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Über den amerikanischen Krieg

Das Schicksal von Amerika scheint sich gegen alle Erwartung der Zeitungsphilosophen einer schnellen Entscheidung zu nähern. Ein panischer Schrecken ergreift die Patrioten, und der Geist ihrer Reden und Schriften Siehe die »Declaration of Independency« und das amerikanische, vortrefflich geschriebene Pamphlet »Common Sense«, das mit alledem durch Howes Argumente zu eitel Nonsens werden kann. waltet nicht über dem Heer am Tage der Schlacht. Freiheitsliebe, die ein glücklicher Widerstand und eine gewagte Verachtung der Regierung genährt hat, die so durchargumentiert, die feurigen Köpfen so demosthenisch vordeklamiert ist, sollte, dünkt uns, bei einem mächtigen Volke den Mut bis zur Heldentugend erhöhn. Noch harrt zwar die Minorität auf Fabius' Taten, aber Howe, der bescheidene Howe nimmt es auf sich, die Frist der Unterwerfung zu bestimmen; er, der unstreitig seine Lage besser als die Kriegs- und Staatsklugen diesseits des Meeres beurteilen kann, gibt dem ganzen abgefallenen Weltteil nur sechzig Tage Zeit zur Reue. Wir Deutschen sind darüber nicht wenig betroffen, denn wir sind mit gebeugtem Nacken noch immer treue Verfechter der Freiheit; wenn der Himmel Cäsars Partei nimmt, so halten wir es immer mit Cato, und der Kongreß hat wichtige Freunde unter unsern Schriftstellern und Dichtern, die es alle nur mühsam begreifen, wie es zugeht, daß ein gedungenes Heer diese Söhne der Freiheit bändigen kann. Wir erinnern uns, daß die Vereinigung der sieben niederländischen Provinzen weit unbedeutender anfing, daß es diesem tapfern Volke gelang, sich einer nähern und größern Oberherrschaft zu entreißen. Soll Amerika, das ein weiter Ozean und ein zahlreiches Heer erbitterter Vaterlandsfreunde schützt, das Opfer weniger Feldzüge werden? – Aber vergleichen wir auch strenge genug Umstände und Zeiten? Ist das Interesse dieses Streites wichtig genug, um einen einmütigen Abscheu unter den Parteien zu unterhalten? Ist es irgend mit der Veranlassung einer glücklichen Revolution aus der Geschichte zu vergleichen? Der niederländische Krieg zum Beispiel war nicht Kampf für Freiheit und Eigentum allein; er war zugleich Kampf für dieses und das künftige Leben; ihrer edelsten Bürger Blut floß durch des Henkers Hand; Priestergrimm hatte die Anhänger der alten Kirche bis zur Kannibalenwut entflammt, und die verfolgte neuere war durch Martyrerwollust berauscht. Ihre Wahl war nicht, Ruhe durch Taxe zu kaufen, sondern Tod oder Sieg. Ist in Amerika ewiges, ist auch nur zeitliches Glück, ist Leben und Ehre auf dem Spiel? Oder dreht sich nicht der Streit einzig um die Frage, ob Kolonien einen Teil ihrer Einkünfte zur Notdurft des Staats ungefragt liefern sollen? Ungefragt ist freilich eine furchtbare Bedingung; aber wird denn Schottland mehr als zum Scheine gefragt, da seine Repräsentation nur wie ein Tropfen im Wasser ist? Schottland hat fünfundvierzig Stimmen im Hause der Gemeinen, und ein Freund hat mir die Anmerkung gemacht, daß es durch diese kleine Repräsentation darum genug gesichert sei, weil es nur ein Pfund Sterling bezahlt, wenn England einundvierzig Pfund steuert, folglich die fünfhundertdreizehn Engländer den schottischen Farthing nicht fodern können, ohne sich selbst eine Anzahl Pfunde aus der Tasche zu votieren. Allerdings soll diese Ungleichheit des Betrags die Ungleichheit der Stimmen balancieren, aber immer bleibt doch wahr: 1. nbsp;daß Schottland mit seinen fünf und vierzig Stimmen die Frage, ob und welche Taxe aufgelegt werden soll, nur selten entscheiden hilft, 2. nbsp;daß sie unter gewissen Umständen ein Pfund beschwerlicher aufbringen als die Engländer zweiundvierzig, 3. nbsp;daß manche andre Verordnungen der gesetzgebenden Macht, welche Schottland nachteilig sein können wegen des Übergewichts von Stimmen, in den Händen der Engländer sind; und in gleichem Fall würde sich Amerika befinden. Wenn Amerika dreißig Stimmenführer schickte, wären sie dann mehr Herren ihres Geldes gegen das Übergewicht von fünfhundert? Ist die britische Regierung tyrannisch? Gleicht der gütigste König Philipp dem Zweiten oder seinem Statthalter, dem Herzog von Alba?

Als neulich Burke über Unterdrückung und Grausamkeit lärmte, erwiderte Lord North treffend genug: »Und doch können Sie auf die despotische Regierung, worunter Sie seufzen, nach Herzenslust schimpfen; hätten Sie dem Kongreß nur halb so übel begegnet als dem Parlament, so möchte ich Ihr Schicksal nicht teilen.« – Nicht Strenge, sondern Gelindigkeit hat vielleicht allein den Widerspruch zum offenbaren Aufruhr erhoben. Man widerrief eine feierliche Akte; man hat erklärten Rebellen Vergleichsvorschläge getan; to stoop is not allways to conquer. Aber wenn auch diese Gelindigkeit manchem warmen Kopf unpolitisch vorkommt, so ziemte sie doch dem mütterlichen Lande; sie war dem Herzen Georg des Dritten natürlich, und wenigstens hat sie einer: Teil der Mißvergnügten zu sanftem Gesinnungen, zu Wünschen einer künftigen Aussöhnung gestimmt; sie hat den Haß und Abscheu gemildert, der gewiß mehr im Munde der Rädelsführer als in dem Herzen des Volks herrscht. Schon tönt die Stimme der Wohlgesinnten heller; die Begüterten sind alle der Unruhen müde; sie allein wagen viel und gewinnen nur wenig; sie kauften gern mit einem Teil ihres Vermögens für den übrigen Sicherheit und Genuß, und der größre Haufen, der so hitzig fürs Eigentum kämpft, hat keins zu verlieren. Die Niederländer wurden gleich anfangs durch fremde Mächte wirksam unterstützt; noch hören wir nichts von auswärtigen Bündnissen, welche die neue Republik geschlossen hätte. Nur ein spanischer Brief, der einen amerikanischen Kaper in Schutz nahm, schien ihren Absichten günstig, aber er war vom gefallnen Minister Grimaldi. Deane wird in Paris, wie es scheint, nicht höher geachtet als ein Anhänger des Ritters von St. nbsp;Georg, und Franklin philosophiert mit den Enzyklopädisten. Holland hat Schätze zu opfern, Amerika nichts als Papier, dessen Wert mit jedem verlornen Scharmützel herabsinkt. Tage wie bei Kingsbridge und Neuyork sind für den Kongreß wie untergegangene Schiffe für ein Haus, das nur vom Wechselreiten gelebt hat. Die Niederländer hatten einen Fürsten zum Anführer. Geburt und Stand täuscht nicht den Pöbel allein; auch beßre Menschen finden ihren Stolz durch die Niedrigkeit des Standes ihrer Befehlshaber beleidigt. Jeder gehorcht nur alsdann ohne Murren, wenn die Eminenz des Ranges nicht zweifelhaft ist. Was sind Hancock und Adams? Geschöpfe der Demokratie, die ihre Götzen eins ums andre anbetet und vernichtet. Eine Welle hob sie empor; eine andre begräbt sie im Abgrund. Daher der Mangel an Einigkeit, daher Widersinn in den Entwürfen und in der Ausführung Trägheit. Massaniello war einst gefürchteter als sie.

Hätte Washington ein Heer halb geistlicher Schwärmer, geläng es ihm, den Kongreß, wie Cromwell den Rumpf des Parlaments, zu vernichten, so wäre die Aussicht für England bedenklich, aber trauriger für Amerika selbst; denn wer war mehr Tyrann als Oliver, Protector Libertatum Populi Anglici?


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