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Ins Schweizerland

Obwohl Pommerle in seinem zweiten Vater schon immer einen ganz besonderen Mann sah, aus dessen Kopf nur kluge Sachen kamen, stieg die Hochachtung des Kindes von Monat zu Monat. Es gab viele Leute, die Bücher schrieben, aber man rief diese Leute nicht immer in die verschiedensten Länder, um auch dort von ihrem Wissen etwas abzugeben. Schon damals, als Professor Bender seinen fünfzigsten Geburtstag feierte, als Abgesandte aus Norwegen und Schweden kamen, ahnte das Kind, daß der Professor einen sehr guten Namen in der ganzen Welt haben mußte. Nun riefen auch die Schweiz und Italien nach ihm. Der Vater würde in Zürich eine Reihe von Vorträgen über die verschiedensten Gesteine halten und würde später nach Italien gehen, um dort das gleiche zu tun.

Schön war es, solch einen berühmten Vati zu haben und neben ihm im Abteil zu sitzen, um durch Deutschland zu fahren und in der Schweiz zu landen.

Pommerle blickte unentwegt zum Fenster hinaus und konnte sich nicht sattsehen an den Wiesen und Feldern, an den Ortschaften und Wäldern, die alle so rasch vorüberflitzten. Immer wieder rief es erregt nach dem Vater, der Mutter, um sie auf allerlei aufmerksam zu machen.

Die lange Reise sollte nicht an einem Tage durchgeführt werden. So wollten Benders in Nürnberg übernachten, die Stadt und ihre Sehenswürdigkeiten besichtigen und erst am folgenden Morgen nach Zürich weiterfahren. Auch dort sollte ein Tag haltgemacht werden. Dann aber wollte der Professor Frau und Tochter nach Vitznau am Vierwaldstädtersee in ein Fremdenheim bringen. Er allerdings mußte nach Zürich zurückkehren, um nur jeden Sonnabend nach Vitznau zu kommen und dort bis Dienstag zu bleiben.

Schon die Reise bis Nürnberg brachte Pommerle viel Neues. Das Kind stellte Frage auf Frage. Zunächst ging es über Görlitz, wo man die Landskrone sah, einen Berg, ganz in der Nähe der Stadt. Ein beliebter Ausflugspunkt für alle Görlitzer. Dann war Dresden erreicht, die Hauptstadt des sächsischen Landes.

»Sieh nur, Mutti, den breiten Fluß! Das ist doch die Elbe? Und die vielen Brücken!«

Die Eltern erklärten, Dresden sei an beiden Ufern der Elbe erbaut, die vielen Brücken führten von der Altstadt zur Neustadt hinüber. In der Altstadt befinde sich das Schloß, der berühmte Zwinger und das Grüne Gewölbe mit den weltbekannten Bildern.

»Sag mal, Väti, so große Städte wie bei uns gibt es in der Schweiz doch wohl nicht? Sind dort überhaupt so große Häuser?«

»Natürlich, Kleinchen, große Städte und hohe Häuser!«

»Aber nicht viele, Väti? – Der Jule hat doch gesagt, dort gibt es nur Berge und Wiesen mit Kühen.«

»Na, mein Kind, du wirst dich mit eigenen Augen überzeugen, daß die Schweiz auch sehr schöne Städte und Ortschaften hat. Wie kann der Jule solchen Unsinn reden? Er ist doch überhaupt noch nicht in der Schweiz gewesen.«

Wieder jubelte Pommerle auf. »Sieh nur, schon wieder fahren wir über eine Brücke! Ach, würde der Jule sich freuen, wenn er mit wäre! Ich glaube, Väti, es gibt überhaupt kein schöneres Land als Deutschland mit Schlesien und der Ostsee.«

»Hast recht, mein Kind, das Vaterland soll immer das Liebste, Teuerste und Schönste sein. Man soll seine Wunder niemals vergessen, wenn man in einem fremden Lande weilt.«

Daß man im Zuge auch Mittag essen könne, in einem kleinen Zimmer mit vielen Tischen saß und der Kellner alles brachte, was man nur haben wollte, das war für Pommerle wieder etwas ganz neues. Die blauen Kinderaugen glitten unentwegt durch den Speisewagen und dann wieder hin zum Fenster.

Leise flüsterte die Kleine der Mutter zu: »Es geht schlecht, daß wir essen und gucken. Ich wollte, wir wären erst fertig mit dem Essen. Sieh mal, da draußen wird es immer schöner!«

Man durchfuhr jetzt Industriegebiet, zahlreiche Städte mit großen Fabrikgebäuden und hohen Schornsteinen. Plötzlich fragte Pommerle:

»Sag mal, Väti, wohnen in den vielen Orten auch berühmte Leute? In der Schweiz ist Wilhelm Tell, in Hirschberg wohnt der Professor Bender. – Welcher berühmte Mann wohnt wohl hier in Plauen?«

Professor Bender geriet sichtlich in Verlegenheit. Eine solche Frage seines Töchterchens hatte er wirklich nicht erwartet. Aber das Kind ließ nicht nach.

»Väti, sag doch schnell – welcher berühmte Mann wohnt hier?«

»Ja, mein liebes Pommerle, das kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Das weiß der Väti nicht.«

»Das weißt du nicht?« Pommerle blickte den Vater mit großen, erstaunten Augen an. »Das weißt du nicht?« wiederholte das Kind gedehnt. Und nach einer Pause: »Weißt du es wirklich nicht, oder willst du es nicht sagen, weil ich soviel frage?«

»Der Vater weiß nur, daß in Plauen große Spitzen- und Gardinenwebereien sind.«

»Und wie heißt der berühmteste Mann, der solche Spitzen und Gardinen macht?«

Bender lenkte ab. »Sieh mal, Pommerle, was dort drüben für ein spitzer Turm zu sehen ist.«

»Ach, Väti, genau so 'nen spitzen Turm haben wir schon in Görlitz gesehen. – Weißt du wirklich nicht, wie der berühmteste Spitzenmann heißt?«

»Nein, mein Kind, wirklich nicht. Hier sind viele Leute, die große Fabriken haben. Bekannte Firmen, die über die ganze Erde hin Spitzen und Gardinen liefern.«

Schließlich gab das Kind Ruhe, aber befriedigt war es nicht. Nur erstaunt, daß der Vater etwas nicht wußte. Als man nach Hof kam, erklärte Professor Bender seiner Tochter, man sei nun im bayrischen Lande.

»Bayern«, rief Pommerle freudig, »ach, Väti, da gibt es viele schöne Berge und das gute Bier! Das haben wir in der Schule gelernt. Und dort tanzen sie Schuhplattler, hauen sich dabei mächtig auf die Beine und schreien ›Juhu!‹ – Trinken wir nun alle bayrisches Bier? Soll ich dem Manne da draußen winken?« Schon pochte die Kinderhand an das Fenster des Abteils.

»Na na – ein zehnjähriges Mädchen wird doch kein Bier trinken!«

»Nur weil es so ein berühmtes Bier ist, Väti. Unser Studienrat hat doch gesagt, ich soll mir alles Berühmte gut merken, und im Herbst, wenn ich wieder in Hirschberg bin, davon erzählen. Da muß ich doch auch das berühmte Bier kosten. Väti, ach bitte, laß doch mal das Fenster 'runter, bestelle ein Glas Bier, und schenke mir einen Schluck!«

Der Professor rief lachend den Kellner heran und ließ sich ein Glas Bier bringen.

»Väti – was ist denn das für ein Glas? Das ist ja aus Pappe? Schenkst du mir nachher das Glas? Das muß ich mir mal ganz genau besehen.«

»Sei nicht so laut, Pommerle. Sieh, die Mutti hat die Augen geschlossen, sie will ein wenig schlafen.«

»Bekomme ich einen Schluck von dem berühmten Bier?« bettelte Pommerle, und sah verlangend nach dem Becher.

Der Professor trank, dann reichte er seinem Töchterchen den Becher mit dem Rest. Die Kleine trank den ersten Schluck und runzelte die Stirn. Was hatte sie nur zu trinken geglaubt? Dabei war in dem Becher doch auch nur bitteres Bier.

»So'n Bier haben wir doch schon in Hirschberg getrunken, Väti. – Hier, hast du's – mach Rest. Dann aber möchte ich den Becher haben.«

Der Becher war Pommerles Entzücken.

»Wenn wir erst in der Schweiz sind, trinke ich immer aus dem Becher. Na, die Schweizer werden sich wundern! So 'nen Becher gibt es nur hier in Deutschland.«

Als man abends in Nürnberg ankam, fühlten sich die Eltern ziemlich ermüdet. Pommerle dagegen war frisch wie ein Fischlein. So bedrängte sie auch jetzt den Vater unentwegt mit Fragen.

»Erzähl mal was von Nürnberg, Väti! Das ist eine berühmte Stadt, hat unser Studienrat gesagt. In Nürnberg war mal ein Schuhmacher, der hat Gedichte gemacht und Bücher geschrieben, genau so wie du Bücher schreibst. Väti, weißt du, wie der Schuhmacher hieß?«

»Hans Sachs hieß er.«

Pommerle klatschte freudig in die Hände. »Richtig, Väti, du weißt doch alles – nur in Plauen hast du den berühmtesten Spitzenmann nicht gewußt. Na, vielleicht fällt er dir noch ein. – Väti, gehen wir heute abend noch in Nürnberg spazieren?«

»Laß endlich den armen Vater in Ruhe, Kleinchen«, mahnte Frau Bender.

»Mutti, dann sag du doch, ob es hier nicht die berühmten Würstchen gibt.«

Frau Bender warf einen hilfesuchenden Blick auf den Gatten. Sie bewunderte seine Geduld. Auch jetzt gab er wieder Antwort.

»Ja, Pommerle, im ›Bratwurschtglöckle‹.«

»Gehen wir da gleich hin?«

»Nein, wir gehen ins Hotel, essen dort Abendbrot und legen uns dann schlafen.«

»Aber das berühmte bayrische Bier brauche ich doch nicht zu trinken, Väti? Ich möchte lieber eine Himbeerlimonade mit viel Zucker.«

Im Hotel schwieg Pommerle aber doch. Voller Erstaunen betrachtete das Kind die schöne Halle, den Pförtner und den Fahrstuhl, der so rasch in die Höhe sauste, daß Pommerle ein wenig ängstlich zumute wurde. Dann säuberte man sich vom Reisestaub, und Pommerle wusch und rieb sich Gesicht und Arme, bis sie krebsrot waren.

Schließlich zeigte sich bei dem kleinen Mädchen schon während des Abendessens große Müdigkeit. Kaum konnte es erwarten, zu Bett zu gehen, und schlief fest und traumlos bis zum Morgen.

Eine Stunde später machte man sich auf den Weg, um die Stadt anzusehen.

Daß der Kellner am nächsten Morgen unten im Frühstückszimmer in einem silbernen Kännchen die Milch brachte und sogar fragte, ob Pommerle Zwiebäcke haben wolle, rief bei der Kleinen größtes Erstaunen hervor.

»Darf ich selber was bestellen?«

Der Vater nickte.

»Oh«, sagte Pommerle mit Herzklopfen, »dann bringen Sie mir doch, bitte, schöne Zwiebäcke, die in durchsichtiges Papier gewickelt sind. Ich sammle das Papier und bringe es dem Jule mit.«

Eine Stunde später machte man sich auf den Weg, um die Stadt anzusehen. Man ging hinauf zu der alten Burg, sah die Wiese, auf der die alten Meistersinger in früheren Zeiten ihre Zusammenkünfte abgehalten hatten; man betrachtete die alten Häuser mit den spitzen Giebeln und die noch älteren, die unmittelbar an der Pegnitz lagen. Staunend stand das Kind vor den Gebäuden.

»Wird's immer noch schöner, Väti?«

»Morgen geht es über Augsburg und Lindau zum Bodensee. Über den See fahren wir mit dem Schiff und kommen nach der Schweiz. Wenn du auf dem Bodensee bist, siehst du in der Ferne Friedrichshafen. Nun sage du mir einmal, was für ein berühmter Mann in Friedrichshafen gelebt hat.«

»Zeppelin«, klang es prompt zurück. »Der Mann, der so lange gebastelt hat, bis er ein riesengroßes Luftschiff fertig hatte. – Oh, Väti, du kannst mich nicht 'reinlegen. Den Zeppelin haben wir doch in Hirschberg gesehen. Weißt du noch?«

»Ja, mein Kind!«

»Komisch, Väti, daß in jeder Stadt so 'n berühmter Mann wohnt. Ich freue mich zu sehr, daß Hirschberg auch einen berühmten Mann hat und daß Leute von ganz weither nach Hirschberg kommen. Wenn sie sich dann umsehen, steht da auch noch unser Riesengebirge, unser schönes, liebes Riesengebirge!«

Am nächsten Tage wurde die Reise fortgesetzt, und als man in Lindau den Dampfer bestieg, der den Namen »Wilhelm Tell« trug, saß Pommerle andächtig auf der Querbank. Jetzt ging es in die Schweiz, jetzt war man wieder an einem großen Wasser, aber es war doch nicht so wie die Ostsee. Überall sah man die Ufer. Wenn man dagegen in Neuendorf stand und geradeaus blickte, tauchte der Himmel ins Wasser. Hier war das anders.

»Väti«, klang es leise, »die Ostsee ist doch viel schöner als der Bodensee.«

»Sie ist viel größer. Aber schau! Dort drüben tauchen die Berge auf. Alles, was du links siehst, gehört schon zur Schweiz. Hier rechts ist deutsches Land. Dort im Dunst liegt Konstanz. Man kann es nicht sehen.«

»Hat es auch einen berühmten Mann?«

»Konstanz ist sogar eine sehr berühmte Stadt; dort wurden große Kirchenversammlungen abgehalten. Davon wirst du später noch mehr erfahren.«

Nach reichlich einstündiger Fahrt betrat Pommerle zum erstenmal Schweizer Boden. Das Kind war enttäuscht. Es hatte sich unter der Schweiz etwas ganz anderes vorgestellt. Jule hatte gesagt, man müsse ständig über Berge steigen und sähe nur Eis und Schnee. Hier aber war genau solch grünes Land wie in Deutschland.

Auch die Berge, die auf der Fahrt nach Zürich sichtbar wurden, lockten dem Kinde kein Erstaunen ab. Solche Berge gab es im Riesengebirge auch.

»Warte nur ab«, lächelte Bender. »Die hohen Berge wirst du später zu Gesicht bekommen.«

Dann war Zürich erreicht. Pommerle staunte über die riesengroße Stadt mit den breiten Straßen, in denen so viele elektrische Bahnen fuhren.

»Mutti, der Jule hat geschwindelt. Er sagte mir: Zürich ist so klein wie Stonsdorf, sogar noch ein bißchen kleiner. In Zürich gäbe es nur Kuhställe und Ziegen. Aber Zürich ist doch viel größer als Hirschberg. Das schreibe ich ihm.«

»Der Jule hat die Schweiz niemals gesehen, mein Kind. Er ist aus dem Hirschberger Tal noch nicht herausgekommen.«

»O doch, Mutti! Er ist mit I K 37 985 nach der Ostsee gefahren, bis nach Neuendorf. Er hat auch schon das halbe Deutschland gesehen.«

In Zürich wurde eine Rundfahrt gemacht. »Schon wieder ein See, Mutti, und morgen fahren wir wieder an einen See. Aber alle Seen zusammen sind noch lange nicht so groß wie die liebe Ostsee.«

Ehrfurchtsvoll bestaunte die Kleine das große Haus, in dem der Vater in den nächsten Tagen vor vielen Leuten seine gelehrten Vorträge halten sollte.

»Haste Angst, Väti?«

»Nein, mein Kind! Wenn man alles gut weiß, braucht man keine Angst zu haben.«

»Nu ja, du bist ja ein berühmter Mann. – Wie werden dich die Schweizer Leute ansehen! – Sage ihnen nur, daß du aus dem Riesengebirge kommst, daß du eine schöne Heimat hast, auch mit Bergen. Und wenn sich mal einer dick tut mit der Schweiz, dann erzähle ihm von der Schneekoppe! Die ist wohl schön!«

Wieder verließ man Zürich, wieder fuhr man mit der Eisenbahn. Und dann in Brunnen sah Pommerle staunend die gewaltigen Berge, die sich jäh und steil in den Himmel erhoben. Das Fragen verstummte. Mit weitgeöffneten Augen schaute die Kleine die Bergriesen an; ein wenig ängstlich bestieg sie das Schiff, das alle drei nach Vitznau bringen sollte.

Überall Bergriesen, überall gewaltige Felsmassen hochaufgetürmt. Der See rings umstanden von diesen steinernen Wänden. Und zwischen ihnen lagen bald hier, bald dort kleine, reizvolle Ortschaften, an denen das Schiff anlegte.

Wenn Pommerle wirklich etwas fragte, sank ihre Stimme zum Flüstern herab. Die Augen des Kindes hingen unentwegt an den hohen Bergen. Das hatte Pommerle freilich noch nicht gesehen. So riesengroß war die Schneekoppe nicht! Und auf diese Berge sollte man hinaufsteigen können?

»Schnee, dicker weißer Schnee, dort ganz oben«, flüsterte das erregte Kind und wies mit dem Finger scheu auf die weißen Gipfel.

»Das ist das Stanser Horn, Pommerle, dort drüben siehst du den Bürgenstock, und die Spitze, die dort hervorschaut, ist der Pilatus.«

»Oh – – oh – – ist das schön! Väti, es gruselt mich! – Müssen wir da auch hinauf?«

»Wenn wir nach Vitznau kommen, sind wir am Fuße des Rigi. Auf den Rigi werden wir natürlich einmal fahren.«

»Fahren – auf solch einen hohen Berg?« Dann fragte die Kleine nicht mehr viel. Die großartige Natur überwältigte sie.

Der Dampfer legte in Vitznau an, einem kleinen, reizenden Ort unmittelbar am Vierwaldstädter See. Pommerle schritt an der Hand der Mutter schweigend zum Hotel.

»Schau, Pommerle, hier hast du den Rigi; einen Berg mit weltberühmter Aussicht. Vom Gipfel dieses Berges kannst du weit ins deutsche Land schauen.«

»Dann wollen wir rasch mal hinaufgehen. Ich möchte Deutschland sehen.«

»Ist es hier nicht auch herrlich, mein Kind?«

»Ja, Väti, schaurig schön! Nur – hier kann man das Gruseln kriegen. Bei uns im Riesengebirge gruselt es mich nicht. – Wann gehen wir mal auf den Berg, um Deutschland zu sehen?«

»Erst bleiben wir einige Tage unten.«

»Väti – sieh doch mal!« Pommerle wies auf eine Lokomotive, die einen Wagen stieß. Der kurze Zug fuhr dicht an den Fenstern des Hotels vorüber und ließ lautes Schnaufen ertönen. »Väti, die fahren ja verkehrt in der Schweiz. Guck doch mal, was die Lokomotive für Räder hat!«

»Da siehst du gleich die Rigibahn. Es ist eine Zahnradbahn, mein Kind, die bis auf den Berg hinauffährt.«

»Bis dort oben hinauf? Oh, die wird aber schnaufen müssen. – Hör mal, wie sie jetzt schon pustet, und dabei ist sie noch ganz unten.«

Pommerle stand am Fenster und verfolgte die langsam an den Bergen emporklimmende Bahn, bis sie um eine Biegung verschwand.

»Ich höre sie noch immer schnaufen«, flüsterte das Kind. »Ach ja, es ist schön hier in der Schweiz – aber ebenso schön ist es im Riesengebirge.«

Beim Betrachten des Vierwaldstädter Sees wanderten Pommerles Gedanken dann zur Ostsee. Und auch jetzt klang es wieder aus Kindermund, unbewußt wie ein Sehnen: »Schön ist der See, aber meine liebe Ostsee ist doch noch viel schöner!«


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