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Gewitterfahrt

Es war zwei Tage später, an einem für die Jahreszeit ungewöhnlich heißen Tage. Fischer Schalk erwachte von einem ausgedehnten Mittagsschläfchen auf der Bank vor seinem Häuschen, weil ihm die Sonnenkringel plötzlich nicht mehr um die Nase tanzten. Frau Sonne schien in ihrem Wolkenbett auch der Ruhe zu pflegen. Sie hatte sich eine dicke Wolke als Mütze umgebunden. Fischer Schalk glaubte sogar, sie in der Ferne schnarchen zu hören, – – – oder sollten das die Vorboten eines aufziehenden Gewitters sein? Dann gäbe es vielleicht gegen Abend noch einen guten Fischzug, da wäre es schon recht, den Kahn dafür beizeiten zu rüsten.

Dieser Kahn war sein ganzer Stolz, wenn er auch schon sehr mitgenommen war. Er nahm die zum Trocknen aufgespannten Netze beiseite und stapfte über die Wiese zum See hinunter. Aber weit und breit war kein Kahn zu sehen. »Ist mir doch diese Rasselbande wieder mit dem Kahn davongefahren, während ich mal gerade fünf Minuten die Augen zugemacht habe!« schimpfte der Fischer und hielt Ausschau nach den Ausreißern. Hanni, Gretel und Heinz aber waren längst mit dem Kahn in der tiefen Bucht hinter der dichtbewaldeten Landzunge, die in halber Höhe in den See einschnitt, verschwunden. Sie hatten den Kahn an Land gezogen und waren mit den Fischen um die Wette geschwommen. Jetzt lagen sie alle drei auf der Wiese und ließen sich von der Sonne trocknen.

»Ich weiß nicht«, meinte Gretel, »was es wohl war; als wir vorhin hier anlegten, hat es im Kahn so komisch geknackt.« – »Da lag sicher noch ein Fisch im Kahn, und der hat jetzt seinen Geist aufgegeben«, neckte Heinz. »Ach du, tue nicht immer so erhaben«, fuhr Hanni dazwischen, »ich habe es auch gehört und glaube beinahe, daß wir auf etwas aufgefahren sind.« Sie erhob sich und ging suchend auf und ab. »Da haben wir es, hier sind einige starke Baumwurzeln im Wasser, auf die wir vorhin sicher aufgefahren sind; wenn das man gut gegangen ist.«

Jetzt merkte auch das Kleeblatt, daß die Sonne verschwunden war. Heinz betrachtete mit Kennermiene die Wolken und drängte zum Aufbruch. »Hanni, nimm das Steuer, passe jetzt aber besser auf«, kommandierte er. Mit einigen kräftigen Stößen schob er das Boot ins Wasser, sprang hinein und griff zu den Rudern. Gretel lag im Badeanzug lang hingestreckt in der Spitze des Kahnes und träumte in den Himmel. »Lieg doch mal endlich ruhig«, schnauzte die brüderliche Liebe plötzlich, »ich kriege ja die Ruder kaum aus dem Wasser, wenn du dich so herumwälzt.« – »Hier ist es so naß«, verteidigte sich Gretel, »ich möcht' nur mal wissen, wo plötzlich das Wasser herkommt?« – »Ja«, sagte Hanni, »ich finde auch, daß das Wasser im Kahn zusehends steigt. Wir müssen mal nachsehen, wo es herkommt. Ich glaube, hier unter dem Brett unter meinen Füßen kommt es durch.« Heinz schob das Brett zur Seite, und ein ganz hübsches Loch kam zum Vorschein.

Verdutzt schauten sich die drei Sünder an. »Das ist eine schöne Bescherung, hoffentlich kommen wir noch heil ans Ufer«, knurrte Heinz. »Gib mal deinen Badeanzug her, Hanni, vielleicht können wir damit das Loch etwas zustopfen, und nimm man schon meine gute Mütze und schöpfe etwas Wasser aus.« Gretel kam inzwischen auch angekrochen und half der Freundin. Aber das Wasser strömte doch noch ziemlich ins Boot. »Da ist auch noch ein kleineres Loch, Gretel, halte da mal feste die Hand drauf, sonst müssen wir doch noch mitten im See aussteigen!« Er selbst ruderte, was die Kräfte hergeben wollten, während Hanni unermüdlich das Wasser ausschöpfte. Gretel schmerzte schon die Hand, aber sowie sie das Loch freiließ, strömte das Wasser ins Boot. Endlich waren sie an Land, wurden von dem schimpfenden Fischer empfangen und trollten sich auf großen Umwegen kleinlaut heimwärts. Hanni ging mit zu Brauns.

Die Sonne hatte inzwischen die Wolken wieder verdrängt, aber Fischer Schalks Gewitterahnung sollte sich doch erfüllen. Er selbst war es, der das Gewitter auslöste, weil er den Amtsgerichtsrat Hase aufsuchte und ihm mitteilte, daß seine Tochter Hanni und die Braunschen Kinder seinen Kahn in Grund und Boden gefahren hätten.

Als Hanni nach Stunden zu Hause anlangte, empfing sie ein kräftiges väterliches Donnerwetter.

»Mit dem Kahnfahren ist es ein für allemal vorbei«, bemerkte abschließend der Vater. »Fischer Schalk hat Weisung von mir, euch nie wieder in seinem Kahn rudern zu lassen.«

Frau Hase freute sich innerlich über diesen Beschluß ihres Mannes, wenn ihr auch Hanni leid tat, die wortlos und traurig am Abendbrottisch saß.


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