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Mütter und Kinder


*

Elf Gräber

Ich hab' elf kleine Gräber gesehn,
Elf junge Gräber im Friedhof stehn,
Sie ragen so traurig aus grauem Gras,
Zwei tragen zwei Kissen von Tränen nass.

Elf junge Mütter herüberziehn,
Wann der Abend sinkt und die Sterne glühn,
Elf junge Herzen schluchzen in Not
Und fügen sich stumm des Höchsten Gebot.

Noch hebt sich kein Kreuz, doch jede kennt
Den Hügel, den ihr Schmerz durchbrennt,
Sie schmückt ihn leise, sie segnet ihn weich –
Elf Englein lächeln im Himmelreich.

*

Eine slavische Mutter

(Nach einer Begebenheit, die sich in Olmütz ereignet hat).

Die Mutter trug des Hauses Last,
Die kleinen Kinder schliefen,
Da ward sie am Herde von Flammen erfasst –
Die kleinen Kinder schliefen.

Die Mutter brannte lichterloh,
Die Kinder lagen in Betten,
Die totgeweihte Mutter floh,
Um ihre Kinder zu retten.

Sie schwang sich aufs Fenster, sie sprang hinab –
Die kleinen Kinder schliefen,
Die Mutter fand ihr Heldengrab –
Vier kleine Kinder riefen.

*

Die tote Mutter

Hörst du es wohl im stillen Grab,
Wie deine Kinder spielen,
Klingen die feinen Stimmen hinab
In der Erde finstere Kühlen?

»Sieh nur mein schönes Blumenbeet!«
Franziska ruft's mit Frohlocken,
»Hier darf ich sitzen früh und spät
Neben den blauen Glocken.«

»Dies ist mein Gärtchen!« jubelt der Hans,
»Es trägt ein schwarzgoldenes Gitter,
Hier wind' ich dir den schönsten Kranz,
Ich bin ja doch dein Ritter –«

Die blauen Blumen, wie erwacht,
Beginnen sich zart zu regen, –
Schwebt aus der Tiefe mild und sacht
Empor ein leiser Segen?

.

Erich Hürden.
Zum Gedicht »Die tote Mutter« In der Hütte

In der Hütte, heiss von Schmerzen,
Kreisst ein zartes junges Ding,
Das sich unter Frühlingscherzen
Wehes Leid zur Liebe fing.

Aus der angstgepressten Kehle
Drängt sich zitternd Schrei um Schrei,
Und die qualzeriss'ne Seele
Aechzt im Stöhnen: »Wär's vorbei –«

»Rettet mich – o helft! Versenkt mir
Einen Stahl in solche Not,
Seid barmherzig – ach! und schenkt mir
Endlich den Erlöser Tod!«

Rings im Bangen stehn die Frauen,
Manche Träne niederquillt.
»Dulde – trage – hab' Vertrauen,
Jamm're nicht so frevelwild.«

Draussen blickt die gelbe Mühle,
Und das Wasser schwillt wie nie,
Singt den Schmerzen eine kühle
Flutumrauschte Melodie.

Rasche Hände, weiche Glieder,
Wehes Wimmern, dünn und fahl,
Fiel ein Stern vom Himmel nieder,
Sank ein Weib vom Marterpfahl.

Still Veratmen – Arme schweben,
Fassen sanft ein Kindlein an,
Und der Mutter Lippen beben:
»Hat es sich nicht weh getan?«

Ihre Stirn umglänzt in dichten
Perlen schimmerndes Geschmeid,
Und die Hütte wird zum lichten
Thron der Mutterherrlichkeit.

*

Kindersterben

»Die kleinen Kinder lächeln, wenn sie sterben,«
So sagte mir die alte Bäuerin,
»Sie wissen nichts von Krankheit und Verderben,
Ziehn ahnungslos die letzte Strasse hin.

Ruft sie die Mutter – lächeln sie verschwimmend,
So glanzvoll wie zu nie geschautem Licht,
Und schlafen wieder weiter, bis verglimmend
Ihr letztes Fünkchen wie ein Stern zerbricht ...«

Der reife Mensch sieht kummervoll den herben,
Gewaltigen Lebensüberwinder nahn –
Froh lächelnd wissen Kinder nur zu sterben,
Die in der Mutter Gottes Antlitz sahn.

*

Meer der Tränen

Wär' jedem Mutterherzen, das geblutet,
Ein Quell entsprungen in verlor'nen Zeiten,
Vereinten sich die Tränen, die geflutet,
Mit ihm zu niegeschauten Stromesbreiten –

Und zögen immer neue Qualen her,
Wie würde schwer der weiten Wasser Last!
Aus dunklen Seen entwühlte sich ein Meer,
Mit seinem Arm hielt es die Welt umfasst.

Stark, gleich dem unbesiegten Ozean
Rollt' es der Wogen brausendes Ergiessen,
Und wüchse fort in unermessner Bahn
Aus Tränen, die von Mutterherzen fliessen.


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