft dieser große Gelehrte und Philosoph staunend aus, als er so jäh von dem Pfade der Wissenschaft auf den der Liebe gerissen wird.

» Oubli du monde et de tout hormis Dieu«, sagt er wiederum, als er sieht, wie alles aus seiner Welt hinweggefegt ist bis auf diese eine transzendente Tatsache. Und » Le monde ne t'a point connu, mais je t'ai connu. Joie! joie! joie! pleurs de joie!« Man vergleiche mit dem klassischen Stil, der scharfen und klaren Bestimmtheit der »Pensées«, mit der Ironie und dem funkelnden Witz der »Provinciales« diese kurzen abgerissenen Sätze, diese kindlich stammelnde Rede, in der ein souveräner Meister der Sprache versucht, sein Staunen und Entzücken auszudrücken. Ich kenne in der Geschichte der Mystik wenig, was zur gleichen Zeit überzeugender und treffender wäre als dieser verborgene Talisman, auf den der glänzende Gelehrte und Stilist, der erbarmungslose Polemiker in harten, eckigen Worten, die jedoch von Leidenschaft geladen scheinen – in der inartikulierten Sprache der Liebe – ein Denkmal der Gewißheit, des Friedens, der Freude vor allem, der immer wiederkehrenden alles übertreffenden Freude, hingeworfen hat, die sein ekstatisches Wahrnehmen Gottes begleitet.

» Mon Dieu, me quitterez vous?« sagt er dann wieder, als das Feuer anscheinend zu ersterben, die Ekstase zu enden droht. » Que je n'en sois pas séparé éternellement!« »Wirst du mich verlassen? O laß mich nicht ewig von dir getrennt sein!« Dies ist der eine unerträgliche Gedanke, der, wie Thomas von Aquino sagt, der Visio beatifica ihre Herrlichkeit nehmen würde, wären wir nicht sicher, daß sie nie verblassen kann Summa Contra Gentiles III, 62.. Allein die Rhapsodie ist aus, die Vision des Feuers geschwunden, und der übrige Teil des Memorials enthält augenscheinlich Pascals Betrachtungen über sein Erlebnis, nicht eine Wiedergabe dieses Erlebnisses selbst. Es endet mit dem Losungswort aller Mystik »Hingabe«, – » Renonciation, totale et douce«, wie Pascal sagt, das einzige Mittel, um dauernde Trennung von der Wirklichkeit zu vermeiden Der vollständige Text des Mémorial ist u. a. gedruckt in Faugères Ausgabe der Pensées, Fragments et Lettres de Blaise Pascal, 2. Aufl., Paris, 1897, Bd. I, 269..

Pascals lange Vision von Licht, Leben und Liebe war in hohem Grade ekstatisch, ein unbeschreibliches, nicht mitzuteilendes Erlebnis, das nur durch seine abgerissenen Worte der Gewißheit und Freude angedeutet werden kann. Von seinem schlichten Zeitgenossen, Bruder Laurentius, wurde jene übersinnliche Wirklichkeit, die »nicht der Gott der Philosophen und Gelehrten ist«, in einem Augenblick plötzlicher Intuition wahrgenommen, die merkwürdig unmittelbar, unekstatisch und untheologisch, jedoch in ihren Folgen durchaus dauernd war. Laurentius war ein einfacher Bauernsohn, der zuerst als Soldat diente und dann Bedienter in einem vornehmen französischen Hause war, wo er seiner Herrschaft dadurch Verdruß bereitete, daß er alles zerbrach. Als er zwischen Fünfzig und Sechzig war, trat er als Laienbruder in den Karmeliterorden ein, und die Briefe, »geistlichen Maximen« und Gespräche, die in diese Periode seines Lebens fallen, wurden nach seinem Tode im Jahre 1691 veröffentlicht. »Er erzählte mir,« sagt der anonyme Berichterstatter der Gespräche, vermutlich M. Beaufort, der um 1660 Großvikar des Kardinals von Noailles war, »daß Gott ihm, als er achtzehn war, mit seiner Bekehrung eine besondere Gnade erwiesen habe. Daß er im Winter, als er einen seiner Blätter beraubten Baum sah und bedachte, daß in kurzer Zeit die Blätter wieder neu hervorsprießen und darauf die Blüten und Früchte erscheinen würden, eine Anschauung der göttlichen Vorsehung und Macht empfangen habe, die seitdem nie wieder in seiner Seele ausgelöscht sei. Diese Erkenntnis habe ihn vollkommen von der Welt gelöst und in ihm eine solche Liebe zu Gott entzündet, daß er nicht sagen könne, ob sie in den mehr als vierzig Jahren, die er seitdem gelebt, noch zugenommen habe Brother Lawrence, The Practice of the Presence of God p. 9.

Solche Fälle, wo die sichtbare Natur der Stoff ontologischer Wahrnehmungen ist und das Mittel, wodurch das Selbst zum Absoluten empordringt, sind in der Geschichte der Mystik nicht selten. Die geheimnisvolle, ursprüngliche Lebenskraft der Bäume und Wälder, die, gesättigt mit Energie, doch gleichsam auf dem Grenzrain des Traumes stehen, scheint irgendwie besonders dafür geeignet zu sein. Der stille Zauber des Waldes, der wunderbare und stetige Kreislauf seines Lebens, besitzt in besonderem Grade diese Macht, die menschliche Seele aus ihren Fesseln zu lösen, kommt ihren Sehnsüchten wunderbar entgegen, stillt ihre unbewußten Bedürfnisse. Unbefleckt von der ätzenden Berührung des Bewußtseins, kann jenes Leben den Kontakt mit dem »großen Leben des Alls« herstellen, und durch seinen mächtigen Rhythmus kann der Mensch Botschaft empfangen von der wahren und zeitlosen Welt »alles dessen, was da ist, war und sein wird«. Ja, jede Art von Pflanzenleben, von der »Blume in der Mauerritze« bis zu den »Urwäldern des Westens« kann für einen bestimmten Typ von Menschen eine »Ausdrucksform des Unendlichen« werden. So augenfällig tritt uns dies entgegen, wenn wir die Geschichte der Mystik studieren, daß Steiner daraus den kaum haltbaren Schluß gezogen hat: »Die Pflanze ist dasjenige Naturwesen, welches in höheren Welten in einer gewissen Beziehung ihrer Beschaffenheit in der physischen Welt gleicht Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? S. 44.

Wenn auch dieser Schluß nicht überzeugend ist, so bleibt doch die Tatsache bestehen. Das Blumenkleid der Erde ist für manche Mystiker ein Medium unaussprechlicher Wahrnehmung, eine Quelle begeisterter Freude, das wahre Gewand Gottes. Ich brauche kaum hinzuzufügen, daß der gesunde Menschenverstand diesen Sachverhalt stets unannehmbar gefunden hat. »Der Baum, der einige zu Freudentränen rührt,« sagt Blake, der diese Art sakramentaler Wahrnehmung in hohem Grade besaß, »ist in den Augen anderer nur ein grünes Ding, das im Wege steht Letters of William Blake p. 62.

Eine solche Wahrnehmung des Göttlichen in der Natur, der wahren, heiligen Bedeutung jenes reichen, rastlosen Lebens, in das wir eingetaucht sind, kennzeichnet in Wahrheit mehr den Zustand der Erleuchtung als den der Bekehrung. Daher werden wir die bemerkenswertesten Fälle erst erörtern, wenn wir zur Betrachtung dieses Zustandes kommen. Bisweilen jedoch, wie bei Bruder Laurentius, nimmt schon das erste Erwachen des Selbst zum Bewußtsein der Wirklichkeit diese Form an. Das Unerschaffene Licht offenbart sich in den erschaffenen Dingen und durch sie. Diese eigentümlich immanente Entdeckung des Absoluten kommt hauptsächlich bei zwei Klassen von Menschen vor: bei ungelehrten, die in naher Verbundenheit mit der Natur leben und denen ihre Symbole vertrauter sind als die der Kirchen oder Schulen, und bei mystisch veranlagten Menschen, die dem Dichter näher stehen als dem echten Kontemplativen, für den in der Regel das Absolute »kein Bildnis hat«. »Es war, als ob ich in eine andere Welt, in einen neuen Daseinszustand einträte«, sagt ein von Starbuck angeführter Zeuge, wie er von seiner eigenen Bekehrung spricht. »Natürliche Dinge waren verklärt. Mein geistiger Blick war so erleuchtet, daß ich überall Schönheit sah. Die Wälder erklangen von himmlischer Musik.« »O wie war ich verwandelt! Jedes Ding wurde neu. Meine Pferde und Schweine und alles wurde verwandelt!« ruft ein anderer mit naivem Staunen aus The Psychology of Religion p. 120.. »Als ich des Morgens hinaus aufs Feld an meine Arbeit ging,« sagt ein dritter, »erschien mir die Herrlichkeit Gottes in Seiner ganzen sichtbaren Schöpfung. Ich erinnere mich noch gut, wie wir Hafer mähten und wie jeder Halm und jede Ähre gleichsam mit einer Art Regenbogenglorie geschmückt oder, wenn ich so sagen darf, in Gottes Herrlichkeit gekleidet schien James, Varieties of religious Experience p. 253. Diese Erscheinung findet ihren wundervollen dichterischen Ausdruck in John Masefields Gedicht »The Everlasting Mercy« (1911).

Unter den Modernen besaß Walt Whitman in hohem Maße den dauernden Sinn für diese Verklärung, für das »unsagbare, wundersame Licht, das das Licht selbst erleuchtet« Whitman, The Prayer of Columbus.. Aber Zeugnisse für seine Existenz und für die sporadische Gabe, es wahrzunehmen, finden sich in der ganzen Weltliteratur verstreut. Die Entdeckung desselben bedeutet das Erwachen des mystischen Bewußtseins hinsichtlich der Welt des Werdens, einen plötzlichen und scharfen Bruch mit der alten oberflächlichen Art, die Dinge zu sehen. Der menschliche Kinematograph hat irgendwie seinen Rhythmus geändert und beginnt neue und wirklichere Aspekte der Außenwelt zu verzeichnen. Mit diesem ersten Loskommen aus den Schranken seiner konventionellen Welt empfängt das Selbst die sichere Gewißheit eines großen und wahren Lebens, das sein eigenes umgibt, erhält und verklärt. So erzählt Richard Jefferies, der im selben Alter wie Seuse und Bruder Laurentius zum plötzlichen Bewußtsein der Wirklichkeit erwachte: »Ich war nicht mehr als achtzehn Jahre alt, als mir aus der ganzen sichtbaren Welt ein innerer und esoterischer Sinn aufzuleuchten begann.« »Ich vertiefte und verlor mich jetzt ganz in das Sein der Welt … und, indem ich so mein abgesondertes Sein verlor, kam ich mir als ein Teil des Ganzen vor.« »Ich habe das Gefühl, als stünde ich am Rande eines unbekannten Lebens, ganz nahe, so daß ich es fast berühre – vor Kräften, die, wenn ich sie fassen könnte, mir eine ungeheure Daseinsweite geben würden The Story of My Heart pp. 8, 9, 45, 181..« Dies »unbekannte Leben«, das Richard Jefferies in solchen Augenblicken intuitiver Erkenntnis begriff, ohne es jedoch fassen zu können, was war es anderes als das Leben, das den großen Mystikern bekannt ist?

Solch ein Teilhaben an den tiefen Wirklichkeiten der Welt des Werdens, an dem grenzenlosen Dasein eines göttlichen Ganzen – das ein moderner Psychologe als »kosmisches Bewußtsein« bezeichnet hat Bucke, Cosmic Consciousness, a Study in the Evolution of the Human Mind, Philadelphia 1905., – ist, wenn auch nicht das letzte Ziel der mystischen Wanderung, so doch ein charakteristisches Merkmal derselben. Es stellt die eine Hälfte seines eigentümlichen Bewußtseins dar, seinen Eintritt in die Gemeinschaft mit der zweiten der dreieinigen Gotteskräfte, dem Wort, das immerwährend durch alle Dinge geht [Hymnus des Kleánthes, s. S. 154.]. Jefferies stand wie so viele mystisch veranlagte Menschen am Rande eines solchen transzendenten Lebens. Die »Himmelstür« stand angelehnt, doch nicht weit geöffnet. Er sah durch den Spalt in die größere Welt jenseits, doch unfähig, sich aus den Fesseln seiner Selbstheit zu befreien, ging er nicht hindurch, um auf der Ebene der selbständigen Geisteswelt zu leben.

Rolle, Jefferies' Landsmann und fast sechs Jahrhunderte älterer Vorläufer in bezug auf ekstatische Liebe und Verständnis für die Dinge der Natur, soll unser letztes Beispiel für das mystische Erwachen sein. Er hatte, wie sein Bruder im Geist, der hl. Franziskus und andere typische Vertreter der Mystik, zu Anfang eine Zeit des Kämpfens und Schwankens durchgemacht zwischen dem Leben der Welt und einer halb unbewußten, aber immer stärker werdenden Geistigkeit: zwischen dem Selbst der Oberfläche und dem der Tiefe. »Meine Jugend war töricht, meine Kindheit eitel, meine ersten Mannesjahre unrein Fire of Love I, 13.«, aber »als ich so zu meinem Unglück im Wohlsein dahinlebte und die Zeit des jugendlichen Erwachens gekommen war, war die Gnade meines Schöpfers nahe, die mein Verlangen von weltlichen Dingen zurückhielt und in geistliche Anrufung verwandelte, so daß die Seele von den niedern Dingen fort zum Himmel emporgehoben ward Ebenda I, 16.

Die wirkliche Wandlung des Lebens jedoch hob sich scharf und charakteristisch von diesem vorbereitenden Zustande ab. Rolle bringt sie in Verbindung mit dem Zustande, den er »Hitze« nennt: der Form, in der sich die Glut seiner Seele auf das Oberflächenbewußtsein übertrug. »Hitze nenne ich es, wenn der Geist in Wahrheit entzündet ist in immerwährender Liebe und man nicht nur hoffend, sondern als tatsächlich fühlt, daß das Herz in derselben Weise brennt. Das Herz, das in Wahrheit zu Feuer geworden ist, gibt das Gefühl brennender Liebe.« Diese brennende Hitze ist nicht eine rein geistige Erfahrung. Es ist eine ungewöhnliche, aber nicht einzig dastehende Form des psycho-physischen Parallelismus, ein körperlicher Ausdruck der seelischen Angst und Wehen, die die »Neue Geburt« begleiten. »Fürwahr, mehr habe ich gestaunt, als ich zeige,« sagt er in seinem Prolog, »als ich zuerst fühlte, wie mein Herz warm wurde und anfing zu brennen, wirklich zu brennen, nicht in meiner Einbildung, sondern gleichsam von einem sinnlich wahrnehmbaren Feuer. Ich staunte wahrlich, als dieser Brand in meiner Seele aufschoß, und ein nie gekanntes Wonnegefühl überkam mich; denn in meiner Unkenntnis solches heilenden Überflusses habe ich oft nach meiner Brust gegriffen, um zu sehen, ob dies Brennen irgendeine äußere körperliche Ursache hätte. Aber als ich sah, daß es durch eine innere geistige Ursache entzündet, und daß es nicht das Brennen fleischlicher Liebe oder Begierde war, erkannte ich darin die Gabe meines Schöpfers Fire of Love, I, 15 u. 1..« Weiterhin gibt er noch einen andern, ausführlicheren Bericht. »Vom Anfang meiner Lebens- und Sinnesänderung bis zum Öffnen der Himmelstür, das mir dein Antlitz zeigte, auf daß das Herz himmlische Dinge schauen und sehen möge, auf welchem Wege es seine Liebe suchen und eifrig ersehnen könne, sind drei Jahre verflossen bis auf drei oder vier Monate. Die Tür blieb geöffnet, und es währte nahezu ein Jahr bis zu der Zeit, wo ich die Glut der immerwährenden Liebe wahrhaftig im Herzen fühlte. Ich saß in einer Kapelle, und während ich die Süßigkeit des Gebets und der Meditation genoß, fühlte ich plötzlich in mir eine fröhliche und nie gekannte Hitze. Aber zuerst fragte ich mich zweifelnd, von wem sie sein könnte, doch jetzt weiß ich längst, daß sie nicht vom Geschöpf, sondern von meinem Schöpfer war, denn ich fand sie heißer und froher Ebenda I, 16.

Hierzu möchten wir eine Stelle nehmen, die ich für den schönsten Ausdruck geistlicher Freude halte, den man in der mystischen Literatur findet. Sie bildet gleichsam eine poetische Glosse zu der eben beschriebenen Erfahrung; ihre Skizze des idealen mystischen Lebens, wie Rolle es in Zukunft zu führen dachte, zeigt in wenigen Zeilen den ganzen Zauber seiner Persönlichkeit, seine Einfalt und Heiterkeit, seine Fähigkeit zu inbrünstiger Liebe. Wir sehen darin die wundervolle echt franziskanische Seelenreinheit, die ihn befähigte, in seiner Einsiedelei in Yorkshire zu leben, wie ein anderer Bruder der Vögel einst auf den umbrischen Bergen lebte, der Natur und Gott nahe.

»Am Anfang meiner Bekehrung und meines hohen Vorsatzes dachte ich, ich wollte sein wie das kleine Vöglein, das sich sehnt in Liebe zu seinem Liebsten, aber in seiner Sehnsucht erfreut wird, wenn er kommt, den es liebt. Und sich freuend singt es, und singend sehnt es sich, aber in Süße und Glut. Man sagt, daß die Nachtigall die ganze Nacht sich in Gesang und Melodie ergießt, um ihm zu gefallen, der ihr Gefährte ist. Wieviel mehr sollte ich mit größter Lieblichkeit meinem Jesus singen, der der Bräutigam meiner Seele ist für dies ganze gegenwärtige Leben, das Nacht ist im Vergleich mit der künftigen Klarheit Ebenda II, 12.

Wenn wir auf die wenigen hier angeführten Beispiele zurückblicken, können wir, glaube ich, in ihnen gewisse Ähnlichkeiten und Unterschiede bemerken, die von großem psychologischen Interesse und Belang sind und die, wie wir sehen werden, die weitere Entwicklung des mystischen Lebens beherrschen. Wir sehen insbesondere an diesem Punkte, bevor die Reinigung oder die Erneuerung der Persönlichkeit beginnt, wie das natürliche Selbst, sein Herz und sein Gemüt, auf das Heraufströmen der neuen Wahrheit, das die »mystische Bekehrung« bewirkt, reagiert. Dies Reagieren ist höchst bedeutsam und gibt uns einen Schlüssel nicht nur zu der künftigen Entwicklung des Mystikers, sondern auch zu der Natur des religiösen Bewußtseins des Menschen überhaupt.

Wir haben gesagt S. oben S. 48., daß dies Bewußtsein in seiner vollen Entwicklung nicht nach einer, sondern nach zwei Richtungen hin ausgedehnt scheint. Diese Richtungen, diese beiden Grundarten, die Wirklichkeit zu begreifen, können wir als den ewigen und den zeitlichen, den transzendenten und den immanenten, den absoluten und den dynamischen Aspekt der Wahrheit bezeichnen. Sie umfassen die zwiefache Erkenntnis eines Gottes, der sowohl seiend wie werdend, nahe wie fern ist; Gegensätze, die die Ekstase in einer höheren Synthese vereinigt. Allein das erste Erwachen des mystischen Sinnes, das erste Hereinbrechen des Übersinnlichen über die Seele, geschieht nur unter einer von diesen beiden sich ergänzenden Formen der Wahrnehmung. Eine Seite erwacht immer zuerst, und zwar die, wo die Botschaft den geringsten Widerstand findet. Daher gehört die mystische Bekehrung in der Regel zu einem von zwei deutlich unterschiedenen Typen; und was den Ausdruck anbetrifft, so ist sie bestimmt durch die mit der Naturanlage gegebene Neigung, die Wirklichkeit als einen Ort, eine Person oder einen Zustand zu objektivieren, welche, wie wir sahen, die Symbolsysteme der Mystiker beherrscht S. oben S. 169..

Da ist also zunächst die Wahrnehmung eines hellen Glanzes: eine räumliche, formlose, unaussprechliche Vision, wo das Selbst gleichsam von der Erkenntnis dieser Welt zu einer unbestimmten, doch wahrhaften Erkenntnis der höheren Welt emporgerissen wird. Der Nebel teilt sich, und die Gottheit wird als transzendent wahrgenommen. Nicht die persönliche Berührung der Liebe, die die Seele verklärt, sondern die unpersönliche Herrlichkeit eines verklärten Universums ist die beherrschende Note in diesem Erlebnis, und die Reaktion des Selbst nimmt mehr den Charakter der Ehrfurcht und Entzückung als den inniger Liebe an. Dieser Art war die Bekehrung Seuses und in geringerem Grade die des Bruders Laurentius. Dieser Art war auch das Licht, das Rulman Merswin sah und die mystischen Wahrnehmungen Richard Jefferies' und zahlloser anderer.

Wenn dies Erlebnis vollständig sein, wenn es das Selbst ein für allemal aus seinem »Kerker der Ichheit« befreien und auf den mystischen Weg führen soll, so erfordert es von seiten des Selbst als Ergänzung seiner anfänglichen Erweiterung einen Akt der Konzentration. Es muß über das Stadium metaphysischer Verzücktheit oder fließenden Glanzes hinauskommen und sich zu einer bestimmten Idee kristallisieren, eine bestimmte persönliche Beziehung zwischen dem Selbst und dem absoluten Leben herstellen. Die Kraft und Wirksamkeit der Bekehrung vom Sinnlichen zum Geistigen, sagt Eucken, hängt von der Lebhaftigkeit der Wahrnehmung der neuen Wirklichkeit und von ihrer Macht über das Leben ab Vgl. Boyce Gibson, Rudolph Eucken's Philosophy p. 85.. Es genügt nicht, ein bloßer Zuschauer der Wirklichkeit zu sein. Das erwachte Selbst soll nicht nur das übersinnliche Leben wahrnehmen, sondern daran teilnehmen. Bei Jefferies fand diese Kristallisation, dies heroische Streben nach Teilnahme nicht statt, und so gelangte er nie in den Besitz der »offenbarten Herrlichkeit«. Bei Seuse geschah dies und »erweckte in ihm ein höchst lebhaftes Verlangen nach Gott«.

In den meisten Fällen nimmt diese Kristallisation, die persönliche und zwingende Konzeption, die der Geist sich nach einem solchen unmittelbaren Erleben der Wirklichkeit bildet, einen theologischen Charakter an. Oft stellt sie sich dem Bewußtsein in Gestalt von Vision oder Stimme dar: in konkreter Gestalt, wie das Kruzifix, das zum hl. Franziskus sprach, oder geistig, wie die Visionen des Kreuzes bei Rulman Merswin oder der hl. Katharina von Genua. Fast immer bezieht sich diese Konzeption, diese innere Vorstellung des Göttlichen, auf die Liebe und das Leid im Herzen der Dinge, auf den Zwiespalt zwischen der vollkommenen Liebe und der unvollkommenen Welt, während die Vision des Transzendenten verzückte Freude auslöst. Der Herzschlag Gottes klang, als wenn er die Seele einlüde mit solchen Worten: »Komm und tu Buße, komm und laß dich versöhnen, komm und laß dich trösten, komm und laß dich segnen; komm, meine Freundin, und empfange alles, was der Freund dem Freunde schenken kann … Komm, meine Braut, und genieße meine Gottheit Mechthild von Hackborn, Liber Specialis Gratiae II, I.

Diese persönliche Berührung ist es, dieser individuelle Anruf einer unmittelbaren Gegenwart, nicht das große Licht und die Visio beatifica, worauf das erwachte Selbst am inbrünstigsten und heroischsten antwortet. Nicht, weil er sich selbst entrückt war, sondern weil die Gestalt am Kreuze ihn bei seinem Namen rief und sagte: »Bessere meine Kirche aus«, nahm der hl. Franziskus mit jener Einfalt, jener Mißachtung weltlicher Werte, die seine Kraft ausmachte, den Auftrag im buchstäblichen Sinne an und machte sich sofort an die verlangte Arbeit, indem er Behagen und Herkommen beiseite setzte und mit eigener Hand Steine herbeischaffte, um die zerfallenen Mauern wieder aufzubauen.

Bei vielen Bekehrungen zum mystischen Leben fehlt die Erscheinung eines äußeren Glanzes, die leuchtende Vision der übersinnlichen Geisteswelt ganz. Das Selbst erwacht mehr zu dem, was in ihm, als dem, was draußen ist, dem immanenten, nicht dem transzendenten Gott, der persönlichen, nicht der kosmischen Beziehung. Wo die, die hinausblicken, die Offenbarung göttlicher Schönheit empfangen, empfangen die, die hineinsehen, vielmehr die Wunde göttlicher Liebe. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, daß Richard Rolle und Madame Guyon extreme Beispiele dieses Typus sind, aber wir finden ihn vielleicht in noch ausgeglichenerer Form in der hl. Katharina von Genua.

Beide, sowohl Madame Guyon wie die hl. Katharina, vergleichen die Angst und überwältigende Plötzlichkeit jener innern Offenbarung, das Zerreißen des festen Gewebes der Selbstheit und das unvermeidliche Freiwerden ihres eigenen armen begrenzten Selbst, mit einer Wunde. Es ist »die Wunde unermeßlicher Liebe«, sagt die Legende der hl. Katharina: ein Gleichnis, in dem wir die Heilige selbst sprechen zu hören vermeinen. »Eine Wunde, voll von Entzücken,« sagt die überschwenglichere Französin, »ich wollte, sie heilte nie.« Rolle nennt dies das ganze Wesen durchdringende Entzücken eine große Hitze: die Hitze, die das Feuer der Liebe entzünden soll. »Wie der Finger, wenn wir ihn ins Feuer stecken, das Gefühl des Brennens hat, so empfindet auch die von Liebe entbrannte Seele wahrlich die größte Hitze The Fire of Love, I, I.

Liebe, leidenschaftliche, allbeherrschende Liebe tritt hier an Stelle der freudigen Ehrfurcht, die wir bei Bekehrungen des transzendenten Typus als die charakteristische Reaktion auf die Wirklichkeit beobachtet haben. Bei dem tiefen und starken Temperament der großen Mystiker geht diese Liebe schnell, zuweilen augenblicklich, vom Stadium des Fühlens zu dem des Wollens über. Ihre Antwort auf die Stimme des Absoluten ist nicht bloß ein Gefühlsausbruch, sondern ein Willensakt: ein Akt, der oft so tief und umfassend ist, daß er die vollständige Wandlung sowohl des äußern wie des innern Lebens bewirkt. »Die göttliche Liebe«, sagt Dionysios, »zieht die, die sie ergreift, über sich hinaus, so daß sie nicht mehr sich selbst, sondern ganz dem geliebten Gegenstande gehören Dionysios der Areopagit, Von den göttlichen Namen IV, 13.

Merswins Schwur der Selbsthingabe, das leidenschaftliche und entschlossene »Fort von der Welt! fort von der Sünde!« der hl. Katharina von Genua, der naive und augenblickliche Entschluß des hl. Franziskus zur Wiederherstellung der Kirche im buchstäblichen Sinne, diese Dinge sind Bürgen für die Wirklichkeit der Wandlung. Sie zeigen – symbolisieren, soweit dies auf sinnlicher Ebene möglich ist – die unvermeidliche Antwort eines jeden lebendigen Organismus auf einen frischen Antrieb von außen und seine Anpassung an die neuen Bedingungen, die dieser Antrieb darstellt. Sie vollenden den Vorgang der Bekehrung, der nicht einseitig, nicht ein bloßes Einströmen einer neuen Wahrheit in das Oberflächenbewußtsein ist, sondern vielmehr der Anfang eines Lebensprozesses, ein Zusammenbrechen des alten und Aufbauen des neuen Lebens, ein niemals endendes Geben und Nehmen zwischen dem Einzelnen und dem Absoluten. Der Geist des Lebens ist geboren, und das erste Wort, das er sprechen lernt, ist Abba, Vater. Er strebt nach seinem Ursprung zurück, nach dem Leben in seiner intensivsten Offenbarung; daher drängen ihn alle seine Triebe zu der Tätigkeit, die er als untrennbar vom Leben empfindet. Er weiß sich selbst als Mitglied jener mächtigen Familie, zu der die Sterne zählen, der Familie der Söhne Gottes, die frei und schöpferisch, freudejauchzend das Entzücken eines lebenden und strebenden Kosmos teilen.

So sehen wir gleich am Anfang, wie tätig, wie durchaus organisch, wie tief und weit lebendig das kontemplative Leben ist; wie in Wahrheit sowohl auf der übersinnlichen wie auf der sinnlichen Ebene das Gesetz der lebenden Wesen Handeln und Gegenhandeln, Kraft und Energie ist. Das Erwachen des Selbst ist ein Erwachen zu einer neuen und aktiveren Daseinsebene, zu neuen und persönlicheren Beziehungen zur Wirklichkeit und daher zu neuen und wesentlicheren Aufgaben.


 << zurück weiter >>