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Der Freiheitssturm, der ganz Deutschland und Österreich, von Frankreich her entzündet, so erschüttert hatte, als sei er wirklich der Anbruch eines Menschheitsfrühlings, war kläglich zusammengebrochen. Man hatte sich für die europäische Freiheit begeistert und war, ungeregelt, nur vom schwärmerischen Tumult des Innern getrieben, über die Staatsgewalt hergefallen, in der man sich befand, und hatte sich angeschickt, sie zu zerschlagen, nicht, weil man Verwaltung und Verfassung genau kannte, die an Stelle der in Trümmer gegangenen Ordnung zu setzen war, sondern nur berauscht von den utopischen Feuergedanken eines allgemeinen Weltumsturzes. So sicher es ist, daß alle Revolutionen mit der Explosion dieser Flatterminen beginnen, so unabwendbar die Staaten und, nach dem Zusammenschluß aller Volker zu einem einzigen Ganzen, die Menschheit sich immer wieder anschicken wird, die selbstgeschmiedeten Ketten der Ordnung zu zerreißen, so geheimnisvoll ist doch die Ursache, aus der diese ewige Erdenunruhe stammt. Es ist das Menschenwesen, das, bei aller irdischen Gebundenheit und Bestimmtheit, getragen wird von kosmischer Unendlichkeit. Es läutet die ruhelose Glocke des Menschenherzens, es entwertet die tiefsten Einsichten des Verstandes endlich zu wertlosen Hieroglyphen und Wortfetischen, es fühlt sich in den erleuchtetsten Systemen der Weltanschauung zuletzt wie in einem engen Gefängnis. Und obwohl im Frankfurter Parlament die tiefsten, zukunftsreichsten Gedanken Ausdruck fanden, ging die tatsächliche Entwicklung an der Glut der besten deutschen Geister wie an dem Phantasiespiel verstiegener Doktrinäre vorüber. Denn wie im Intuitionsrausch das Genie nur wenige Augenblicke sein erhabenes Wesen in die unendliche Weite seligen Allseins und Allwissens zu heben vermag, um es dann trauriger als vorher in den engen Pferch seines bewußten Geistes und die unwürdige Winkelstadt seiner irdischen Tage fallen zu lassen: so vermögen auch Völker nur eine kurze Zeit in der unwirklichen Traumwelt zu leben, die aus der Tiefe ihres Wesens als der Anspruch eines göttlichen Rechtes aufsteigt. Bald lag die gleichmachende Heckenschere aus Frankfurt zerbrochen am Boden, und die Flügel der Reaktion waren nicht schwächer geworden, nachdem man sie gestutzt hatte, sondern sie schatteten mächtiger wie vorher von der Memel bis zum Donnersberge.

Die Barrikaden in Berlin hatten nichts genutzt. Wie zwecklos war die Spukreihe der Ministerien Hansemann, Auerswald, von Pfuel, Brandenburg und von Radowitz vorübergegangen. Umsonst hatte es in kurzem Aufstoß in den kleinsten Städten dumpf gezittert. Vergeblich waren Landräte vertrieben, Bürgermeister geprügelt und Polizisten ins Wasser gestoßen worden. Unter Manteuffel war die Kammer zu einer lächerlichen Farce und die zugestandene Verfassung in den geschickten Händen der Konservativen zum brauchbaren gesetzlichen Mittel geworden, das Freiheitsfieber überall auszurotten.

Nach der Niederwerfung des Aufstandes fischte jedes kleine Fürstchen sein Hermelinjäcklein wieder aus der Lache, zu der der brausende Strom des Umsturzes geworden war. Ja, jedes Gräflein, wie der Graf Schilling zu Wilkau, gebärdete sich wieder als von Gott gesetzter Souverän, vor dem das enttäuschte und geängstigte Volk sich bedingungslos beugte. Die heiligen Rechte, für die es sich erhoben hatte, schienen vergessen. Statt ihrer schnappte man würdelos nach den kümmerlichen Brocken willkürlicher Huld wie nach himmlischen Geschenken einer unverdienten Gnade. Mit dem politischen Eifer war auch der wahrhaft patriotische Eifer verschwunden, dessen schönste und wahrhafte Auswirkung die Menschenwürde ist. An ihre Stelle war der Schorf der Loyalität getreten, eine Knechtsseligkeit, eine Art Geisteskrankheit der Kleinen und Kleinsten, die man als Schutzmittel gegen Schikanen und Verfolgung überall zur Schau stellte.

Als die Revolution vorüber war, blieb eine Jugend zurück, die alt und kalt lebte, und ein Alter, das sich hitzig aufs Geldverdienen stürzte. Diese Gedanken und Überlegungen, die in Maechlers Geist allerdings nur mit den Bildern der Erfahrungen des eigenen Lebens vorüberzogen, beschäftigten, ja, bestürmten den Gerber, während er nach dem Verlassen des Gasthauses zum Grünen Baum durch Wilkau ging, um sich den Ort bei Tage anzusehen. Und obwohl nun das Leben in gemächlicher Geschäftigkeit durch die Gäßchen, Steige und Straßen rieselte, daß das Gewirr der vielen Winkelzüge den Zauber weltferner Verwunschenheit erhielt, so konnte doch Maechler wegen des bitterlichen Tumults in seinem Innern nicht zu einem reinen Genuß dieser seligen Lebenströdelei kommen, vor allem auch deswegen, weil sie ihm nur als trügerischer Schimmer erschien, unter dem die bösen, verwilderten Grundkräfte ihr Wesen trieben, deren brutale Auswirkung er in der Tobsuchtsszene des Grünen Baumes erlebt hatte. Vergebens stand er auf dem Schloßplatze vor dem herrlichen Barockhaus des Grafen, umsonst suchte er den Kirchhof auf und betrachtete die bildgeschmückten Grabsteine der verstorbenen Angehörigen des Grafen Schilling. Das lange Haus, die Badehäuser, der kleine Park, die wenigen gutgekleideten Badegäste, nichts war imstande, den stiermäßigen Wutschrei des Schlossers Neefe und das schmerzlich-schluchzende Singreden des irren Ignaz Wildner zu verscheuchen, das sich durch die nachtfinstere Gasse ins Feld verloren hatte, und wenn er zu dem Gebirge aufschaute, das immer noch dunkel und wetterunheimlich sich hoch in einem angegrauten und doch grell drohenden Himmel fortschwang, so konnte er nicht verhindern, daß ihn auch noch die Erinnerung an den finsteren Liebeskampf mit der dämonischen Paula in der Bradlerbaude wieder überfiel. Wie im Traum heut Nacht war es ihm, daß dieses hölzerne, mänadische Wesen mit den gestanzten Augen sein Leben mit Schatten ummauerte. Wie es geschah, wußte er nicht. Er fand sich nach einiger Zeit wieder am Ufer eines der Grandorfer Teiche sitzen und über den regungslosen Spiegel des Wassers blicken. Unvermutet brach die Sonne durch den grauen Wetterdunst, und auf Augenblicke leuchtete der Teich in einem strahlenden Blau, als sei er ein weites Tor, durch das der Himmel sich segnend in das Innere der Erde stürzte. Maechler sprang auf, schüttelte die Verfinsterungen ab und ging erleichtert nach Wilkau zurück, um sein Reiseränzlein aus dem Gasthaus zu holen und dann unverzüglich in der Richtung nach Lauban weiterzuwandern, in dessen Nähe Gerlachsheim, sein Heimatsdorf, lag. Denn dieser Himmelseinbruch auf die Erde, den er eben in dem blauen Aufleuchten des Teiches erlebt hatte, wirkte sich in dem unruhigen, veränderlichen Gemüte Maechlers als immer klarere Überzeugung aus, nur auf dem Boden seiner engeren Heimat werde ihm ein fruchtbares Leben gelingen.

Er wollte nur noch bei dem einzigen Gerber, den es in Wilkau gab, aufs Geschenk gehen, weil er den kleinen Zehrpfennig bei seiner geringen Barschaft wohl gebrauchen konnte.

Maechler geriet auf seinem Rückweg in ein Steiggewirr, das ihn am Heidewasser hin auf einem kleinen Umweg durch eine Gasse Scherichsdorfs führte, mit der dieser Nachbarort Wilkaus fast in das kleine Wuselstädtchen hineingriff und da und dort sich so mit ihm verfilzte, daß die beiden Gemeindewesen kaum voneinander zu scheiden waren. Bald stand er auf der Sandbrücke, durch die Scherichsdorf und Wilkau verbunden waren und erkannte in ihr den Bohlenübergang wieder. an dessen Geländer er gestern Nacht gelehnt hatte, nachdem er zwecklos dem Manne und dem Mädchen ein Stückchen in müßiger Neugier gefolgt war. Ja, wirklich, und da strich ja die Zeile der einstöckigen Häuser mit den schmalen Vorgartenstreifen hin, worin die beiden verschwunden waren. Es mußte das dritte oder vierte sein, dessen Zauntürchen hinter ihnen klirrend in die Haspe geschnappt war. Im Einbiegen in die einzeilige Gasse las er an dem Eckhäuschen, einer kleinen Schenke auf einem fast erloschenen Schildchen »Feldgasse«, den Namen dieses kurzen Gassenstrichs, und erinnerte sich aus der Erzählung des Wirtes zum Grünen Baum, daß hier der einzige Gerber Wilkaus wohne. Zugleich aber hörte er in sich das kindhafte und zugleich rätselhafte Lachen des Mädchens klingen, das der Grund gewesen war, ein paar Häuserbreiten hinter ihm herzugehen. Belustigt über diese Fügung trödelte Maechler das Gäßlein hin, und es dauerte auch nicht lange, so hatte er den Lohgeruch in der Nase, und noch ein paar Schritte weiter stand er auch schon in der Nähe eines Hauses, das weitläufiger und geräumiger als die anderen, an der Wand eines etwas vorgebauten Frontspießes ein Schild mit der Aufschrift: Paul Wennrich, Gerberei und Lederausschnitt, trug. Aber von Handwerksbetrieb war diesem fast übertrieben sauberen Hause mit Geranien und Fuchsien vor allen Fenstern nicht das geringste anzumerken. In der friedlichen Lautlosigkeit glich es eher der Wohnung eines kleinen Rentners. Maechler wollte eben über die Gasse gehen, um sich zu überzeugen, ob dort der Werkplatz angelegt sei, als er von dem Anruf einer männlichen Stimme getroffen wurde, die nach den ersten Worten schon in einem alten Husten unterging. So trat er vollends an das Zaunpförtchen heran und sah unter dem vorgebauten Frontspieß, der auf zwei Holzsäulen ruhte, den Mann sitzen, der ihn gestern bei dem kurzen Streit mit dem Schlosser Neefe auf dem Schloßplatz so verzehrend leidenschaftlich angestarrt hatte. Ja, es war dasselbe halbverfallene Gesicht mit der hohen, kastenartigen Stirn und dem fast ergrauten, kurzen Vollbart. Nur die Augen, die ihn gestern groß und flackernd angestarrt hatten, blickten jetzt müde, in einer Art mißvergnügter Güte, als seien sie durch eine gramvolle Nacht in beginnendes Erloschen getaucht worden. Der Gruß Maechlers wurde von dem Manne gütigleidend erwidert, mehr durch ein Kopfnicken als durch Worte und einen kleinen Versuch, sich von der Bank zu erheben, den er indes bald aufgab. Allein es war wohl zu bemerken, daß er mit Wohlgefallen die freie, feste Art betrachtete, in der Maechler durch das Vorgärtchen und die beiden Stufen sich zu ihm bewegte. Und nun stand er vor Wennrich, sagte die alte Begrüßung, die mit dem Segensspruch des Handwerks beginnt, und daran schloß sich die Bitte um ein Geschenk.

Dann reichte er ihm seine Papiere. Wennrich nahm sie mit unsicherer Hand entgegen und prüfte sie eingehend. Nachdem er, ohne aufzusehen oder ein Wort zu sprechen, mit der Durchsicht zu Ende gekommen war, hielt er sie eine Weile in der herabgesunkenen Hand auf den Knien. »Hm, hm, weit herumgekommen«, sagte er dann sinnend zu sich und lächelte dabei, wie es Maechler schien, ein wenig abschätzig. Der aber betrachtete von oben her das schüttere, fast gebleichte Haar seines Kopfes, die beiden Muskelstränge des langen, mageren Halses, die ausgezehrten Arbeitshände und dachte im Anblick dieser Verfallszeichen, ob das wohl der Mann sei, von dem der Wirt des Grünen Baumes erzählt hatte, daß er vierzehn Tage wegen der Explosion hinterm Schloß im Gefängnis gehalten worden war, die heute noch viele dem Schlosser Neefe zuschrieben. Als sei Wennrich von diesem Gedanken getroffen worden, richtete er sich auf und in seinen Augen glomm ein dunkler Glanz. So betrachtete er Maechler aufmerksam und wartete offenbar auf eine Antwort. Als diese ausblieb, sagte er, wieder in seine gütige Müdigkeit verfallend: »Ja, ja. Solange man wandert, geht die Hoffnung vor einem her und das Schlimme bleibt hinten und wird endlich vergessen. Wenn man sitzen muß, kommt es über uns. Was ist da zu machen?« Dann griff er in die Tasche, zog aber die Hand zurück, rückte auf der Bank hin und lud Maechler zum Sitzen ein. »Auch in Würzburg waren Sie? Eine schöne Stadt. Ich habe da ein Jahr in der Gerberei Mindner gearbeitet«, sagte er dann wieder mit dem zerdrückten lächeln, das während der Unterhaltung, die nun begann, ihn immer überfiel und merkwürdigerweise gerade an Stellen, die Heiteres oder Erfreuliches streiften. Es ergab sich, daß es ihn ebenfalls durch Mittel- und einen Teil Süddeutschlands geführt hatte. Maechler verschwieg seine Teilnahme an der Revolution, und auch Wennrich berührte mit keinem Wort die Unruhen, von denen Deutschland jahrelang bis zu den Grundfesten erschüttert worden war. Die beiden reisten plaudernd in der Welt umher, und Maechler spürte wohl, wie er von dem kränklichen Meister klug und vorsichtig über Charakter und handwerkliche Tüchtigkeit ausgeholt wurde. Drinnen im Hause wurde dann und wann die eine oder andere Tür leise geöffnet und geschlossen. Schwebende, ruhige Schritte gingen auf und zu und wenn sie sich der geschlossenen Haustür näherten, hob Wennrich den Kopf und unterbrach die Unterhaltung. Nachdem das einige Male sich ereignet hatte und doch nicht geschah, worauf Wennrich offenbar wartete, daß nämlich die Person in dem Hause zu ihm heraustrete, beendete der Meister die Unterhaltung und fragte Maechler geradezu nach den näheren Umständen seiner Herkunft, seinem Wanderziel und seinen Absichten. Maechler brachte es nicht über sich, seiner Abneigung gegen Wilkau Ausdruck zu geben, und sprach von dem Vorsatz, sein Heimatsdorf aufzusuchen, wie von einem spielerischen Einfall. Allein bei einigen Wendungen, die ihm trotz des besten Willens zur Mäßigung entfuhren, wurde Wennrich in einem Maße aufmerksam, was Maechler fast bestürzte, denn kaum hatte er davon gesprochen, im Grünen Baum über Nacht geblieben zu sein, legte er die Papiere, die während der ganzen Unterhaltung spielend von der einen in die andere Hand geglitten waren, mit einem Stoß neben sich, und seine Augen flackerten so starr auf wie gestern abend.

Maechler erschrak über die Erbitterung, die den Mann plötzlich packte. Sein Gesicht bekam einen gelblichen Ton. Der Mund sog die Lippen ein, und der Atem ging in kleinen asthmatischen Stößen.

»So, im Grünen Baum haben Sie übernachtet?« fragte er, nachdem er sich mühsam, wie von einem unvermuteten Schlage erholt hatte. Es sollte beiläufig klingen und war doch fast ein Aufschrei der Verachtung.

Ehe Maechler zu einer Erklärung kommen konnte, wurde die Haustür geöffnet, und ein blondes, hochwüchsiges Mädchen stand auf der Schwelle. Ihr Busen wogte noch von der Eile, mit der sie herangesprungen war. Sie selbst aber stand gefaßt und schaute fragend und ruhig aus großen, graugrünen Augen von einem auf den anderen.

»Gott sei Dank, daß du kommst, Lotte«, sagte Wennrich mit abgeschlagener Stimme.

Das Mädchen trat herzu und legte begütigend die Hand auf die Schulter ihres Vaters, beugte sich ein wenig zu ihm und fragte begütigend: »Was gibt es denn nun wieder?«

Anstatt zu antworten nahm Wennrich ihre Hand unwirsch von seiner Achsel und fragte nach Maechler deutend: »Ist das nicht derselbe Mann, der gestern abend dem, dem, dem...« Vor offenbarem Ekel mußte er eine Pause machen... »nein, dem lieben Neefe die Wahrheit gesagt hat?«

Lotte musterte Maechler, der aufgestanden war, mit stillem, verschleiertem Blick, wandte sich dann lachend an den Alten und sagte fröhlich: »Ja, ich glaub schon. Aber da ist doch weiter nichts dabei. Das heißt«, damit sah sie Maechler fragend an, »wenn der Herr nickt anderer Meinung ist.«

Ehe Maechler etwas erwidern konnte, brach es aus Wennrich schon wieder bitter hervor: »Da liegt eben der Hund. Er ist – Gott, wir sind alle Menschen – er ist bei dem sauberen Kammel über Nacht gewesen und ist doch ein honetter, braver Mann, Papiere über alles gut, aus einer uralten Gerberfamilie, kommt aufs Geschenk und nun, da ich ihn einstellen will, ist er unter dem Dach eines Judas gewesen.«

Das sagte der Gerbermeister immer leiser und leiser, immer verlorener in sich hinein, wie Verlaufene vor dem Einschlafen von der Unabwendbarkeit ihres Schicksals sprechen, und Lotte winkte Maechler, der sprechen wollte, bittend mit den Augen, den Gramvollen zu schonen. Er nickte verstehend, langte sich lautlos den Stock von der Bank, streckte dem vor sich hinschauenden Wennrich die Hand zum Abschied hin mit den ergriffenen Worten: »Nun, nichts für ungut, Herr Meister, Sie können mir glauben, daß ich Ihnen nicht wehtun wollte. Ich kann wirklich nicht dafür. Leben Sie wohl.«

Aber Wennrich sah erst fassungslos auf die dargebotene Rechte, ohne sie zu ergreifen, und dann maß er ratlos und traurig den vor ihm Stehenden.

»Das ist eine Welt!« sagte er darauf zu seiner Tochter aufblickend. »Verstehst du das, Lotte? Ich nicht. Herrgott noch mal, Maechler, Sie gefallen mir. Ich Hab Ihnen das doch deutlich genug gesagt, und wenn es Ihnen paßt, sollen Sie bei mir bleiben und in dem Krempel kutschieren, der ein wenig drunter und drüber geraten ist. Meine Wut gegen den Schlosser und den Gastwirt, die mir Gott verzeihen möge, galt nicht Ihnen, meiner Seele, nein, hier haben Sie meine Hand drauf.« Er riß die Rechte Maechlers mit beiden Händen an sich und schüttelte sie ergriffen.

»Soll ich, Lotte?« fragte er im Schwunge der Erschütterung seine Tochter.

Das Mädchen bewegte ernst und verneinend den Kopf und fuhr beruhigend über sein Haar.

»Na, dann später«, sagte Wennrich, »aber so viel sollen Sie, Maechler, wissen, daß mir die beiden – Herren – nein, Hunde nicht – daß mir die beiden, pfui, einen Handel aufgeladen haben, eine Schweinerei, die mir fast den ganzen Nerben meines Lebensleders gekostet hat. Aber ich komme schon wieder herauf. Nein, nein, laßt gut sein. Und nun werden Sie mit uns zu Mittag essen. Da können wir in Ruhe das andere bereden.«

Auf diese Wendung nicht gefaßt, griff Maechler fester um die Krücke des Stockes und sah fragend zu Lotte hinüber, die erblaßt war und mit den Tränen kämpfte. Auf seinen Blick schloß sie nur die Augen, und ein spärlicher Tropfen rann über ihre Wangen.

Da flog ein leiser Nebel um Maechler.

»Gut, ich danke Ihnen, Meister, es soll so sein«, sagte er entschlossen, und die drei gingen dann ins Haus.


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