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Zweites Kapitel

Mister Stoping macht einen bemerkenswerten Vorschlag

 

Am nächsten Morgen klingelte mich, wie erwartet, Stoping aus dem Athene-Palace-Hotel an.

»Mister Bracu – die Prinzessin Pizzicatino hatte die Liebenswürdigkeit ...«

»Ich bin bereits informiert,« unterbrach ich ihn, »es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Selbstverständlich stehe ich Ihnen zur Verfügung.«

» Well! Zu welcher Stunde? Und wo?«

»Bis elf Uhr vormittags können Sie mich noch zu Hause erreichen, dann in der Redaktion der ›Seara‹. Von ein Uhr an im Café Capsa.«

» All right,« rief Stoping, »ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen, wenn es Ihnen paßt.«

Wir beendigten das Gespräch. –

Er stellte sich mit einer Pünktlichkeit ein, die für unser Land, wo Zeit noch lange kein Geld bedeutet, etwas Ungewohntes war. Seine Visitenkarte, die er mir durch Lajos hereinschickte, enthielt keinerlei Erklärungen über Stand und Rang. Aber ich erinnerte mich, daß mir die Prinzessin gesagt hatte, er gehöre der Direktion eines der größten amerikanischen Reisebüros an.

Mr. Stoping schien mir durchaus nicht den Typus des Yankees zu repräsentieren. Er war weder groß noch hager, sondern klein und untersetzt. Den Schädel füllte eine imposante Glatze aus.

»Ich hatte das Vergnügen, Ihren Gesandten in Washington kennenzulernen,« begann er, »er machte mich auf die Schönheiten Ihres Landes aufmerksam. Es ist ein sehr interessantes Land, ein überaus temperamentvolles Volk – yes – ich bin ganz entzückt.«

Es war mir noch nicht klar, worauf er eigentlich hinaus wollte.

»Sie sind geschäftlich hier?« fragte ich.

» Well – natürlich! Ich bin gekommen, um das Terrain zu sondieren. Wir sind das bedeutendste Reiseunternehmen in den Vereinigten Staaten.«

»Die Prinzessin Pizzicatino unterrichtete mich bereits ...«

»Vortrefflich! Eine famose Lady – Ihre Prinzessin! Aber es dürfte vielleicht am Platze sein, Ihnen einige Angaben über die Größe unserer Organisation zu machen. Es kommen jährlich allein durch uns dreihundertfünfzigtausend Amerikaner über den Ozean, um den europäischen Kontinent zu besuchen. Wir waren die ersten, die nach Beendigung des Weltkrieges einen Massenbesuch der französischen Schlachtfelder in die Wege leiteten. Im Heiligen Jahr brachten wir siebzigtausend unserer Landsleute nach Rom. Wir besitzen eine schriftliche Anerkennung des Kardinal-Staatssekretärs, der uns seine Bewunderung für die vorzügliche Organisation unserer Pilgerfahrten aussprach. Sechshundertdreiundvierzig Amerikaner verschiedener Konfessionen traten während dieser Reise, gerührt durch den liebenswürdigen Empfang Seiner Heiligkeit des Papstes, zur katholischen Kirche über. Unser Generaldirektor Mister Columbus Samuel Levy, der die Oberleitung dieser Pilgerreisen übernommen hatte, wurde für seine Verdienste um die katholische Kirche mit dem höchsten päpstlichen Orden ausgezeichnet. Unsere Erfolge sind weltbekannt. Wir arbeiten in innigem Kontakt mit der Hearstpresse, die jährlich für eine halbe Million Dollar Inserate von uns erhält. Wir unterhalten in sämtlichen Staaten, die für den Reiseverkehr in Betracht kommen, eigene Filialen. Unsere Spezialität sind Gesellschaftsaudienzen bei Majestäten und sonstigen Staatsoberhäuptern.«

»Und was bezweckt Ihr Aufenthalt in Bukarest?«

»Das will ich Ihnen soeben erklären, Mister Bracu. Wir sehen uns genötigt, unser Programm zu erweitern. Die französischen Schlachtfelder sind langsam aus der Mode gekommen. Die französische und italienische Riviera hat an Reiz verloren, seit es die veränderten Valutaverhältnisse unseren Bürgern nicht mehr gestatten, dort umsonst zu leben. Auch sind die Spesen für uns schon zu hoch. Das übrige Italien lockt auch nicht mehr wie in früheren Jahren. Das für Deutschland und die österreichischen Alpenländer übliche Kontingent läßt sich ebenfalls schwer erhöhen. Wir müssen uns daher nach neuen Möglichkeiten umsehen, wenn der Geschäftsgang nicht stocken soll. Da wurde ich gelegentlich eines Banketts von Ihrem Gesandten in Washington auf den Balkan aufmerksam gemacht.«

»Wir gehören nicht zum Balkan, Mister Stoping«, sagte ich gereizt, denn man muß, wo immer es angängig ist, diesem allgemein verbreiteten Irrtum entgegentreten.

»Ich nehme es zur Kenntnis. Aber bleiben wir doch bei Rumänien! Ich glaube, daß hier etwas zu machen ist.«

»Wie meinen Sie das?«

»Wir möchten Gesellschaftsreisen nach Rumänien propagieren. Das wäre doch wieder einmal etwas anderes. Seit die Königin Maria vor einigen Jahren den Vereinigten Staaten einen Besuch abgestattet hat, kennt man drüben Rumänien wenigstens dem Namen nach.«

»Wir sind ein Reich mit achtzehn Millionen Einwohnern«, warf ich ein wenig gekränkt ein.

»Fällt nicht ins Gewicht,« entgegnete Mr. Stoping, »auf die Bewohner kommt es mir nicht an, sondern auf die Sehenswürdigkeiten und die Möglichkeit, für uns dabei ein gutes Geschäft herauszuschlagen. Was würden Sie für eine Route vorschlagen, Mister Bracu?«

»Ich denke, daß es vieles bei uns im Lande gibt, was Ihre Landsleute interessieren dürste.«

»Zum Beispiel?«

»Die Karpathen, der Kurort Sinaia mit den königlichen Schlössern, Siebenbürgen mit den altertümlichen Kirchenburgen der Sachsen, die Badeorte am Schwarzen Meer, die Türkeninsel Ada Kaleh, die man im Friedensvertrag völlig vergessen hat zu erwähnen, das Donaudelta ...«

» All right – es ist genug! Aber wie steht es mit den Hotels?«

»Die entsprechen allerdings in der Mehrzahl nicht den Ansprüchen eines verwöhnten Reisepublikums. Wieviel denken Sie denn in einem Jahr nach Rumänien zu lotsen?«

»Mindestens fünfzigtausend, wenn die Sache sich lohnen soll. Unser Prinzip ist: großer Umsatz, kleiner Nutzen.«

»Das wird schwer fallen, fürchte ich. Der Fremdenverkehr war bisher in unserem Lande ein unbekanntes Geschäft. Haben Sie schon mit den maßgebenden Stellen Fühlung genommen?«

» Well! Ich sprach schon mit den verschiedenen Ministern. Der hiesige amerikanische Gesandte ging mir dabei an die Hand. Man äußerte gewisse Bedenken.«

»Das kann ich verstehen. Aber wer hat Sie eigentlich an mich gewiesen?«

»Seine Exzellenz, der Innenminister und die Prinzessin Pizzicatino. Man sagte mir, Sie wären im Vorstand des ›Vereins zur Hebung des Ansehens Rumäniens im Auslande und zur Förderung des Fremdenverkehres‹. Und deshalb sollte ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen.«

Das war wieder einmal ein Streich der Prinzessin. Sie hatte den Verein gegründet und sich natürlich zur Präsidentin wählen lassen. Wie ich in den Vorstand gelangt bin, weiß ich heute noch nicht. Ich kannte nicht einmal die Satzungen dieses Vereins.

Mr. Stoping mußte meine Verblüffung bemerkt haben. Denn er fragte: »Sie sind überrascht, daß ich gerade Sie aufgesucht habe?«

»Ein wenig.«

»Ich hörte, daß Sie Redakteur der ›Seara‹ wären, die das Organ der gegenwärtigen Regierung ist. Das ist natürlich für mich von großem Vorteil. Ich suche überhaupt Verbindung mit der Presse. Es muß im Lande ein bißchen Stimmung für Amerika gemacht werden. Meine Landsleute sehen es gern, wenn sie mit etwas Pomp empfangen werden. Wenn die Sache perfekt werden sollte, rechne ich mit Bestimmtheit darauf, daß Ihr kleiner König der Besichtigung unserer Reiseteilnehmer zugänglich gemacht wird. Unsere Ladys und Misses schwärmen für kleine Majestäten. Ich denke mir eine solche Audienz als Hauptattraktion.«

Mr. Stoping ließ eine kleine Pause eintreten. Dann sagte er: »Selbstverständlich sollen Sie an dem Projekt geschäftlich interessiert werden, Mister Bracu. Nur müssen Sie mir etwas versprechen – ich halte nämlich nicht viel von den Sehenswürdigkeiten dieses Landes. Man ist drüben schon sehr mit Eindrücken verwöhnt. Ich brauche etwas ganz Ausgefallenes, um fünfzigtausend Interessenten, vor allem, wie gesagt, Ladys und Misses, für eine Reise nach Rumänien zu gewinnen. Die Karpathen allein ziehen nicht, die Badeorte am Schwarzen Meer noch weniger. Wir haben weitaus schönere bei uns im Westen, in Kalifornien. Für die Kirchenburgen der Siebenbürger Sachsen dürfte vielleicht etwas Interesse vorhanden sein. Denn wir besitzen drüben kein Mittelalter. Ich hoffe wenigstens, daß es sich um garantiert echte mittelalterliche Burgen handelt. Über die Türkeninsel Ada Kaleh wird noch zu sprechen sein, wenn wir sonst ins reine gekommen sind. Aber ich vermisse eines in unserem rumänischen Programm: Romantik! Sie müssen verstehen, Mister Bracu, das amerikanische Leben ist schrecklich nüchtern. Wenn unsere Leute auf Reisen gehen, wollen sie etwas erleben, was ihnen daheim nicht geboten wird. Die schlechten Hotels allein machen es nicht aus. Und da komme ich zu einem Punkt, der mir besonders am Herzen liegt.«

»Und dieser wäre ...?«

»Man erzählte mir, es gäbe noch eine Anzahl Räuber im Lande.«

»Was haben die Räuber mit Ihren Gesellschaftsreisen zu tun? Ich kann Ihnen versichern, daß Sie nicht die geringste Angst zu haben brauchen. Unsere Banditen, soweit sie noch frei herumlaufen, werden die Fremden völlig ungeschoren lassen.«

»Das paßt mir aber durchaus nicht«, erklärte Mr. Stoping. Und ohne sich um mein erstauntes Gesicht zu kümmern, fuhr er fort: »Auf die Banditen setze ich nämlich meine größten Hoffnungen. Das ist noch ein Stück Romantik, wie man sie in ganz Europa nicht mehr findet. Unser Projekt kann nur glücken, wenn wir Ihre Banditen in Bewegung setzen.«

»Wie stellen Sie sich das eigentlich vor?«

»Ganz einfach! Wir müssen in unserem Reiseprogramm unbedingt die Begegnung mit einem Ihrer großen Räuber vorsehen. Das würde ziehen! Ich denke da an einen geschickt inszenierten Überfall mit entsprechendem Gewehrfeuer ...«

»Aber da kann doch das größte Unglück geschehen? Diplomatische Verwicklungen ...«

»Durchaus nicht, Mister Bracu,« meinte der Amerikaner kühl, »die Räuber stellen wir natürlich in unseren Dienst. Sie werden sich genau nach unseren Weisungen zu richten haben. Es ist auch gar nicht nötig, daß sie mit scharfen Patronen schießen. Platzpatronen genügen, um den gleichen Effekt zu erzielen. Die Hauptsache bleibt, daß unseren Kunden ein starker, innerer Eindruck verschafft wird, ein Nervenkitzel, der ihnen woanders nicht geboten werden kann. Ich möchte Ihnen bei dieser Gelegenheit auch mitteilen, daß vor einem Jahr die ›World‹ einen Sonderberichterstatter nach Rumänien entsandt hat, der ein paar ganz famose Artikel schrieb. Ich erinnere mich, darunter auch einen über den berühmten Räuber Balaban gelesen zu haben. Es war ein ausgezeichneter Artikel. Unsere Magazine veröffentlichten in der Folge eine Reihe herrlicher Abenteuer, die alle diesem Balaban in die Schuhe geschoben wurden. Balaban genießt heute geradezu Popularität in den U.S.A. Diese Volkstümlichkeit müssen wir uns zunutze machen.«

»Eine kuriose Idee, Mister Stoping,« sagte ich, »aber ich weiß gar nicht, ob Balaban noch lebt oder ob er in irgendeinem Gefängnis sitzt. Man hat schon über ein Jahr nichts mehr von ihm gehört.«

»Das ist sehr bedauerlich. Wir müssen den Mann sofort propagieren!«

»Wenn ich Sie recht verstehe, so sind Sie der Ansicht, daß man Balaban, wenn er wirklich noch eingesperrt ist, in Freiheit zu setzen hätte, damit er für das amerikanische Reise- und Leserpublikum ein paar Sensationen liefern kann?«

» Yes, so ist es,« entgegnete Stoping, »mit Balaban im Programm verspreche ich mir von den Gesellschaftsfahrten nach Rumänien einen Bombenerfolg.«

»Ich halte Ihre Idee für absurd.«

»Sie kommt Ihnen nur überraschend,« meinte der Amerikaner, »aber bei einiger Überlegung werden Sie sicher einsehen, daß mein Projekt durchführbar ist. Wenn dieser Balaban nur ein halbwegs tüchtiger Geschäftsmann ist – und das muß ich von einem Räuber mit solchem Renommee doch annehmen – dann wird er auf unseren Vorschlag eingehen. Er hat ja nichts anderes zu tun, als unsere Reisegesellschaften an einem ihm vorher bezeichneten Platze – natürlich in einer möglichst romantischen Gegend – mit seiner Bande zu überfallen, ein bißchen Krawall zu machen, jedem Reiseteilnehmer ein Lösegeld von sagen wir fünf bis zehn Dollar zu erpressen, auf Wunsch auch Autogramme auszustellen und sodann den Trupp weiterziehen zu lassen. Von den fünf beziehungsweise zehn Dollar hat er fünfzig Prozent an uns wieder abzuführen, von denen wir die Hälfte als Provision dem ›Verein zur Hebung des Ansehens Rumäniens im Auslande und zur Förderung des Fremdenverkehres‹ zur Verfügung stellen. Bitte, rechnen Sie sich doch einmal das Erträgnis aus, wenn insgesamt fünfzigtausend Reisende überfallen werden. Bei zehn Dollar Lösegeld fällt für Balaban und seine Bande in einer einzigen Saison sage und schreibe zweihundertfünfzigtausend Dollar ab, während hundertfünfundzwanzigtausend Dollar Ihrem Verein zugute kommen. Wir sind selbstverständlich gern bereit, von den restlichen hundertfünfundzwanzigtausend Dollar Ihnen eine entsprechende Beteiligung anzubieten, unter Umständen sogar den ganzen Betrag, sofern Sie sich verpflichten, die Angelegenheit Balaban im vorgeschlagenen Sinne zu regeln und weiter zu veranlassen, daß erstens Balaban sich keine Ungehörigkeiten zuschulden kommen lässt, welche die Sicherheit und Gesundheit unserer Reiseteilnehmer beeinträchtigen könnte, zweitens aber, daß Balaban nicht von der Gendarmerie oder der Polizei an der Ausübung seines Gewerbes in dem von uns bestimmten Ausmaße gehindert wird.«

Mir begannen langsam Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit Mr. Stopings aufzusteigen. Es wäre nicht das erstemal, daß Leute mit verrückten Ideen zu mir kamen, Ausländer vor allem, die glaubten, daß Rumäniens Boden geeignet sei, um ihre bizarren Einfälle in die Tat umzusetzen. Aber dieser Mann berief sich auf unseren Gesandten in Washington, berief sich auf den mit mir befreundeten Innenminister, kam mit einer Empfehlung der Pizzicatino – das gab zu denken.

»Mister Stoping,« fragte ich, »haben Sie über diese Sache schon mit der Prinzessin gesprochen? Sie ist nämlich die Präsidentin des Vereins.«

» Yes, Mister Bracu, natürlich habe ich auch ihr mein Projekt unterbreitet.«

»Und was sagte sie?«

»Sie fand den Plan zwar eigenartig, aber bemerkenswert. Sie sagte, daß der Zweck die Mittel heilige, und daß alles darangesetzt werden müßte, um ihr schönes Vaterland in der großen Welt populär zu machen.«

»Und Sie halten den Trick mit Balaban dazu für besonders geeignet?«

Er zuckte mit den Achseln.

»Wenn es nicht hier geht, so werden wir eben mit Griechenland oder Jugoslawien in Verbindung treten, um den Strom der Reisenden dorthin zu dirigieren. Man wird unsere Dollar, schätze ich, überall gern nehmen. Daß wir aber für unser gutes Geld auch etwas verlangen, ist doch selbstverständlich.«

Ich sah ein, daß Mir. Stoping für Gefühls- und Prestigemomente kein Verständnis besaß. Und darum erklärte ich ihm, ich müsse die Angelegenheit vorerst mit der Prinzessin besprechen. Erst dann könnte ich ihm eine definitive Entscheidung mitteilen. Er war einverstanden. Wir vereinbarten daher eine Zusammenkunft für den Abend im Café Capsa, dann empfahl er sich.

Ich eilte sofort zur Prinzessin, die eben im Begriffe war, nach Cotroceni ins Schloß zu fahren. Sie war über die seltsamen Projekte Mister Stopings völlig unterrichtet.

»Ich finde seine Idee glänzend,« sagte sie, »und es wäre Ihre Aufgabe, Nicule, die Angelegenheit ins Rollen zu bringen.«

»Aber wir machen uns doch lächerlich, verehrte Prinzessin ...«

»Durchaus nicht,« versetzte sie mit einem anzüglichen Lächeln, »es ist ja wahr: man nimmt uns im Auslande nicht ganz ernst. Man spricht von uns als von einem Operettenstaat. Und dabei sind wir ein großes Volk und ein gutes Volk. Warum sollen, lieber Nicule, unsere guten Räuber nicht auch etwas für das Wohl des Landes tun? Man wird sie ein bißchen erziehen müssen, damit sie sich nicht gar zu unanständig benehmen. Und die Welt soll erkennen, was für Prachtmenschen wir unter unseren Banditen aufzuweisen haben. Sie müssen mit Stoping unbedingt zu einem Abschluß gelangen, Nicule. Bedenken Sie doch – das viele, schöne Geld, das fünfzigtausend Amerikaner und andere Fremde auf einmal ins Land bringen. Unsere Wirtschaft wird sich mit einem Schlage heben, Handel und Gewerbe werden aufblühen. Und warum sollen Sie nicht auch einmal ordentlich verdienen, Nicule? Wenn dieses Geschäft gleichzeitig eine wahrhaft patriotische Tat ist.«

»Glauben Sie wirklich, daß es unserem Lande zum Nutzen gereichen würde?«

»Ich bin überzeugt davon.«

»Haben Sie eine Ahnung, wo sich Balaban aufhält?«

»Ich weiß es nicht,« sagte die Prinzessin, »ziehen Sie doch Erkundigungen ein und berichten Sie mir von dem Ergebnis Ihrer Bemühungen. Ich finde, wie gesagt, die Idee Mister Stopings ganz ausgezeichnet. Wir brauchen ja nicht alles an die große Glocke zu hängen. Bedenken Sie doch, was allein unser Verein dabei verdienen würde: hundertfünfundzwanzigtausend Dollar! Wieviel Wohltätigkeit könnten wir mit dieser Summe üben! Und ich selbst kann auch etwas davon brauchen. Sie wissen – meine Söhne haben kostspielige Passionen. Sie müssen mir den Gefallen tun, Nicule, ich bin überzeugt, daß Sie es nicht bereuen werden. Wenn Balaban in Okna sitzen sollte, so müssen wir ihn freikaufen. Erkundigen Sie sich erst einmal, wo er steckt. Nötigenfalls werde ich mich für ihn schon einsetzen und seine Begnadigung erbitten. Sie können überhaupt auf meine Unterstützung rechnen.«

Sie reichte mir die Hand zum Abschied. Als ich schon an der Tür stand, rief sie mir nach: »Ich hoffe, Sie werden mir Dank wissen, daß ich Ihnen diesen Fall zugeschanzt habe. Ich hätte ja Mister Stoping geradeso gut zu einem anderen schicken können. Aber ich dachte in erster Linie an Sie, Nicule. Ich habe nun einmal eine gewisse Schwäche für Sie. Und nun gehen Sie mit Gott, und machen Sie Ihre Sache gut!«

Mein nächster Weg führte mich zum Generalinspektor der »Sigurantza«, der rumänischen Geheim- und Staatspolizei. Es ging um die Frage: wo befand sich Balaban? Seit einem Jahre war er, der früher wochenlang die Öffentlichkeit beschäftigte, wie verschollen. Aber bei der Sigurantza wußte man nichts von ihm. Daß Balaban tot wäre, hielt der Generalinspektor Voinescu für ausgeschlossen.

Je länger ich übrigens über den Vorschlag Mr. Stopings nachdachte, desto besser gefiel er mir. Wenn schon dem romantischen Bedürfnis der reiselustigen Amerikanerinnen entsprochen werden sollte, so war es doch entschieden klüger, den Strom der Europabesucher in unser Land zu lenken, statt ganz auf die Möglichkeit zu verzichten, der notleidenden Wirtschaft neue, und zwar recht ergiebige Einnahmequellen zu erschließen. Ich suchte daher vor allem etwas über das Schicksal Balabans zu erfahren, dem in unserem Projekte eine so bedeutende Rolle zu gewiesen war.

Noch vor zwei Jahren kannte seine Popularität keine Grenzen. Die Berichte über die verschiedenen Kämpfe und Zusammenstöße mit den Gendarmen wurden vom Publikum verschlungen. Ich glaube, daß es kein Ereignis in der verhältnismäßig jungen Geschichte unseres Staates gab, das die Gemüter so beschäftigte wie die Jagd auf Balaban. Sein Vorgänger, der berüchtigte Bandit Terente, erfreute sich weitaus geringerer Volkstümlichkeit, obwohl manche seiner Streiche geradezu klassisch genannt werden müssen. Balaban hatte aber von allem Anfang an das Herz des niederen Volkes für sich gewonnen. Was er erbeutete, pflegte er brüderlich mit seinen Kumpanen und den Dorfbewohnern zu teilen. Seine tiefe Religiosität sicherte ihm die wohlwollende Neutralität der Popen. Die Bauern feierten ihn als Kämpfer für Recht und Freiheit. Allgemein rühmte man seine Gutmütigkeit. Aber wo steckte Balaban jetzt?

Bis drei Uhr nachmittags hatte ich es endlich nach langen, mühevollen Nachforschungen herausgebracht. Als vor mehr als einem Jahre meine Partei ans Ruder gelangte, wurde er durch einen Gnadenerlaß Seiner Majestät des Königs amnestiert. Seither soll er als biederer Fischer am Razimsee im Kreise Tulcea sein Leben fristen. Ich telegraphierte sofort an den Präfekten von Tulcea um nähere Daten, dann erbat ich in der Redaktion einige Tage Urlaub, weil ich es für das beste hielt, den ehemaligen Räuberhauptmann persönlich aufzusuchen. Wenn irgendmöglich wollte ich Mr. Stoping gleich mit mir nehmen, um ihm keine Gelegenheit zu geben, noch andere Leute in Bukarest in die Angelegenheit hineinzuziehen. Es genügte vollkommen, wenn die Prinzessin und ich davon wußten.

Ich rief das Athene-Palace-Hotel an, wo Stoping wohnte, um die Zusammenkunft auf einen früheren Zeitpunkt zu verlegen. Aber der Amerikaner war ausgegangen. Niemand wußte wohin. Ich ließ bestellen, daß er mich bis sechs Uhr abends in meiner Wohnung telephonisch erreichen könnte, sprang in einen Wagen und ließ mich heimfahren. Damals wohnte ich ziemlich weit ab vom Zentrum der Stadt, im Villenviertel von Cotroceni, und zwar im Hause des Generals Petrescu, eines Freundes meines verstorbenen Vaters. Als der Wagen vor der Calea Victoriei, dem Abendbummel der eleganten Welt, in den Boulevard Elisabetha einbog, begegnete ich Tete. Sie saß allein in ihrer apart gestrichenen Limousine, deren leisen, fast unhörbaren Gang ich immer bewundert hatte.

Als ich an ihr vorbeifuhr, wandte sie mir das Gesicht zu. Ich begrüßte sie. Aber sie richtete rasch den Blick zur Seite, als wollte sie mich nicht sehen. Ich tobte innerlich. Am liebsten wäre ich aus dem Gefährt gesprungen, um sie zur Rede zu stellen und sie zu zwingen, meinen Gruß zur Kenntnis zu nehmen. Den ganzen Tag hatte ich nicht an sie gedacht. Nun versetzte mich ihr plötzlicher Anblick in einen Taumel. Ich versuchte den Wagen anzuhalten. Doch es war bereits zu spät. Man sah nichts mehr von ihr und ihrer Limousine.

Zu Hause erwartete mich eine Überraschung.

»Domnul Dupré sitzt seit einer halben Stunde im Salon«, sagte Lajos, als er mir die Tür öffnete.


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