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12. Durch Erdfeuer ein warmes Mittagessen

Von dem »grundlosen Krater« ging es mehrere Stunden weiter, bald im Galopp, bald in gemütlichem Trab. Neue Wunder und Erlebnisse standen uns bevor.

Die Erschütterungen auf dem Rücken unserer feurigen, durch die Ruhepause wieder gestärkten Pferde übten eine solche Wirkung auf unsern Körper aus, daß wir mit der Zeit einen wahren Heißhunger verspürten.

Wir mußten uns also nach einer Stätte umsehen, wo wir ausruhen und unser Mittagsmahl einnehmen konnten.

Da wir uns in einer vollständigen Wüste befanden, war es unmöglich, einen Hof oder eine Wirtschaft zu finden. Das einzige, was uns daher übrig blieb, war, eine Stelle mit etwas Gras für die Pferde zu suchen, wo wir dann auch selbst unsere Mahlzeit unter freiem Himmel halten konnten.

Während wir an diese im Reiseleben so wichtige Sache dachten, sahen wir plötzlich, nicht weit von einer Anhöhe, gerade vor uns eine ganze Anzahl deutlich sichtbarer Feuersbrünste, wie es uns schien. Es war, als ob etwa zehn, zwölf Häuser in Brand ständen: so viele weiße Rauchsäulen stiegen beständig von der Erde auf und wurden vom Wind nach Osten getragen.

»Was ist das?« fragte ich wieder den einen unserer isländischen Begleiter. »Woher kommt dieser Rauch?«

»Das ist kein Rauch«, sagte er, »das ist nur Dampf von einigen warmen Quellen, die es hier zahlreiche gibt.«

Also wieder Feuer und vulkanische Ausbrüche! Aber in stets neuen, wechselnden Formen.

Wir sahen nun immer deutlicher, wie die Dampfsäulen mit gewaltiger Kraft aus diesen Erdlöchern herausgestoben wurden.

Ein Stück weit zur Rechten lag ein größerer See, links ragten hohe Bergrücken aus.

Wie eigentümlich diese Landschaft war! Ringsumher schimmernde weiße Gletscher mit ihren mächtigen Eis- und Schneemassen, eisig kalt, und in der nächsten Nähe das kochende Wasser und der buchstäblich brennende Erdboden!

Man fühlte sich hier so unheimlich nahe dem »Erdfeuer«, den fürchterlichen Glutmassen im Innern der Erde, die dort beständig brennen und oft sogar herausdringen bis an die Oberfläche. – Diese kochenden, dampfenden, sprudelnden Quellen sind ja eine Art vulkanische Ausbrüche, nur von kochendem Wasser statt von Feuer.

Trotz der Unheimlichkeit des Platzes beschlossen wir, dicht am Rande einer dieser Quellen Rast zu halten und unser Lager aufzuschlagen.

Ein ganz natürlicher Wunsch war es hier, uns mit Hilfe des unterirdischen, vulkanischen Feuers ein warmes Mittagessen zu verschaffen, so wie es allgemein die Reisenden auf Island machen. Das Wasser in vielen dieser Quellen ist nämlich vollkommen rein und gesund.

Als »Dampfküche« wählten wir uns den größten unter den vielen vorhandenen Wasserkesseln aus. Hier war das beste Wasser zum Kochen, das man sich denken konnte, und obendrein das billigste, denn es kostete nichts.

Zuvor aber befreiten wir unsere schwitzenden Pferde von ihren Sätteln, Paketen und Koffern, damit sie sich besser ausruhen und bequemer grasen konnten.

Diese Rücksichtnahme wurde allerdings schlecht belohnt und hätte uns beinahe in ein ernstliches Unglück gebracht. Doch darüber später. –

Das Wasser der schönen Quelle war wenigstens ebenso rein und gesund wie das beste Trinkwasser aus einer Leitung. Es war ja auf seinem langen Wege durch die mächtigen Lavaschichten gefiltert und gereinigt und außerdem von dem vulkanischen Feuer unten in der Erde bis zum Siedepunkt erhitzt. Es kochte und sprudelte unaufhörlich in dem starken Steingefäß des Kraters und quoll beständig über dessen Rand.

Nachdem wir uns niedergelassen hatten, nahmen wir unsere Eßwaren aus den Koffern hervor und legten sie wohlgeordnet neben die kochende Quelle hin.

Unsere »Küche« war eröffnet, die Zubereitung des Mahles konnte beginnen.

Wegen der etwas außergewöhnlichen Umstände, unter denen es geschah, darf ich das Ganze wohl etwas näher schildern.

Als Erstes sollte es warme Fleischsuppe geben. Ich hatte nämlich in Edinburg, wie schon erzählt, eine Anzahl Dosen mit Lebensmitteln gekauft. Die einen davon enthielten alles, was zu einer guten, kräftigen Suppe gehört: Fleischextrakt und alle möglichen kleinen Fleischteile sowie Gemüse. Es war eine Art Mischung von Schildkröten- und Gemüsesuppe.

Die Zubereitung ging folgendermaßen vor sich:

Wir nahmen von der nahrhaften Suppenmasse einige Löffel voll in einen blanken Blechbehälter und füllten diesen mit kochendem Wasser aus der Quelle. Dann hielt einer von uns den Behälter fast bis zum Rand in die heiße Quelle hinein, während ein anderer mit einem Löffel in dem Behälter umrührte.

Nach ein paar Minuten hatten wir eine dampfende Fleischsuppe, wie sie das feinste Hotel nicht besser zu liefern vermöchte; und ich kann versichern, daß sie uns auch an keiner Hoteltafel besser geschmeckt hätte.

In der Zeit, da wir die Suppe verspeisten, war das unterirdische Feuer bereits daran, das nächste Gericht für uns zu kochen: eine Dose, auf der mit großen roten Buchstaben zu lesen war: » Boiled Mutton«.

Sie enthielt also Lammfleisch.

Um diese Dose hatten wir einen biegsamen Eisendraht gebunden und sie dann daran ein Stück weit in das heiße Quellwasser hineingesenkt, so daß sie von selbst gar werden konnte, bis wir mit unserer »Schildkröten-Gemüse-Suppe« fertig waren.

Nach der Suppe folgte daher auch gleich der zweite Gang: das ausgezeichnete Lammfleisch.

Dann kam das dritte Gericht. Es war an diesem Ort eine äußerste Seltenheit. Ich hatte mich nämlich mit einigen frischgelegten Eiern versehen und sie in einem kleinen Blechbehälter mitgenommen, jedes für sich gut in Watte eingewickelt.

Nun wurden auch diese Eier in das kochende Wasser hinabgesenkt, und innerhalb fünf Minuten war das dritte Gericht bereitet: weichgekochte Eier!

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Zum Schluß wünschte einer von der Reisegesellschaft Kaffee. In unsern »Vorratskammern« fanden sich jedoch leider keine Kaffeebohnen; wir ersetzten daher den Kaffee mit einer Tasse Kakao, da wir eine große Dose mit Van Houtens berühmtem Kakaopulver bei uns hatten.

Die Zubereitung dieses herrlichen Trankes dauerte kaum eine Minute: Wir füllten unsere Tassen mit kochendem Wasser, taten in jede einen Löffel Pulver hinein, rührten um, und der feinste Kakao war fertig. –

Sollte nun jemand fragen, wie wir das Wasser trinken mochten, in dem wir soeben die verschiedenen Dosen und Eßwaren gekocht hatten, so ist darauf leicht zu antworten. Das Wasser der Quelle erneuert sich nämlich fortwährend von selbst, denn das oben sprudelnde fließt, wie schon bemerkt, einem Bache gleich über den Rand des kleinen Beckens und das nachkommende ist immer kristallklar und rein.

Am Ende der Mahlzeit wuschen wir unsere gesamte Küchenausrüstung – Tassen, Löffel, Messer usw. – sorgfältig in dem heißen Quellwasser und packten alles der Reihe nach wieder in die Koffer.

So hatte uns das vulkanische Feuer ein vorzügliches warmes Mittagessen verschafft.


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