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Mein Haus und ich


*

Mein altes Schloss

Mein altes Schloss – du strebst vom Felsengrund
Und reckst dich hoch, mit wildem Wein umschwankt,
Wie sich die Rebe dir zum Firste rankt,
Blickst du hinaus in grünes Felderrund.

Dich grüsst der Wald mit seiner Eichen Kraft,
Und über dir die grauen Wolken ziehn –
Die schwarzen Dohlen kreischend vor dir fliehn,
Du stehst, als hielte dich der Jahre Haft.

Und die Geschlechter wandeln durch dein Tor,
Einst waren's Ritter, Grafen, Fürsten gar,
Weit dehnt sich in die Fernen ihre Schar,
Und schwanden hin, wie sie die Zeit verlor,

Bis von der Scholle sich der Mann erhob,
Der lang dich zwang mit seiner starken Faust –
Mein Vater war's, er hat in dir gehaust,
Als schlanker Essen Dampf dich schwarz umschnob.

Dann schwankt' auch er – wer nach mir kommen mag?
Kein Fürst, kein Graf – die Ritter sind gestorben,
Ein neu' Geschlecht hat den Erfolg erworben –
Mein altes Schloss – graut's dir vor seinem Tag?

*

Es starrt die Nacht ...

Es starrt die Nacht aus langen Korridoren,
Ich blicke scheu, in Angst und Graun verloren,
In ihres Schweigens finstre Tiefe hin –
Wo sind die Freunde, die hier durchgeschritten?
Wo starb das Lachen, das in Glut verglitten –
Wie kommt es nur, dass ich so einsam bin?

Einst ging ich taumelnd durch der Tage Sonnen
Und fühlt' mich Gott – und lauschte hundert Bronnen
Und sah den Himmel ganz in Leuchten sprühn –
Nun steh' ich vor der Kluft der finstern Gänge
Und blick' erstarrt in ihre leere Länge
Und seh' kein einzig ärmlich Lämpchen glühn ...

Wo sind die Seelen, die mich hier umworben?
Unheimlich ruht das Schloss, als wär's gestorben,
Ein dunkler Toter in des Sarges Erz,
Gebannt fühl' ich in mir den heissen Willen,
Den Schrei der Lust, den keine Seufzer stillen –
Ich bin des toten Schlosses totes Herz.

*

Die seid'nen Tapeten ...

Die seid'nen Tapeten sahen
Viel Lieb' und Glück erstehn,
Da zärtliche Lippen flehten
Um nächtliche Wiedersehn,

Und zögernde Schritte schlichen
Behutsam den finstern Gang,
Und bleiche Kerzen verblichen
Vor stürmischer Jugend Drang ...

Noch immer weckt aufs Neue
Das Schloss der Liebenden Lust,
Es schwören sich ewige Treue
Die Zärtlichen Brust an Brust.

So war es in alten Tagen,
So wird es in fernen geschehn,
Herz will am Herzen schlagen –
Liebe in Lust vergehn.

*

Ich

Die wilde Kraft der Jugend,
Der Reife zögernde Glut,
Das Laster wie die Tugend
Durchschäumten mir das Blut.

Ich hab' nach Freveln gegriffen
Lachend mit weisser Hand,
Auf lodernden Felsenriffen
Manch Ideal verbrannt.

Ich sah nur meinen Willen
Als unermessliche Macht,
Ich hab', um ihn zu stillen,
Himmel und Höllen verlacht.

Nun ich die Bahn durchmessen,
Hab' eines ich erkannt:
Verloren und vergessen
Ist, was ich Glück genannt.

Es flammt nur eine Sonne
Hoch über Raum und Zeit,
Es glüht nur eine Wonne:
Stille der Einsamkeit!

*

Ein Herz

Ihr sagt: ich trüge kein Herz in der Brust,
Nur einen harten Stein,
Der kühle herb mein rotes Blut
Und schläf're stumm es ein.

Mein armes Herz, und bist du auch
Nur Stein, vom Leid gebrannt,
So bist du doch so streng, so rein,
Wie keinen ich erkannt.

Du blitzest im Glück, du leuchtest im Leid
In tausendfacher Pracht,
Ich schenk' euch eure Herzen gern
Für meines Demanten Nacht.

*

Die Nacht

Ich liebe die Nächte, die heiligen finstern Nächte,
Seit ich sie mit keinem Liebsten mehr durchwache,
Ums Haupt schling' ich ihr dunkles Stundengeflechte
Und lache – und lache –

Ihr Armen, die ihr euch quält mit Küssen und Klagen,
Und dennoch einsam seid in allen Tagen,
Lernet von mir, wie ich die Nächte durchwache,
Und lache – und lache! –

Ich lade zu Gast die Geister entflohener Stunden,
Aufjubelnde Narren, die hämisch und ungebunden
Mir dienen, im Reigen mich girrend umschweben
Und glurren und flüstern: dies war dein Leben ...

Ich lade zu Gast mir die Sünden, die trauten Gefährten,
Schuld, Fluch und Hass, die mich liebten und ehrten,
Doch die Tugenden alle, die will ich vertreiben –
Die hässliche Reue soll ferne mir bleiben.

So taumelnd umtanzt von Genossen purpurner Lüste,
Trägt mich die finstere Nacht zu goldener Küste,
Und wenn ich beglückt aus gaukelndem Traum erwache,
Find' ich mich selig allein und lache – und lache!

*

Ahnfrau

Des Schlosses Ahnfrau nannten sie mich,
Seit ich des Nachts die Hallen durchstrich,
Lag noch so einsam das alte Haus –
Mir wuchs keine Furcht, kein Bangen daraus.

Ich schritt wie eine Königin
Durch meiner Toten Reihen hin,
Vorbei an Eltern, Bruder und Mann –
Und alle sahen mich vorwurfsvoll an ...

Ich wandelte weiter, des Mitleids bar,
Durch meiner verlor'nen Geliebten Schar,
War jeder mein trauter Spielgenoss,
Solang' ihn meine Liebe umschloss.

Da gab es keinen, den ich nicht bog,
Den ich nicht küsste, dem ich nicht log,
Den ich nicht zum Narren mir erschuf –
Und der doch gehorchte meinem Ruf.

Hab' jeden verlassen mit Lust und Hohn,
Gab jedem meinen Hass zum Lohn, –
Nun schreit' ich ruhlos von Nacht zu Nacht –
Die Ahnfrau, die über Gräbern wacht ...

*

Die Jugend

Ich sah des Nachts die Jugend wieder,
Sie trug drei Lilien in der Hand,
Und ihre lichten Feenglieder
Umspielt ein silberhell Gewand.

Sie fragte nicht um Leid und Leben,
Mit blauen Flügeln schwebt sie hin,
Ihr war der Fülle Lust gegeben
Von dem, wonach ich hungrig bin.

Ein altes Lied mit seiner blassen
Verträumten Weise vor ihr flog,
Indess ich über graue Strassen
Der Sorge Karren mühvoll zog.

*

Im Garten

Oft weil' ich im Garten stundenlang
Und lausche des Sturmes wechselndem Sang,
Bald hebt er sich schwellend und quillt empor
Zu einem brausenden Orgelchor –
Gewaltiges Rauschen dröhnt in den Fernen,
Als brandet' der Sturm an den ewigen Sternen.

Dann wieder spielt mit den Bäumen der Wind –
Nun hascht er diesen – nun jenen geschwind –
Jetzt biegt er zurück den reichen Ast,
Hat nur ein paar zierliche Blättchen erfasst,
Und tönt so zart wie Elfenklingen,
So fein, als würden Blumen singen ...
Die Halme der Wiesen neigen sich leicht,
Wenn der Lüfte Herrscher herüberstreicht,
Und über die Erde nicken die Zweige:
Dulde den Sturm und schweige ...

*

Zwei Magnolien

Zwei Magnolienbäume im Garten
Stehen in seliger Blütenpracht,
Flüstern heimlich zusammen und warten
Wonniger Schauer voll auf die Nacht.

Leise naht sie mit holder, weicher
Flügelschmeichelnder Zärtlichkeit,
Und die Bäume, sie blicken bleicher,
Ihre Blüten öffnen sich weit –

Ihre Arme recken sich sehnend,
Ihre Wurzeln umschlingen sich dicht,
Einer sich an den andern lehnend,
Starren sie beide ins Mondeslicht ...

Jahre kommen und Zeiten entschwinden,
Inniger nur wächst Baum in Baum,
Wie sie mit Fasern und Fibern sich binden,
Füllt sie ein einziger Liebestraum.

*

Mein Kranz

Zähl' ich der Jahre auch viele,
Mir waren sie Blütenspiele
Und woben sich linde zum Kranz,
Den trag' ich erhobenen Hauptes
Und zeige kein grambestaubtes
Antlitz im Stundentanz.

Wohl schimmert auf manchen Blättern
Der Tau von blitzenden Wettern,
Zwischen den Blüten hängen
Reifende Früchte, sie drängen
In sanfte Stillen lugend,
Sich gierig lauschend vor
Und tauchen glühend empor ...

Ich gäb' ihn um keine Jugend
Ich gäb' ihn um keine Würde,
Meiner Jahre schimmernden Kranz,
Wird einst er dem Haupte zur Bürde,
Dann werf' ich mit starken Händen
Ihn zu der Welten Enden
In der Sonnen leuchtenden Glanz.

*

Der Spiegel

Du alter hoher Spiegel,
In den ich oft geschaut,
Da ich noch jung gewesen,
Des Lebens frohe Braut.

Sahst mich in wehem Weinen
Einsam, gebrochen stehn,
Als mir das herbste Leiden,
Der Mutter Tod geschehn.

Sahst mich mit blassen Wangen
Und seltsamem Geleucht'
Der aufgerissnen Augen,
Die starr und schmerzensfeucht

An einem Manne hingen,
Des strenger Herscherblick
Mich grausam wollt' bezwingen
Zu ehernem Geschick ...

Sahst mich in Lust und Kämpfen,
In Zorn und Schuld und Hass,
Und alles ging vorüber
An deinem blanken Glas.

So geh' auch ich vorüber
Mit welkendem Gesicht –
Und einst wirst du mich sehen
In meinem letzten Licht ...

*

Dreiklang

»Komm, Kindchen, komm, wir wollen schlafen gehn –«
Ich bin allein und sag' es zu mir selber –
Wie ist der laue Abend wunderschön,
Die liebe Lampe flammt nur immer gelber.

Kein Herz, das meinem sanft entgegenpocht,
Kein Arm, der sich um meinen Nacken schlänge –
Kein wilder Mann, der heiss mich unterjocht –
Kein Lippenhauch, der sich zu meinem dränge ...

Und dennoch – soviel Glück in mir, um mich,
So viel des Hoffens im beseelten Streben,
Wenn auch der Tag voll Sorgen bös verstrich,
Der Abend bringt mir ein geheiligt Leben.

Ich bin allein und bin es nimmermehr,
Denn meine Seele sprüht in tausend Funken,
Mir ist so süss, so gnadenwonnenschwer,
Ich bin in einem selt'nen Reich versunken ...

»Komm, Kindchen, komm, wir wollen schlafen gehn,«
Sagt mild die ernste Seele zu der andern,
Die rastlos schwebt in Paradieseshöhn
Und müde ist, gilt's Erdenschritt zu wandern.

Doch darf sie nicht von ihrer Schwester scheiden,
Sie muss gehorchen, wenn die ernste wirbt –
Ich aber lächle selig über beiden,
Bis sanft im Traume unser Dreiklang stirbt.

*

Christbaum

Tränen flimmern um den Baum
Und du glaubst, es schimmern Kerzen,
Deine Jugend willst du herzen –
Ach, sie starb im Zeitenraum.

Jahre sind dahingerauscht,
Lang verweht, verhallt, verklungen,
Und das Lied ist ausgesungen,
Da du Glück um Glück getauscht.

Weit versunken sind für dich
Vaterstolz und Mutterliebe,
Wie erscheint die Welt dir trübe,
Seit der Eltern Leben wich.

Und verlassen schweigt dein Traum,
Alle Lust ist ihm entschwunden,
Deiner Kindheit frohe Stunden
Flimmern um den alten Baum ...

*

Auf dem Boden

Zwei Särge unserer Liebe stehen hier,
Die Betten, an des Bodens Wand gepresst
In Staub und Plunder;
Schmerzvoll weh wird mir,
Denk' ich an unserer Jugend heisse Wunder,
An alles Glück, das mälig uns verlässt.

Du bist längst tot, erloschen ist dein Geist,
Ich lebe noch und träum' im alten Schutte,
Und stehe zwischen wirrem Kram verwaist
Und ruf' der Waschfrau zu: »Räumt fort die Butte ...«

Dort ruhn die Betten an der Mauerwand,
Daraus das Leben blühte unserer Kinder –
Und stehn und warten, blicken unverwandt
Ins graue Nichts – des Todes Ueberwinder.

*

Mein Haus

Mein altes Haus – sie mögen dich nicht,
Sie finden dich düster und grau
Und nennen finster dein Gesicht,
In das ich voll Liebe schau'.

Mir birgst du eine ganze Welt
Von Glanz und Licht und Pracht,
Ich hab' mein Glück in dich gestellt –
Ich bin in dir erwacht.

Du warst mir Wiege, warst mir Traum,
Der mir das Leben barg,
Und gabst mir Trost in jedem Raum,
Du wirst mir einst zum Sarg.

Und stürzen deine Mauern ein
In einer neuen Zeit –
Mein Geist wird gegenwärtig sein –
Ein letzter Hauch, ein letzter Stein
Aus der Vergangenheit.


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