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Gespräche zweier Müßiggänger

Erstes Stück

A: Sie also, mein Herr, sind für Zölle, für Verbietung gewisser Waren, für strenge Strafen des Schleichhandels, für hundert beschwerliche Einschränkungen? Freiheit, Freiheit ist das Erbrecht der Menschen. Ihre Stimme schallt laut durch die ganze Natur, und wenn sie unterdrückt wird, so tönt sie leise fort, in jedem Herzen. Der König will, daß sie erschalle, er hört sie lieber als das Geklirre der Ketten, er liebt freie Untertanen und keine Sklaven, Freiheit zu glauben, Freiheit zu schreiben, warum nicht auch Freiheit in allen Arten des Gewerbes? Erlauben Sie jedem Bürger, sein Glück auf dem Wege zu suchen, den er wählt, und werfen Sie die Schlagbäume nieder; lassen Sie das Heer von Untersuchern und Zöllnern das Land bauen, bevölkern und verteidigen, und trauen Sie es dem Fleiß und der Gewinnsucht der Einwohner zu, sich gewiß zu bereichern, wenn man ihnen die Hände nicht bindet.

B: Sie sprechen wohltätig, wie ein Tribun des Volks, und Ihnen gehört eine Krone von Eichenlaub. Sie haben mein Herz auf Ihrer Seite; überzeugen Sie nun auch meinen Verstand. Wir sind in dieser geschäftigen Zeit müßige Zuschauer im Staate. Nichts ist angenehmer, als den Minister zu spielen, wenn man unsern Rat nicht begehrt und wenn wir nicht für den Erfolg haften sollen. Nach Ihrer Meinung also werden alle unsere Häfen zu Freihäfen erklärt. Alle Nationen sind eingeladen, daselbst zu kaufen und zu verkaufen. Kein gieriger Knecht der Zollkammer erschreckt den ermüdeten Schiffer, wühlt in seinen Papieren und in seinem Gelde. Sie haben wohl im voraus an Mittel gedacht, um die Einkünfte zu ersetzen, die der König dadurch verliert und die er, der Bedürfnisse des Staats wegen, nicht wohl entbehren kann?

A: Da habe ich Sie erwartet; nun ist Ihnen gewiß wie einem Finanzkontrolleur bange, der Geld schaffen soll und nichts dafür bieten kann als neue Edikte. Ich denke mir eine weit einfachere Art, Schätzungen zu heben, als durch Zölle und Akzisen. Lassen Sie erst den Handel sich ausbreiten und den Wohlstand zunehmen, geben Sie mir Freiheit, so soll es der Schatzkammer nicht an Gelde gebrechen.

B: Mir grauet vor der magern Zwischenzeit. Denn der Reichtum, welchen Sie erwarten, steht nicht wie ein aufgetürmtes Wasser vor dem Schlußbrett der Schleuse, die man nur öffnen darf, damit Segen das Land überströme. Und wie kann der König so lange einen großen Teil seiner Einkünfte missen? Machen Sie das mit der Rentekammer aus; ich verteidige keinen Zwang; ich helfe Ihnen alle Zollbuden stürmen; unser Handel ist frei; Sie erwarten also nbsp;–

A: Reichtum und Überfluß, mehr Fleiß, mehr Geschäfte, mehr Getümmel, ein angenehmeres und wohlfeileres Leben, Wein für die Hälfte, feinere Tücher, schönere Seidenzeuge, Spitzen, Galonen, Stickerei, Hüte, Strümpfe, aus Frankreich und England. – Aber unsere teure Fabriken – Und warum sind sie teuer? warum sind wir verurteilt, schlechte Sachen mit Geld aufzuwiegen?

B: Sie haben recht; und ich glaube, Sie werden mit fremden Tüchern unsere Land- und Seemacht weit zierlicher und wohlfeiler kleiden. Man schickt den Schwarzen auf der guineischen Küste baumwollene Zeuge, die mir besser gefallen als das Wadmal unserer Bauren. Alle Manufakturwaren anderer Völker sind vollkommner als unsre. Darf ich fragen, holen Sie alle diese Sachen auf eignen Schiffen? oder ist es gleichviel, ob man sie uns zuführt?

A: Wenn ich Freiheit verlange, so verlange ich sie ganz. Ich sehe dem Gedränge von fremden Schiffen mit einer warmen Freude entgegen; ich frage nicht, wo sie zu Hause gehören, sondern ob ihre Ladung, wohlfeil und gut ist.

B: So sind wir erst glücklich! Denn die Holländer werden uns mit allem liebreich und brüderlich versorgen; sie werden uns die groben Waren der Ostsee, Hanf, Flachs, Teer, Masten und Korn, bessern Kaufs bringen, als wenn wir sie selbst holten; sie sind besser im Fischen geübt als wir; sie werden uns unsre Stockfische und Walfische fangen und uns solche notdürftig und billig überlassen; endlich treiben sie wohl auch den kleinen Handel auf unsern Küsten, bringen uns Butter aus Holstein und Vieh aus Jütland, führen unser Korn nach Norwegen und nehmen unser Holz und unser Kupfer auf ihren Fahrzeugen mit weg. Welche Menge Schiffe, Matrosen und Unkosten ersparen wir alsdann nicht? Es ist, wie Domat, ein großer Rechtsgelehrter, sagt: weit besser, Fremde an sich zu ziehen, als zu ihnen zu kommen; denn man entgeht dadurch den Gefahren und den Beschwerlichkeiten der Schiffahrt. Würklich, ein beneidenswürdiger Zustand! Die ganze Welt arbeitet für uns, und wir legen die Hände in Schoß! Ich kenne nur zwei so glückliche Länder in Europa: Portugal wird von England versorgt, bekleidet, bewaffnet und belustiget; und in den Handel von Spanien teilen sich die Engländer, Franzosen und Holländer. Es ist wahr, in beiden Reichen hat man noch keinen Zweig der Industrie zu einiger Vollkommenheit gebracht: dahingegen ist es edel, sich bedienen zu lassen; und ihre Flotten aus Amerika bringen Schätze gnug mit, um viele hundert Meilen von Lissabon und Madrid den Fleiß fremder Arbeiter zu bezahlen. Aber aus welchem Ophir holen wir Gold, mein Herr nbsp;A, und welcher Merlin rührt die Völker mit dem Zauberstabe an, damit sie am Ende des Jahrs unsre Zettel für Silberbarren halten?

A: Sie verwirren mich ein wenig; aber noch gebe ich nicht verloren. Ich kämpfe für die Freiheit. Auch hier unterzuliegen ist rühmlich. Sehen Sie nicht so vertraulich in die ungewisse Zukunft, und weissagen Sie keinen Untergang der Staaten.

B: Das ist indessen das unvermeidliche Schicksal eines jeden Landes, das wenig abzusetzen und viel Bedürfnisse hat und dessen Handel und Schiffe gegen andere Nationen noch weit zurück ist. Wenn man dieses Land der geübtern Geschicklichkeit der Fremden ohne Fürsicht preisgibt, so geht es ihm wie einem sorglosen Verschwender, der eine Zeitlang herrlich von seinem Kapitale lebt und endlich im Elend stirbt. Solange das Erbteil währet, wimmelt es in seinem Vorzimmer von Kaufleuten und Schmeichlern; man errät und befriedigt seinen Geschmack; man kommt seinen Wünschen zuvor; man tut allen seinen Phantasien gnug; aber der Schwarm nimmt ab, sowie die Barschaft wegschmilzt; zuletzt bleibt er allein unter den Trümmern seines Überflusses mit Begierden, die er nicht mehr vergnügen kann, unfähig, sich selbst zu ernähren, von den Mitteln entblößt, seine Notdurft zu kaufen, verurteilt wie der ehemalige Besitzer der roten Hämmel, Candide, von den Früchten seines kleinen Gartens kümmerlich zu leben. Ich überlade das Gemälde nicht: ein Staat hat in der Minderjährigkeit seines Handels Vormünder nötig.

A: Sie mögen Ihren Grundsatz noch so scheinbar vortragen; bei mir gilt das Urteil der Leute vom Handwerk. Alle Kaufleute sind für eine völlige Freiheit. Wie widerlegen Sie eine so einstimmige Meinung?

B: Aus dem Munde eines erleuchteten Kaufmannes, des Engländers Gea. Wenige unter uns, sagt er, erheben sich über den Eigennutz und sind einen Rat zu geben fähig, der nicht nach Privatvorteil schmeckt. Kaufleute können sich bei dem Verluste des Staates recht wohl stehen, und ein Handel, der uns aussaugt, kann sie geschwinde bereichern. Warum soll man auch von ihnen die Selbstverleugnung fordern, das allgemeine Wohl dem ihrigen vorzuziehen? Wenn es in ihren Büchern gut steht, was gehet sie das Buch der Nation an? Der Holländer, welcher zur Rede gestellt wurde, weil er mitten im Krieg Pulver an Ludwig den Vierzehnten verkaufte, um sein eigen Vaterland damit zu verwüsten, antwortete im Geiste des Handwerks: »Ob wir Krieg oder Frieden haben, das ist nicht meine Sache; mein Pulver ist bezahlt, und ich stehe dafür ein, daß es gut sei. Wenn man Pech und Schwefel nach der Hölle verlangt und Rimessen schickt, so soll Mynheer Satan mit echter Ware bedient werden.« Es kommt überhaupt hier auf keinen autoritätischen Ausspruch, sondern auf die Sache selbst an. Ich bin überzeugt, und ich glaube bewiesen zu haben, daß unser Land bei einem ganz freien Handel notwendig verarmen muß, und alle Stimmen des großen Haufens können mich vielleicht überschreien, aber nicht eines andern überzeugen.

A: Nur noch kein Siegesausruf, ich bitte; denn mein stärkster Hinterhalt für die Freiheit ist noch nicht im Treffen gewesen. Werfen Sie dort Ihre Augen hin auf die tapfern Bataven, die mit dem spanischen Joch alle Fesseln abwarfen. Dieser Haufen Bettler, wie sie die Statthalterin nannte, wurde schnell zur reichsten Nation der Erde. Zwischen dem Jahr 1579, da sie ganz von Spanien abfielen, und dem Jahr 1609, da sie ihren zwölfjährigen Stillstand schlossen, hatten sie ihre Vereinigung durch zwei Provinzen verstärkt, den Hafen von Sluis weggenommen, Bergen op Zoom, Breda, Hertogenbosch erobert, Ostende drei Jahr lang verteidigt, den Spaniern in ihren eignen Häfen getrotzt und die Kanarischen Inseln geplündert. Mitten in diesem kostbaren Kriege erhob sich Amsterdam als die Königin des Meeres und war schon damals, was es jetzt ist, das Magazin der ganzen Welt. Wie konnte dieses Volk solche Ausrüstungen bezahlen und noch Schätze dabei sammlen? Bloß durch seinen freien und ausgebreiteten Handel, indem es alle Früchte der Erde und alle Produkte des menschlichen Fleißes frei ein- und auszuführen erlaubte, indem es gerade gegen Ihre Grundsätze handelte; sonst wären die Holländer noch jetzt ein armseliges Volk; sie würden in ihren Morästen herumkriechen, sich bei jedem Windsturm auf ihre Sanddünen retten und kümmerlich von den Fischen ihres Strandes leben; sie hätten gewiß dem Ozean keine Erde abgetrotzt, nicht die Macht der Fluten durch Dämme gebändigt, sich nicht unter dem Wasserhorizont sichre Wohnungen gebauet, nicht ihre Sümpfe in Gärten verwandelt und mit Dörfern, Städten und Menschen bedeckt. Wenn die sichtbare Erfahrung wider Sie predigt, so beweisen Sie immer; ich widerlege Sie wie Diogenes den Sophisten, der die Bewegung leugnete: er ging. Nun darf ich, dünkt mich, den Lorbeer ums Haupt winden. Hier ist meine Hand. Überwundenen muß man großmütig begegnen. Lassen Sie uns von etwas anders reden.

B: Wie aber, wenn Ihre ganze Tirade mehr blendend als gründlich wäre, wenn Sie aus ganz verschiednen Umständen einerlei Resultate erwarteten, wenn es mit Holland und seinem freien Handel eine ganz eigne Beschaffenheit hätte, die sich weder auf uns noch auf irgendein anderes Land paßt?

A: Wie wollen Sie das beweisen?

B: Ohne viele Mühe. Erst wollen wir Holland von dem ersten Anfang seines Daseins folgen, und dann mögen Sie urteilen, ob nicht besonders glückliche Umstände und unbegreifliche Fehler andrer Nationen der Hauptgrund ihres Wohlstands gewesen, ob ihr freier Handel den Reichtum oder ihr Reichtum den freien Handel veranlaßt und noch jetzo erhält.

A: Das ist für mich ein ziemlich neuer Gedanke. Der Reichtum von Holland, das kaum den achten Teil seines Brotkorns bauet? Aber ich will geduldig zuhören.

B: Es ist ausgemacht, daß die Einwohner von Flandern die ersten Weber in Europa waren. Schon im Jahr 960 sind Märkte in diesem Lande bekannt, auf welchen man Manufakturwaren nach Frankreich und Deutschland vertrieb. Durch Kriege mit Frankreich verlor Flandern einen Teil seiner Fabriken, die sich nach Löwen in Brabant zogen.

Im Jahr 1200 hatten sich die Kreuzherren Meister von Preußen und Litauen gemacht, und die an der Ostsee gelegenen Städte fingen an, die dort fallenden groben Waren nach den Niederlanden, Engelland, Spanien, Italien und Frankreich zu bringen und von daher, besonders aus den Niederlanden, Manufakturwaren zurückzunehmen. Diese waren also der erste Grund ihres Handels, die erste Quelle ihres Reichtums; und sie nahmen immer mehr in dem eigentlichen Holland zu. Denn im Jahr 1303 entstand Aufruhr unter den Webern in Löwen, Ypern und Brügge; ein Teil derselben flüchtete nach Engelland und ein Teil nach dem Lande über die Maas und nach Holland. Als ohngefähr gegen 1360 die Kriege zwischen Dänemark und Schweden die See unsicher machten und Wißburg geplündert wurde, so entstand der Bund zwischen den Hanseestädten, um die freie Fahrt und den Handel zu beschützen. Die sogenannten Österlinge wurden eine Zeitlang Herren in der See, aber Holland gewann ihnen bald den Rang ab; denn im Jahr 1400 ward die Kunst, Heringe zu salzen, erfunden: eine neue Ware, die man überall bedurfte und nur in Holland fand. Unterdessen war Antwerpen zum höchsten Grade des Wohlstandes aufgeblüht. Aus Italien schickte man die Produkte der Seidenwebereien, die Waren aus der Levante, aus Persien und China dahin und verteilte sie da weiter durch Europa; die Portugiesen entdeckten den Weg ums Kap und die Spanier Amerika; beide Nationen handelten mit ihren eroberten Schätzen nach Antwerpen, und die Engelländer hatten daselbst ihren Stapel. Im Jahr 1585 zerstörte der Prinz von Parma dieses neue Karthago; und hier fing der glückliche Zeitpunkt der Holländer erst an. Amsterdam erbte alle Reichtümer seiner älteren Schwester; die Spanier wollten aus einer falschen Staatskunst die Scheide nicht wieder öffnen, damit diese Stadt arm und unterwürfig bliebe; alle Kaufleute entwichen, nicht nach Frankreich oder Engelland, denn da wurde der Handel durch Auflagen gedrückt und kein Fremder begünstigt, auch nicht nach Flandern, wo weder bürgerliche noch Gewissensfreiheit herrschte, sondern nach Holland, wo man sie brüderlich aufnahm und wie eigenen Kindern begegnete. Die Fischereien zogen sich ganz dahin. Die Tuchmanufakturen ließen sich in Leiden und die Leinwandsfabriken um Haarlem herum nieder. Amsterdam erwarb eine Menge reicher und kundiger Kaufleute und durch sie neue Zweige eines einträglichen Handels. Eine Menge glücklicher Umstände vereinigten sich also zum Vorteil der Holländer, aber der Untergang von Antwerpen war allein genug; und diese Begebenheit war nicht in der Ordnung der Dinge, war weder eine Folge ihres Fleißes noch ihrer Klugheit: denn sie trugen nichts dazu bei, daß die Spanier lieber dürftige Sklaven als reiche Bürger haben wollten. Sie hinderten bloß die Würkung dieser Regierungsfehler nicht; sie verschlossen ihre Türen dem Überflusse nicht, der von allen Seiten auf sie zudrängte. Das ist noch nicht alles. Eine Gesellschaft von Kaufleuten wurden Könige in Ostindien, alleinige Besitzer der Gewürzwaren, und hierzu kam ihr Walfischfang. Nach einer zuverlässigen Berechnung haben sie dadurch in sechsundvierzig Jahren sechzehn Millionen Pfund Sterling aus der Tiefe des Meeres heraufgearbeitet. Sie begreifen nunmehro, daß sie für ihre Gewürze, ihre Fische und ihre Manufakturprodukte die Notwendigkeiten ihres Lebens eintauschen und die Wünsche ihrer Üppigkeit befriedigen können, ja sie behalten noch eine Menge Waren übrig, die man ihnen mit barem Gelde bezahlen muß. Ihr Handel hat daher keine Einschränkung nötig, denn sie verkaufen beständig mehr, als sie kaufen; die Balance ist überwiegend auf ihrer Seite, die meisten Nationen sind am Ende des Jahres ihre Schuldner. Sie gewinnen daher auch immer auf den Wechselkurs, und Holland ist einem Meerwirbel ähnlich, der das Vermögen aller Nationen in sich schlingen würde, wenn nicht Amerika die Lücken ausfüllte und wenn man nicht nach und nach Fahrten entdeckte, um den schädlichen Wirbel zu vermeiden.

Sie sind Meister im Felde und haben keine Festungen, keine Bollwerke nötig. Wir aber würden bald überwunden und geplündert sein, wenn wir die unsrigen niederreißen wollten. Was sagen Sie nun, mein Herr nbsp;A? Sind Sie noch für einen ganz freien Handel in Dänemark? Denken Sie noch, daß wir es in gleichem Spiel mit den Holländern aufnehmen können, daß wir dabei gewinnen würden?

A: Ich bin zornig auf Sie – Sie haben mich um meinen Lieblingseinfall gebracht: Kein freier Handel! – eine traurige Aussicht!

B: Ein freier Handel, aber kein ganz freier Handel ist möglich. Die Mittel sind leicht, um fremde notwendige Waren wohlfeiler einzubringen, überflüssige auszuschicken, unsere Manufakturen gegen die geringeren Preise anderer Länder zu schärfen und vom Untergang zu retten. Vor allen Dingen ziehen wir, mit Ihrer Erlaubnis, unsern Zöllnern und Sündern die Montur wieder aus, zumal da sie zum Teil nur eine schlechte Figur unterm Gewehr machen würden. Jede weise Regierung hat sich der Zölle, ihrer Erhöhung und Verminderung, bedient, um den Handel des Landes gegen den Handel anderer Nationen abzuwägen, zuweilen diesen Zweig zu begünstigen, jenen zu belasten, je nachdem es ihr Vorteil oder ihre Notdurft erheischte. Der König von Preußen gestattet keinen freien Handel; Frankreich ist seinen strengen ausschließenden Gesetzen und seinen Auflagen auf Waren anderer Länder das Aufkommen seiner Fabriken allein schuldig; und es ist ein lächerlicher Irrtum, wenn man glaubt, daß die Holländer sehr geringe oder gar keine Zölle haben. Oft sind in Holland einige fremde Waren ganz verboten, und alles, was im Lande verbraucht wird, selbst die ersten Notwendigkeiten des Lebens, sind mit schweren Abgaben belegt. Sie schonen bloß die ausgehenden und durchgehenden Waren, die sie bei sich zum Verkauf auflegen.

A: Und hiervon haben Sie geschwiegen. Die Holländer macht ihr selbständiger Handel, wie man ihn nennen könnte, nicht allein reich, sondern ihre Fracht, ihre Auflage nbsp;–

B: Sie haben nicht unrecht. Die Holländer sind die Fuhrleute zur See für alle Nationen, oder wenigstens für die, welche nicht aufmerksam genug sind, das Fuhrlohn selbst zu verdienen, die, wie Sie es Dänemark anraten, alle fremde Schiffe in ihren Häfen ohne Einschränkung aufnehmen. Diese Quelle ihres Reichtums kann versiegen, sobald man aufgeklärter und klüger werden will.

A: Man versichert mich aber, daß die Holländer manche Bedürfnisse weit wohlfeiler zuführen, als man sie mit eigenen Schiffen aus der ersten Hand holen kann.

B: Nichts ist natürlicher. Sie fahren mit weniger Mannschaft und wohlfeilem Schiffen. Der Schiffszimmermann, der Segelmacher, der Seiler, Brauer und Brannteweinsbrenner treten zusammen und rüsten ein Schiff aus; jeder hat nach dem Verhältnis seines Beitrags und seiner Arbeit, so wie der Schiffer selbst für seinen Lohn, einen Anteil darinne; sie sind zugleich selbst Reeder, und wenn sie Vorschuß gebrauchen, so finden sie Geld zu drei Prozent Zinsen. Ihr ausgebreiteter Handel macht, daß wo sie eine Ladung hinbringen, da finden sie auch meistenteils eine wieder zurück, oder sie wagen es, auf Spekulation eine zu nehmen, führen sie nach Holland oder hökern sie in irgendeinem andern Hafen aus und gewinnen auf der einen Seite, was sie auf der andern verlieren. Sie können also mit einer Ausrüstung tun, was wir und andere Nationen mit zwei und mehr verrichten müssen; und wenn es nicht gelingt, so haben sie oft kein Geld, sondern bloß ihre Mühe verloren. Die Vorteile dieser Einrichtung können leicht zehn, à zwanzig und mehr Prozent betragen, die oft eine Ware mehr kosten würde, wenn man sie nicht von ihnen empfinge, sondern aus der ersten Hand holte.

A: So sind, dünkt mich, die Kunden der Holländer nicht zu tadeln – denn wenn man fremde Waren nötig hat, so ist es besser, sie da zu kaufen, wo man sie am wohlfeilsten findet.

B: Wenn der Kaufmann rechnet: ja, nicht aber, wenn der Staat rechnet. Denn für die Nation ist es unendlich besser, ihre Fracht selbst zu verdienen und sie doppelt zu bezahlen, als nur halb soviel den Holländern zu gönnen, zumal wenn die Stärke dieser Nation in ihrer Schiffahrt und in ihren Flotten vorzüglich besteht; und die schärfsten Gesetze sind die weisesten, um alle Fremde davon auszuschließen. Engelland wäre gewiß noch ferne von seinem jetzigen Flor, hätte der große Übeltäter Cromwell nicht dafür durch die Navigations-Akte gesorgt, die allen seefahrenden Völkern heiliger sein sollten, als es die Sybillischen Bücher den Römern waren. Ihr Inhalt ist Ihnen ohne Zweifel bekannt?

A: Ich erinnere mich dessen nur obenhin.

B: Nach dieser Akte soll kein fremdes Schiff andere Waren, als die in seinem Lande fallen, nach Engelland bringen; nach den Kolonien sollen nur englische Schiffe gehn, und nur auf solchen sollen alle Produkte derselben nach Engelland gebracht werden; von Hafen zu Hafen wird keinem fremden Schiffe zu handeln erlaubt; Fische, Walfisch, Tran und Fischbein, von Fremden gefischt, bezahlt doppelten Zoll; und die künftige Verminderung der Zölle kommt bloß englischen Schiffen zugut; Hanf, Mastbäume, Teer, Pech, Salz, Rosinen, Baumöl, Korn, Wein und Branntewein darf nur auf englischen Schiffen gebracht werden, oder die damit beladenen fremden Schiffe müssen an dem Orte, wo die Produkte fallen, gebaut sein. – Cromwelln gelang es dadurch, die Holländer zu demütigen; und ich erwarte mit der Zeit ein ähnliches Gesetz von der großen Kaiserin, die ihre Blitze aus dem Finnischen Meerbusen bis auf die Hohe Pforte schleudert und deren Flotten zu handeln anfangen werden, wenn sie zu siegen ermüden. Mancher britische Vaterlandsliebhaber hat sich wohl auch vormals auf der Londner Zollbude gegrämt, die Themse von fremden Wimpeln und Flaggen entblößt zu sehen; aber Josias Child, ein erleuchteter Kaufmann, bezeuget, daß die englische Schiffahrt siebenzehn Jahre nach der Akte dreifach stärker als vorher gewesen sei.

A: Sie zielen wohl damit auf unsern Patrioten, den Herrn Philopatreias?

B: Vaterlandsliebhaber drückt den Mann und den Namen recht wohl aus, und Amoureux sagt es noch besser, denn ein warmes Herz und die Leidenschaft entschuldigt manche Schwärmerei. Ihm gelüstet nach irländischer Butter; er sei herzlich darauf willkommen, aber nur soviel, als er zu seinem Frühstücke braucht, denn wir befinden uns wohl bei der unsrigen. Er will Geld in Roulance gesetzt wissen; welche Denar zieht uns einen goldenen Regen vom Himmel? Er mag die großen Kaufleute nicht, denn sie unterdrücken die geringern; wir erneuern also wohl die Gesetze des Lykurgs und teilen das Vermögen aller Einwohner des Staats in gleiche Portionen: ich und er, wir würden beide vielleicht dadurch nicht verlieren.

A: Indessen hat die Freiheit der Presse eine vorteilhafte Gärung in der Nation veranlaßt. Für mich ist dieses Gelärme von Geistern, die wie aus einem Schlummer erwachen, ein angenehmes Schauspiel. Mir kommt es vor wie in der Natur des Lukrez: ein Gewimmel von Atomen, die nach allen Richtungen hinfahren, denn schnell im Kreis herumfliegen, denn tief zu Boden sinken, zuweilen ein leuchtender Blitz aus dem finstern Chaos. – Wir müssen erwarten, was für eine Welt daraus wird.

B: Wer kann die Zufälligkeiten alle berechnen? wer weiß, wenn dieser Schwarm von Atomen sich in Elemente zusammendrängt? Die Freiheit zu schreiben ist immer ein würksames Mittel, um den Verstand in Zirkulation zu setzen, den sonst jeder, wie verbotene Münzen, wie Irons Rubel, verschließt. Nur muß man nicht glauben, daß der gute Name der Bürger dadurch der witzigen und unwitzigen Bosheit eines jeden Skriblers preisgegeben sei. Der gute Name gehört mit zum Eigentum und darf nicht mit Gewalt geraubt werden. Alle Gesetze sind nicht mit der Zensur aufgehoben; wer im Beisein von Zeugen seinen Nächsten lästert, wird gestraft: warum sollte der frei ausgehen, der durch den Druck und im Angesicht des Publikums lästert? Diesen Mißbrauch ausgenommen, so lasse ich mir gerne lächerliche Vorschläge, übel verdaute Einfälle, phantasiereiche unmögliche Staatsmaximen gefallen. Denn die Entwickelung des Verstandes fängt vom Romanhaften an, geht zum Wahren und Gründlichen über und artet endlich ins Zierliche aus. Es findet sich wohl mit der Zeit ein Lukian, der die guten Schriftsteller und die Minister aus der Kelleretage zusammen öffentlich ausbietet, damit ihr Gehalt bestimmt werde. Aber wieder zur Sache nbsp;–

A: Was haben Sie mir nun alles mühsam bewiesen? Daß uns ein ganz freier Handel schädlich sein würde und daß wir uns nach ganz andern Grundsätzen als die Holländer richten müssen. Wir haben, wie Sie wissen, Einschränkungen genug, und wir ahmen die Holländer nicht nach. Wir tun ohngefähr, was Sie wollen. Unser Handel hat also keine Ermunterung nötig? Er ist so ausgebreitet und so blühend, als wir es wünschen? Sie können das nicht im Ernste behaupten. Und welche Mittel schlagen Sie vor? Meine einfache fruchtbare Maxime haben Sie mutwillig vernichtet: predigen Sie nun Ihre neue Weisheit, und erfinden Sie etwas Bessers.

B: Das wäre vielleicht nicht unmöglich, wenn uns nicht eine Menge Nachrichten fehlten. Um die Kräfte des Staats und den Gang seiner inneren Betriebsamkeit zu berechnen, müßten gewisse Facta bekannter sein. In Engelland und Frankreich sind die Register der Zölle und der Schatzkammer, die Balancen der Kompanien, der Banken und der Schulden in aller Neugierigen Händen. Hier aber darf kein Profaner auch nur einen Zipfel des Vorhanges aufheben, der diese Geheimnisse deckt.

A: Sind das aber nicht Staatsgeheimnisse? nbsp;–

B: Deren Resultat nicht verborgen bleiben kann. Einem einzelen Bürger gelingt es zuweilen, seine Umstände eine Zeitlang zu verhehlen und reicher zu scheinen, als er ist; aber kein Staat verbirgt sich; man schätzt ihn ohngefähr so hoch, als er wert ist. Die Hauptsumme wird verraten, warum soll das Detail dieser Hauptsumme verschwiegen bleiben? Solange dies der Fall ist, sind alle Vorschläge schwankend, denn man kann sie nicht mit Gewißheit auf unsern Zustand anwenden. Dem ohngeachtet sollen Sie meine Einfälle hören. Ich will mich aus Freundschaft für Sie in den Rat träumen, wo man mich weder begehrt noch bedarf. Aber nun ist es Zeit nach der Oper. – Ich mag gerne die ernsthaften Geschäfte des Lebens mit ein wenig Freude mischen, so wird die Seele heiter und gebiert ohne Schmerzen.

A: Diese Göttinnen und Halbmenschen sind eine teure fremde Ware nbsp;–

B: Und ein vorteilhaftes Produkt des italienischen Fleißes. Eine Fabrik mit der Aufschrift: quì si castra con gusto, ist mancher andern vorzuziehen. Wir wollen ein andermal mehr von allen diesen Sachen schwatzen; kommen Sie – es ist die höchste Zeit.


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