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14. Ein Bad in kochender Quelle

Daß man Lammfleisch in einer heißen Quelle kocht ist nichts Besonderes: aber daß ein lebender Mensch imstande sein soll, in kochendem Wasser zu baden, das klingt ohne Zweifel wie ein schlechter Witz.

Und doch ist es nicht ganz ein bloßer Witz.

Nachdem nämlich das vulkanische Feuer uns ein warmes Mittagessen verschafft hatte, sollte es uns jetzt am nächsten Tag ein warmes Bad liefern.

Meinem Bericht darüber möchte ich vorausschicken, daß einer der berühmtesten und reichsten Männer Islands, Snorri Sturluson, bereits in alter Zeit große warme Bäder auf seinem fürstlichen Herrensitz Reykholt einrichtete. Er leitete das kochende Wasser heißer Quellen durch lange Wasserrinnen von einem Berge nieder zu seinem beinahe königlich prächtigen Hof, auf dem er große Hallen mit gewaltigen Becken für heißes, lauwarmes und kaltes Wasser hatte bauen lassen.

Aber nicht in dieser königlichen Badestube des Altertums sollten wir unser Bad nehmen, auch nicht in ihren Ruinen, sondern im Freien, in einem Becken mit Wasser aus einer kochenden Quelle.

Das kam folgendermaßen:

Von unserem vorläufigen Standquartier auf dem gastfreien Hofe des Bauern Greipur führte uns der Weg durch die hohen Berge, die wir tags zuvor aus der Ferne in feinen bläulichen Umrissen am nördlichen Horizont gesehen hatten. Am Nachmittag, als infolge eines scharfen Nordwindes das Wetter etwas kühl geworden war, kamen wir in ein verhältnismäßig üppiges grünes Tal, hoch oben zwischen den weißen, kalten Gletschern.

Und – wer hätte es für möglich gehalten! – gerade hier erwartete uns ein außergewöhnlich behagliches warmes Bad.

Bevor wir uns aber in dieses wohltuende, »kochende« Bad begeben, will ich kurz die Geschichte seiner Entstehung erzählen:

Ein Mann, der das Wasser liebte und schwimmen konnte wie ein Seehund, hatte da oben in der Höhe eine ganz kleine Quelle mit kochendem Wasser entdeckt. Sie hatte kaum eine Elle im Durchmesser, aber das kochende Wasser quoll aus ihr in großer Menge hervor.

Zufälligerweise lag dieser kleine »Geysir« in einer langgestreckten Senkung, und in der Nähe floß ein kleiner, kristallklarer Bach.

Hier war ein gutes Geschäft zu machen. Der Mann kam auf den sehr vernünftigen Einfall, an dieser Stelle eine regelrechte Schwimmschule einzurichten. Dabei ging er äußerst praktisch zu Werke:

Ein Stück unterhalb der Quelle, quer über die Senkung, in der sie lag, führte er einen festen Damm von Erde und Stein auf. – Beides fand sich ja gleich daneben. – Dann veränderte er den Lauf des kleinen Baches, so daß er in das Becken hinabfloß, das jetzt zwischen Damm und Quelle entstanden war.

Das Becken füllte sich bald mit reinem Wasser, sowohl von dem kalten Bach wie von der kochendheißen Quelle. Dadurch erhielt die ganze Wassermasse einen behaglichen Wärmegrad, den man auf die bequemste Weise erhöhen oder verringern konnte, indem man mehr oder weniger kaltes Wasser in das Becken fließen ließ.

Hierauf lud der Mann alle Knaben und jungen Männer der Umgegend ein, gegen eine entsprechende Bezahlung unter seiner Leitung das Schwimmen zu lernen.

Der Aufruf fand eine günstige Aufnahme. Die erste Abteilung der »Schüler« bestand aus annähernd dreißig jungen Menschen, die zusammen mit dem geschickten Lehrer in Zelten an den Ufern des Gewässers wohnten.

Der Schwimmunterricht hatte den besten Erfolg, so daß alle ohne Ausnahme nach kaum zwei Wochen vollendete Meister im Schwimmen waren.

 

Wir kamen nun auf unserer Reise zu dieser Stelle, die uns sofort auffiel, und wir beschlossen, trotz der etwas kühlen Luft sogleich die Gelegenheit zu einem warmen Bad zu benützen. Wir legten die Kleider ab und sprangen in das herrliche Wasser.

Es war klar und rein und mochte zwischen 20 und 30 Grad Wärme haben. Näherte man sich jedoch der kochenden Quelle, die beständig in dem oberen Winkel des Beckens unter der Wasserfläche hervorsprudelte und so das ganze Wasser erwärmte, so merkte man, wie es dort immer heißer wurde, und bald entfernte man sich unwillkürlich so schnell wie möglich wieder, denn man hätte in der Tat von dieser heißen Quelle ein wenig »gekocht« werden können.

 

Als wir fertig waren und uns wieder angezogen hatten, fühlten wir uns so erquickt, daß wir unsern lieben kleinen Pferden dieselbe Wohltat zu verschaffen gedachten. Ein Bedenken dagegen, die Tiere dasselbe Becken benutzen zu lassen, bestand nicht, da es ja ein fließendes Wasser war, das sich beständig erneuerte.

Wir nahmen also den Pferden alle ihre Lasten ab und führten sie hinunter zum Wasser.

Sie verstanden sofort, um was es sich handelte. Ohne das geringste Zaudern gingen sie aus eigenem Antrieb in das warme Wasser hinein und plätscherten und wälzten sich darin herum auf die spaßigste Weise. Kamen sie der kochenden Quelle oben in dem Winkel zu nahe, so machten sie es genau wie wir: sie wandten sich möglichst schnell von der heißen Stelle ab.

Nach einiger Zeit riefen wir sie wieder heraus.

Sie gehorchten wie gut gezogene Hunde unverzüglich.

Wieder auf festem Boden, begannen sie alle einmütig hygienische Übungen zu veranstalten, aber nach ihrem eigenen »System«.

Für Leser, die andere Systeme kennen, wird es sicherlich interessant sein, zu erfahren, welche Übungen unsere Ponys vornahmen, besonders da man von ihnen behaupten kann, daß sie wahre Meister in der praktischen Gesundheitspflege sind.

Zuerst schüttelten sie das Wasser von ihren Körpern ab, und zwar mit einer Gewalt, daß es weit wegspritzte nach allen Seiten.

Das dauerte drei bis vier Minuten.

Dann kamen die »Frottierübungen«. Diese gingen augenscheinlich auf dasselbe aus wie die vortrefflichen Übungen von Jörgen Peter Müller in seinem Buch »Mein System«, nämlich auf die Pflege der Haut. Doch waren sie weniger umständlich und schwierig. Sie bestanden einfach in Folgendem:

.

Erst legten die gymnastikfrohen Pferde sich auf die rechte Seite, reckten und streckten sich in dieser Stellung einige Zeit und warfen dann mit einem Ruck den Körper so herum, daß sie auf den Rücken zu liegen kamen, alle vier Beine senkrecht in der Luft. Die Kniee wurden nach allen Regeln der Turnkunst stets gut gestreckt gehalten.

So wälzten und wandten sie sich nun fortwährend hin und her, ungefähr fünf Minuten lang. Es war ergötzlich anzusehen.

Von der Rückenlage ließen sie sich mit größtem Behagen auf die linke Seite fallen, die nunmehr an die Reihe kam und ebenso pfleglich behandelt wurde wie vorher die rechte.

Dann erhoben sie sich endlich, schüttelten und streckten sich noch eine Weile und begannen schließlich, indem sie sich abwechselnd immer paarweise Seite an Seite hinstellten, mit einer letzten Übung.

Diese müßte man freilich, um sie richtig verstehen zu können, mit eigenen Augen gesehen haben. Sie ging etwa wie folgt vonstatten:

Die Tiere fingen an, sich auf das eifrigste gegenseitig die Haut mit den Zähnen zu bearbeiten: eine Art eigentümlicher Hautmassage, wie sie die isländischen Pferde mit besonderer Sorgfalt auszuführen pflegen. Während dieser Tätigkeit lassen sie sich eine Störung nicht gern gefallen.

Hauptsächlich werden jene Stellen am Körper »massiert«, wo das einzelne Tier selbst mit den eigenen Zähnen nicht gut hinkommen kann.

In solch hilfreicher Weise »bissen« sich nun die Pferde eine geraume Zeit. Sie packten und zogen einander, immer rasch und kräftig, an der Haut, was ihnen ganz besonders zu behagen schien. Dabei ahmten sie sich gegenseitig genau nach.

Wo das eine mit seinen Zähnen anfaßte, da wurde es auch von dem andern angefaßt. Wohin das eine biß, dahin biß auch das andere. Wenn das eine an der Haut des andern zog, begann das zweite sofort ebenfalls an dessen Haut zu ziehen.

Hielt das eine einen Augenblick inne, so machte das andere dieselbe Pause.

Fing dann das andere wieder mit den kleinen, raschen Bissen an, so auch sein Kamerad, und zwar gerade an dem Körperteil, an dem er selbst von dem andern gebissen wurde.

Diese kleinen Bisse folgten so rasch aufeinander, daß man gut ein paar hundert in der Minute zählen konnte.

Das Ganze sieht aus, als wollten die Pferd« einander totbeißen, und doch ist es nichts anderes als eine richtige, gediegene Hautpflege, eine wirkliche Massage, welche diese kräftigen kleinen Tiere aus einem natürlichen Antrieb sich gegenseitig verabreichen.

Haben sie sich genügend lang nach allen Regeln der Kunst »gebissen« – es dauerte etwa zehn Minuten lang –, so hören sie plötzlich auf und warten unbeweglich, bis man sie aufs neue sattelt.


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