Rudolph Stratz
Friede auf Erden!
Rudolph Stratz

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4.

Nun stand die Sonne hoch über ihren Häuptern am wolkenlosen Himmel.

Ohne Rast waren sie die langen Stunden dahingeritten durch das verwüstete und verödete Land. In weitem Bogen umkreisten sie die Dörfer, sie vermieden die Waldstücke und Hohlwege und hielten sich auf jenen offenen Flächen, auf denen früher in goldenen Wellen das Korn gewogt hatte und jetzt zumeist nur noch ärmliches Unkraut und junger Wald aufschoß.

Nur einmal gerieten sie auf solch einem Acker, unfern eines weitgestreckten Dickichts, an Menschen heran, eine Schar Bauernvolks, das da auf einem Brachfeld pflügte. Was sie an Roß und Rind besaßen, hatten den verwilderten und verkümmerten Menschen längst die streifenden Reiter weggetrieben. So zogen die Weiber den Pflug, die Männer hielten die Pflugschar und spähten, die Feuerbüchsen über die Schultern gehängt, mißtrauisch nach allen Seiten und zu einem einzelnen Baum hinaus, von dem ein scharfäugiger, junger Bursche nach etwa nahenden Feinden ausschaute.

Außer Schußweite ritt Herr Albin an ihnen vorbei und sah gleichgültig zu, wie die Bauern mit wilden Blicken ihre Musketen bereit machten. »Die Schelme werden immer dreister!« sprach er halb zu sich und setzte das Roß in Trab.

Doch die Kräfte der Stute begannen zu erlahmen, und inmitten einer dichten Waldhecke, die einen kahlen Hügel krönte, hielt der Obrist still.

»Steige das Fräulein ab,« sagte er. »Es ist Mittagszeit. Der Gaul hat Rast von nöten. Er trägt uns sonst heute nicht mehr bis Augsburg. Und auch Ihr werdet müde sein –«

Dem war so. Kaum war Ruth aus dem Sattel geglitten und hatte etwas von Speise und Trank genossen, als sie sich schon schlaftrunken auf dem Boden niederstreckte.

Der von Habstein hatte den Gaul umgesattelt und festgebunden. Nun saß er neben ihr und sah ihr mit finsterer Neugier in das schöne, im Schlafe leidvoll lächelnde Gesicht.

Das war ein böses Abenteuer. Nie in seinem vielbewegten Leben konnte er sich eines ähnlichen entsinnen. Der Abenteuer mit Männern die Menge – in Gutem und in Schlimmem – mit blitzender Waffe und spitzer Rede. Aber mit Frauen . . . Wer ihm verkündet hätte, daß er, Albinus Habstein, der Kriegsobrist und Gebieter über neunhundert eisengepanzerte Reiter, hier fern vom Lager in einer Weißdornhecke sitzen und bei Amselruf und fernem Kuckucksschlag den Schlummer eines Mädchens bewachen würde, den hätte er wahrlich einen Narren gescholten.

Und nun war er in solch wunderlicher Lage und fand nichts Greuliches daran. Im Gegenteil – er hätte lange so sitzen und in das blasse, stille Antlitz neben sich schauen mögen.

Und als nun eine Hummel mit zudringlichem Gebrumm den braungelockten Kopf umkreiste, da ereignete sich das Unerhörte und Gewaltige, das gottlob keines Menschen Auge sah. Der von Habstein schnitt einen grünenden Zweig ab und wehrte mit eigener Hand die Fliegen vom Gesicht der Schlafenden.

Dabei empfand er freilich eine bittere Reue und schämte sich seines unmännlichen Tuns.

»Wahrlich,« dachte er, »wie oft habe ich selbst vor den Schleppsäcken gewarnt und dem Teufel, der in langen Zöpfen umgeht. Nun gab ich ihm den kleinen Finger und siehe – er hält mich mit Haut und Haar –«

Und Herr Albin beschloß, wenn möglich, schon am selben Abend im Dom zu Augsburg zu beichten und sich seiner Sündenlast zu entledigen, von der er vorgestern um diese Zeit noch nichts geahnt.

Da war er wohlgemut als ein kriegerischer Herr dahingeritten, auf seinem prachtvollen Hengst, um den das ganze Lager ihn neidete, von dem Schwarme trotziger Knechte gefolgt.

Nun war das alles zuschanden. Und was hatte er dafür eingetauscht? Eine armselig zitternde Jungfer, ein unnützes, beschwerliches Ding, in das er sich gar nicht zu schicken wußte.

Und dennoch war er mit dem Tausch zufrieden.

Herr Albin begriff das nicht –

Das war ein böser, wunderlicher Handel, und der von Habstein wußte nicht, wie ihm geschah. Ratlos sah er vor sich hin in die Ferne, aber immer wieder wanderten seine Augen zu dem sanften Antlitz, um das das sprossende Frühlingsgras am Boden nickte, und blieben daran hängen, bis er plötzlich auffuhr und nach der Sonne sah.

Es war hohe Zeit, aufzubrechen!

Der Obrist nahm den nun völlig abgekühlten Gaul am Zügel und führte ihn den Abhang hinunter zu einem Wiesenquell, um ihn dort zu tränken.

Als er das getan und die Stute wieder umwendete, sah er, wie ein großer, hagerer Wolf oben am Rande des Dickichts herumschlich und langsam darin verschwand!

Und wiederum empfand der Feldobrist ein Gefühl, das ihm bisher in seinem ganzen Leben fremd geblieben war. Eine entsetzliche Angst rang sich jählings in ihm empor und trieb ihm kalte Schweißperlen auf die narbenüberflammte Stirne.

Den Gaul im Trab hinter sich herziehend, rannte er mit gezücktem Schwerte nach oben, an die Stelle, wo er Ruth verlassen.

Sie lag friedlich schlummernd da. Etwas abseits krachte es in den Büschen, und langsam verlor sich ein heiseres Knurren.

Der von Habstein atmete tief auf. Und fast zugleich fiel es ihm ein, daß er erst einmal in seinem Leben nur annähernd ein solches Gefühl der Beruhigung und Befriedigung empfunden: das war am Abend nach der mörderischen Lützener Schlacht, als durch die Reihen der gelichteten, von der unerhörten Gräßlichkeit des Kampfes verstörten Kaiserlichen unter jubelndem »Viktoria!« die Kunde von dem Tode Gustav Adolfs ging –

Damals ein Streit um Länder und Kronen, ein Streit, von dem man schaudernd an den fernsten Enden Europas erzählte – und jetzt –

Jetzt atmete er auf, wie nach der ruhmreichsten Kriegstat, weil er einen Wolf vom Heidelager einer Jungfer verscheucht hatte! Er seufzte. Denn er merkte wohl, wie er immer mehr sich in den Schlingen des Bösen verstrickte.

Dann rief er Ruth an. Ein-, zweimal und nochmals mit immer lauterer Stimme.

Sie hörte ihn nicht. Die seelische Erschütterung am Sterbebett, die schlaflose Nacht mit der ungewohnten Arbeit des Schaufelns, der lange anstrengende Ritt hatten sie in traumlosen, ohnmachtähnlichen Schlaf versenkt.

Was war da zu tun?

Herr Albin geriet in bittere Zweifel.

Sie würde wohl erwachen, wenn er sein Feuerrohr neben ihr löste. Aber das mochte sie erschrecken und vielleicht auch Feinde herbeilocken.

So blieb nur ein Mittel. Man mußte sie anfassen und wach rütteln.

Der von Habstein streckte die Hand aus und zog sie jählings wieder zurück. Aber dann raunte der Versucher ihm wieder zu: »Du fassest dein Gelübde zu streng! Und ist's doch eine Sünde, so gehst du ja heute abend zur Beichte und wirst ihrer mit den anderen zugleich ledig –«

Da legte er seine schwere Hand auf Ruths schmale Schulter, und es war ihm eigen dabei zu Sinne. Sie fuhr auf und sah verstört aus großen Kinderaugen um sich. Dann kam ihr die Erinnerung, und sie stand langsam auf.

»Habe ich zu lange geschlafen, Herr,« fragte sie, »weil Ihr mich so unfreundlich anschaut?«

Herr Albin erwiderte nichts, sondern schwang sich aufs Roß. Dann beugte er sich zu ihrem Erstaunen herab, legte die Arme um sie und hob sie selbst zu sich herauf. Auf eine Sünde mehr oder weniger kam es jetzt nicht mehr an –

 

Im Abendrot flimmernd hoben sich ferne am Horizont schlanke Kirchtürme in die Luft. Hochragende Mauern mit mächtigen Ecktürmen und dahinter ein Meer spitzgiebeliger Dächer stiegen langsam empor, je mehr die beiden sich der Stadt näherten.

Der Obrist fühlte sich leise am Arm berührt.

»Herr, sind wir gerettet?« fragte es hinter ihm.

Er nickte.

»Das ist des heiligen Reiches Stadt Augsburg,« sprach er und wies auf die mächtigen, im Schein der sinkenden Sonne rot flimmernden Häusermassen, »dort werdet Ihr Unterkunft finden.«

Sie fuhr in einem plötzlichen Schrecken hinter ihm zurück, daß er sich im Sattel umwandte. »Reiter – Herr –,« stammelte sie, »ihrer zwölf und mehr – Herrgott, sei uns gnädig!«

Der von Habsbein legte die Hand schirmend über die Augen. »Entsetze sich das Fräulein nicht,« sprach er, »so nahe an einem Platz, wie Augsburg, wagt sich keine feindliche Partei. Es sind die Unseren! Kurbayerische oder Kaiserliche – ja, sie sind sogar von meinem Regiment,« setzte er in freudiger Ueberraschung hinzu, als sich der Reitertrupp in gestrecktem Galopp näherte, »ich erkenne sie wohl: Der dicke Graubart, der an der Spitze reitet, das ist der Quartiermeister meines eigenen Fähnleins, Paradeiser zu Villach genannt – und der Bursch neben ihm, den heißet man den schwarzen Nickel. Ich hab' ihn einmal mit großer Not gerettet, als ihn die Bauern schon in den Händen hatten. Und da – aber was ist das – da führen sie meinen Hengst ledig mit sich, den ich vorgestern den Merodebrüdern lassen mußt'!«

Die Reiter kamen heran.

»Ihre Gnaden leben!« schrie schon von weitem der Wachtmeister den Reitern zu: »Preis sei dem Herrn!«

Herr von Habstein bog sich im Sattel vor: »Wie kam der Hengst zu Euch?«

»Die Dragoner von Boccamaggior, Ihre Gnaden, haben in heutiger Nacht einen Haufen Freireiter in ihrem Verstecke aufgehoben und henkten selbe Kerle. Wie sie aber mit der Beute ins Lager kamen, geriet unser Regiment in Entsetzen! Denn wir erkannten wohl die Pferde, und ist kein Troßbub' zu finden, der nicht im Finstern sagen möchte: Dies und kein anderer ist des Herrn Obristen Schlachthengst! So gedachte ich zum wenigsten mit einer Streifpartie auszugehen, ob ich nicht Ihre Gnaden tot oder lebend fände –«

Weiter konnte der dicke Quartiermeister nicht sprechen. Denn jetzt erst, da sich der zwischen den Rossen aufgewirbelte Staub verzog, erkannte er die ungeheuerliche Tatsache, daß das Wesen, das hinter dem Obristen im Sattel saß, und über dessen Art die Knechte heftig im Losreiten miteinander gestritten, ein Mädchen sei!

Bei diesem Anblick erschraken der Quartiermeister wie die Knechte. Denn sie dachten nicht anders, als Herr Albinus sei durch eine unselige Schickung der Vernunft verlustig gegangen.

»Was soll's?« fragte der mit gerunzelter Stirn.

»Die Reiter erstaunen sich,« wagte der Wachtmeister zu bemerken, »da männiglich bekannt, daß Ihre Gnaden, der Ihnen beiwohnenden hohen Vernunft gemäß, sonsten das Frauenzimmer nicht regardieren.«

Der von Habstein ließ sich ärgerlich aus dem Sattel gleiten.

»Es ist ein Fräulein vom Adel,« sprach er schroff, »sorge Er für sie, Paradeiser, und wache Er darüber, daß sich keiner der Knechte oder sonst wer bei ihr zutäppisch macht, bis wir gen Augsburg kommen!«

Der schwarze Nickel, ein junger, bleich und blöde aussehender Geselle, führte ihm seinen Hengst zu, und es dünkte dem von Habstein kein geringes Glück, wieder allein, wie es einem Kriegsmann geziemt, auf dem stolzen Tiere zu thronen, statt auf dem Bauernklepper, dessen Zügel jetzt der schwarze Nickel Ruth aus den Händen nahm, um ihn zu leiten. Trotzdem war Herr Albin nicht zufrieden. Um ihn klirrten die Waffen, unter ihm bäumte sich sein unermüdliches Streitroß, und er hätte, indes er dem Quartiermeister seine Abenteuer erzählte, wohl freier aufatmen können, da nicht mehr, wie bisher den ganzen langen Tag, zwei zarte Arme seine Brust umspannt hielten. Aber dem war nicht so. Zum erstenmal war es Herrn Albin einsam zu Mut auf seinem Hengste, und er schaute zuweilen, wie um Wind und Wetter für den morgenden Tag zu prüfen, nach rückwärts in das Gesicht Ruths, die schweigend und beklommen in der Mitte des rauhen Kriegsvolks hinter ihm ritt.

»Und wie steht's im Felde?« fragte er rauh.

Herr Paradeiser zu Villach räusperte sich.

»Die Partien gehen wohl stark auf einander los und manche Sättel sind in diesen Tagen leer geworden. Aber das große Treffen, dessen sich die Armada gewärtig hält, lassen die Generalissimi anstehen –«

Des Obristen Gesicht verfinsterte sich. »Und warum beliebt es den Herren so?«

»Ihre Gnaden haben unsere Völker seit zwei Monaten nicht vor Augen gehabt. Indes hat sich der Hunger bei uns zu Gaste geladen. Das ganze Land ist öde, und man möchte meinen, daß sich bald im heiligen Reiche kein Territorium mehr fände, wo eine Armada sich ernähren kann. Es ist alles von Kräften gekommen, die Gäule sind vom Fleisch gefallen, den Reitern steht das Maul offen, und so wagt es des Herrn Grafen Holtzapfel Exzellenz nicht, mit den erschlafften Kerlen den Konfederierten unter Augen zu gehen. Er hat zwar gestern den Truppen ein Ziemliches an Kraut und Lot spendieret, auch die Stadt Augsburg mit Mehl und anderer Notdurft wohl versehen, aber trotzdem, denk' ich, setzt er seinen Intent ins Werk, mit den Völkern über den Lech zu retirieren. Die kurbayerische Armada und das grobe Geschütz geht auf sein Geheiß eben jetzt gegen Augsburg zurück. Er selbst aber, um diesen Marche zu decken, bleibt die Nacht über bei Zusmarshausen stehen – ist ein Marktflecken, zwei Stunden von hier –«

Des Habsteiners Miene war grimmig und besorgt geworden.

»Und wann die Konfederierten ihm unversehens auf den Hals rücken?«

»Solche Besorgnis herrscht wohl im Lager.«

Herr Paradeiser wies in die Ferne, wo an dem blaßblauen Abendhimmel drei mächtige schwarze Rauchwolken reglos standen: »Da melden die Schweden schon ihre Ankunft. Wo sie hinkommen, machen sie jetzt den Vulcanum zum Quartiermeister, um sich an dem Herrn Kurfürsten für seinen Heimfall an die kaiserliche Sache zu rächen. Man sagt, sie ständen schon bei Lauingen –«

Der Obrist schwieg. Aber sein Gesicht drückte ernste Besorgnis aus.

»Unlängst,« fuhr der gesprächige Paradeiser zu Villach fort, »im vorigen Monat, als wir bei Dünkelsbühl dem Schwed' und Franzos so nahe standen, daß wir einander in die Lager einsehen konnten, da hätten wir bald dem Feinde einen merklichen Vorteil abgewonnen. Ritt da Graf Wrangel, der schwedische Generalissimus, nur von einem Trompeter, dem Pagen und zwei Windspielen begleitet, von den Truppen ab ins Feld. Ein kaiserlicher Rittmeister aber hält mit seinen Leuten im Busch, um ihn abzufangen. Und erkennt den Trompeter. Sei von diesem sein Kamerad gewesen, spricht er zu seinen Leuten. Diese Rede hört, zweifelsohne aus Himmels Verhängnis, der Graf Wrangel, gibt dem Pferd die Sporen und eilt zu seinen Völkern und entkam dem Herrn Rittmeister, der ihn, sonsten er nur das Maul gehalten, leichtlich hätte totschießen können, wenn er ihn nicht lebendig hätte haben wollen.«

Herr Albin zuckte die Achseln und sprach kein Wort mehr, bis sie unter die Mauern von Augsburg gelangt waren. Auf den Hügeln daneben wurden Schanzen aufgeworfen. Hunderte von Bauern karrten die Erde herbei und arbeiteten unter der Aufsicht der Augsburger Ratsherren und kaiserlichen Offiziere an Gräben und Wällen.

»So ist das Bauernvolk doch zu etwas nutze,« wandte sich der Quartiermeister an Ruth. »War das die letzten Wochen durch ein Flehnen und Flüchten vom ganzen platten Lande gen Augsburg. Aus der ganzen Windrose sind sie gekommen, um sich vor den Schweden und Franzosen zu retten, die jedes Dorf, mag sich's zu wehren erkühnen oder nicht, in Asche setzten. Dem Feinde kommt das selbsten schlecht zu paß. Er findet nicht Mehl noch Gras in den Dörfern, die zum Steinhaufen geraten sind, und muß im Lande auf- und niederziehen und die Truppen unnütz fatiguieren, um nicht Hungers zu vergehen.«

Ruth verstand ihn nicht.

»Gibt's noch größere Städte als Ausburg, Herr?« fragte sie schüchtern und sah staunend auf die endlosen Ringmauern und Häusermassen.

Herr Paradeiser wiegte das Haupt.

»Es soll vor Zeiten,« sprach er, »kaum eine Stadt in der Christenheit gegeben haben, die Nürnberg und Augsburg gleichkam. Das ist schon lange her. Aber immerhin auch in unserem Säculo zählte man, da der liebe Fried' noch grünte, in der Stadt Augsburg achtzigtausend Menschen und mehr. Jetzt ist wohl kaum mehr ein Fünfteil da.«

»Und die anderen sind alle verblichen?« forschte Ruth schaudernd.

Der Quartiermeister nickte.

»So ist's ihnen ergangen. Zumal vor dreizehn Jahren. Da waren die evangelischen Geschlechter in der Stadt obenauf, und der schwedische Führer, Herr George von dem Winckel, verteidigte die Stadt so unerschrocken und vortrefflich, wie es nur einem unverzagten Kriegsmann ansteht, so daß selbst die Feinde seine Meriten lobten. Als aber die Belagerung lange währte, kam Hungersnot und Pestilenz, und es wußte sich keiner mehr Rats. Die Reichen zahlten zehn Gulden und mehr für eine rohe Roßhaut, sie zu verschlingen, die Armen aber sotten sich Leder gar und speiseten Ratzen und Mäuse. Dazu kam die Seuche, und die Christenheit in selber Stadt verging wie die Fliegen im Herbst. Seit jenem Jahre hat Augsburg keine Ruhe gehabt, sich zu erholen. Bald liegen die Kaiserlichen in ihr, bald der Widerpart, und der Rat weiß kaum mehr, wie er den Völkern Nahrung schaffen soll. Wenn er aber keine Brotzettel austeilt, so gebärdet sich die Soldateska mit Recht tyrannisch, und die Soldatenweiber und Troßbuben tumultuieren durch die Gassen und rotten sich vor dem Rathaus zusammen, bis daß die Herren wieder in den Säckel greifen und sehen mögen, wo in deutschen Landen noch Korn und Mehl zu finden sei.«

Schwer hallten jetzt die Rosseshufe unter einem finsteren Torbogen. Sie ritten in die Stadt Augsburg ein.


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