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Dritter Brief.

London, den 31. August.

Ein Bild von Garrick in irgend einer Schauspielscene kann einem andern in einem verschiedenen Charakter unmöglich sehr ähnlich seyn, weil sich diese Proteusseele jedes Mal gleichsam mit einem neuen Körper bekleidet. Wer ihn als Lear, oder Richard gesehen hat, kennt den individuellen Garrick noch nicht. Hogarth's Richard, der so vortrefflich den Geist seiner Rolle ausdrückt, sieht jedoch Garrick, auch auf dem Theater, nicht ähnlich. Im Hamlet von Zoffani finde ich, außer dem Anstand, nicht eine Spur von ihm; aber besser ist er von eben dem Meister als Romeo gemahlt Nicht gestochen; denn das Kupfer ist mittelmäßig., in dem Augenblick wie Julie erwacht. Reynold's dichterisches Gemählde, wo Garrick zwischen der komischen und tragischen Muse, wie Herkules auf dem Scheidewege, steht, und sich, menschlicher als der Halbgott, zum Vortheil des schalkhaften Mädchens entschließt, ist ein Meisterstück der Kunst. In dem Auge, so wie in dem launischen Lächeln, ist Wahrheit, aber doch veredelte Natur; selbst die Vandykische Anordnung der Kleider und Haare, so vortheilhaft sie dem Künstler auch war, bringt etwas Fremdes in's Bild. Ein Mahler von Bath, dessen Namen mir nicht beifällt, hat ihn in Lebendgröße in ordentlicher Kleidung vorgestellt, wie er Shakespeare's Bildsäule umfaßt. Der Gedanke ist nicht glücklich, und der Meister gehört nicht unter die ersten in England, aber Garrick ist kenntlich genug Green hat es, aber ohne Glück, in Kupfer gebracht.. Das beste Bild von ihm besitzt Colmann; es ist ein Profilkopf von Zoffani gemahlt. Diese Stellung des Gesichts steht immer schärfer auf der Linie der Wahrheit, und drückt den Charakter bestimmter aus. Es ist nicht in Kupfer gebracht Ich sah nachher in Frankreich Garrick's Bild in jüngern Jahren von Michael Vanloo gemahlt, welches sehr gut zu seyn schien: auch habe ich daselbst die Originalzeichnung von Cochin gesehen, aber dieser Garrick ist entnationalisirt. In der Sammlung kleiner mittelmäßiger Blätter von Schauspielern, die vor einigen Jahren in London heraus kamen, sieht er sich in den komischen Rollen sehr ähnlich, besonders als Sir John Brute, und noch besser, als Abel Drugger. Von allen seinen Bildnissen aber ist mir das liebste ein Blatt von Hogarth vor dem Vorspiel: The Farmer's return; nur muß die Carricatur nicht irre machen. Aus des gutherzigen, selbstzufriedenen, klug gewordenen, seine Frau aufziehenden Pachters Gesicht leuchtet Garrick's wahre, eigenthümliche Laune.. Garrick's Schriften sind nur einzeln gedruckt, und noch nicht gesammelt; viele davon sind, wie ich glaube, in Deutschland nicht bekannt, und verdienten es zu seyn. In Dodsley's Sammlung sind einige Gedichte von ihm, unter andern eine Ode an Pelham Vol. IV. p. 198. . Seine Prologen und Epilogen sind ein Magazin von echtem Sterlingwitz. Von dramatischen Stücken sind mir folgende vorgekommen: Miss in her teens, or the medley of lowers. Der Gedanke ist aus Dancours Parisienne. Ein achtzehnjähriges, unschuldig scheinendes Mädchen zieht alle ihre Liebhaber auf, einen jungen Officier ausgenommen, den sie auch endlich erhält. Der Charakter des Fribble, eines faden, süßen Herrn, war sonst in jüngern Jahren Garrick's Lieblingsrolle, so wie Daffodil in einem andern Stücke von ihm, the male Coquette. Daffodil ist ein Glücksritter, der sich nie genossener Gunstbezeigungen rühmt, und endlich beschämt und lächerlich wird. Lethe, eine dramatische Satyre in der Lucianischen Manier. Weil Niemand mit seinem Zustande zufrieden ist, so hat Plato den Sterblichen erlaubt, aus dem Fluß Lethe Vergessenheit ihrer Sorgen zu trinken, und Äsop empfängt die Patienten. Die Gesellschaft wird zahlreich, Dichter, Geizhälse, feine Herren, Damen nach der Mode u. s. w. Lord Chalkstone, ein gichtischer Edelmann, ist Garrick's Rolle. Ein alter dienstfertiger Tischgenoß (ein Wesen, das man hier Toad eater nennt Ein Krötenfresser. Im Französischen un complaisant.), kündigt den gnädigen Herrn an.

Bowmann. Sie müssen nicht glauben, daß Mylord von der gemeinen Classe der Sterblichen ist. Sie können nicht anders als seinen Besuch für eine besondere Ehre ansehn; denn er ist so arg mit dem Podagra geplagt, daß wir Mühe hatten, über den Fluß zu kommen.

Äsop. Mylord muß also dringende Ursachen haben, nach dem Fluß Lethe zu reisen.

Bowmann. Keine, so viel ich weiß, in der Welt – seine Füße sind freilich ein wenig abgängig, aber sein Herz ist so gesund als jemals. Nichts ficht ihn weiter an; er mag gesund oder krank seyn, so ist er immer der angenehmste Herr, die beste Gesellschaft, die man wünschen kann.

Mylord kömmt, unter unwillig herausgestoßenen Seufzern, von Merkur langsam hergeführt.

Äsop. Mylord, Sie leiden – Ich wünschte Ihnen helfen zu können.

L. Chalkstone. Leiden – Glauben Sie denn, daß ich ein Sänftenträger, oder ein Karrenschieber bin? Meine Beine sind immer noch stark genug, um mich zu meinen Freunden und zu meiner Bouteille zu tragen; und zum Rest ist das Podagra von ganzem Herzen willkommen. –

Äsop. Aber Sie fühlen doch, wie es scheint, empfindliche Schmerzen.

L. Chalkst. Schmerzen – ja – aber Vergnügen nicht weniger. Wenn die Schmerzen kommen, so fluche ich sie weg; und wenn sie vorbei sind, so verliere ich keine Minute, und trinke den nämlichen Wein und esse die nämlichen Gerichte, wie vorher – laß die Doctoren sagen, was sie wollen. Ich wollte meine Küche und meine Liqueurs nicht missen, wenn ich die Seelen der ganzen Facultät retten könnte. Ihrer Wassers wegen bin ich nicht gekommen, mein Herr Äsop! denn ich trinke kein Wasser, als wenn ich in Bath bin. Ich komme, die Wahrheit zu sagen, um mich ein wenig in Ihren elysäischen Feldern umzusehen, (sieht durch ein Glas,) die, unter uns gesagt, verteufelt abgeschmackt angelegt sind. Hier ist weder Idee, noch Geschmack. Euer Fluß hier – wie nennt ihr ihn?

Äsop. Styx, gnädiger Herr.

L. Chalkst. Ja recht, Styx – aber das läuft gerade und steil wie ein Rennstein – Sie sollten ihm einen schlangenförmigen Schwung gegeben haben, und das Ufer sollte schiefer und mahlerischer seyn – Die Gegend hat ihre Capabilitäten, nur müssen Sie dorten den Wald lichter hauen, und hier auf der rechten Seite die Bäume mehr klumpweise zusammenrücken – Überall finde ich hier weder Mannigfaltigkeit, noch große Massen, weder Contrast, noch unerwartete Coup d'oeils – (Kömmt bis ans Orchester:) Doch ist hier ein feines Ha! Ha Ha! ha! ist in den englischen Gärten ein Graben mit ungleichen Ufern, den man statt einer Befriedigung anbringt, weil er das Ganze nicht unterbricht, und die Aussicht frei läßt. und Blumenstauden und Wintergrün – (indem er nach den Logen sieht).

Äsop fragt im Verfolge des Gesprächs, ob er verheirathet sey, und Kinder habe?

L. Chalkst. Kinder? nein – so viel mir bekannt ist – zwar habe ich meine Frau in sieben Jahren nicht gesehen.

Äsop. Sie setzen mich in Erstaunen.

L. Chalkst. Und Sie mich auch, weil Sie nicht wissen, wie man in der Welt zu leben gewohnt ist. Ich freite nach Reichthum, sie nach einem Rang; und als wir beide hatten, was uns fehlte – ei nun, je geschwinder wir uns trennten, je besser. Doch es ist gut für die Nation, daß es auch Leute gibt, die hecken. Mein Bruder mästet sich mit ehelicher Liebe, und ist schon am zweiten Duzend Kinder. –

In jedem englischen Lustspiel ist ein Franzos des Wohlstands wegen nothwendig; hier erscheint also auch einer.

Der Franzos. Monsieur, votre Serviteur très-humble – Vous ne me repondez rien? Je vous dis que je suis votre très-humble Serviteur.

Äsop. Ich verstehe Sie nicht.

Der Franzos. Ah le barbare! il ne parle pas français.

Äsop. Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?

Der Franzos. Ick bin, ihr su dien, un marquis français. J'ai vu le monde; ick aben kewest all über der Welt, un leb sur Stund in England, wo ick bin viel karessier, plus même que dans ma patrie.

Äsop. Und was ist Ihr Gewerb in England?

Der Franzos. Ick aben da kommen, Monsieur, pour polir la nation. Die Englisch, sie ab su viel von der Blei in der Bein, und von der pensée in der Kopf. Il s'agit de les dégourdir un peu.

Äsop. Aber worin besteht eigentlich Ihre Wissenschaft, mein Herr?

Der Franzos. Mais, Monsieur, je parle français en perfection – Ick danse der Menuet und der Cottillon, und sing die klein chansons à merveille. Enfin, Monsieur, je suis étranger; un als der Englisch ab lieb les étrangers, mehr als sie ab lieb ihr Lansmann, so ist der étranger kein Narr pour rester à la maison, wo sie nichts ab in der Welt, un komm lieber in der Land, wo sie nicks manquir in der Welt – vous comprenez cela, Monsieur.

Äsop. Das läßt sich hören. Aber, was wollen Sie hier?

Der Franzos. Ecoutez, mon cher Monsieur, ick mack der Cour à une femme fort riche un aben lieb ihr Geld, un die Lady er at lieb mon esprit et ma figure, et vous m'obligeriez, Monsieur, wann sie gäb mir swanzig douzaines de bouteilles von der Wasser aus der Fluß Lethe.

Äsop. Zu welchem Gebrauch?

Der Franzos. Davon soll trink Ihr Kesundheit, Monsieur, devinez qui? mes créanciers, daß sie vergiß der Weg su mein Logis.

Äsop. Sie tränken besser selbst ein Paar Bouteillen, um Ihre Thorheiten zu vergessen, und kehrten dann nach Ihrem Lande zurück.

Der Franzos. Ah, je vous demande excuse, Monsieur. Vous n'y pensez pas en vérité, ick passier lieber vor Marquis in England. J'aime cela beaucoup mieux, que de friser les cheveux en Provence.

Eine kleine Farce von Garrick, Harlequin's Invasion, erschien, als Frankreich im letztern Krieg England mit einer Invasion auf platten Fahrzeugen drohte. Es fällt mir ein guter Zug daraus ein. Ein Engländer und ein Franzos sind beide zum Tode verurtheilt, und ein Mönch soll sie dazu bereiten. Was hast du für eine Religion? fragt er den Engländer. Die Antwort: keine! Und du? (zum Franzosen:) Celle, Monsieur, qui vous plaira (mit einer tiefen, geschmeidigen Verbeugung).

The clandestine marriage, von Colmann und Garrick. Hogarth's marriage à la mode gab Anlaß zu diesem Stück, und die Charaktere des Lords Ogleby und der Mrs. Heidelberg sind von Garrick allein. The Guardian, nach dem Mündel von Fagan. Cymon, a dramatic romance mit Zaubereien, einiger Maßen nach dem Orakel. Es gefiel weniger, als seine andern Stücke, weil die Schäferliebe seine Gattung nicht ist. The lying valet, eine Komödie. Lilliput, a dramatic entertainment, von Kindern gespielt. The Gamester, nach Shirkey, Isabelle, oder die unglückliche Heirath, nach Southerne; Florizel and Perdita, aus dem Wintermährchen, und Catharine and Petruchio, aus der gebändigten Spröden von Shakespeare.

Ein kleines dramatisches Stück, the farmer's return, hat sich selten gemacht. Es ist voller Naivheit, und noch schätzbarer durch ein Titelkupfer von Hogarth, das man sonst in keinem Kupferladen findet. Ein ehrlicher Pächter aus dem nördlichen England ist zum ersten Mal in seinem Leben in London gewesen, und erzählt bei seiner Zurückkunft der erstaunten Familie alle Wunder, die er gesehen hat. Der eigne Ton dieser Verse, die in einem Provinzialdialekt geschrieben sind, ist in keiner Übersetzung zu erreichen. Eine Stelle muss ich Ihnen doch daraus hersetzen, welche sehr bei der Vorstellung gefiel, weil sie die Empfindung aller wohlgesinnten Britten für ihr kronenwürdiges königliches Paar ausdrückt.

Wife. But wast thou at Court, Jahn? – what there hast thou seen?

Farmer. I saw'em – heaven bless'em – You know whom I mean;
  I heard their healths pray'd for – agen and agen
  With provoiso, that one may be sick now and then.
  Some looks speak their hearts, as it were with a tongue;
  O Dame – I'll be damn'd, if they e'er do us wrong.
  Here's to'em, bless'em – both – do You take the jug –
  Wou'dt de their hearts good – I'd swallow the mug.
(Trinkt.)

(Zu Richard, seinem Jungen:)

Come, pledge me, my boy – hold, lad, hast nothing to say?

Dick. Here, Daddy, here's to'em. (Trinkt.)

Farmer.Well said, Dick boy.

Ich kenne noch von Garrick ein angenehmes Gedicht, in welchem er die Geschichte seiner Hypochondrie, und seines Verdrusses über den Kaltsinn mancher Freunde und die Beleidigungen seiner Feinde in eines launigen Fabel vom kranken Affen erzählt; aber dieser Brief ist schon weitläufig genug, und ich will Ihre Geduld nicht länger mißbrauchen. Ich bin u. s. w.

 


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