Ludwig Tieck
Die verkehrte Welt
Ludwig Tieck

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Dritte Szene

Ein andres Zimmer.

Melpomene, der Fremde.

Fremder: Liebe Frau, wie lange sind wir nun schon miteinander verheiratet?

Melpomene: Vier Wochen.

Fremder: Ist es noch nicht länger?

Melpomene: Währt dir die Zeit so lang?

Fremder: Das grade nicht; aber ich meinte, es sei länger.

Melpomene: Soll ich nun darüber nicht weinen?

Fremder: Du weinst viel zu viel; wir zanken uns alle Tage, und haben in den vier Wochen wenigstens dreißig Aussöhnungen gefeiert.

Melpomene: Du betrübst mich recht von Herzen; du bist ein leichtsinniger Mensch, ein Mensch, der an meinem Jammer Vergnügen findet.

Fremder: O so höre doch auf.

Melpomene: Einer, der ungerührt meine Tränen sehn kann.

Fremder: Hol doch der Teufel den Apollo! Warum hat er dich nicht auf dem Theater behalten?

Melpomene: Ja, ich wollte, ich hätte dich nie mit Augen gesehn.

Fremder: Wär ich doch nie hiehergekommen!

Grünhelm und Thalia.

Grünhelm: Wir müssen euch doch auch einmal besuchen, Freunde.

Thalia: Wie geht's, liebe Melpomene?

Melpomene: O mein Mann –

Grünhelm: Nun, Doktor, wie steht's?

Fremder: O meine Frau –

Thalia: Ihr seid beständig entzweit, und das ist durchaus nicht recht. In eurem Hause regiert immer ein bürgerliches Trauerspiel, und das ist mir etwas Verhaßtes.

Melpomene: Ist es zu ändern?

Thalia: Ihr müßt euch wieder vertragen. Melpomene, du mußt nachgeben.

Melpomene: Eher sterben.

Thalia: Daraus wird ja doch nichts; das darf ja schon des frohen Ausgangs wegen nicht geschehn. Warum lebe ich denn mit meinem Manne glücklich?

Melpomene: Weil du eine Närrin bist.

Grünhelm: Gehorsamer Diener! Also verlohnte es sich wohl gar nicht der Mühe, mit mir glücklich zu sein?

Melpomene: Schwerlich.

Fremder: Nun, Frau, da ist meine Hand, sei wieder gut. Die Szene darf ja doch nicht zu tragisch werden.

Melpomene: Du gibst also zu, daß du unrecht hast?

Fremder: Nimmermehr!

Melpomene: Nun, Thalia, da siehst du.

Thalia: Auf diese Art könnt ihr nimmermehr zusammenkommen. Der hat offenbar unrecht, der jetzt nicht zur Versöhnung die Hand bietet; wer dem andern zuerst vergibt, der hat das meiste Recht.

Die beiden Eheleute umarmen sich.

Fremder: O wie ich dich nun wieder liebe! – Wie mein Herz nur für dich schlägt!

Melpomene: Ebenfalls.

Fremder: Ich begreife nicht, wie ich dich so verkennen mochte.

Melpomene: Ich auch nicht, Geliebter.

Fremder: Im Grunde hatten wir beide unrecht.

Melpomene: Ich geb es zu.

Fremder: Nun so sei dieser Tag der Versöhnung ein Tag der Freude für uns. – Bleibt bei uns, lieben Freunde, und helft uns ein so schönes häusliches Fest der Liebe begehn.

Gehn ab.


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