Ludwig Tieck
Die verkehrte Welt
Ludwig Tieck

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Zweite Szene

Straße.

Grünhelm: Es ist schwer, seht ihr, auf lange Zeit einen Lustigmacher abzugeben, und die Rolle des Apollo ist bei weitem leichter. Das hat Herr Skaramuz auch recht wohl gewußt, und darum ist er so erpicht darauf gewesen. Man kann nicht zwei zu zwei addieren, ohne in die Gefahr zu kommen, sich zu verrechnen, und manches Zeug sieht in der Ferne recht witzig aus, was in der Nähe nur eine absolute Dummheit ist. Indes wer noch nie einen Kanarienvogel gesehen hat, mag vielleicht einen Sperling dafür halten, und wie man sich die Sachen will schmecken lassen, so schmecken sie einem fast immer. Da kömmt ja die Muse.

Thalia kömmt.

Grünhelm: Nun, meine schönste Lisette –

Thalia: Herr Grünhelm!

Grünhelm: Oder hören Sie sich lieber Kolombine nennen?

Thalia: Das ist mir nun fast ganz einerlei, denn Name ist Name. Sind Sie wohl imstande zu lieben, Herr Grünhelm?

Grünhelm: Ei warum das nicht? Ihre schöne Physiognomie hat mich schon seit lange entzückt.

Thalia: Ach, wenn wir nur erst miteinander verheiratet wären!

Grünhelm: Ja wohl, mein Schätzchen, das ist ja Tag und Nacht mein Wunsch.

Thalia: Wir lieben uns doch gewiß recht innig.

Grünhelm: Das wollte ich wohl beschwören.

Scävola: Ob wohl ein Gewitter in dem Stück vorkömmt?

Pierrot: Wenn wir's begehren, bequemen sie sich schon darnach.

Der Andre: Gevatter, ja, wir wollen ihnen das Gewitter nicht schenken.

Grünhelm: Meine Herren, ein Gewitter ist ein ganz gutes Ding, aber es paßt da in unser Stück gar nicht hinein.

Scävola: Ach was, passen! Es soll passen und muß passen!

Pierrot: Es muß biegen oder brechen; wir wollen ein Gewitter haben.

Grünhelm: So komm nur, meine Geliebte, und laß uns unter Dach und Fach kommen, da das grausame Publikum nach dem Donnerwetter verlangt.

Thalia: Unter Dach und Fach sind wir leicht; ich wollte, ich wäre ebenso geschwind unter die Haube gebracht. Geht.

Grünhelm:
O ihr Götter! hört mein Flehen,
Rührt das Herz der stolzen Spröden,
Die sich nimmer will entblöden
Kalt mein Elend anzusehen.
Ja, das Letzte will ich wagen,
Will noch einmal zu ihr gehen,
Kürzlich ihr den Jammer klagen
Und in meinen alten Tagen
Endlich doch die Ruhe sehen. Ab.


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