Franz Treller
Der Letzte vom »Admiral«
Franz Treller

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Der Überfall

Endlich stieg die Sonne über dem Meer empor und sandte eine Flut goldenen Lichtes über die Wellen. Der Kapitän und die Offiziere gingen nach oben, um weitern Ausblick zu haben. Was sich da ihren Augen bot, war nicht erfreulich.

Bis auf den Ausgang nach Norden hin, durch den sie vermittels der Strömung zwischen die Riffe geraten waren, zeigten sich nach Westen und Süden nur Brandungswellen, in meilenweiter Ausdehnung. Auch der Raum zwischen der unfernen, hier in Felsenformationen hoch und schroff aufragenden Küste war mit Riffen durchsetzt.

Mit Schrecken sah Jansen, daß sie in der Dunkelheit bis auf hundert Faden an die Riffe herangetreten waren. Bei leichtem Wind schaukelte sich die Barke jetzt gemächlich vor ihren Ankern, aber dieser Wind blies leider von Norden und verlegte so den einzigen Rettungsweg; ein Aufkreuzen dagegen war nicht möglich. Die Strömung, welche sie südwärts getrieben hatte, lief in das Riffgewirr hinein.

Hierauf bauend, sagte Jansen: »Es muß sich ein Weg durch die Brandungen finden. Hier droht Gefahr, auf die Klippen getrieben zu werden, wenn es stärker von Norden her weht. Lassen Sie uns die Jolle und das Lot nehmen und uns nach einem Ausweg umsehen.«

Die Jolle wurde klargemacht, die Bootsmannschaft, zu welcher Henrik gehörte, der Kapitän und Findling, begaben sich hinein, und man ruderte, fortwährend lotend, auf die Brandung zu. Es zeigte sich, daß ein breiter und tiefer Kanal hineinlief, der sich aber bald dem Land zuwandte, von dem ihnen Felsen entgegenstarrten. Den Weg fortsetzend kamen sie dicht ans Ufer. Hier wandte sich der Kanal fast in einem spitzen Winkel nach Süden. Jansen und Findling überzeugten sich, daß es möglich sei, den »Roland« mit Hilfe des Wharptrosses den Winkel beschreiben zu lassen, wenn er dabei auch dicht an die Uferfelsen treten mußte. Wassertiefe war überall genug vorhanden. Sie verfolgten den Kanal nach Süden und entdeckten zu ihrer Freude, daß er, ohne Hindernisse zu bieten, dem Schiff gestattete, in den Ozean zu laufen. Als sie sich hiervon überzeugt hatten, traten sie in froher Stimmung den Rückweg an.

Der Buganker wurde gehoben, und man ließ den »Roland« sich langsam um den zweiten ausgebrachten Anker drehen, bis sein Bug nach Süden stand. Etwas Leinwand wurde entfaltet, und das Schiff glitt zwischen die unter dem Wogenanprall schäumenden Klippen. Der Wind blies stetig aus Nord, und der »Roland«, der dem Steuer gut gehorchte, legte mit ruhiger Sicherheit seinen Weg durch den Kanal zurück. Unweit des Landes ließ Jansen die Segel tot an den Wind bringen und sandte die Jolle mit dem Wurfanker am Wharptroß nach dem Felsengestade, um ihn dort festzumachen. Dies gelang auch nach einiger Mühe. Die Schwierigkeit war, den »Roland« den Bug nach vorn, so zwischen den spitzauslaufenden Klippen und dem Ufer zu wenden, daß er mit der Nase von neuem nach Süden zu stehen kam, wo er dann bei diesem Wind leicht den Ozean erreichen konnte. Der Raum für das Wenden war dem Schiff so knapp zugemessen, daß der Wurfanker dreimal an anderer Stelle ausgelegt werden und die gesamte Mannschaft mit Aufbietung aller Kraft am Gangspill arbeiten mußte, um es in dem engen und winkeligen Fahrwasser um die Riffspitze herumzubringen. Der Himmel hatte sich umzogen und große Tropfen fielen nieder, die einem echten Tropenregen vorangehen.

Jansen rief die Jolle zurück, um die Arbeit später fortsetzen zu lassen, und ließ die angestrengten Leute hinab und zu Tisch gehen. Er selbst, wie auch Findling, begaben sich in ihre Kajüten; auf dem Deck waren nur noch Henrik, Fritz Fischer und der Insulaner von Neuhannover, welcher mit großer Aufmerksamkeit die Felsen betrachtete, denen das Bugspriet so nahe gekommen war. Ein furchtbarer Platzregen prasselte hernieder, und Henrik und der Berliner krochen, da man in Erwartung eines solchen die Luken geschlossen hatte, rasch unter das Gig des Kapitäns, welches am Vormast kieloben lag; ihnen folgte der Insulaner.

Unendliche Flut strömte herab, das Deck stand bald fußhoch unter Wasser. Diese Regen, so gewaltig sie auch auftreten, sind nur von kurzer Dauer. In zehn Minuten war der Guß vorbei und die Flut hatte sich den Weg durch die Speigaten gesucht. Ein eigentümliches Geräusch auf Deck machte Henrik und Fritz stutzen, sie streckten rasch und neugierig die Köpfe unter dem Boot hervor und sahen mit versteinerndem Schreck etwa fünfzig bis sechzig bewaffnete Wilde an Bord verteilt. Einige von ihnen waren im Begriff, eine schwere Kiste auf die Luke zu schieben, welche zum Mannschaftslogis führte, während andere hinten neben der Luke standen, die den Eingang zu der Kajüte bildete.

Kaum waren die jungen Leute bemerkt, als sie hervorgezogen wurden und ein Haufe grimmig grinsender Wilder um sie stand, die sie mit den Waffen bedrohten.

»Ach Jotte doch!« stöhnte entsetzt der Schneider. Henrik schwieg, obgleich auch durch ihn Schauer des Entsetzens zogen. Gleich darauf kroch Atura unter dem Boot hervor; auch auf ihn stürzten sich die Kannibalen, doch er rief dem einen der Häuptlinge, die an Bord gewesen waren, einige Worte zu, worauf dieser befahl, von ihm abzulassen.

Die Luke, welche den Eingang zu den Kajüten deckte, wurde zurückgeschoben und zu Henriks tiefstem Schrecken erschien Kapitän Jansens Haupt über Deck.

»Zurück!« schrie Henrik ihm gellend zu, alle Rücksicht auf seine eigene Lage vergessend. Doch schon sauste, von hinten her geführt, eine Keule auf des Kapitäns unbeschütztes Haupt hernieder und mit zerschmettertem Schädel sank der Körper vornüber, von kräftigen Fäusten aufs Deck heraufgerissen.

Aus der Luke aber krachten zwei Revolverschüsse und zwei Wilde schrien auf, einer brach zusammen; da wurde auch die Luke schon wieder zugezogen. Eilig wälzten auch hier die Insulaner schwere Gegenstände darauf. Einem Messerstich war Henrik nur entgangen, weil Atura ihn rasch zurückzog und sich vor ihn stellte.

Der Anblick des erschlagenen Kapitäns, dessen Blut das Deck rötete, war schauderhaft. Totenbleich standen die beiden jungen Leute da, fürchtend, daß auch sie dieses Schicksal ereile. Die Insulaner schienen aber zunächst nicht die Absicht zu haben, die waffenlosen Gefangenen zu töten. Jetzt wurde es auch im Mannschaftslogis lebendig und kräftige Versuche gemacht, die Luke zu heben. Schimpfworte drangen herauf, die Matrosen schienen keine Ahnung von dem Zustand auf Deck zu haben.

Die drei Gefangenen wurden jetzt, während eine starke Zahl der Wilden vorn Wache hielt, nach hinten geführt und Atura veranlaßt, die unter Deck befindlichen Mannschaften anzurufen. Er forderte, dem Befehl gehorchend, den Steuermann zu einer Unterredung.

Dieser kam zur Luke, als er des Insulaners Stimme hörte, doch war sein erstes Wort: »Henrik!«

»Hier, Herr!«

»Bist du gefangen?«

»Ja.«

»Ist der Kapitän tot?«

»Ja, Herr Findling, leider.«

»Wieviel der Halunken sind an Bord?«

»Wohl sechzig Mann.«

»Die Luken sind verrammelt?«

»Ja.«

Mit einer grimmigen Miene schob der früher so blödsinnig vor sich hinstierende Häuptling, der jetzt sehr energisch dreinblickte, Henrik zurück und rief Atura ein befehlendes Wort zu.

»Herr!« wandte sich dieser englisch an Findling.

»Sprich, ich höre.«

»Das Schiff ist im Besitz der Feinde.«

»Ich weiß es. Was wollen sie?«

»Ihr sollt alles, was ihr an Tauschwaren habt, herausgeben, dann wollen sie euch absegeln lassen.«

»Ja, wie den Kapitän«, murrte Findling in deutscher Sprache. »Sage ihnen, Atura«, fuhr er dann englisch fort, »ich wäre dazu bereit und wolle alles zusammensuchen; wenn aber dir oder den beiden jungen Leuten ein Leid geschehe, sprengte ich mich mit dem ganzen Schiff in die Luft, dann bekämen sie gar nichts und führen damit zur Hölle, wohin sie überhaupt gehörten.«

Der Insulaner übertrug das so gut wie möglich den Wilden und diese schienen von der Zusicherung, die Tauschwaren zu erhalten, sehr befriedigt zu sein.

Findling rief noch: »Henrik, geh nach dem Vorderdeck, wenn du kannst.«

Dieser antwortete nicht, um nicht den Verdacht zu erregen, daß die Worte ihm galten.

Die Gefangenen wurden mittschiffs geführt. Bange Minuten verflossen. Erstaunt hörte Henrik Holzäxte unter Deck in Tätigkeit. Auf eine Frage des Häuptlings an Atura über die Ursache dieses Geräusches, erklärte dieser: »Sie öffnen die Kisten, um die Waren auszupacken.«

Die Augen der Wilden glänzten vor Habgier und Mordlust.

Unbeachtet hatte sich Henrik immer mehr und mehr dem Vorderdeck genähert. Jetzt hörte er unter sich die tiefe Stimme des Steuermanns: »Antworte nicht, Henrik, wenn du es nicht ohne Gefahr tun kannst; bleibe mit den andern vorn, gehe aber aus der Nähe der Luke.«

Jetzt wußte Henrik, was die Axthiebe unten bedeuteten; durch den Raum war eine Verbindung zwischen Vorder- und Hinterschiff hergestellt worden, und die gesamte Mannschaft jetzt vereinigt.

Bald darauf rief Findling wieder an der hintern Luke den dolmetschenden Insulaner an. Dieser begab sich nach achtern und fast alle an Deck befindlichen Wilden folgten ihm. Henrik und der vor Angst halbtote Schneider lehnten sich vorn ans Bollwerk.

»Sage doch den Wilden, Atura, daß wir jetzt alles geben wollen, was wir haben, aber sie sollen sich erst an das Land verfügen.«

Als ihm dies übersetzt wurde, lächelte der Anführer der Wilden höhnisch und ließ entgegnen, sie möchten nur alles zu den kleinen Kajütenfenstern herausreichen – dort wären Kanus, um es aufzunehmen.

»Nein«, meinte Findling, »das geht nicht, sie müssen dazu die Luke öffnen.«

Dies wurde abgelehnt.

Dann war es eine Zeitlang still. Unter der Luke des Vorderdecks schrie dann Findling: »An die Bordwand, Henrik!« Und kaum hatte er dies ausgesprochen, als eine explodierende Pulverschachtel die Luke zersplitterte und zugleich die beschwerende Kiste beiseite warf. »Drupp, Jungens! Rächt unsern ollen Kaptein!« schrie Findling und sprang auf Deck. Augenblicklich krachte seine Büchse, ihre Kugel in den Haufen der Wilden sendend. Er warf sie weg und griff zum Revolver. Atura sprang hinten über Bord. Mit Hurra stürmten die wutschnaubenden Matrosen heraus, feuerten die Büchsen ab und stürzten dann, unaufhörlich aus den Revolvern feuernd, in der Linken Axt oder Lanze haltend, vor.

Die Eingeborenen waren zwar mit der Feuerwaffe und ihrer Wirkung nicht unbekannt, doch kamen diese gefürchteten Kannibalen zu selten mit Europäern in Berührung, um eine Ahnung von der Verheerung zu haben, welche das Feuer der Matrosen jetzt unter ihnen anrichtete.

Nachdem sie durch Beschwerung der Luken die Mannschaft unten eingesperrt hatten, hielten sie sich auf Deck für vollständig sicher und für Herren des Schiffes. Ihre Siegeszuversicht war so groß, daß die meisten ihre Waffen, Speere und Lanzen mittschiffs oder vorn abgelegt hatten.

Größer als dieses Bewußtsein war aber das Entsetzen, welches die Explosion an der Vorderluke, das Losbrechen und rapide Feuer der Matrosen hervorrief. Mehr als ein Dutzend der Ihrigen lagen tot am Boden, eine größere Zahl war verwundet, und als die furchtbaren Weißen herankamen, da sprangen alle, die es vermochten, heulend zurück. Auch Henrik hatte, als seine Kameraden vorstürmten, eine Pike ergriffen und sich ihnen angeschlossen, ihm nach eilte der fast von Sinnen geratene Schneider, mit einer Lanze, bewaffnet. Doch schon stürzten sich die Wilden kopfüber ins Wasser. Ein Verwundeter raffte sich vom Deck auf und kletterte über die Bordwand, als Fritz Fischer herankam; der jetzt sehr zornig gewordene Schneider gab dem Wilden noch einen Schlag mit der Lanze über den untern Teil seines Rückens, ehe er ins Wasser plumpste.

»Du Racker, du, du willst Beefsteak aus mir machen, dir will ich et jeben, du sollst an Fritze Fischer denken!«

Er stürmte weiter, die Lanze drohend in den Händen schwingend, gleich Ajax dem Telamonier, doch fernere Gelegenheit zu rühmlichen Taten ward ihm nicht gegeben. Die kampfbereiten Wilden waren von Deck verschwunden, und die Waffe des wütenden Schneiders wäre bald den Matrosen gefährlich geworden, wenn sie ihm nicht einer aus der Hand gerissen hätte. Die durch den Tod des Kapitäns zu wilder Wut gereizten Leute warfen alle Insulaner, ob lebend oder tot, ins Meer.

Ein gellendes Hurra feierte den glänzenden Sieg, der ihnen kein Blut gekostet hatte. Atura, der sein Leben durch einen rechtzeitigen Sprung ins Meer gerettet hatte, kletterte jetzt vorn über Bord wieder herein. Die Matrosen feuerten noch nach den im Meer Schwimmenden, aber Findling war sich trotz der Aufregung der Stunde der Gefahr, mit welcher sie die nahe, hochgelegene Küste bedrohte, von welcher die Feinde mit ihren Pfeilen das Deck bestreichen konnten, vollständig bewußt, um so mehr, als jetzt nach des Kapitäns Tod alle Verantwortung auf ihm lag. Im Kommandoton, ruhig wie sonst, schrie er über Deck: »Heda, holla! Vorwärts und den Anker up Stürbordside bracht! Vorwärts, Kinnings, wi möten maken, dat wi all von die ollen Felsen afkamen.« Gehorsam gingen die aufgeregten Leute sofort ins Boot und ans Wharptroß. Findling lud seine Büchse und forderte Henrik auf, dasselbe zu tun, um mit ihm die gefahrdrohenden Felsen zu beobachten, vor allem, um die Leute in der Jolle zu schützen.

»Ich weiß ja, du kannst schießen; wo ein Kopf erscheint, feuere darauf, du rettest einem der Unsern das Leben.«

Die Matrosen arbeiteten mit großer Energie. Bald neigte sich der Schnabel des Schiffes in den nach Süden führenden Kanal und die Leute in der Jolle kamen mit dem Wurfanker zurück.

Noch einmal nahte sich das Hinterteil des »Roland« den Uferfelsen, einige von oben herabgewälzte Felsbrocken konnten Unheil anstiften, doch nichts Gefahrdrohendes zeigte sich, die Wilden waren betäubt von der furchtbaren Niederlage. Das Schiff fing den Wind, als jetzt die Brassen angezogen wurden, und glitt vor leichter Brise nach Süden. In zwei Minuten waren sie auch vor Pfeilschüssen von den Felsen aus durch die Entfernung geschützt. Die Boote wurden gehißt und alles weggestaut. Die Leiche des Kapitäns, welche mit einem weißen Tuch bedeckt am Achterdeck lag, wurde in die Kajüte getragen und dort bis zur Bestattung niedergelegt. Findling befahl dann, das Deck zu scheuern, und noch ehe sie in den Ozean traten, waren alle Spuren des blutigen Kampfes verwischt. Findling übergab Marholm das Kommando mit dem Befehl, nach Norden aufzukreuzen. Er wollte den in der Bucht gekappten Anker nicht einbüßen und darum dem Ort einen zweiten Besuch abstatten. Dann begab er sich in die Kajüte.

Neben Henrik stand Fritz Fischer, einen erbeuteten Speer in der Hand, seine Züge glänzten in hohem Siegesbewußtsein.

»Siehste, Hamburger, det nenn ick Krieg führen, ick sage dir, wenn wir aus de Reezenjasse einmal anfangen, denn wird et aber schlimm.«

»Ja, ich habe dich bewundert. Wieviel der Feinde hast du denn wohl erlegt?« »Nu, so 'n Stücker drei hab' ich massakriert, die werden an mir denken.«

Henrik lachte herzlich, aber Fritz hielt diesen ungezügelten Ausbruch von Heiterkeit für bewundernde Zustimmung.

»Mir is et nur lieb, dat wir die Menschenfresserbande los sind, von wejen die alte Frau, die würde sich doch sehr jejrämt haben, wenn sie Hackefieesch aus mir jemacht hätten. Sage mal, Hamburger, hast du denn auch noch ne Olle?«

Als durch diese Frage plötzlich das Bild der Mutter vor Henriks Seele gebracht wurde, traten ihm Tränen in die Augen.

Fritz bemerkte das und fragte in herzlichem Ton: »Du hast ihr wohl sehr lieb?«

Henrik nickte stumm.

»Nu, ick meine ooch, un komm ick wieder zurück, soll et die Alte jut bei mir haben.«

Henrik reichte ihm die Hand und sagte: »Kehren wir zur Heimat wieder, Fritze, soll in der Reezengasse keine Not mehr herrschen.«

»Na, dat jebe der liebe Jott, et is manchmal knapp jejangen, seit Vater dod is – aber die alte Frau hat den Kobb oben, det muß jeder sagen, der ihr kennt. Wat die vor Oogen machen wird, wenn se hört, dat ick mir hier mit de Wilden rumjebalgt habe.« Er lächelte vergnügt, indem er sich ausmalte, wie er die Reezengasse mit seinen Abenteuern in Staunen setzen würde, und Henrik konnte die Vermutung nicht unterdrücken, daß die drei heutigen Opfer des Schneiders sich bis zur Rückkehr zur Heimat wohl zu einem Dutzend und mehr steigern würden.

Fritz wurde jetzt beordert, bei der Einhüllung der Leiche des Kapitäns tätig zu sein, und ging nach der Kajüte. Für drei Uhr wurde die Mannschaft im Sonntagsanzug zum Begräbnis befohlen. Man behält auf See nicht gern eine Leiche lange an Bord.

Als die Stunde gekommen war, versammelten sich die Leute auf dem Achterdeck, alle in sauberer Kleidung und Wäsche. Die Leiche des Kapitäns wurde herausgetragen. Sie lag auf einer Planke und war in Segelleinen gehüllt, ein schweres Bleistück am Fußende befestigt. Die Steuerleute waren in schwarzen Oberröcken und Kastorhut erschienen.

Findling las aus dem auf norddeutschen Schiffen üblichen Buch ein Gebet, dann ließ man die Leiche über Bord gleiten und der Seemann hatte das ihm eigenste Grab gefunden. Der wohlwollende Befehlshaber wurde von der Schiffsmannschaft aufrichtig betrauert. Hierauf wurde, soweit die Ereignisse des Tages es gestatteten, die gewöhnliche Ordnung wieder hergestellt.


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