Rudolph Stratz
Friede auf Erden!
Rudolph Stratz

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9.

Durch die geborstenen Kirchenfenster kroch das Schlinggewächs des Waldes herein, es rankte sich am Boden hin über die grasumsproßten Quadern und hing in grünen Ranken von den Mauern herab, über denen statt des geschwundenen Holzwerks der blaue Himmel als Dach sich spannte.

Die Kanzel, die noch unversehrt, dem Wind und Wetter preisgegeben dastand, verschwand fast unter der Fülle des Buschwerks, das rings um sie grünte. Die Sommervögel nisteten darin. Sie schwirrten ab und zu, und wo sie eiligen Fluges an die noch regenfeuchten Zweige stießen, da sprühte es wie ein Perlenregen im Sonnenschein durch die Luft.

Tiefe Stille ringsum. Leise kam zuweilen der Wind aus dem Walde in das zerstörte Kirchlein herein, daß das Gras sich bebend neigte und die jungen Bäume zu flüstern begannen. Dann schwand er wieder, und nur das mutwillige Trillern der Finken und Grasmücken klang aus den Laubverstecken hervor. Dort bauten sie ihr Nest. Von der Sakristei aus, dem einzig wohnlich erhaltenen Raume, in dem er lag, beobachtete der Obrist von Habstein träumend ihr wunderliches Tun – wie sie Halm um Halm herantrugen, in unermüdlichem Eifer, sich ein Heim zu schaffen, wie die Pärchen zwitschernd umeinander kreisten und sich gegenseitig in ihrem fröhlichen Eifer zu ermuntern schienen.

»Wie geht es Euch?« fragte neben ihm Ruths Stimme.

Mühsam wandte Herr Albin den Kopf. »Mit mir steht's übel!« sprach er und sah ihr lange ins Auge.

Sie schaute besorgt auf ihn nieder. »Ich habe Speise und Trank gefunden,« flüsterte sie und deutete auf einen Krug mit Milch, der neben ihm am Boden stand, »auch die Decken hier, um Euch ein Lager zu bereiten, und was uns sonst not tut,«

Das erstaunte den Obristen. »Wo fandet Ihr das?«

»Nebenbei liegt ein steinernes Haus,« berichtete Ruth, »dort mag der Pfarrherr gewohnt haben. Auch viele Holzhütten ringsum, aber alles verwüstet und verlassen.«

»Und doch gab es im Pfarrhause noch Milch und Brot?«

»Das und vieles andere! Selbst Bücher sind da! Es ist, als ob jemand dort gehaust und diese Nacht, wie er das Pferd trampeln und wiehern hörte, sich aus Angst geflüchtet habe –«

»Das ist seltsam!« sprach Herr Albinus.

Ruth kniete neben ihm am Boden.

»Nun, Herr, da uns die Gnade Gottes das alles in unserer Not beschert hat, müßt Ihr genesen! Versucht, ob Ihr aufstehen könnt. So führe ich Euch hinüber.«

Der Feldobrist schüttelte das Haupt. »Ich kann nicht aufstehen, Ruth – und werde es nicht mehr können. Hier liege ich und werde sterben und doch in meiner letzten Stunde noch fröhlich sein –«

»Worüber, Herr?«

»Daß Ihr um mich seid, Ruth. Nun weiß ich's ja, daß Ihr mit dem Teufel nichts gemein habt!«

Ruth bekreuzigte sich. »Hat das der Herr je geglaubt?«

»Und ob ich's geglaubt habe,« erwiderte Herr Albin ernst und gewichtig. »Steckt doch in jedem Weibe ein Teil vom Bösen. Aber in Euch nicht! Unbußfertiger und sündenfälliger als gestern abend hätte mich der Teufel nie haben können. Das war ein fetter Bissen für ihn, und er streckte schon die Krallen aus – da kamt Ihr –«

»Gott sei Dank, Herr, daß ich Euch fand.«

»Und habt mich ihm entrissen, so daß ich noch Buße tun kann, ehe ich sterbe. Also seid Ihr des Teufels Widerpart und mir vom Himmel geschickt. Und dafür dank' ich ihm und dank' ich Euch –«

In solcher Rede verwirrten sich Herrn Albins Gedanken. Seine Augen schlossen sich, und aus der Kraftlosigkeit sank er wieder in Ohnmacht hinüber. Stumm und still saß Ruth an seinem Lager. Die Stunden rannen dahin. Längst hatte die Sonne den Zenit überschritten, schon blinkten ihre schrägen Abendstrahlen durch das Blättergewirr, und eine herbe, würzige Kühle drang aus dem Walde.

Herr Albin bewegte sich nicht mehr. Seine Wangen brannten in Fieberglut, seine Lippen murmelten zuweilen unverständliche Worte, und er atmete schwer, die Hand auf die Wunde gepreßt.

Es dämmerte schon stark, als er plötzlich ihre Rechte erfaßte und zu reden begann. »Ruth,« sprach er, »es geht zu Ende. Ich fühle es. Solch ein Loch in der Brust ist tödlich, wenn kein Chirurgus sich des Blessierten annimmt und ihm das Blei aus dem Leibe zieht. Den haben wir nicht – so muß ich vergehen. Wachet bei mir, Ruth, und betet mit mir!«

»Was soll ich beten, Herr?« fragte Ruth.

»Eure Jungferngebete taugen nichts, wenn ein Kriegsmann mit dem Tode abgeht,« erwiderte der Obrist unwillig, »ich selbst aber kann vor großer Schwäche nicht mehr sprechen. Ihr sagt, im Pfarrhaus drüben liegen Bücher. Da mögt Ihr einen Psalter oder derlei finden und mir daraus vorlesen.«

Er hörte das Rauschen ihres Kleides, wie sie leichtfüßig davonschlüpfte. Dunkler und dunkler wurde es um ihn her. Er wußte nicht, ob schon seine Augen erloschen oder die Nacht einbrach. Aber nein, es war die Nacht. Denn deutlich sah er jetzt von dem hochgelegenen Waldhügel aus die roten Dunstkreise am Horizont, den Flammenschein der Dörfer, der jetzt bei niedersinkender Finsternis grell hervortrat.

»Die Schweden hausen nicht schlecht!« dachte er bei sich, »wenn sie das Land derart weiter devastieren, so werden sie sich zwischen Lech und Donau nicht lange halten können. Denn in Augsburg selbst ist auch nichts mehr zu holen –«

»Was mußte auch der Melander die Bayern dorthin zurückschicken? Hätten wir sie zur Hand gehabt – gestern – der Tag hätte anders ausgeschaut. Wir hätten ihre Reiter aus dem Feld geschlagen, und ich mit meinen Kerlen wäre ihnen in Geschützwerk und Fußvolk gefahren, wie der Wolf in die Schafhürde –«

Seine Gedanken waren bei der Schlacht des gestrigen Tages. Er malte es sich aus, wie man den Feind hätte schlagen und verfolgen können bis zur Vernichtung, daß selbst die Troßbuben im Blute wateten und die Pferde von einem Leichnam über den anderen schritten. Früher hatte es solche Schlachten gegeben – am Weißen Berge, bei Lutter, bei Nördlingen und bei vielen anderen Okkasionen, aber jetzt – es war doch eine erbärmliche, kleine Zeit. Von den Unseren mögen dreitausend geblieben sein, dachte Herr Albin, von den Schweden kaum tausend! Was will das heißen – vernichten hätte man die Feinde sollen bis auf den letzten Mann –

Ruth kam zurück, scheu und blaß. Mit leeren Händen.

»Wart Ihr nicht drüben, Ruth?«

Sie zögerte. »Ich fürchte mich, Herr,« gestand sie endlich. »Als ich vorhin ins Haus lief, da war mir's, als ob dort etwas lebte. Ich sah eine Gestalt im Dämmerlicht, die mir leise winkte, und entsetzte mich –«

»So laßt es!« erwiderte Herr Albin und sah in tiefen Gedanken hinaus in das Abenddämmern. Ueberall glühte es jetzt am Horizont auf. Die feurige Lohe floß da und dort ineinander, daß es in großen, blutigen Dunstschleiern den Himmel umsäumte. Lange Flammengarben stiegen etwas näher kerzengerade zum Himmel auf, in loderndem Flackern leuchtete es aus verborgenen Waldtälern, und von da, wo in besonders mächtigen Glutwolken der Brandschein sich am Himmel widerspiegelte, zog dumpfes Glockensummen wie eine verzweifelte Klage durch die Luft.

Ruth sah das Meer von Feuer und Flammen, das überall aus dem Nachtdunkel sich emporhob.

»Sind das Wachtfeuer?« fragte sie schaudernd.

Herr Albin lachte grimmig. »Das sind die Reisefackeln, die Schwed' und Franzose dem greisen Kurfürsten zu seiner Flucht aus seinen Landen aufstecken, um seinen Abfall zu rächen. Sie verstehen ihr Handwerk. Was zwischen Lech und Donau noch steht, ist morgen Schutt und Rauch.«

Schweigend sahen die beiden hinaus in die Ebene. Es brannten die Dörfer und flackerten die armseligen Hütten, es lohte auf den hochgelegenen Burgen und schlug in feurigen Garben aus den Marktflecken und Städtchen empor.

»Da kommen heute nacht viel Menschen um,« flüsterte Ruth und sah mit großen verstörten Augen hinaus in die Büsche, in denen, unbesorgt um Menschenleid und Menschenhaß, die Nachtigallen mit ihrem Sang die Maiennacht erfüllten.

»Hunderte und Tausende kommen um. Die Feinde haben die Oberhand und zahlen uns heim, was wir an ihnen getan haben!«

Der von Habstein ballte die Hände. Er fühlte den Schmerz der Wunde und mehr noch den Grimm der Niederlage und am meisten das Grauen des Todes. Er, dem sonst der Tod Lagergenosse und Lebensgeselle gewesen, der Stund' um Stund' bereit gewesen, unversehens aus dem Kreis der Männer um ihn abzuscheiden wie sie von ihm – er, der sich sein Ende nie anders gedacht als auf grünem Feld vom Feind erschlagen, unter sich die Erde und über sich die stillen Sterne nach der Schlacht – er, der dann frohen Muts, ein Kriegsmann und doch sündenfrei da oben an Petri Tor pochte – er mochte jetzt das Leben nicht lassen, seit eine Frauenhand ihn pflegte, und je härter die Wunde ihm zusetzte, desto zäher spannte er seine Kräfte wider sie an und lag stundenlang wie im Ringkampf mit den Griffen eines Feindes und hielt die Augen auf. Aus der Ecke der Sakristei hörte er das tiefe Atmen Ruths, die ermattet in Schlaf gesunken war. Vor ihm, in dem grasübersproßten Kirchenschiff stand weidend der angepflöckte Hengst. Scharf hoben sich seine mächtigen Umrisse von dem hellen Mondschein ab, der über Strauchwerk und Gemäuer flutete.

Und in dem Mondschein lag vor ihm sein Leben, und seine Gedanken gingen durch das Menschenalter des dreißigjährigen Kriegs in die Zeit zurück, da er ein Kind gewesen. Ein Bub in der Klosterschule. Damals, in junger Unvernunft, hatte er an Menschen gehangen und sich nach Menschen gesehnt und Menschen liebgehabt. Die Heiligen hatten auf ihn herniedergeschaut und ihm nicht das Getümmel lärmender Fähnlein und fliehendes Bauernvolk und den Vulcanum in brennenden Dörfern gewiesen, sondern ein fremdes, gelobtes Land weit überm Meer. Er hatte den Heiland am Berge stehen sehen und um ihn herum die schauernd lauschende Menge, die Aermsten der Armen, mit feuchtglänzenden Augen und verzücktem Gesicht. Und eine feierliche Stille webte ringsum in der seltsamen, farbenprächtigen Landschaft, leise wiegten sich die Palmen, es glitzerten die blauen Fluten, weiße Tauben spielten und kreisten über den Häuptern der zahllosen Menge, die über alle Hügel hin, alle Abhänge hinab schweigend auf den Knien lag. Und wie dies Bild im Schweigen der Frühlingsnacht dem Colonel von Habstein vor Augen stand, da war es ihm, als sei er selbst schon einmal in jenem Land gewesen und aus ihm herausgeschritten in den Kampf auf Erden.

Ein Bild aus diesem Krieg war da auf einmal vor ihm. Eine Mondnacht wie heute, nach gewonnenem Treffen. Das Wirrwarr im Feindeslager, so wie es Schwed' und Sachse eilends geräumt. Durch Schanzkörbe und Palisaden und das Reichsstädtlein dahinter war er im Gefolge der großen Herren gestiegen und hatte dort müßig ein von einer Kugel durchlöchertes Büchlein vom Boden aufgelesen. Kein Latein, sondern in geringer deutscher Sprache. Und hatte selbiges Büchlein aufgeschlagen und, wo er es aufschlug, auf einer versengten Seite gelesen: »Liebet Eure Feinde! Segnet, die Euch fluchen! Tut wohl denen, die Euch beleidigen und verfolgen!« Da hatte er gemerkt, was er in Händen hielt, und es von sich getan, und, da der fürstliche Generalissimus sich umgewandt und ihm gefragt, was er habe, flugs erwidert: »Nichts, Ihro Gnaden!« Vor Jahrzehnten war es gewesen. Er hatte es längst vergessen. Er wußte nicht, warum es ihm nun wieder in den Sinn kam.

Immer greller war der Brandschein am Himmel geworden. Mit dem bläulichen Mondlicht stritt die blutige Lohe, die ringsum den Horizont umsäumte. Halb unbewußt begann der Habsteiner die Flammenpunkte zu zählen, soweit sie sein Blick erreichen konnte. Es waren hundert und mehr. Hundert Weiler und Dörfer, Burgen und Marktflecken leuchteten da als glühende Fackeln durch die Nacht, entzündet von denen, die um den Gott der Liebe kämpften.

Der sieche Feldobrist legte das Haupt zurück und seufzte schwer. In der Brust – da saß ihm die Kugel und nahm ihm langsam das Leben. Er fühlte es förmlich, wie der Tod näher und näher kam. Er glaubte ihn vor sich zu sehen, wie er leise durch die Finsternis heranschlich.

Herr Albin fuhr sich über die Augen und sein Gesicht verzerrte sich. Wahrhaftig – da kam etwas heran – eine dunkle Männergestalt – langsam, wie zögernd schritt sie durch das Gras hindurch und in die Sakristei und stand vor dem Lager des Kranken.

Sollte das der Tod sein? Der Habsteiner hatte sich ihn grimmig und furchtbar gedacht. Aber in diesem bleichen, bärtigen Gesicht, das sich über ihn beugte, war wohl Mitleid zu lesen, aber kein Zorn und kein Haß gegen die Menschen.

»Ihr seid verwundet!« sprach der Fremde, »ich will Euch beistehen, soweit das bißchen Kunst noch reicht, das mir hier in der Einsamkeit geblieben ist –«

Der Habsteiner richtete sich auf. »Wer seid Ihr?«

»Kein Feind!« Der andere kniete nieder, um den Verband zu lösen. »Ich hause hier in den Trümmern. Als ich Euer Kommen hörte, verbarg ich mich im Dickicht.«

»Wir tun Euch nichts zu leide!« murmelte Herr Albin bitter, »eine schwache Jungfer und ein todsiecher Reitersmann jagen zusammen noch keinen Hund vom Ofen!«

»Ich sah die Jungfer,« erwiderte der Fremdling und beugte sich über die Brust des Obristen. »Liegt still, daß ich Eure Wunde prüfen kann!«

Die freigelegte Wunde begann aufs neue zu bluten. Darüber wurde der Colonel abermals kraftlos. Vor seinen Blicken dunkelte es und er verlor das Bewußtsein. Erst nach geraumer Zeit schlug er die matten Augen wieder auf. Der fremde Helfer saß noch immer neben seinem Lager.

»Der Kugel seid Ihr ledig!« sagte er und zeigte ihm den wunderlich zerdrückten Eisenklumpen, »und Eure Wunde ist verbunden, wie es Menschenkunst eben vermag. Was weiter kommt, steht nicht in unserer Hand.«

Der von Habstein schob ihm mühsam die Hand hin. »Ich danke Euch, Herr! Laßt mich Euren Namen wissen.«

Der andere schüttelte den Kopf und sah ihn wieder seltsam an. »Was soll der Name? Sorgt Euch nicht darum! Seht Ihr da draußen die verbrannten Hütten und eingeäscherten Höfe dieses Walddörfleins? Ich gedenke der Zeit, da die Häuser aufrecht standen und von Menschen bewohnt waren. Denn ich war Pfarrer hier in der Gemeinde.«

»Und der Feind kam?«

»Zehn Jahre sind's her! Es war an einem schönen Sommerabend, da lag das Dorf noch still und friedlich in dem grünen Wald! Vom Turm der Kirche läutete das Abendglöckchen, auf der Gasse lachten die spielenden Kinder, die Alten standen müßig vor den Häusern, Da hörten wir ein Klirren und Trappeln aus weiter Ferne, es kam näher und näher und brach in unser Dorf ein –«

Herr Albin schaute in das Dickicht und die Trümmerreste im Walde: »Und Ihr konntet die Brandschatzung nicht zahlen?«

»Am anderen Morgen,« sprach der Fremde, »war das Dorf so, wie es seitdem geblieben ist. Zuweilen scharren die Wölfe jetzt noch die Knochen aus der Erde. Ich habe ja freilich die Reste der Erschlagenen alle begraben. Ich, der einzige, den die Reiter im Irrtum für tot liegen ließen, als sie weitertrabten –«

»Hatten die Reiter denn keinen Führer über sich?«

»Wohl hatten sie das!«

»An ihn hättet Ihr herantreten sollen und es ihm vorstellen, ehe es zu spät war.«

Wieder blickte ihn der Fremde an: »Auf einem hohen Hengste hielt der Hauptmann hier an der Kirche und befahl, das Dorf in Asche zu setzen! Und als ich vor ihm stand und bat, da sprach er: ›Es jammert mich wohl um Euch; aber ich kann Euch nichts helfen. Denn mein Volk ist ausgehungert und ich bin seiner nicht mehr Meister!‹ Und nun . . .«, der Fremde stand auf, »nun ruhet und sehet, daß Ihr schlafen könnt. Ihr braucht Eure Kräfte, Herr Obrist von Habstein!«

Mit jähem Rucke erfaßte Kerr Albin die Hand des anderen. »Woher kennt Ihr mich und meinen Namen?«

Und wieder fühlte er jenen rätselhaften Blick auf sich ruhen. »Ich kenne Euch wohl und nicht seit heute. Sehet, wo jetzt Euer Roß grast! Unweit davon saßet Ihr damals auf Eurem Hengst, es war ein mächtiges, lohfarbiges Tier – dicht an der Kirche und wieset Eure Knechte an, sie zu verbrennen. – Und schaut, nun will es die allmächtige Fügung, daß Ihr im selben Kirchlein, das Ihr zerstört, auf den Tod daniederliegt!«

Herr Albin schüttelte verstört das Haupt.

»Wie soll ich das ausdenken? Ihr hättet mich doch gleich erkennen müssen, wie Ihr zu mir herankamt!«

»Ich habe Euch erkannt!«

»Und habt mich gepflegt und verbunden – mich. Euren Todfeind –?«

Der andere nickte. »Ihr seht: der Mensch vermag es!«

Der von Habstein schwieg. Erst nach geraumer Zeit wagte er wieder aufzublicken und fragte: »Glaubt Ihr, daß ich am Leben bleiben werde?«

Der andere schüttelte den Kopf: »Ich meine, Ihr werdet sterben! Aber ich will Euch pflegen, so gut ich es vermag!«

Ruth war durch seine Worte erwacht. Ohne den Fremden noch zu bemerken, trat sie leise zu ihm heran. »Fehlt es Euch an etwas?« fragte sie besorgt.

Herr Albin sah zu ihr auf.

»Mir fehlt's an vielem!« sprach er, »und deiner bedarf ich vor allem, Ruth – denn du bist rein und ich bin sündig. Du bist makellos und ich bin verworfen und verdorben.«

»Ihr, Herr? Da sei Gott vor!«

»Doch bin ich's, und hätte der Arkebusier drüben mich etwas aparter aufs Korn genommen, so hätte ich es für diese Zeitlichkeit nie erfahren. So aber wird mir die Neuigkeit hienieden noch kund und ist mir zu Sinn wie einem Mann, der lange durch dicken Wald gezogen ist, und hält und sieht: Der Weg war irre! und mag von Stund' an nicht weiter. Das ist mir aufgegangen im Augenblick, wo ich Euch gestern über mir gesehen hab', und hat mich so wenig mehr verlassen wie mein Schwert neben mir und ist stärker als das Schwert und des Schwertes Widerpart.«

»Herr, das begreife ich nicht!«

»Hier links ist das Schwert und rechts bist du! Links ist der Haß und rechts, was nicht des Hasses ist. Da bist du und bist Gottes und mir von Gott gesandt . . .«

»Herr . . .«

»Eben war einer da und ging still wieder weg durch diese Pforte – der hat es mir gewiesen, daß man die Zeichen und Wunder nicht an der Himmelsfeste oben suchen soll, sondern auf Erden. Nicht bei den Menschen auf Erden, sondern in sich selber. Nicht den bösen Feind in sich, sondern den barmherzigen Gott. Gottes höchste Barmherzigkeit aber hat sich mir offenbart und heißet Liebe . . .«

»Herr . . ., denkt an Eure Wunde! Ihr sprecht zu viel . . .«

»Ich bin jetzt still! Gib mir die Hand, Ruth, und steh' mir bei! Ich will wie ein rechter Kriegsmann kämpfen wider den Tod, damit du mir das Leben weisest!«


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