Marie Tihanyi Gräfin Sturza
Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau
Marie Tihanyi Gräfin Sturza

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VIII.

Seit dem Ball auf der Präfektur hatten sich Alice von Werner und Stella nicht unter vier Augen gesehen: Alice schmollte.

Jeden Dienstag, an welchem sie auf den Besuch der Damen Ellissen rechnete, richtete sie es so ein, von einer Gruppe junger, an ihre Rockfalte gehefteter Leute umringt zu sein, getrennt von ihrer übermütigen Freundin. Aber die Damen Ellissen ließen auf sich warten, und während dieser paar Wochen wurde Alicens Brautstand besiegelt. Der schöne Fernand hatte seinen offiziellen Antrag gestellt und wurde angenommen, und der Groll Alicens zum triumphierenden Gefühl gewandelt, nahm sein Ende. Es blieb ihr nur noch der Wunsch Stella wiederzusehen, um ihr mit schadenfroher Freude den Sieg zu verkünden. Sie hoffte innig, daß dieser Dienstag nicht wie die anderen vorübergehen würde, denn Frau von Ellissen konnte nicht wohl, ohne unartig zu sein, ihren Besuch länger hinausschieben. Die andern Familien hatten schon alle ihren Kratzfuß gemacht. Für heute, als letzten Termin, wurde nur noch der Adel erwartet. Frau von Werner thronte gewappnet in einer Pariser Toilette dernier cri – perlgrauer Sürah Liberty – in ihrem Salon. Die Zierde dieses offiziellen Raumes schienen einzig und allein Blumen und Pflanzen etwas gewöhnlicher Art auszumachen, aber riesengroß und auffallend. Frau von Werner erging sich eifrig in Ausführungen über die Aufzucht und die Kultur der Pflanzen und bemühte sich mit gespreizter Liebenswürdigkeit, Interesse an dem einzigen Geplauder zu nehmen, das diesen Provinzlern zur Verfügung stand. Sie bat sogar Platz zu nehmen: darüber allerseits eitel Freude.

In dem kleinen anstoßenden Salon, der mit dem andern durch eine weitgeöffnete Flügeltür verbunden war, vereinigten sich die bei ihrer Ankunft von Alice sogleich mit Beschlag belegten jungen Mädchen. Dort plauderte man in freierer Art unter hellem Lachen, das zu dem ernsten, monotonen Gespräche der Mütter die begleitende lustige Musik zu bilden schien.

Alice, weniger feierlich, befleißigte sich nicht des von Frau von Werner absichtlich verscheuchten Entgegenkommens, sie dominierte und herrschte, mit aller Ruhe, durch ihre Überlegenheit des intelligenten Mädchens, mit imponierender Ungezwungenheit. Man riß sich um sie, suchte sich ihr zu nähern, bewunderte sie in etwas grotesker Weise, um ihr nachzuahmen. Aber nur wenigen gelang es: ihre beste Schülerin darin war noch Stella Ellissen. So wurde auch die Freude der kleinen Mädchen nicht früher vollständig, als bis die beiden jungen Mädchen, Aug in Aug, ihre Retourkutschen hin und herfliegen ließen, oft im Pariser Jargon, den die andern nicht kannten, aber applaudierten als verstünden sie ihn. Eine ihrer gewöhnlichen Klagen war die Abwesenheit der Herren, denen ein Provinzbrauch den Zutritt in diesen Winkel versagte. Ein Brauch, den zu brechen gefährlich gewesen wäre.

Alice von Werner war in der Großstadt erzogen worden, in einem sehr gemischten Milieu. Ihr Vater, Sohn eines bäuerlichen Grundbesitzers, hatte sich im Kielwasser eines einflußreichen Abgeordneten und mehrmaligen Ministers auf die Politik geworfen; dieser behielt ihn als Sekretär an seiner Seite bis zu dem Tage, an dem er ihm eine wichtige Präfektur zu verschaffen in der Lage war. Die etwas dunkle Herkunft des Herrn von Werner hatte ihm nicht gestattet, seinen Weg in der Gesellschaft ebenso leicht zu machen, wie in der Politik. Eine gewisse Schüchternheit war ihm geblieben, welche ihn an den Verkehr geringerer Beziehungen bannte.

Bis zu ihrem fünfzehnten Jahre erhielt Alice zwischen den sehr verschiedenartigen Freunden der Familie von Werner eine oberflächliche Kenntnis aller jener Fragen, die die Großstadt von oben bis unten bewegen. Sie entwickelte sich unter dem minderwertigen Einfluß oberflächlicher Reden, erwarb die banale Kunst, von allem und über alles zu sprechen, von Theaterprinzessinnen, den modernen Ideen, von der Politik, den Sitten und einer ihrem Geschmacke angepaßten Moral, die sie sich zwecks Benutzung ihrer persönlichen Freiheit zurechtlegte, und als sie ihren Eltern in die Provinz folgte, brachte sie den gefährlichen Keim ihrer bedauernswerten Erziehung dahin mit, der in der seltsamen Energie ihres Temperamentes schnell Wurzel schlug. Jetzt war sie ein hübsches Madchen voller Güte, nervös, leidenschaftlich, mit einschmeichelnden, etwas katzenartigen Manieren, unter einer gewissen tragischen Maske.

Für Fernand von Eulenburg hatte sie eine heftige Leidenschaft gefaßt und erwiderte unverzüglich die ersten zerstreuten Annäherungen des jungen Mannes, der nur einen bequemen Flirt suchte, um seine Zeit auszufüllen. Bald aber war es ihr gelungen, der Sache eine ernste Richtung zu geben. Eulenburg gehörten dem herabgekommenen Adel der Umgebung an. Durch den wenig skrupulosen Ehrgeiz seiner Familie in den Staatsdienst verwiesen, hatte er die niedrigeren Stellen der Unterpräfekturen rasch genug durchlaufen, um dann auf den Posten eines Generalsekretärs zu gelangen und noch bessere Aussichten im Auge zu haben. Der Protektor, den man für ihn geangelt, war eben jener Abgeordnete und mehrmalige Minister, der sich das Fortkommen von Werners zur Aufgabe gemacht.

Alice erklärte dem schönen Fernand die Vorteile einer Heirat, die gleichzeitig reich und so zu sagen in jeder Richtung entsprechend wäre. Er ergab sich, ohne großen Kampf; die Beute war schön. Aber die Gefährlichkeit der Lage war in erster Linie in seinem unbeständigen Charakter gelegen. Er war ein hübscher Junge, hatte hellbraunes Haar und jenen südlichen Typus, der mit dem glänzenden Haar das auffallende Weiß der Haut und die lebhafte Färbung der Wangen vereint und der Augen und Zähne erglänzen läßt, wie die Farben eines Lichtdruckes; er war groß und schlank, mit einer natürlichen Eleganz, welche das Provinzleben in eine gewisse Nachlässigkeit, die nicht ohne Anmut war, verwandelt hatte.

Er kleidete sich gut, wenn auch mit auffallend englischem Geschmack; aber die einfache Vornehmheit seiner Haltung milderte die etwas übertriebenen Nuancen, welche in dem Provinzmilieu nicht richtig verstanden wurden.

Er war sehr begehrt, viel geliebt, wie er wohl merkte, und widerstand den zahlreichen Verführungen. Die Art seiner Schönheit, seine liebenswürdigen Manieren verwirrten die Frauen.

Alle sprachen sie von ihm, hinter dem Fächer, mit geheimnisvollem Lächeln. Doch mißfiel ihm dieses Leben keineswegs; er hätte es noch länger fortgeführt, als er sich plötzlich vor eine Heirat gestellt sah, deren Ablehnung seine Karriere möglicherweise unterbunden hätte. Er hatte außerdem auch gar keinen Grund, um sich ihr zu entziehen. Frau von Eulenburg, die Mutter, die gleichfalls entzückt war, kam eines Tages in ihrem alten sehr heruntergekommenen Wagen, um Alicens Hand zu erbitten, liebenswürdig und herablassend, wie jemand der weiß, das er mit aller Rücksicht, die ihm zukommt, empfangen werden wird. Ihr schwarzes Kleid mit geblümten Muster und unmodernem Schnitt, – es stammte noch von ihrer Aussteuer, – schien in jeder Falte von verflossenem Glanz zu sprechen, der jedem falschen Luxus moderner Toiletten dadurch trotzte, daß er ihn verachtete. Sie grüßte Frau von Werner auf altmodische Art, ein wenig ungewohnt, aber die vollkommene Korrektheit ihrer Sprache hielt den Spott der Dame der großen Welt im Zaun. –

Frau von Eulenburg wollte gern entzückt von ihrer künftigen Schwiegertochter erscheinen, die sie mit einem Blick richtig gewertet hatte; sie behielt sich aber vor, ihr später das heilsame Sturzbad ihrer Ratschläge zu teil werden zu lassen.

Da Eulenburg nun glücklicher Bräutigam war hörte er auf, Alice öffentlich den Hof zu machen; er überzeugte sie freundschaftlich von dem Unpassenden einer allzuzärtlichen Haltung, und das junge Mädchen ergab sich, scheinbar sehr willfährig, im Grunde genommen fand sie es einen unnötigen Zwang. Aber die Entschädigung, der sie entgegensah, ließ sie doch einen gewissen Ernst in der Haltung bewahren; auch versprach sie, sich weder jetzt noch jemals von den Liebenswürdigkeiten, die Fernand für andere Frauen übrig hatte, und die wie er behauptete unerläßlich waren, um vorwärts zu kommen, beirren zu lassen. »Notwendige Höflichkeit« wiederholte er ihr und sie, ganz aufgeregt durch ihren Sieg, ging so weit, daß sie sogar eines Abends Stella Ellissen ihren Flirt mit Fernand verzieh.

Als das junge Mädchen hinter ihrer Mutter erschien, streckte Alice ihr lächelnd die Hand entgegen. Stella, sehr erfreut, umarmte ihre Freundin und folgte ihr in den kleinen Salon, welcher für sie reserviert war. –

Als sie allein waren, sahen sich Alice und Stella an; die Braut blickte düster, Stella scharf und spöttisch.

Diese brach los:

»He! albernes Ding – kannst du mich nicht mehr leiden?«

»Ich, meine Liebe? Aber warum sollte ich dich nicht mehr leiden können? Ich bin die Glücklichste aller Sterblichen!«

»Also ist alles in Ordnung?«

»Alles ... ich bin verlobt ... ich bin Braut ...«

»Meine Gratulation, meine Liebe, wenn du nur glücklich bist.« »Das wäre noch schöner, wenn das nicht der Fall wäre.«

»Nun, das kommt auf den Geschmack an.«

»Mein Geschmack ist dem deinen gerade entgegengesetzt.«

»Bis zu den Antipoden, meine Kleine.«

»Du Duckmäuserin.«

»Nein wirklich! Du bildest dir ein, daß ich in deinen Fernand verliebt bin?«

»Nun ... es schien so.«

»Du bist ein Dummchen! Also du hast nichts verstanden?«

»Was verstanden?«

»Du bist nicht so schlau, wie ich gedacht habe. Ich habe an dem Abend deinen Fernand genommen, weil ich einen anderen ärgern mußte.«

»Welchen anderen?«

»Meinen Bräutigam, meine Liebe!«

»Nein ... du ... du auch! Oh! welches Glück.« Alice stürzte sich ganz entzückt auf Stella um sie zu umarmen.

»Du darfst nichts davon wissen, ... es ist noch nicht offiziell. Ich sage es dir nur im Geheimen, denn wir verraten einander doch nicht, nicht wahr?«

»Oh! Du glaubst nicht, Stella, wie glücklich ich bin, daß auch du verlobt bist, so können wir ganz aufrichtig aussprechen, uns alle unsere Gedanken mitteilen.... hat er dich geküßt... wie hat er dich geküßt... sag rasch... ich möchte nämlich wissen ob....

»Ich habe dir gesagt, es ist noch nicht offiziell.«

»Ja, es ist wahr.... nicht wahr, es ist der Baron Seuriet..?«

»Er in seiner ganzen Größe..!«

»Ich glaubte aber, daß er dir nicht gefiele.. du sagtest doch..«

»Ach Liebste... ich bin nicht für die großen Leidenschaften... er mißfällt mir nicht und das genügt mir..«

»Ach richtig, du bist ja kalt wie Eis. – Ich nicht, ich brenne. Aber lasse es nur gut sein, das wird noch kommen.«

»Ich glaube kaum.«

»Gewiß... wenn du ihn... weißt, du es ist ja ganz etwas anderes... hat er dich schon umfaßt? Sag'?«

»Du, ich fürchte, das wird mir überdrüssig.«

»O! Du Unschuld! Wenn du wüßtest, was ich weiß?«

»Ach, du bist ja wie elektrisiert von deinem Fernand?«

»Ein verliebtes Haus, meine Liebe! O! seine Hände, die bleiben nie ruhig! – Aber Fred – wie ist denn der so plötzlich in dich verliebt geworden? – Man hat ihm doch gar nichts angesehen. Du hast mir ihn immer so kühl geschildert?«

»Ach, du weißt ja... seine großen Talente! Solche Menschen sind immer mehr mit ihrer Kunst beschäftigt, als sie plaudern würden. Das ist nicht wie bei Politikern, – ...... Und das gefällt mir eben. Ein Mann, der immer hinter mir her wäre, den würde ich bald spazieren schicken. Im Gegenteil ich würde entzückt sein, wenn er den anderen Frauen ein bischen den Hof machen würde.«

»Ich nicht,« protestierte Alice energisch. »Ich gestehe dir sogar, daß mich Fernand in dieser Hinsicht erschreckt. Er fühlt sich verpflichtet mit Allen liebenswürdig zu sein, und ich komme darüber in Wut.«

»Was für eine Eifersucht! Lache doch darüber.«

»Ich leugne es auch gar nicht – ich will ihn ganz allein für mich haben und nicht für die anderen. Wenn ich daran denke, daß er mich je einmal betrügen könnte ..... mir wird jetzt schon schwarz vor den Augen.«

»Brrr! ... Gleich ein Drama! Das wird ihm in seiner Stellung schaden.«

»Wenn ich einmal verheiratet bin, ... liegt mir gar nichts am Avancement.«

»Fernand wäre sicher nicht zufrieden, wenn er dich hören würde.«

»Ich sage es ihm ja auch nicht ... das kannst du dir doch denken.«

»Ja, gib acht, daß er nichts davon merkt ... siehst du, da kommt er eben.«

Eulenburg blieb ein wenig im großen Salon. Kraft seiner Rechte als Bräuligam ging er auf die beiden jungen Mädchen zu, die dicht bei einanderstehend ihn kommen sahen. Lachend schritt er so weit vor, daß man sie vom Nebenzimmer aus nicht mehr sehen konnte, und umarmte dann beide gleichzeitig. Stella drückte er fest an sich und Alice schlang er seinen Arm um den Hals.

»Nun, geniert Euch nur nicht,« sagte Stella sanft.

»Ach Pardon« sagte er – »Sie sind beide so schlank, daß ich glaubte nur eine in Händen zu haben.«

Stella warf ihm, während sie ihrer Freundin den Rücken kehrte, einen schelmischen Blick zu.

»Meinen Glückwunsch, mein Herr!« ...

Alice rief lebhaft:

»Gratuliere ihr auch, Stella ist ja auch verlobt!«

»Wirklich!« rief er erstaunt.

»Bist du aber eine Plaudertasche, Alice ... ich habe dich doch um Geheimhaltung gebeten!«

»Ist es wirklich wahr ... gnädiges Fräulein?«

»Wie die Heirat selbst, ... wie das Amen im Gebet« ... erwiderte Stella lachend.

»Aber du ... Fred ist ja gar nicht hier ... oder ist er schon zurückgekommen?«

»Ja ... es ist ... sicher ... das weitere kümmert Euch nicht. – Fred war weg ... er ist schon da ... oder kommt heute.«

»Ach! Fred ist der Glücklichste ... aller Sterblichen,« setzte er mit beinahe scharfer Stimme hinzu. –

»Man darf absolut nicht wissen wer er ist!«

»Gut, gut,« antwortete das junge Mädchen, das mehr damit beschäftigt war ihren Bräutigam zu betrachten, als sich für irgend etwas Anderes zu interessieren. »Deine Befehle sollen befolgt werden. Nicht wahr Schatz?«

Fernand ergriff die Hände seiner Braut, und begann ruhig, ihre Fingerspitzen zu küssen. Dabei zeigte er eine Miene, die mehr nach Gewohnheit als nach Überzeugung aussah.

Indessen betrachtete ihn Stella neugierig und als er erriet, daß sie auf seine schweigsame Unbeweglichkeit aufmerksam geworden war, setzte er, sich selbst übertreffend, seine Tätigkeit fort.

»Alice« rief Frau von Werner, »komme die Damen begrüßen. –«

Sehr verwirrt stürzte das Mädchen fort, und ließ die beiden allein.

Sogleich neigte sich Fernand zu Stella.

»Ist es denn wahr, wirklich wahr?« fragte er mit einem beinahe traurigen feurigen Blick.

»Wie? ... wahr? .... wovon sprechen Sie?« fragte Stella.

»Sie werden sich verheiraten?«

»Ja, mein Lieber ... es ist das traurige Schicksal, das doch den meisten beschieden ist.«

»Aber Sie, Sie müssen doch nicht ... Sie?«

«Wie Sie?«

»Nein, intelligent und stark, wie Sie sind, haben Sie das Recht und die Pflicht frei zu bleiben.«

»Werde ich, nach Ihrer Meinung, wenn ich verheiratet bin weniger frei sein?«

»Oh! Sie verstehen mich wohl! Sie! Sie! Sie heiraten ohne Liebe, denn Sie lieben diesen zukünftigen Gatten nicht! O! sagen Sie mir Stella, daß Sie ihn nicht lieben!«

»Ich liebe augenblicklich Niemanden. Und daß ist sehr bequem, glauben Sie mir, um seinen Weg in der Welt zu machen. Später dann, wenn ich es mir im Leben nach meinem Geschmack und nach meinen Ideen eingerichtet haben werde, werde ich ja sehen! Aber Sie selbst, wie mir scheint machen es ebenso wie ich.«

»Ja, bei einem Mann ist das etwas Anderes.«

»Wirklich! Jetzt wollen Sie Unsinn reden. Nun gut! Umso schlimmer, daß ich will, daß es »nichts Anderes« sei. Was wollen Sie? Ich fühle mich Ihnen gleichwertig und beanspruche dieselben Menschenrechte. Es hat mir nie einleuchten wollen, daß ich Sklavin eines Menschen sein sollte. Ich gehe geradeaus durch das Leben, ohne mich durch konventionelle Dummheiten beirren zu lassen. Die Ehe, die ich eingehe, gefällt mir, ohne Zweifel, weil sie meinem Naturtrieb schmeicheln und meine Freiheit nicht fesseln wird. Ach, ich würde mir niemals einen wild eifersüchtigen Wächter nehmen.«

»Wie Alice, nicht wahr?«

»Da geben Sie nur acht!«

Sie lachte, er zuckte die Achseln, und lachte auch. »Die eifersüchtigen Frauen sind am leichtesten zu beruhigen. Glauben Sie vielleicht, daß ich die Absicht habe mir mein Jeben verderben zu lassen? Gewiß nicht!«

»Das sind Illusionen, mein Lieber ... das werden Sie bald bemerken.«

»Aber« protestierte der schöne Fernand. »Sie hat mich noch nicht ganz in der Tasche.«

»Aber sehen Sie doch! Seien Sie aufrichtig gegen mich. Sie nimmt das Leben von der praktischen Seite, und Sie wären sehr dumm, wenn Sie das nicht ausnützen und die Vorteile die sie Ihnen mit ihrem Gelde bietet, annehmen würden. Aber betreiben Sie Ihr Spiel klug und mit Vorsicht.«

»Sie sprechen wie eine Freundin, meine liebe Stella. Wie schade, daß Ihr Herz nicht so entwickelt ist, wie Ihr Verstand!«

»Weil ...« sagte sie nervös, ihm liebevoll in die Augen blickend.

»Weil ...« wiederholte er,»... aber warum... Sie lieben doch Niemanden .... sagten Sie?«

Sie lächelte.

»Also gebrauchen Sie keine Ausflüchte, haben Sie zum mindesten den Mut Ihre Ideen und Ihre Handlungen zu verteidigen. Ich habe den Mut dazu!«

»O! Sie sind ein herrliches Mädchen« seufzte Eulenburg. Er versuchte, sich Stella zu nähern und ergriff ihre Hand.

Stella blieb ruhig und blickte ihm scharf in die Augen. Er sagte leise:

»Sie sind zu schön! Sie machen mir Angst!«

»Angst... vor was?«

Er hielt ihre Hand krampfhaft fest: »Angst, daß ich den Kopf verliere!«

Er erwartete, daß sie abwehren würde, was jedoch nicht geschah. Dann beugte er sich fast mechanisch über Stellas Hände und begann geschickt das Geschnäbel, daß er so eben an den Händen seiner Braut geübt hatte.

Einen Augenblick ließ ihm Stella fast mit Genuß gewähren, als ob sie die Stimme seiner Gefühle vernähme. Dann entzog sie ihm mit entschlossenem Ausdruck ihre Hände.

»Hören Sie doch auf! Das ist albern, was Sie da tun! Wenn Alice zurückkäme?«

Er hörte auf und griff mit der Hand nach dem Knoten seiner Kravatte.

»Sie gehen zu weit!« sagte sie beinahe ärgerlich, »versuchen wir doch ernst zu sein, ja?«

Er antwortete kalt:

»Sie haben Recht.. ich habe vergessen, daß Ihre Hände schon einem Anderen gehören.«

»Ja.«

Der schöne Fernand war bei seinem Flirt gestört worden. Er seufzte, und begann den Angriff auf einen anderen Punkt.

»Ich werde mich fügen« sagte er, »weil Ihr grausamer Wille es von mir verlangt. Aber lassen Sie mich nicht verzweifeln... versprechen Sie mir... schwören Sie mir... daß wir Freunde bleiben... trotz alledem... ja, wollen Sie, Stella?«

»Aber ich sehe darin nichts Unpassendes,« antwortete sie. »Warum sollte der Mann meiner besten Freundin nicht mein Freund sein?«

»Aber ein Freund... Stella... ein Freund, dem man sich anvertraut... O! Die Zärtlichkeit eines erlesenen verborgenen Gefühls, das man nur allein kennt... welch ein Trost in der Bitternis des Lebens!«

»Wer sagt Ihnen, daß unser Leben bitter sein wird? Das Leben ist so wie man es sich gestaltet... und ich will, das mein Leben glücklich sein soll... ich werde es mir glücklich gestalten.«

»Ich auch!« rief Fernand entschlossen. –

»Bravo!«

»Und wir werden also künftig sehr gut befreundet sein. Wir werden uns oft sehen?«

»Zu vieren.« antwortete Stella.

»Gut; was geht uns die Anzahl jener an, die ärgerlich sind, wenn das Herz sich abwendet.

»Aber sagen Sie doch, Fernand, wenn Alicens Herz auch darauf verfallen würde... sie... auch.. sich abwenden würde?«

»Das wäre... mir nur angenehm« vollendete er ungeniert.

»Hm!« sagte sie empfindlich, mein Verlobter ist ein reizender Mensch... und es wäre möglich.......

Fernand erwiderte: »Umso besser!«

»Nur« antwortete Stella »er ist nicht... sehr.. lustig... nicht sehr gesellig.«

»Prächtig! Er wird das Haus hüten und wir....«

»Pst! Alice!«

Das junge Mädchen kam gelaufen... sie rief den beiden entgegen: »Was treibt Ihr?«

»Zukunftspläne, meine Teure,« entgegnete Stella »wie es sein wird, wenn wir verheiratet sein werden.«

»Wer!« sagte sie plötzlich und sah auf die Uhr, »es ist spät..« »Mira wird böse sein, wenn wir so spät kommen.... auf Wiedersehen... meine Freunde!«


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