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Das ferne Land


*

Hellas

Ich habe mich an Griechenland verloren,
Und wo ich wandle, ruft es: »Griechenland!«
Kein Mensch mich je mit gleichem Bande band,
Ich habe mich an Griechenland verloren ...

Als ich die Stirn mit rotem Mohn umwand,
Ward wunderselig mir im Kranz der Horen,
Das Parthenon hab' ich zum Heim erkoren,
Und meine Seele schwelgt in Helios' Brand.

Die Götter nahmen in ihr Reich mich auf,
Fremd schwand die Welt der überlauten Menge,
Sie wandelte sich mir zum dunklen Hauf'.

In weisser Säulen hehre Tempelstätte,
Zu der Athene hohem Festgepränge
Rief Zeus mich hin, dass ich vom Leid mich rette.

*

Das Herrlichste ...

Ich habe das Herrlichste gesehn,
Das heilige Land der Hellenen,
Wie lockte das Meer im Windeswehn,
Wie stillte sich leise mein Sehnen!

Ich stand auf der Akropolis
Unter des Perikles Säulen,
Und sah im Hafen von Salamis
Des Persers Flotte weilen.

Und sah den Golf von Wolo blühn
In blauer Märchenstille,
Der Inseln Küsten schwanden dahin,
Es schwanden Wunsch und Wille.

Mit heisser Seele hab' ich geküsst
Das Land voll Wundern und Wunden,
Das stolze Hellas – und mir ist,
Als lebt' ich seit jenen Stunden!

*

Die Propyläen des Perikles

Nun seh' ich wieder die göttliche Welt
Der alten Griechen entschleiert,
Der schwarzen Tage Leid zerfällt
Und meine Seele feiert.

Pentelischer Säulen dorische Pracht
Ragt gegen den blauen Himmel,
Und tief in rauchender Erde Nacht
Verrauscht der Menschen Getümmel.

Noch schreiten Einzelne her und hin
Ueber die ewigen Steine
Und lachen in ihrem Schülersinn –
Mich wundert, dass keiner weine,

Gedenkt er der alten verklungenen Zeit,
Da Pallas Athene hier thronte,
In jenes Marmors Herrlichkeit
Die Goldumkleidete wohnte.

Fern tönt der christlichen Glocken Klang
Aus der Menschen Niederungen,
Mir ist, als umwehe heidnischer Sang
Die Säulen, die keiner bezwungen.

*

Die alten Götter ...

Die alten Götter leben noch,
Sie leben in unsern Herzen,
Und keines Priesters zwingendes Joch
Vermag sie auszumerzen.
Sie leben, sie zittern, sie dehnen sich frei
Im Atem unserer Brüste,
Kein einziger fehlt, ist jeder dabei,
Dass er die Stirn uns küsste.

Ich sehe Zeus in olympischer Pracht
Und Here, die missgestimmte,
Ares ist neu in mir erwacht,
Ob Hephästos drob auch ergrimmte,
Ich fühle des Titanen Kraft,
Prometheus, des grossen Rebellen,
Dem noch gebrochen, in Leidenschaft
Des Zornes Adern schwellen.

Ich ahne der göttlichen Einzigen Licht,
Der Meeresschaumgebor'nen,
Die leuchtende Liebesrosen flicht
Um alle Staubverlor'nen,
Ich fühle der Götter Herrlichkeit
In meiner Seele Gewalten,
Sie wölbt sich den Tempel hoch und weit
Um ewige Gestalten.

*

Ein Fremder

Ein Fremder schnüffelte in Griechenland,
Wo er zu wenig Rühmenswertes fand,
Er schmälte, was durch Brillen er gesehn,
Und fand: »Rom bietet mehr doch als Athen.«

O Fremder, fremd auch der Heroenzeit –
Wie tut mir herzlich deine Kühle leid,
Dir frommt es nicht, von Büchern aufzusehn –
Was kann die Welt mehr bieten als Athen!

*

Delos

Dass ich in Delos war, scheint mir ein Traum,
Ich küsste des Apollo Tempelsaum,
Schritt über Marmorstufen staunend hin
Die heilige Strasse, und mir war zu Sinn,
Als lauschte irgendwo der Priester Heer,
Als rauschte Götterhymnen rings das Meer,
Das brausend schlug an steile Steingestade
Und donnerte um Felsen ohne Gnade.
Die Basis sah ich, wo der Gott einst stand,
Den Riesenmarmor, drauf mit starker Hand
Geschrieben steht in Zeichen fremder Zeit,
Darüber hinglitt eine Ewigkeit:
»Ich und die Basis sind aus einem Stein ...«
Zerbrochen liegt der Gott im Tempelhain,
Des Marmors Block klaffend ein Riss durchtrennt,
Und glutend heiss die Sonne niederbrennt
Auf des Apollo weisse Götterbrust,
In der sein reiches Herz vergluten musst'.

Nun gleitet über Steine Jahr um Jahr,
Eidechsen gleich huscht hurtig ihre Schar
Über der längst geborst'nen Säulen Knauf
Und weckt die alten Götter nicht mehr auf ...
Neben der heiligen Strasse, die einst trug
Der gläubigen Menschen Jubiläenzug,
Gleitet ein Völkchen hin in schwarzen Scharen –
Ameisen sind's, wie sie vor Zeiten waren,
Sie haben überlebt der Götter Flug
Und trippeln hin – ein dunkler Leichenzug.

Dass ich auf Delos war, ich fass' es kaum,
Die Felseninsel ruht im Blütentraum
Der blauen Blumen, die vom Sande leben
Und ihre zarten Köpfchen rings erheben –
Ein Steineseiland, drauf ein Blütenband
Sich schlingt um eines Gottes tote Hand.

*

Die Fremde

Und immer noch seh' ich die fremde Frau
Mit ihrer Augen grünverhalt'nem Blau,
Mit ihrem kurzen gelben Lockenhaar
Und hör' die Sturmesstimme hell und klar:
»Man soll uns uns're Götter wiedergeben,
Die tief versteckt in grünen Hainen leben,
An deren Wunder uns're Seelen glauben, –
Man hatte nicht das Recht, sie uns zu rauben.

Ich liebe sie, die treuen, altvertrauten,
Die uns're Väter in den Lüften schauten,
Den Mananaan, der dem Meer entstieg
Wie eine Lichtessäule, wie der Sieg.
Ich lieb' den Angus, dem sie Opfer brachten,
Zu dessen Ruhme Gluten sich entfachten,
Dem Schönheit, Jugend, Liebe heilig war,
Am Totentag umkränzt wird sein Altar ...

In alten Bäumen und in jungen Hainen,
In Lüften, Blüten und in Felsgesteinen,
Auf Bergeshöhen und im tiefen Tal –
Da lebten uns're Götter ohne Zahl,
Sie waren unser seit urewiger Zeit
Und schützten unseres Heimes Heimlichkeit.
Ich mag den strengen Gott der Christen nicht,
Der nur in düstern Mauern zu euch spricht,
Gesetze gibt und euch mit Strafen droht,
Durch schwarze Priester kündet Not und Tod.
An guten Göttern hat man nie zuviel –
Ihr seid nur Eines Gottes grausam Spiel!«

So sprach sie in Äginas Pinienhain,
Eine Dryade schien sie selbst zu sein,
Dem Stamm der hohen Bäume nah verwandt,
Die weithin kränzen das verträumte Land
Und bei Athenens letzten Tempelsäulen
Wie Hüter und Beschützer rauschend weilen.
Sie lauschten Irlands stolzer Heidenfrau, –
In dunkler Tiefe schwieg des Meeres Blau.

*

Möven und Wolken

Ich blicke hinaus auf das blaue Meer,
Die Möven gleiten und schweben,
Über den Inseln lichteshehr
Sich flimmernde Wolken erheben.

Sie schwimmen wie Möven durchs blaue Ziel,
Geschwister den Vögeln, den weissen,
Sind alle der Lüfte lieblich Gespiel
In schimmerndem Nahen und Gleissen.

*

In Nauplia

Am Wege stehn die Reihen der Agaven
Mit Blättern, die wie krumme Schwerter stechen,
Als wollten sie der Feinde Angriff rächen
Und alle morden, die sie zürnend trafen.

Treibt jede kühn den starken Schaft empor,
Als wuchs' ein Riesenbaum aus ihrer Mitte,
Der seltsam ihrem Werdespruch entglitte,
Aufragend in des Raumes freies Tor.

Und ihr entgegen welken, die gebaren
Ihr Blütenkind und die unsterblich waren,
Eh' sie der Fluch der Zeugung hingerafft –

Die jungen todgeweihten Reihen wissen,
Dass, wenn sie blühen, sie auch sterben müssen,
Und jagen dennoch vor der Blume Schaft.

*

Korfu

Die Fischerbarken tragen rote Segel,
Sie schwimmen sanft ins blaue Meer hinaus,
Albaniens Berge grüssen vom Gestade
Und eine wunderholde, lichte Gnade
Breitet sich über alle Inseln aus.

Die Häuser Korfus sehn mit dunkeln Augen
Auf unser Schiff, das still im Meer verharrt,
Die Möven ruhn, die unsern Zug begleitet,
Und unser Blick sich zu den Fernen weitet,
Indess der rauhe Fels zur Tiefe starrt.

Bald wird das Schiff der Anker Eisen heben,
Wir ziehen weiter an der Berge Blau,
Blutrot wird meiner Sehnsucht Segel wehen
Und meine Seele wird um Gnade flehen
Für meiner Zukunft ernstes Nebelgrau.

*

Egypten

Ich möchte durch Karnaks Tempel gehn
In wundersamem Schauen,
Ich möchte Hatschepsuts Säulen sehn
Und Eleagabals Mauern.

Ich möchte die lange Allee der Sphinx
Noch einmal im Mondlicht durchschreiten
Und der Palmen Wehn und den Klang der Syrinx
Noch einmal geniessen aus Weiten.

Ich möchte wieder durch Wüstensand
Reiten auf Dromedaren,
Dort, wo ich die Memnonsäule fand
Und die Fellahs in krausigen Haaren.

Ich möchte in Luxor spazieren gehn
Am Strande des Nils, des breiten, –
Nur eines wollt' ich nicht wiedersehn –
Cooks Reisende, wie sie sich spreiten.

*

Assuan

Ich habe die Beduinen gesehn
Bei Assuan im Wüstenlager,
Wo durch Zelte sauste der Winde Wehn,
Wo Männer, dürr und hager

Bei alten Weibern den Muschelkranz
Dem fremden Gaste boten,
Und ihre Blicke im Flammenglanz
Voll Stolz und Habgier lohten ...

Dort sah ich hocken der Frauen vier
Um ein Mädchen, das lag auf der Erde,
Sie flochten ins Haar ihr Muschelzier
Mit sonderbarer Geberde.

Umstäubten sie mit Myrrhen und Duft
Und schmückten die zarten Glieder,
Doch als ich in ihre Nähe kam,
Riss einen Teppich sie nieder

Und hüllt' sich in ihn mit Angst und Scheu,
Als sollte mein Blick sie beflecken –
Wie sehr ich auch bat, sie gab sich nicht frei
Und suchte sich tief zu verstecken.

Ich flehte, den Backschisch bot ich ihr –
Da kam der Vater gegangen
Und sprach zu mir und sprach zu ihr
Und streichelte ihr die Wangen.

Fünf Schilling gab ich – er nahm das Geld
Und duldete, dass ich sie schaue,
Von dem jungfräulichen Königsleib
Hob sich der Teppich, der graue ...

Ich sah zwei Augen, schwarz und gross
Und mandelgeformt, zwei Wunder,
Und über dem bronzenen Leib ergoss
Mein Blick sich tiefer hinunter –

Ich sah den muschelgeschmückten Hals,
Braun und glänzend wie Seiden,
Zwei feste Hügel, so zierlich, als
Wollten sie Liebe leiden.

Ich sah die junge Hatschepsut,
Wie sie vor sechstausend Jahren
In wundersamem Schönheitsglanz
Ins Leben eingefahren.

Das Mädchen gab mir einen Blick,
Als hätt' ich es bestohlen,
Die Decke schlug es auf sich zurück
Und keiner mehr durfte sie holen.

Ueber die Wüste strich der Wind
Und spielt' mit krausen Haaren,
Das braune Beduinenkind
Vergess' ich nicht nach Jahren.

*

Toscana

Die Felder stehn voll brennendrotem Mohn,
Des Berges Kuppel wölbt sich hoch ins Blau,
Und mancher greisen Mutter starker Sohn
Dehnt frei die Brust im warmen Morgentau.

In ferner Stadt erhebt sich schlank und zart
Ein spitzer Turm, gar wunderlich verziert,
Wie ein Gedanke von besond'rer Art,
Der über graue Köpfe triumphiert.

Sehnsüchtig weht die Luft, als trüg' sie bang
Verlor'ner Zeiten Seele müd' und schwer ...
Vier Mädchen spielen sanft am Gartenhang,
Und rote Bänder flattern um sie her.

.

Johann Zelezny.
Zum Gedicht »Toscana«

*

In der Campagna

Noch einmal spricht Roms Macht aus hohen Bogen,
In der Campagna Tiefe hingezogen,
Bogen, die trotzend zeitumwittert ragen
Und wesensfremd doch blieben unsern Tagen,
Steinwille, aufgebaut von Dienerhänden,
Steinstille, wie sie alte Götter spenden ...

Der breiten Quadern festgefügter Bau,
Vergrünt von Epheu, bietet eine Schau
Gewaltiger Vergangenheit. Cäsaren
Befahlen – es gehorchten Sklavenscharen.
So hob sich aus der Vielen Fleiss gestaltet
Das grosse Werk, in dem ein Wille waltet.

Aus Vieler Herrschaft nimmermehr ersteht
Ein Weltenwunder, das nicht untergeht.
Klein bleibt, was einer Menge Sinn erschuf,
Einen begnadet nur der Götter Ruf,
Nie haben sie sich Vielen offenbart, –
Zur Menge sprechen ist nicht Götterart.

Aus Romas Mauern in verhalt'nem Grauen
Die Häupter seiner grossen Kaiser schauen,
Mit ihrer Bauten stolzem Heiligtum
Künden sie dem Jahrhundert ihren Ruhm ...
Doch keine spätere Zeit wird staunend stehn
Vor unsern Werken, die mit uns vergehn.


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