Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Schülerregatta ... und »Interne«

Der Sommer hatte schon seinen Höhepunkt überschritten. Die Ruderarbeit war dank der Ausdauer von Fräulein Stein so weit gefördert, daß die Mädel einen ganz brauchbaren Vierer abgaben. Anfang September sollte nun die alljährliche Schülerregatta abgehalten werden. Neben den für Schüler ausgeschriebenen Rennen gab es als Einlagen Stilruderwettbewerbe für Schülerinnen. Wie das Wort schon sagt, kommt es beim Stilrudern nicht wie beim Rennen auf die Schnelligkeit der Boote an, sondern es erfolgt durch Schiedsrichter eine Punktwertung für die Körperarbeit und die Blattführung der Ruderinnen.

Hannis Boot war für die Anfängerklasse gemeldet. Am letzten Übungstage vor der Regatta ruderten die Mädel ihr Boot zum Regattaplatz und stellten es dort ein. Der Regattasonnabend brach mit einem grau verhangenen Himmel an. Beim Morgenkaffee schickte Hanni schon verzweifelte Blicke hinauf. »Bis Nachmittag wird sich 's schon zum Platzregen aufklären«, tröstete ihr Vater. Und er sollte recht behalten! Es war, als ob sich Petrus den Regen des ganzen trockenen Sommers für diesen Tag aufbewahrt hatte. Unverdrossen goß es, was vom Himmel nur herunter konnte. Im strömenden Regen machten die Mädel ihren Vierer zum Start fertig, da Regatten auch bei Regen gefahren werden.

Fünf Vierer waren gemeldet, die jetzt zum Startplatz hinauffuhren. Die Strecke für Stilrudern beträgt gewöhnlich fünfhundert Meter stromab, dann wenden und fünfhundert Meter stromauf zurück. Die Boote werden mit je einer Minute Abstand gestartet. Hannis Boot fuhr als viertes. Auf der Strecke war ein unangenehmer Seitenwind, der ganz allgemein die Leistungen der Ruderinnen beeinträchtigte. Gerade vor der Tribüne, auf der die Zuschauer saßen, fing Hanni einen Krebs. Das Skull glitt ihr aus der Hand. Zwar konnte sie es gleich wieder fassen, doch mußte sie einen Schlag dadurch auslassen. An einen Sieg war natürlich nicht mehr zu denken. Trotzdem fuhren die Mädel in unverändert gutem Stile bis zum Ende durch. Nicht einen trockenen Faden hatten sie an sich, als sie dann am Steg ausstiegen. Fräulein Stein nahm sie in Empfang. »An meinem Pech ist nur der Regen schuld«, jammerte Hanni. »Ich konnte die Skulls nicht mehr halten, weil die Hände so naß waren.« Fräulein Stein tröstete, so gut sie konnte. »Ich freue mich nur, daß ihr so anständig weitergerudert habt, obwohl eure Siegesaussichten gänzlich hin waren. Das war brav. Man muß auch ehrenvoll unterliegen, das merkt euch. Denn wer das nicht kann, hat auch kein Anrecht darauf, als Sieger gefeiert zu werden!« –

Eine Woche nach der Schülerregatta wurde von der Ruderriege eine »Interne«, eine Klubregatta, veranstaltet. Dazu waren Einladungen ergangen. Hanni hatte die Eltern, ihre Verwandten und – Heinz dazu gebeten, der in der Ruderabteilung seiner Verbindung inzwischen auch ruderisch ausgebildet worden war. Hanni wollte dieses Mal unbedingt siegen.

Von einem benachbarten Ruderverein erhielt die Ruderriege einige Boote geliehen, so daß zur »Internen« Stilrudern in Vierern, Zweiern und Einern gefahren werden konnten. Hanni hatte sich für den Vierer und für den »Einer um die Klubmeisterschaft« gemeldet. Außerdem wurde von drei Vierern ein Rennen in Gigbooten über fünfhundert Meter ausgefahren, das den Schluß der Regatta bilden sollte. Man hatte den Sonnabend gewählt, um wenig Verkehr auf dem Wasser zu haben. Wieder war der Bootsplatz festlich geschmückt, und zahlreiche Gäste wohnten der Regatta bei.

Die Stilruderwettbewerbe nahmen mit dem Vierer den Anfang. Drei Vierer zogen mit gleichmäßig sauberer Ruderarbeit an den Zuschauern vorüber, ein hübscher Anblick, der den Schiedsrichtern die Wertung schwer machte. Danach starteten fünf Zweier. Die Zuschauer, die nicht die Feinheiten und die etwaigen Fehler so herausfanden, hätten auch hier kaum sagen können, welchem Boot der Preis gebührte. Sechs Boote wurden nun für die Einermannschaft fertiggemacht. Eine Pause zwischen den Wettbewerben, die zum Wegbringen der Zweier notwendig war, füllten jüngere Mädchen der Schule mit Gymnastikvorführungen aus, die viel Beifall fanden.

Unter den Ruderinnen herrschte begreifliche Aufregung. Hanni schlängelte sich an Fräulein Stein heran, die die einzelnen Punktwertungen der drei Schiedsrichter – Ruderer aus dem Nachbarverein – zusammenzählte, um daraus die siegenden Boote zu errechnen. »Wer hat denn im Vierer das beste Ergebnis?« fragte sie nun. »Das wirst du nachher bei der Preisverteilung ganz genau erfahren«, lachte Fräulein Stein sie an. »Mach' lieber schnell deinen Einer fertig, sonst kommst du nicht rechtzeitig zum Start! Hals- und Beinbruch! Mach' deine Sache gut!« – »Wo steckst du denn?« schimpfte am Steg Hannis Steuermann, »die anderen Boote sind schon losgefahren, und dabei starten wir doch als erstes Boot.« Schnell stiegen die Mädel ein und sausten los. Als die Einer nun in kurzen Abständen an den Zuschauern vorbeifuhren, hörte man schon allgemein die Meinung, daß das Boot Nummer eins, also Hanni, das beste gewesen ist. Für den Einer eignete sich Hanni auch ganz besonders, da sie eine große, schlanke Figur hatte, die in dieser Bootsgattung vorteilhaft wirkt. Nach Beendigung der Stilruderwettbewerbe folgte wieder eine Pause, in der einige Volkstänze gezeigt wurden, worauf dann Vorführungen mit Medizinbällen kamen.

Voller Spannung wartete alles auf den Abschluß der Regatta, das Viererrennen. Man sah die drei Boote schon genau ausgerichtet am Start nebeneinander liegen, begleitet von einem geliehenen Motorboot, auf dem der Schiedsrichter saß. Jetzt hob dieser eine Flagge. Als er sie dann bei Abgabe des Startkommandos schnell senkte, setzten sich die Boote in Bewegung. Noch lagen alle Boote in einer Linie, doch jetzt – die Spannung der Zuschauer wuchs – löste sich das äußere Boot aus der Reihe und schob sich eine Länge vor. Näher, immer näher kamen die Boote, man hörte schon die anfeuernden Rufe der Steuerleute, – da fing das mittlere Boot an aufzuholen. Es fehlten noch fünfzig Meter bis zum Ziel – das mittlere Boot lag nur noch eine halbe Länge zurück – jetzt – der Zuschauer bemächtigte sich große Aufregung, einzelne riefen zum Ansporn den Namen des Schlagmanns – schob es sich Meter um Meter näher – nun noch dreißig Meter – der Abstand zwischen den beiden Booten wird geringer – noch zwanzig Meter – Bord an Bord liegen beide Boote – und jetzt, wenige Meter vorm Ziel gelingt es dem mittleren Boot mit einigen kräftigen Schlägen (Endspurt sagt man dazu), den Gegner unter dem Jubel der Zuschauer zu überholen und mit ganz knappem Vorsprung durch das Ziel zu gehen. Hanni, der tüchtige Schlagmann im Siegervierer, hatte durch den Endspurt ihrer Mannschaft zum Siege verholfen. Mit dreifachem Hip, hip, hurra wurden die Siegerinnen am Steg begrüßt, und selig vor Freude fiel Hanni ihren Eltern um den Hals, die sich stolz mit ihr freuten.

.

Der Direktor der Schule verkündete nun die Siegerergebnisse und nahm die Preisverteilung vor. Hannis Stilvierer hatte das beste Ergebnis aufzuweisen. Die fünf Mädel traten vor, der Direktor schüttelte jeder die Hand und überreichte als Andenken eine Vase mit der gemalten Klubflagge. Wie nicht anders zu erwarten war, wurde Hanni auch Einermeisterin und erhielt eine Schreibmappe dafür als Anerkennung. Freudig nahm sie dann mit ihrer Mannschaft den Preis für das Rennen in Empfang, einen silbernen Anhänger mit Flagge. Ganz unerwartet sagte dann zum Schluß der Preisverteilung der Direktor: »Es ist mir noch eine ganz besondere Freude, unserer Einermeisterin, Hanni Hase, auch den von mir für die Gesamthöchstleistung gestifteten Preis zu überreichen. Ich glaube sicher, daß ihr noch mancher Rudersieg werden wird, aber diese kleine Gabe soll sie immer an ihre ersten Erfolge erinnern.« Ganz rot wurde Hanni, als sie unter dem Hip, hip, hurra der Anwesenden ein Kristallschiff in Empfang nahm. Das war ihr stolzester Augenblick. Von Heinz bekam sie einen großen Blumenstrauß in die Hand gedrückt, den er irgendwo hergezaubert hatte. Sicher hatte da Hella ihre Hand im Spiele. Fräulein Stein machte schnell eine Aufnahme von der lachenden Siegerin, und von allen Seiten wurde ihr gratulierend die Hand gedrückt.

Bis zum Spätabend blieben die Anwesenden noch bei Musik und Tanz vergnügt beisammen.


 << zurück weiter >>