Marie Tihanyi Gräfin Sturza
Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau
Marie Tihanyi Gräfin Sturza

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

VI.

Andern Tages gegen Mittag schlief Stella noch und alles ging auf den Fußspitzen, ihren Schlaf nicht zu stören.

Frau von Ellissen öffnete leise öie Türe ihres Zimmers und trat ein. Das Kleid zusammenfassend, schlich sie hinein, schob einen Sessel zurecht, setzte sich an Stellas Bett und schaute das junge Mädchen lange an, das mit losen zerwühlten Haaren, in ein leichtes weißes Batisthemd gehüllt, in tiefem Schlafe lag. In diesem einfachen, mit Kreton überzogenem Bette träumte Stella, das Gesicht rosig, der Mund leise lächelnd. Ihr regelmäßiger Atem entströmte den halbgeöffneten Lippen, die noch Spuren aufgelegten Karmins zeigten, wie auch die Augenwinkel eine feine schwarze Linie, ein von Frau von Ellissen streng untersagtes Herausputzen, das Stella dennoch in Alice Werners Toilettezimmer vorgenommen. Unzufrieden schüttelte die junge Frau das Haupt und nahm sich vor, Stella eine ernste Rüge zu erteilen. Verstimmt ließ sie die Blicke im Zimmer umherschweifen, wo auf einem Stuhl das Schmetterlingskleid zerknittert lag, der Rocksaum voller Staub, der Blumenschmuck heruntergerissen, die Spitzen und Rüschen abgetreten, die Taille mit Kotillionssträußen geschmückt.

»Wie schön doch dies Kleid war! Wie schnell hat es Schönheit und Frische eingebüßt! Ein Bild des Lebens!«

Da schlug Stella die Augen auf.

»Ah, du bist hier? Guten Morgen, wie geht's? O, weißt du, ich bin hin, zerschlagen!«

»Ich kann mir's denken,« antwortete Mira, beugte sich zum jungen Mädchen hin und strich ihr die Haare aus der Stirne. »Hast du dich wenigstens gut unterhalten?«

»Es geht an,« antwortete Stella, während der Triumph ihr aus den Augen leuchtete.

»So spät kamst du zurück.«

»Ich finde nicht. Die Zeit ist immer zu kurz, wenn man sich unterhält; nur das Unangenehme hält gewöhnlich länger.«

»Du sagst dies wegen deiner Freundin Alice?«

Stella stieß ein helles hönisches Lachen aus. »Ach, hat dir Vater Deaken die Geschichte erzählt? Ich dachte mir Alice nicht als eine so alberne Gans. Arme Alice! Ich hielt sie für vernünftiger, mehr ins Leben eingeweiht.«

»Aber Stella, du hättest doch gewiß auch selbst so gehandelt und wärst nicht entzückt gewesen, wenn –«

»Ich? Ich hätte mich einfach gerächt, das wäre alles gewesen. Es hätte ihr nicht an Bewerbern gefehlt.«

»Das wäre das häßliche Spiel einer Kokette, Stella. – Sie ist ja verlobt mit dem jungen Manne.«

»Na, und? Sie wird sich doch nicht einbilden, daß sie die einzige sein und bleiben wird! Ha! Ich hoffe, sie denkt nicht so, denn wenn sie so dächte, wäre es besser, sie heiratete Fernand nicht, Übrigens ist es ganz gleich, Fernand oder ein anderer, alle sind sie eines Schlags. Geh, ich geb' auf Männertreue doch nichts – aber ich, ich werde auch keine Treue halten.«

»Du bist aber für dein Alter sehr gut unterrichtet, Stella, deine Ansichten stimmen mich nachdenklich. Ich kann es doch nicht glauben, daß du bei solcher Gesinnung dich zu verheiraten gedenkst.«

Stella erwiderte lebhaft:

»Ach, es ist ja wahr, ich hab' mit dir zu sprechen, liebstes, teuerstes, reizendes Stiefmütterchen.« Sie erhob sich, sprang aus dem Bett und setzte sich mit den Füßen baumelnd auf dessen Rand. Ihr langes, am Halse rund ausgeschnittenes Nachthemd bedeckte sie bis über die Füße, und wäre nicht der beunruhigende Ausdruck ihres unregelmäßigen Gesichts gewesen, mit seinen nach den Schläfen gezogenen Spitzbubenaugen, so hätte sie in ihrer keuschen Verhüllung und dem blonden Heiligenschein ihres gekrausten Haares einem der naiven Engelchen geglichen, denen Fra Angelico hinter den Armen Flügel ansetzte.

»Erzähle mir doch, was du heute nacht erlebt hast? Ist deine Toilette bewundert worden? Waren viele schöner als du?«

Stella lächelte und zuckte leise mit den Achseln:

»Ach, es waren so viele Menschen! Du weißt, ich kümmere mich nicht um andere, ich sehe nur was mich interessiert. Die Patronesse war sehr zuvorkommend, nur zu viel mit Diamanten beladen. Sie meint aber, die Leute sollen nur wissen, wie reich man ist. Alice war sehr hübsch, aber zu tief dekolletiert.«

»Ah –«

»Ja: es erregte im Clan der Mütter unliebsames Aufsehen, besonders bei jenen, die gezwungen sind, das fleischlose Gerippe ihrer antiquierten Sprossen schamhaft zu verhüllen.

Die wohlgeborenen Töchter waren im allgemeinen gut herausgeputzt mit etwas gewollter Einfachheit, als wenn es sich um eine bedeutungslose Gesellschaft bei Personen handelte, die man nicht beleidigen will. Trotzdem mit Cachè. Diese Leute haben Geschmack. Die Rüdens zum Beispiel, mit ihrer Bonbonfabrik, machten ihrem Hause Ehre. Die Mutter spazierte herum, – viel zu viel, nebenbei gesagt – mit einer riesiglangen Schleppe, einer Schleppe wie ein Mantel, sehr fein mit Gold gestickt.«

»Und die Mädchen?«

»Die Zwillinge? Die waren sehr schick, trotz ihrer runden Schultern und schiefen Nasen. Freilich nicht ihre Schuld, die Armen! Sie werden ohne jeden Sport erzogen. Frau Rüden sagt nur immer: ›Die Erziehung, die ich meinen Töchtern gebe, ist die wahre, die einen Mann fesselt und glücklich macht‹. Zum Glück kann sie ihnen auch eine hübsche Mitgift geben, es wird sich immer jemand finden, der das Geld mit den Mädchen nimmt,« meinte Stella spöttisch, »wie? Ach ja, zur Sache, ich – ich –«

»Haben die jungen Rüdens viel getanzt?« fragte Frau von Ellissen, Stella's letzten Worten keine Achtung schenkend.

»O ja. Warum auch nicht? Mich ließen die Mitgiftjäger in Ruhe.«

»Ja, aber die andern,« sagte lächelnd die junge Frau.

Diesmal gab Stella keine Antwort.

»Sag, mein Liebstes, meine herzige Mira,« sprach Stella zärtlich, »wäre es sehr neugierig, wenn ich dich nach der Höhe meiner Mitgift fragte?«

»Ich ... ich weiß es nicht,« sagte Frau von Ellissen nachlässig, »wieviel dir dein Vater zugedacht hat. Wir werden sehen – Herr Palm wird es schon ausrechnen, wenn es Zeit sein wird.«

»Wenn es Zeit sein wird? Ich glaube, es wäre Zeit, daß du es wissen solltest. Papa ließ doch dir das Recht, sie zu bestimmen, und wenn du dich dafür interessiertest...«

»Ich werde deine ernsten Bewerber zu Herrn Palm senden,« antwortete etwas ärgerlich die junge Frau.

»Und ich, muß ich auch zu Herrn Palm gehen, um es zu erfahren?«

»Wozu brauchst du es zu erfahren?«

»Um meine Ansprüche feststellen zu können, ganz einfach aus diesem Grund; daß ich meine Wahl nicht auf einen zu reichen oder zu armen jungen Mann lenke, darum muß ich es wissen, daß ich dir keinen Unrechten vorstelle, sondern einen der dir paßt.«

»Ich habe dir schon gesagt, Stella, ich wünsche nicht, daß du dich auf solche Weise verheiratest.«

«Ach, weißt du, Mira, das überlasse mir; ich habe meine Angel ausgeworfen, es kommt nur noch auf den richtigen »Biß« an.«

»Aber Stella, lerne doch zuerst deine Gefühle kennen. Ich will dir gewiß dein Glück gönnen, worauf du volles Anrecht hast. Aber gerade darum muß ich dir die Pflicht auferlegen, an den Ernst eines solchen Schrittes zu denken...«

»Du willst mich auf deine Weise glücklich sehen, es ist dies aber ganz und gar nicht mein Wunsch. Wir sind von völlig anderer Denkungsart.«

»Darum fürchte ich, Stella, daß du voreilig handelst. Deines Vaters letzte Worte an mich waren: Ich weiß Stella's Leben, Stella's Glück in deiner Hand geborgen!«

»Danke, Mira, ich kenne dich; aber es läßt sich doch nicht dagegen ankämpfen, ich werde auf der Hut sein. Ich sehe nur, daß die Heiratsfrage dir unheimlich ist, was ich nicht verstehe. Du selbst solltest doch dein Leben nicht ohne einen Mann verbringen. Siehst du denn nicht, wie schön, wie begehrenswert du bist?«

»O, Stella, laß das, sprich nicht von mir, ich bin ja dreißig Jahre alt unb habe eine so große Tochter, wie dich!«

»Ja, die man dir auf den Hals geladen hat; danke für solche Mutterpflichten, und alles, was drum und dran hängt.«

»Du denkst nicht so, wie du sollst, Stella.«

»Das heißt, du fürchtest, daß ich eine schlechte Wahl treffen werde?«

»Die du bald bereuen könntest,« erwiderte Mira.

»Und wozu gibt's die Scheidung?«

»Siehst du? Wie soll mir da nicht bange werden? Es ist nicht nur meine Pflicht, als Frau deines Vaters, dich so viel als möglich vor einem solchen Leben zu bewahren, ich bin auch zugleich deine beste Freundin, Stella, ich kann dich nicht ruhig anhören. Ich befehle dir, dich darüber zu beruhigen und nicht weiter nachzudenken.«

»Aber du bist doch auch der Meinung, daß ich einmal heirate und zwar bald – einen mit blondem oder braunem Schnurbart – geh, laß nur, ich hab' schon einen!«

»Wen hast du?« fragte Frau von Ellissen beinahe neugierig.

»Meinen Auserwählten, meinen Erkorenen! Lassen wir's – denn du erbarmst mir, wenn ich dich so zitternd, so erregt sehe über das, was du von mir hören wirst. Schau mich doch nicht mit so verstörten Augen an, Mira, Mütterchen. Was würdest du sagen, wenn ich dir jemand vorstellte, der dir der idealste Schwiegersohn wäre, den du dir nur träumen könntest, ein ganz unfehlbares Wesen, das völlig meinen Ideen entspricht und alle Eigenschaft besitzt, die ein Ehemann haben soll, der mir paßt; einen Mann von Namen, von Zukunft und noch andern Eigenschaften, die ich dir erst später enthüllen werde. Würdest du mich für verrückt halten, wenn ich dir sage, daß ich ihn an der Angel halte?«

Frau von Ellissen hielt ihre Hände krampfhaft gefaltet, sie wollte nicht hören, nicht verstehen, ein kalter Schauer überlief sie. Sie schwieg.

»Warum antwortest du mir nicht – he?«

»Weil ich nachdenke, wer – wen – ich warte darauf, den Namen von dir zu hören.«

»Kennst du einen zweiten, der so sein könnte? Nein, er steht allein da, es ist dein Schützling, der Baron Fred Seuriet, ja, dein lieber Fred, den du leitest, den du beschütztest. Fred ist es – Fred!« rief das junge Mädchen aus.

Frau von Ellissen schien bleich wie eine Tote, ein leises »O!« kam über ihre fahl gewordenen Lippen.

»So sag doch. Er paßt dir nicht? Trau dich doch, es zu sagen, du, die ihn für den Besten hältst.«

»Wie,« sprach Frau von Ellissen und ihre Stimme bebte, »wie kannst du jemanden lieben, der der größte Gegensatz zu deinem Charakter ist?«

»Habe ich dir denn gesagt, daß ich ihn liebe?« fragte Stella etwas nervös und verblüfft von dieser Meinung.

»Wie, du willst ihn heiraten und du liebst ihn nicht einmal?« fragte Mira entsetzt.

»Ich habe ihn mir gewählt und damit fertig.«

»Hat Fred dir von Liebe gesprochen? Sicher nicht, das glaube ich nicht,« entgegnete die junge Frau in entschiedenem Tone.

»Nein, niemals,« antwortete Stella.

Frau von Ellissen's Augen glänzten, sie atmete wie erleichtert auf.

»Also, er liebt dich nicht, du liebst ihn nicht, warum willst du gerade ihn zur Erfüllung dieser Phantasie?«

»Das ist ganz einfach, meine Liebe. Es passt mir, ihn zu meinem Manne zu machen, und ich bin doch für ihn eine Partie, eine gute Partie. Fred hat ja keine Liason, nicht einmal einen Flirt konnte man bei ihm bemerken – so glaube ich kaum, daß er mich ablehnen wird. Du hast ihm sein Leben gerettet, du hast sein Talent erweckt; du hast ihn zu dem großen Manne gemacht, der er binnen kurzem sein wird; du hast ihm Manieren beigebracht, du hast aus ihm eben das gemacht, was er heute ist. An dem Tag, an dem du ihm sagen wirst: ›Stella will Sie, ich gebe Ihnen Stella,‹ wird er dir die Hand küssen und alles ist gemacht.«

»Wenn mir aber Fred antwortet, daß er – er sich nicht verheiraten will, auch nicht mit dir?«

»Na, das möcht' ich hören,« rief das junge Mädchen gereizt.

Stella hatte ihre Füße zur Erde gleiten lassen; hochaufgerichtet stand sie da, den hinter dem feinen Batist sich abzeichnenden Körper stolz nach rückwärts gebogen. Sie schlang die entblößten Arme um den schlanken Nacken unter dem aufgelösten Haar und lachte herausfordernd im Glanze ihrer Anmut, die sie für unwiderstehlich hielt. Eine neue Verneinung erstarb auf Frau von Ellissen's blassen Lippen. Sie blickte auf das junge Mädchen, wie auf ein fremdes Weib und entdeckte, daß es mit allen verführerischen Reizen des Körpers ausgestattet war, geeignet, die sehnsüchtigen Wünsche eines Mannes zu erwecken, der, wie Fred, bis dahin die Freuden der Liebe nicht kennen gelernt.

Sie erinnerte sich der letzten Bestürmungen, die sie hatte erdulden müssen, des Geständnisses seiner heimlichen Leiden, und wie er erklärte, unmöglich länger nur bei der idealen Nahrung ihrer engelhaften Freundschaft leben zu können. Hatte sie ihm nicht gesagt, daß er eines Tages die Braut finden würde, deren triumphierende Jugend ihn über den unvermeidlichen Schmerz ihrer Weigerung trösten werde? Immerhin, indem sie so gesprochen, hatte sie keine Angst empfunden, da sie sich mit der tiefen Liebe geliebt wußte, die sie in Freds Jünglingsherz entfacht. Jetzt aber stand Stella vor ihr, von vorne herein siegreich durch die Macht ihrer Reize und die Zähigkeit ihres herrischen Willens. Sollte denn die grausame Stunde schon so nahe sein? Nun erklärte sie sich den schmerzlichen Schauder ihres Herzens, daß wohl den furchtbaren Schlag geahnt, der es treffen, ja vielleicht gar brechen sollte? Die junge Frau wagte nicht, die Hände an ihre Kehle zu heben, die ein plötzliches Erstickungsgefühl verkrampfte; ihre Niederlage fühlend, bewachte sie sich mit der heroischen keuschen Kraft des liebenden Weibes, das zugleich Mutterpfiichten trägt und – dreißig Jahre alt ist. Sie hat nicht mehr das Recht, ihre Liebe einzugestehen. Kein Wort kam über ihre Lippen. Wenn Stella ihr wenigstens eine noch so kindische Liebe für Fred gestanden hätte! Gewiß hätte sie, die Opferfreudige, die Bitterkeit der Entsagung gern auf sich genommen, und trotzdem kam ihr ein Trost aus dem unverfrorenen Geständnis des jungen Mädchens. Kam es ihr unter diesen Umständen zu, Fred zu einer Verbindung zu nötigen, die Stella nur in einer hochmütigen Laune wünschte?

Sie wandte den Blick von dem jungen Mädchen ab, daß jetzt spielend seinen geschmeidigen Körper nach rückwärts bog, um ihre rosige Ferse mit den Spitzen ihrer blonden Haare zu streicheln. Dann sprach sie mit ungewohnter Festigkeit:

»Was du von mir verlangst, Stella, fällt mir schwer und gegen mein Gewissen kann ich nicht handeln. So weit kann ich dir nicht nachgeben, daß ich meinen Willen gerade demjenigen aufzwinge, der mir alles dankt und sich mir gegenüber vielleicht zu blindem Gehorsam verpflichtet glaubt. Ich denke übrigens, daß dein Stolz mit solch einer Zustimmung kaum zufrieden wäre. Du bist es wert, geliebt, begehrt, und nicht blos geduldet zu werden.«

»Ich danke dir,« sagte Stella ironisch und in kühlem Tone. »Aber du vergißt, daß Freds Vermögensverhältnisse ihn hindern könnten, die Augen zu mir zu erheben, und daß es unter diesen Umständen an dir ist, mich ihm anzutragen. Und ich bin ganz überrascht, daß du dir das nicht schon lange gedacht hast. Ich gestehe, ich bin ganz erstaunt über dich. Wie! Dieser junge Mann, der seit zehn Jahren in unserem Hause verkehrt und fast sein ganzes Leben bei uns zugebracht hat, dem du so zugetan bist.... Ist es nicht natürlich, daß du trachtest, deine beiden Schützlinge miteinander zu verbinden? Ich gab mich der Überzeugung hin, daß dies von der ersten Minute an deine Idee war, als du uns beide um dich hattest, und jetzt machst du eine Miene, die mir ganz das Gegenteil beweist. Hältst du ihn vielleicht nicht für reich genug?«

»Du weißt, daß ich wenig Wert auf Geld lege,« erwiderte Frau von Ellissen.

»Oder hältst du mich nicht für würdig, dieses Genie zu besitzen?« fügte das junge Mädchen schnippisch hinzu.

»Einander würdig sind jene, die sich treu genug lieben, daß sie sich ewig angehören wollen!« sagte die junge Frau schwer atmend.

»Ich bitte dich, Mira, keine Sentimentalitäten, das geht mir auf die Nerven. Das alles sind nur Worte – nichts als Worte. Liebe! Das ist ja recht schön, aber in den ernsten Lagen des Lebens darf man nicht darauf rechnen.«

»Und die Liebe ist doch das Leben selbst!«

Stella zuckte die Achseln.

«Sie ist ein amüsanter Teil seiner Ausstattung, mehr nicht. Blick nur um dich und sieh' das herrliche Dasein verliebter Frauen: du wirst nur Tränen, Tragödien, nur blöde oder wilde Eifersucht sehen. Ah, wenn man mir mit der großen Leidenschaft kommt! Nein, wahrhaftig, das ist zu läppisch! Was ich will, ist ein Mann, der mir Ehre macht. Das ist das erste...«

»Welche Eitelkeit!«

»Richtig: das ist das gescheiteste der Todsünden. Und weiter soll er nicht ein Vieh sein, ich meine, nicht einer, der von seinen Mannesrechten durchdrungen ist, mich seinem Willen unterwerfen und den meinigen unterdrücken will. Mit einem solchen ging's schief, das sag ich im voraus. Nun, der kleine Fred ist die Sanftmut in Person. Wenn man ihn nur nicht bei seinem Komponieren stört, so schert er sich den Teufel um's übrige. Daher bin ich an seiner Seite, der unbegrenzten Freiheit meines Tuns gewiß. Sein Charakter bietet mir Sicherheit gegen innere Kämpfe und Vorwürfe, diesem Zeitvertreib der besten Ehen. Außerdem wird mir seine Stellung einen bedeutenden Einfluß in der Gesellschaft sichern, und ich liebe, die anderen zu beherrschen. Wenn ich noch hinzufüge, daß seine persönlichen Vorzüge den Neid der andern Frauen erwecken werden, so wird meine kleine Eitelkeit, wie du's zu nennen beliebst, auf dem Gipfel ihrer Wünsche sein. Wenn ich somit alles wohl erwäge, fällt meine Wahl auf ihn. Ich bin entschlossen. Übrigens, um dich über unsere gegenseitige Sympathie zu beruhigen, kann ich dir sagen, daß er mir gestern abend in einem ganz neuen Lichte erschienen ist, welches ihm nicht geschadet hat – im Gegenteil!«

»Weil er tanzte!« warf die junge Frau ein.

»Nicht darum allein,« entgegnete Stella, indem sie ihre spitzbübigen Augen halb schloß, »nein, weil er zu tanzen versteht! Wenn er aus seiner Ruhe erwacht, dieser Schelm, entdeckt man erst seine Leidenschaftlichkeit. Wie er bei all den Kotilliontouren so mit mir dahinflog, entfaltete er eine seltene Eleganz. Nein, weißt du, er gefällt mir wirklich! Nein, nein, ohne Spaß!«

Die Augenlider der jungen Frau zuckten, sie fühlte ihre Kraft weichen, und ihrer selbst nicht mehr mächtig, sank sie in den Lehnstuhl. Sie wollte fliehen, fort, weit fort, vor dem grausamen Martyrium, das ihrer harrte.

»Aber sag', was ist dir?« fragte Stella.

»Zieh' dich schnell an,« entgegnete Frau von Ellissen, »mir ist nichts.«

»Du hast recht,« rief Stella aufspringend, »ich will mich heute recht schön machen. Schau ich nicht ganz übernächtig aus? Nein?«

Sie blieb vor einem Spiegel stehen, schnitt Fratzen, nahm erschrockene Mienen an und lachte sich schließlich ins Gesicht. Und mit einer plötzlichen Wendung zu Frau von Ellissen.

»Ich übe mich in meiner Haltung als Braut. Hier meine Verbeugung.«

Sie fasste mit beiden Händen ihr Nachthemd, zog es auseinander und verneigte sich feierlich.

Da Frau von Ellissen nicht lachte, wandte sich Stella ab und trippelte ernsthaft mit bloßen Füßen in ihr Toilettezimmer, dessen Tür sie hinter sich mit kurzem Schlag zuwarf. Aber sie öffnete sie sofort wieder, steckte den Kopf heraus und sagte:

»Weißt du, Mira, heute kann man dich nicht mal mit der Zange angreifen.« Bums, schlug die Türe wieder zu, aber ohne sie ganz zu schließen und legte das Auge an die Spalte.

Frau von Ellissen, befreit, da sie sich allein glaubte, strich mit ihrer weißen Hand über die Augen und legte sie dann auf's Herz, worin alles Blut zusammenströmte. Dann erhob sie sich ganz gebrochen und schleppte sich mühsam in ihr Zimmer.

Jetzt erst schloß Stella die Türe, schüttelte den Kopf und dachte:

»Die Arme – muß mich hergeben! Bah, sie wird sich schon gewöhnen und noch glücklich darüber sein! Und dann, geben! geben! Sie wird gar nichts geben. Ist das ein Ausdruck! Was man sich um uns scheren wird, in hundert oder zweihundert Jahren!«


 << zurück weiter >>