Julius Stettenheim
Heitere Erinnerungen
Julius Stettenheim

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315 An meinen Verleger.

Lieber Herr Fischer,

ich kann den letzten Korrekturbogen der »Heiteren Erinnerungen« nicht an Sie absenden, ohne Ihnen meinen besten Dank für die Geduld zu sagen, die Sie während des langsamen Entstehens dieses Buches als eine der herrlichsten Verlegertugenden geübt haben. Daß ich Sie zu dieser Uebung zwang, welche Ihre Geduld auf eine harte Probe stellte, war ja nicht hübsch von mir, wird aber durch die Arbeit entschuldigt, zu der ich mich in einem unbewachten Augenblick entschlossen hatte. Ich merkte nämlich schon im zweiten oder dritten Kapitel meiner Nichtbiographie, daß der Titel »Heitere Erinnerungen« mich ungemein einschränkte und überall hinderte. Der Titel ist ganz entschieden einer der vielen Fehler dieses Buches. Denn ich sah nur zu bald, daß Vieles, was ich erzählen wollte oder erzählt habe, nicht in das Buch paßte, weil es in seinem Verlauf nicht durchweg heiter darzustellen war, sondern schließlich bedeutend besser in ein Buch unter dem Titel »Trübe Erinnerungen« paßte. Es geht gewiß jedem Menschen so, der in seine Vergangenheit blickt. Da entdeckt er bei schärferem Hinsehen Ereignisse und Episoden, die er als leidlich heitere in seiner Erinnerung bewahrte und die ihm nun plötzlich gar nicht mehr so heiter erscheinen, wie er sie – Dank seinem Temperament – mit sich herumgetragen hat. Es ist das der alte Schaden der Lebensfreude, die nach des Dichters Wort keinem Irdischen ungemischt zu Theil wird. Irgend eine kleine oder große Bitterkeit kommt gewöhnlich hinzu und nimmt der Heiterkeit den angenehmen Geschmack. Dahinter kam ich oft, wenn ich mitten im Erzählen eines heiteren Erlebnisses steckte. Da gewahrte ich plötzlich, daß an irgend einer Stelle mein Gedächtniß vorlaut an einen Zwischenfall mahnte, der einen integrirenden Theil des Erzählten bildete, aber durchaus nicht in den Rahmen paßte, in den ich durch den Titel meines Buches gezwängt war. Ich sah mich also genöthigt, das Kapitel bei Seite zu legen, und so ist manche Stunde Arbeit verloren gegangen, und Sie mußten dann umsonst auf Manuskript warten, was ja schlimmer sein muß, als das Schreiben. Nun ist es ja überstanden, und nun wollen wir auch wieder gute Freunde sein, so weit das zwischen Schriftstellern und Verlegern möglich ist.

Ihnen und mir mehrere Auflagen der »Heiteren Erinnerungen« wünschend, damit diese auch nach dieser Richtung hin ihrem Namen gerecht werden, grüße ich Sie

Berlin, Oktober 1895. freundschaftlich
 
Julius Stettenheim.

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