Iwan Turgenjew
Aufzeichnungen eines Jägers
Iwan Turgenjew

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Der Birjuk

Ich fuhr abends allein auf meinem Rennwagen von der Jagd. Bis nach Hause hatte ich an die acht Werst; meine gute Traberstute lief rüstig über die staubige Straße, indem sie ab und zu schnaubte und die Ohren bewegte; der müde Hund blieb wie angebunden keinen Schritt hinter den Hinterrädern zurück. Ein Gewitter war im Anzug. Vor mir erhob sich hinter dem Wald eine riesengroße lila Wolke; über mir und mir entgegen zogen langgestreckte graue Wolken; die Bachweiden rauschten und bewegten sich unruhig. Eine feuchte Kälte war plötzlich an Stelle der schwülen Hitze getreten; die Schatten verdichteten sich schnell. Ich schlug das Pferd mit der Leine, fuhr in eine Schlucht hinunter, kam über einen ausgetrockneten, ganz mit Weiden bewachsenen Bach, fuhr den andern Abhang hinauf und in den Wald hinein. Der Weg wand sich vor mir zwischen den dichten, schon in Dunkelheit gehüllten Haselsträuchern, ich kam nur mit Mühe vorwärts. Der Wagen hüpfte über die harten Wurzeln der hundertjährigen Eichen und Linden, die auf jedem Schritt die tiefen Spuren der Bauernwagen durchschnitten; mein Pferd begann zu stolpern. Plötzlich brauste in der Höhe ein heftiger Wind, die Bäume rauschten, und große Regentropfen prasselten und klatschten laut auf das Laub nieder; ein Blitz zuckte, und das Gewitter brach los. Es regnete in Strömen. Ich fuhr im Schritt weiter und mußte bald halten; mein Pferd blieb im Schmutz stecken, und ich konnte nichts sehen. So gut es ging fand ich Schutz unter einem breiten Strauch. Zusammengekrümmt und das Gesicht verhüllt, wartete ich geduldig auf das Ende des Unwetters, als ich plötzlich beim Leuchten des Blitzes vor mir auf dem Weg eine hohe Gestalt zu sehen glaubte. Ich blickte gespannt in die Richtung, und die gleiche Gestalt tauchte plötzlich, wie aus dem Boden gewachsen, dicht neben meinem Wagen auf.

»Wer ist da?« fragte eine laute Stimme.

»Und wer bist du?«

»Ich bin der hiesige Waldhüter.«

Ich nannte meinen Namen.

»Ach, ich kenne Sie! Fahren Sie nach Hause?«

»Ja, nach Hause. Aber dieses Gewitter . . .«

»Ja, das Gewitter«, antwortete die Stimme.

Ein weißer Blitz beleuchtete den Waldhüter vom Kopf bis zu den Füßen; ein lauter, kurzer Donnerschlag folgte gleich darauf. Der Regen strömte mit doppelter Kraft herab.

»Das endet nicht so bald«, versetzte der Waldhüter.

»Was soll ich machen?«

»Ich kann Sie in mein Haus führen«, sagte er kurz.

»Tue mir den Gefallen.«

»Bleiben Sie bitte sitzen.«

Er trat an den Kopf meines Pferdes, faßte es am Zaum und zog es von der Stelle. Wir setzten uns in Bewegung. Ich hielt mich am Kissen des Wagens fest, welcher schwankte wie ein Nachen im Meer, und rief meinen Hund. Meine arme Stute schlürfte schwer mit den Hufen durch den Schmutz, glitt aus und stolperte; der Waldhüter wankte vor den Deichselstangen wie ein Gespenst. Wir fuhren ziemlich lang; endlich blieb mein Führer stehen. »Nun sind wir daheim, Herr«, sagte er mit ruhiger Stimme. Ein Pförtchen knarrte, mehrere junge Hunde bellten. Ich hob den Kopf und sah beim Leuchten des Blitzes eine kleine Hütte in der Mitte eines großen, mit Flechtwerk' eingezäunten Hofes. In dem einen Fensterchen brannte trübes Licht. Der Waldhüter führte das Pferd dicht vor die Treppe und klopfte an die Tür. »Sofort, sofort!« antwortete ein feines Stimmchen, man hörte Tritte bloßer Füße, der Riegel knarrte, und ein etwa zwölfjähriges Mädchen in einem mit einem Tuchstreifen umgürteten Hemd erschien, mit einer Laterne in der Hand, an der Schwelle.

»Leuchte dem Herrn«, sagte er ihr. »Ihren Wagen will ich unter das Schutzdach stellen.«

Das Mädchen sah mich an und ging ins Haus. Ich folgte ihr.

Das Haus des Waldhüters bestand aus einem einzigen verräucherten, niedrigen und leeren Zimmer, ohne Pritsche und ohne jeden Verschlag. An der Wand hing ein zerrissener Schafspelz. Auf der Bank lag ein einläufiges Gewehr, in der Ecke ein Haufen Lumpen; zwei große Töpfe standen neben dem Ofen. Auf dem Tisch brannte ein Kienspan; bald leuchtete er traurig auf, bald schien er zu verlöschen. Mitten in der Stube hing vom Ende einer langen Stange eine Wiege herab. Das Mädchen blies die Laterne aus, setzte sich auf eine winzige Bank und begann mit der Rechten die Wiege zu schaukeln und mit der Linken den Kienspan zu putzen. Ich sah mich um – mein Herz krampfte sich zusammen: So traurig ist es nachts in einer Bauernstube. Das Kind in der Wiege atmete schwer.

»Bist du allein hier?« fragte ich das Mädchen.

»Ja, allein«, antwortete sie kaum hörbar.

»Bist du des Waldhüters Tochter?«

»Ja, des Waldhüters«, flüsterte sie.

Die Tür knarrte, und der Waldhüter trat mit gebücktem Kopf über die Schwelle. Er hob die Laterne vom Boden auf, trat an den Tisch und zündete den Docht an.

»Sie sind wohl nicht an einen Kienspan gewöhnt?« sagte er und schüttelte seine Locken.

Ich sah ihn an. Selten hatte ich einen so stattlichen Kerl gesehen. Er war großgewachsen, breitschultrig und herrlich gebaut. Unter dem feuchten Hemd wölbten sich seine mächtigen Muskeln. Der schwarze, lockige Vollbart verdeckte bis zur Hälfte sein ernstes, männliches Gesicht; unter den zusammengewachsenen Brauen blickten mutig kleine braune Augen. Er stemmte die Arme leicht in die Hüften und blieb vor mir stehen.

Ich dankte ihm und fragte ihn nach seinem Namen.

»Ich heiße Foma«, antwortete er, »und mit dem Zunamen Birjuk.«

»Ah, du bist Birjuk?«

Ich sah ihn mit doppelter Neugier an. Von meinem Jermolai und auch von andern hatte ich verschiedenes über den Waldhüter Birjuk gehört, den die Bauern in der Umgegend wie das Feuer fürchteten. Nach ihren Worten hat es in der ganzen Welt noch keinen solchen Meister in seinem Fach gegeben. »Der läßt keine Tracht Reisig fortschleppen; zu jeder Zeit, selbst um Mitternacht erwischt er einen, und man kann sich gegen ihn gar nicht wehren: Er ist stark und flink wie der Teufel . . . Man kann ihn auch mit nichts bestechen, weder mit Schnaps noch mit Geld, er läßt sich durch nichts verlocken. Die guten Leute haben ihn schon mehr als einmal aus der Welt schaffen wollen, aber er läßt sich nicht fangen.«

So urteilten die Bauern der Umgegend über Birjuk.

»Du bist also Birjuk«, wiederholte ich, »ich habe schon von dir gehört, Bruder. Man sagt, du gibst keinem Menschen Pardon, den du erwischst.«

»Ich tue nur meine Pflicht«, antwortete er düster; »ich will nicht das herrschaftliche Brot umsonst essen.«

Er holte aus seinem Gürtel ein Beil, hockte sich auf den Boden nieder und fing an, einen Kienspan zu spalten.

»Hast du keine Frau?« fragte ich ihn.

»Nein«, antwortete er und holte mit dem Beil aus.

»Sie ist wohl gestorben?«

»Nein . . . ja . . . gestorben«, fügte er hinzu und wandte sich weg.

Ich verstummte: Er hob die Augen und sah mich an.

»Sie ist mit einem Kleinbürger, der des Weges kam, durchgebrannt«, sagte er mit einem grausamen Lächeln.

Das Mädchen schlug die Augen nieder; das Kind erwachte und fing zu schreien an; das Mädchen trat zur Wiege.

»Hier, gib es ihm«, sagte Birjuk und drückte dem Mädchen einen schmutzigen Lutschbeute! in die Hand. »Auch den hat sie verlassen«, fuhr er halblaut fort, auf das Kind weisend. Dann trat er an die Tür, blieb stehen und wandte sich zu mir um.

»Herr«, begann er, »Sie werden wohl unser Brot nicht essen wollen, aber außer Brot habe ich nichts . . .«

»Ich habe keinen Hunger.«

»Nun, wie Sie wollen. Einen Samowar würde ich Ihnen bereiten, aber ich habe keinen Tee . . . Ich will mal hingehen und nach Ihrem Pferd schauen.«

Er ging hinaus und schlug die Tür zu. Ich sah mich wieder um. Die Stube erschien mir noch trauriger als früher. Der bittere Geruch von kaltem Rauch benahm mir den Atem. Das Mädchen rührte sich nicht von der Stelle und hob auch die Augen nicht; ab und zu stieß es die Wiege und zog scheu das herabgleitende Hemd wieder auf die Schultern; ihre bloßen Beine hingen unbeweglich herab.

»Wie heißt du?« fragte ich.

»Ulita«, antwortete sie und senkte ihr trauriges Gesichtchen noch tiefer herab.

Der Waldhüter kam zurück und setzte sich auf die Bank.

»Das Gewitter verzieht sich«, sagte er nach einem kurzen Schweigen; »wenn Sie wollen, führe ich Sie aus dem Wald hinaus.«

Ich erhob mich. Birjuk nahm sein Gewehr und untersuchte die Pfanne.

»Warum das?« fragte ich ihn.

»Im Wald sind Diebe . . . Bei der Stuten-HöheIm Orjolschen Gouvernement bedeutet Höhe eine Schlucht. (Anmerkung Turgenjews) fällen sie einen Baum«, fügte er als Antwort auf meinen fragenden Blick hinzu.

»Hört man es denn von hier?«

»Vom Hof hört man es.«

Wir gingen zusammen hinaus. Der Regen hatte aufgehört. In der Ferne drängten sich noch schwere Wolken und zuckten lange Blitze; aber über unseren Köpfen war schon hier und da der dunkelblaue Himmel zu sehen, und die Sterne flimmerten durch die dünnen, schnell vorbeiziehenden Wolken. Die Umrisse der vom Regen besprengten und vom Wind durchschüttelten Bäume traten aus dem Dunkel hervor. Wir fingen an zu horchen. Der Waldhüter zog seine Mütze vom Kopf und senkte das Gesicht. »Schau, schau . . .«, versetzte er plötzlich, die Hand ausstreckend, »was er sich für eine Nacht gewählt hat.« Ich hörte nichts als das Rauschen der Blätter. Birjuk führte mein Pferd unter dem Schutzdach hinaus. »So werde ich ihn vielleicht verpassen«, sagte er laut.

»Ich geh' mit dir mit . . . willst du?«

»Gut«, antwortete er und zog das Pferd zurück, »wir werden ihn im Nu erwischen, dann will ich Sie begleiten, kommen Sie.«

Wir gingen, Birjuk voran und ich hinter ihm. Gott allein weiß, wie er den Weg fand, aber er blieb nur selten stehen, und auch das nur, um auf die Schläge der Axt zu horchen. »Da schau«, murmelte er zwischen den Zähnen. »Hören Sie es?« – »Wo denn?«

Birjuk zuckte die Achseln. Wir stiegen in die Schlucht hinab, hier wurde es für einen Augenblick windstill, und ich hörte deutlich die gleichmäßigen Schläge. Birjuk sah mich an und schüttelte den Kopf. Wir gingen über nasses Farnkraut und Brennesseln weiter. Es ertönte ein dumpfes, anhaltendes Dröhnen . . .

»Nun hat er ihn umgeworfen . . .«, murmelte Birjuk.

Der Himmel wurde indessen immer reiner; im Wald dämmerte es leicht. Endlich kamen wir aus der Schlucht heraus.

»Warten Sie hier«, flüsterte mir der Waldhüter zu. Dann bückte er sich, hob sein Gewehr in die Höhe und verschwand im Wald. Ich fing an, gespannt zu horchen. Durch das anhaltende Rauschen des Windes glaubte ich in der Nähe schwache Töne zu hören: das vorsichtige Schlagen einer Axt auf die Äste, das Knarren von Rädern und das Schnauben eines Pferdes . . . »Wohin? Halt!« erdröhnte plötzlich die eiserne Stimme Birjuks. Eine andere Stimme schrie jämmerlich wie ein Hase. Es begann ein Kampf. – »Nein! Nein!« wiederholte Birjuk keuchend, »du entwischst mir nicht . . .« Ich eilte auf das Geschrei hin und erreichte, bei jedem Schritt stolpernd, den Kampfplatz. Auf dem Boden neben dem gefällten Baum machte sich der Waldhüter zu schaffen: Er hatte den Dieb unter sich und band ihm mit einem Gürtel die Hände auf den Rücken. Ich kam näher. Birjuk erhob sich und stellte auch ihn auf die Beine. Ich erblickte einen durchnäßten, abgerissenen Bauern mit einem langen, zerzausten Bart. Ein elendes, zur Hälfte mit einer Bastmatte bedecktes Pferd stand gleich daneben, an das Untergestell eines Leiterwagens gespannt. Der Waldhüter sprach kein Wort; auch der Bauer schwieg und schüttelte nur den Kopf.

»Laß ihn laufen«, flüsterte ich Birjuk ins Ohr, »ich will den Baum bezahlen.«

Birjuk ergriff das Pferd schweigend mit der Linken am Schopf; mit der Rechten hielt er den Dieb am Gürtel. »Na, rühr dich, du Maulaffe!« sagte er ihm streng.

»Nehmen Sie doch die Axt da«, murmelte der Bauer.

»Ja, warum soll sie hier verlorengehen!« versetzte der Waldhüter und nahm die Axt.

Wir machten uns auf den Weg. Ich ging hinter den beiden . . . Es begann wieder zu tropfen, und bald goß es in Strömen. Mit Mühe erreichten wir die Hütte. Birjuk ließ das gefangene Pferd auf dem Hof zurück, führte den Bauern in die Stube, löste ein wenig den Knoten im Gürtel und setzte ihn in eine Ecke. Das Mädchen, das neben dem Ofen eingeschlafen war, sprang auf und begann uns mit stummem Schreck anzustarren. Ich setzte mich auf die Bank.

»Wie es gießt!« sagte der Waldhüter. »Wir werden warten müssen. Wollen Sie sich nicht hinlegen?«

»Ich danke.«

»Ich würde ihn Ihretwegen in die Kammer sperren«, fuhr er fort, auf den Bauern zeigend, »aber der Riegel . . .«

»Laß ihn hier, tu ihm nichts«, unterbrach ich Birjuk.

Der Bauer sah mich finster an. Ich gab mir innerlich das Wort, den armen Teufel, was es auch kosten sollte, zu befreien. Er saß unbeweglich auf der Bank. Beim Schein der Laterne sah ich sein ausgemergeltes, runzliges Gesicht, die überhängenden gelben Brauen, die unruhigen Augen und die mageren Glieder . .. Das Mädchen legte sich auf den Boden dicht vor seinen Füßen nieder und schlief wieder ein. Birjuk saß am Tisch, den Kopf in die Hände gestützt. In einer Ecke zirpte ein Heimchen; der Regen prasselte gegen das Dach und floß an den Fensterscheiben herunter; wir alle schwiegen.

»Foma Kusmitsch«, begann plötzlich der Bauer mit einer dumpfen, gebrochenen Stimme: »Du, Foma Kusmitsch!«

»Was willst du?«

»Laß mich laufen.«

Birjuk gab keine Antwort.

»Laß mich laufen . . . ich tat es aus Hunger . . . laß mich laufen.«

»Ich kenne euch«, antwortete der Waldhüter mürrisch, »euer ganzes Dorf ist so: lauter Diebe.«

»Laß mich laufen«, wiederholte der Bauer: »Der Verwalter . . . wir sind ganz verarmt . . . laß mich!«

»Verarmt . . .! Niemand darf stehlen.«

»Laß mich laufen, Foma Kusmitsch, richte mich nicht zugrunde. Euer Verwalter, du weißt es selbst, frißt einen auf . . .!«

Birjuk wandte sich weg. Der Bauer zitterte wie im Fieber. Er schüttelte den Kopf und atmete ungleichmäßig.

»Laß mich laufen«, wiederholte er mit trübseliger Verzweiflung, »laß mich, bei Gott! Ich werde bezahlen, ja, bei Gott! Bei Gott, ich tat es aus Hunger . . . die Kinder schreien, du weißt es selbst. So schwer hab' ich es.«

»Du sollst aber trotzdem nicht stehlen gehen.«

»Das Pferdchen«, fuhr der Bauer fort, »das Pferdchen, laß wenigstens das Pferdchen frei, ich hab' ja nur dies eine Tier!«

»Ich sag' dir doch, es geht nicht. Auch ich bin kein freier Mensch. Ich werde es verantworten müssen. Man darf euch nicht verwöhnen.«

»Laß mich laufen! Es ist die Not, Foma Kusmitsch, wahrhaftig die Not . . . laß mich laufen!«

»Ich kenne euch!«

»Laß mich laufen!«

»Ach, was soll ich mit dir reden! Sitz ruhig, sonst werd' ich dich, du weißt schon! Siehst du denn den Herrn nicht?«

Der Ärmste schlug die Augen nieder . . . Birjuk gähnte und legte den Kopf auf den Tisch. Der Regen wollte noch immer nicht aufhören. Ich wartete, was weiter kommen würde.

Der Bauer richtete sich plötzlich auf. Seine Augen brannten und sein Gesicht rötete sich. »Na, friß, erstick daran!« begann er, die Augen zusammenkneifend und die Mundwinkel senkend. »Hier, verruchter Seelenmörder, trink Christenblut, trink . . .«

Der Waldhüter wandte sich um.

»Zu dir spreche ich, Asiate, Blutsauger, zu dir!«

»Bist du betrunken, daß es dir einfällt, zu schimpfen?« rief der Waldhüter erstaunt. »Oder bist du von Sinnen?«

»Betrunken . . .! Nicht für dein Geld habe ich getrunken, verdammter Seelenmörder, du Tier, Tier, Tier!«

»Ach du . . .! Ich werde dich . . .«

»Was macht's? Ich gehe sowieso zugrunde! Was soll ich ohne Pferd anfangen? Mach mir den Garaus, es ist ja alles eins, ob ich vor Hunger oder so krepiere. Mag alles zum Teufel gehen: Frau, Kinder – mögen alle krepieren . . . Aber mit dir werden wir schon abrechnen!« Birjuk erhob sich.

»Hau zu, hau zu!« rief der Bauer mit wütender Stimme: »Hau, hier, hau zu . . .«

Das Mädchen sprang schnell vom Boden auf und starrte ihn an.

»Hau zu! Hau zu!«

»Schweig!« donnerte der Waldhüter und machte zwei Schritte auf ihn zu.

»Genug, genug, Foma«, schrie ich, »laß ihn . . . höre nicht auf ihn.«

»Ich will nicht schweigen«, fuhr der Unglückliche fort. »Ich muß doch sowieso krepieren. Du Seelenmörder, Tier, daß dich . . . Aber wart, wirst nicht mehr lange so stolz tun! Man wird dir schon die Gurgel zuschnüren, warte nur!«

Birjuk packte ihn an der Schulter . . . Ich stürzte dem Bauern zu Hilfe . . .

»Rühren Sie mich nicht an, Herr!« herrschte mich der Waldhüter an.

Ich hätte mich vor seiner Drohung nicht gefürchtet und hatte schon die Hand ausgestreckt, aber er riß, zu meinem größten Erstaunen, mit einem Ruck dem Bauern den Gürtel von den Ellbogen, packte ihn beim Kragen, drückte ihm die Mütze über die Augen, öffnete die Türe und stieß ihn hinaus.

»Scher dich zum Teufel mit deinem Pferd!« schrie er ihm nach . . . »Aber paß auf, wenn ich dich ein anderes Mal erwische . . .«

Er kehrte in die Stube zurück und machte sich in einer Ecke zu schaffen.

»Na, Birjuk«, sagte ich, »du hast mich in Erstaunen gesetzt: Wie ich sehe, bist du ein braver Kerl.«

»Hören Sie auf, Herr«, unterbrach er mich verdrießlich, »sagen Sie es bitte nur niemand. Ich will Sie lieber begleiten«, fügte er hinzu. »Sie werden wohl gar nicht abwarten, bis der Regen aufhört . . .«

Auf dem Hof knarrten die Räder des Bauernwagens.

»Da fährt er nach Hause!« murmelte er. »Ich werde ihm schon . . .« Eine halbe Stunde später verabschiedete er sich von mir am Waldsaum.


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