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Achtes Kapitel.
Verwirrungen und Verwicklungen.


Wenn schon Hinterbein mit sich selber auf's Reine gekommen war, und mit Fassung dem Augenblick entgegensah, da seine Geschäfte unter der Hand erledigt seyn und ihm die Muße lassen würden, einen Zug über den Rhein zu machen und in Sicherheit zu bringen, was ihm lieb und theuer, so trat doch wieder ein leidiger Umstand ein, der ihn auf's Neue in Noth und Entsetzen stürzte. – Es hatten sich bald nach der Revolution, die den Demokraten das ganze Land in die Hände gegeben, Fremdlinge in Menge eingefunden, um für die neuen Zustände zu kämpfen und möglichst daraus Vortheile zu ziehen. Flüchtlinge und Abenteurer von allen Nationen durchzogen die Stadt Freiburg, nach Karlsruhe sich zu begeben. Die Gassen liefen von ihnen voll, und sie waren für Katharinchen zum Beispiel sehr willkommene Gestalten. Das gute Kind hatte sich schon so lange nach Freischärlern gesehnt! Auch für Raphael war die Anschauung dieses Wandervolkes nicht [149] ohne Reiz. Er klopfte dabei still und geheim an seine Brust und dankte im Gebet: »Ich danke Dir, Herr mein Gott, daß ich nicht mehr bin, wie Diese da!« – Für den Papa Hinterbein war dagegen dieses Schauspiel von landstreichenden Zuzügern kein angenehmes. »Wo Diese sind, wird leider der Vetter Titus auch nicht fehlen!« dachte er in seinem Sinn, und tröstete sich nur damit, daß er seine Cornelia vor dem unberufenen Freiwerber gerettet.

Endlich aber schlug auch diese Prüfungsstunde. An einem schönen Maimorgen – Alfred hatte bereits mit des Vaters Segen seine Kurierfahrt in's Oberland angetreten, und Papa war in seinem Kabinet allein – rumpelt und poltert es verdächtig vor der Thüre des besagten Kabinets. Sporenklang und Säbelgerassel, Spektakel genug; von Klopfen keine Rede. Die Thüre springt auf, und der arme Kapitalist glaubt schon in seiner Herzensangst, man komme, ihn zu führen in den Kerker. Doch ist's nicht so arg, aber vor ihm steht richtig der gefürchtete Titus, seit einem Jahr gewachsen um mehrere Zoll, bebartet, wie noch nie, umflattert von einer dreifarbigen Schärpe, die an Länge ihresgleichen sucht, den befiederten Hut auf dem Kopf und mit einem sehr brav ausgebildeten Bierbaß fragt gedachter Titus: »Wie steht's, wie geht's, und guten Morgen, Bürger Hinterbein? Was ich vorausgesagt, ist es nicht geschehen? Daß die Freiheit siegte, ist eben kein Wunder; aber daß uns, Bürger Hinterbein, vor Schrecken und Verwunderung nicht der Schlag getroffen, das ist ein Mirakel. Was sagen wir nun zu den Dingen, wie sie gekommen sind? Schämen wir uns bis in's Herz [150] hinein? Zittern wir jetzt vor der Strafe, die unsere elende Knechtsgesinnung verdient hat?«

Während dieser langen Anrede hat sich Hinterbein ermannt, streckt die Hand hin und sagt: Willkommen, Bürger Titus! Allerdings sind unvorhergesehene und wichtige Ereignisse eingetreten. Das Volk hat sich erhoben wie ein Mann, und seine Erhebung ... und die Reichsverfassung ... und der Patriot für alle Zeiten ...

Dem Vetter in das funkelnde Auge schauend ist Papa konfus geworden, ist stecken geblieben. Aber in die Parade fährt ihm Titus, der nicht auf den Kopf gefallen: »Laßt die Komödie, Bürger Hinterbein, ich bitte Euch! Eher wird aus der finstersten Nacht der hellste Tag, aus dem Staub zu meinen Füßen ein Chimborasso, als ein wahrer Patriot aus dem selbstsüchtigen Spießbürger. Eure Bekehrung kann nur mit Feuer und Schwert herbeigeführt werden. Und dann wird sie erst noch nicht aufrichtig sein. Wenigstens macht der Schrecken folgsam, und ich will nach Kräften dazu wirken, daß der Schrecken zur Wahrheit werde.« – Aber, bester und liebster Bürger und Neffe Titus ... wollte Hinterbein anheben. Der Teufelsmensch unterbrach ihn jedoch noch einmal, fortfahrend: »Schon gut, abgemacht. Bürger, fürchtet Euch nicht, wenn Ihr gehorchen wollt. Ich bin also wieder da. Ich bin im Begriff nach Karlsruhe zu gehen und mich zum Generalstab zu melden. Ich hab' einen Kriegsplan in der Tasche, der unserer Sache den Stempel der unerschütterlichsten Dauer ausdrücken soll. Bevor ich jedoch mich stürze in Gefahr und Tod für's Vaterland, will ich des Lebens höchste Lust genießen, denn nur für den Augen [151]blick lebt der Mann des Volks. Ich will nämlich in der Geschwindigkeit meine Base Cornelia heirathen, und hoffe, daß weder sie, noch Ihr, noch irgend ein Mensch auf Erden etwas dagegen haben werde. Wo ist das himmlische Mädchen? Ich will sie sehen, ihr verzeihen, was sie an mir gesündigt, und ihr meine Hand reichen, je eher je lieber.«

Da war guter Rath theuer. Der junge Herr vom Generalstab war verdammt dringlich, machte wenig Federlesens. Doch besinnt sich Papa auf den alten Spruch des Volks, daß, wo nichts ist, der Kaiser selbst sein Recht verloren hat, und antwortet, gleichsam von Herzen einverstanden und bedauernd: Wär' mir gar nichts lieber, wenn nur das Mädel zu Hause wäre! Wie soll ich sie aber zurückschaffen über den Rhein, und sitzt sie nicht drüben im Elsaß, zu Markirch, bei meiner alten Tante Plettenberg? Fatales Zusammentreffen! Wenn's nur nicht so pressirte, liebster Vetter mein, ich würde schreiben auf der Stelle und ihr die Heimkehr strengstens anbefehlen ...!

»Ihr scherzt wohl, Bürger ...?« unterbricht ihn Titus, und seine Augen funkeln sehr, – aber mit der unschuldigsten Miene, weil jetzo in der That die Wahrheit sprechend, entgegnet Hinterbein: Ach, bester Bürger, Volksfreund und Vetter, mir ist gar nicht scherzerlich zu Muthe! – Und Titus hierauf lächelnd: »Sind wir so geschmeidig geworden?« – Und Hinterbein sofort: Wie Handschuhleder, wackerer Vetter, wie geriebenstes Handschuhleder! – Und wiederum schaut ihn Titus prüfend und durchdringend an: »Täuscht Ihr mich auch nicht, Bürger?« fragt er lauernd: »Wollt Ihr nicht vielleicht Cornelia vor mir [152] verläugnen? Wäre ihre Reise nicht etwa eine Finte? Hättet Ihr nicht etwa sie im Hause versteckt?«

Hinterbein machte eine Bewegung, wie das verletzte Ehrgefühl in Person, zieht den großen Schlüsselbund aus der Tasche seines Schlafrocks, reicht denselben dem Vetter dar, und sagt mit schwermüthiger Entrüstung: Untersuchen Sie das ganze Haus, Bürger Vetter; diese Schlüssel thun alle meine Thüren auf, Vetter Bürger. Ich gebe mich ganz in ihre Hände ... mein Kopf sei Ihnen Bürge ... –

Und abermals lächelt Titus und sagt leutselig: »Ich glaube Euch; ich wußte schon, daß Cornelia wirklich nicht mehr in Freiburg zu finden. Cornelia würde sich auch nicht einsperren lassen; sie ist zu frei, zu beharrlich und selbstständig, um sich dergleichen Spässe gefallen zu lassen. Die Sache pressirt auch nicht so gewaltig. Ich gehe heute zu Mittag nach Karlsruhe ab, lege dem Landesausschuß morgen meinen Kriegsplan vor, lasse mir eine Mission für's Oberland auftragen, eine militärische, wie sie in meinem Plane vorgeschlagen, und binnen der kürzesten Zeit treffe ich wieder hier ein. – Alsdann aber« – hier wurde des Vetters Blick und Wort wieder drohender – »alsdann hoffe ich, Cornelia wiederzusehen. Ihr habt dafür zu sorgen; Ihr steht mir dafür mit Gut und Leben. Macht Eure Anstalten; das Uebrige wird sich dann finden. Betrügt mich aber nicht; denn würdet Ihr die herrliche Jungfrau selbst im tiefsten Schacht der Erde vergraben, ich holte sie heraus, und dann Wehe Euch!«

Spricht's, dreht sich um, ist vor der Thür draußen, stolpert die Treppe hinunter, verläßt das Haus. Von Stund an ist jedoch in Papa ein Teufelchen los, das [153] ihn nicht ruhen und nicht rasten läßt. Er kramt in allen Kisten, er stürzt alle Schubladen, stopft alle seine Brieftaschen voll. Kann kaum erwarten, bis sein zukünftiger Schwiegersohn Alfred ihm Nachricht bringt von seinen Töchtern, und nicht so bald ist diese Nachricht ihm geworden, so verkündet Papa dem staunenden Alfred, daß er noch an diesem Abend fort wolle, um Morgen mit dem Frühesten Mathilde und Cornelia nach Basel zu bringen und im Hause eines Geschäftsfreundes, in einer liebenswürdigen Familie, einzuquartiren. »Ich habe Muth und einen Paß,« sagte Papa standhaft, »den mir der Nachbar Sattler verschaffte. Doch zähle ich auf Sie, Alfred, daß Sie mich begleiten, meine Töchter und meine Schatulle beschützen helfen und mich selber wohlbehalten heimbringen. Uebermorgen dann die letzte Expedition, die meine restirenden Kinder und Sie und mich, und meintwegen auch den närrischen Raphael gründlich salviren soll. Die Zeit brennt mir jetzo auf den Nägeln, und der Tisch muß rein sein, bevor der Unglücksvetter wieder kommt.«

Alfred ist erstaunt, willigt indessen ein, und dringt selber auf Eile; ebenso erstaunt sind Katharinchen und Cymbeline, da der Vater von ihnen Abschied nimmt und mit räthselhaften Worten auf fernere Verwicklungen, Weltfahrten und Auswanderungen hindeutet. Auch die Doktorin staunt ihr Theil, da ihr bis auf weiteres das Regiment des Hinterbeinischen Hauses anvertraut wird, und Raphael weiß gar nicht, was er sagen soll, als ihm, der zum Abendbesuch eintritt, Katharinchen die Abreise ihres Vaters und dessen freundlichen Gruß meldet.

»Es ist aber auch gar nicht schön von Ihnen,« fügt [154] Katharinchen ihrer Meldung mit schmollenden Lippen hinzu, »daß Sie sich den lieben langen Tag gar nicht sehen ließen. Ist das etwa ein Beweis der Liebe, die Sie zu mir hegen? Ich langweile mich zu Tode innerhalb unserer vier Dienern, und weiß der Himmel, wo Sie spazieren und Ihr Räppchen laufen lassen?« – Worauf der Hoftheater-Direktor mit getrübter Stirn und ergebenstem Handkuß: »O Herrin, Du solltest anders denken von mir! Welch' ein Verdacht, welch' ein Argwohn und welches Gezweifel! War mir nicht das Herz schwer wie ein Ambos, und hämmerten nicht darauf alle Sorgen und Aengsten, wie einst die Cyklopen des Heidenthums gethan? Mußte ich nicht sitzen ferne von Ihnen, holdes Kathrinchen, und klagen und plagen mich an dem Bette des Freundes, der dahinliegt, eine Beute des Kummers, und vielleicht bald eine Beute der Krankheit und des Todes? Denn es schüttelt den Kopf der Arzt und braute schon manche Mixturen und ahnet doch bösliche Galle im Aufruhr, ansteckend zum Fieber, fürchtet dasselbe für Fritz, den einst man genannt hat den Schönen!«

Es versteht sich, daß Katharinchen von sothaner Deklamation und Jambirung aus dem Stegreif lustig erregt wurde und in gellendes Gelächter ausbrach, worein der Doktor, der zugegen, und halb und halb auch die Doktorin einstimmten. Ebenso natürlich war indessen, daß Cymbeline, eine Ohrenzeugin der Tirade des Raphael, dieselbe nicht lustig aufnahm, darüber in unbeschreibliche Angst verfiel. Friedrich krank, verlassen, ohne Pflege, vielleicht noch von andern Gefahren umgeben, die ihn bedrohen, den fürstlichgesinnten Beamten, welcher der ungesetzmäßigen Regierung den Eid [155] verweigerte! Cymbelinens Schrecken, groß und unvorhergesehen, ließ sich nicht einpressen in ihre liebende Seele allein; sie mußte ihn mittheilen, mußte fragen, sich von dem ganzen Umfang ihrer Besorgniß in Kenntniß setzen ...!

So erfaßt sie den günstigen Augenblick, schickt Katharinchen mit einem Auftrag aus dem Zimmer und wagt den Raphael anzureden, sich zu erkundigen nach der Lage des Sekretärs. Raphael wiederholt, was er schon gesagt, fügt aber bei, daß der Grimm über die jetzigen Zustände des Landes, und dann der unverholene Kummer um den Verlust, den selbstverschuldeten, seiner edeln Braut, zu gleichen Theilen den Sekretär in die Schlingen einer drohenden Krankheit geworfen; daß der Arzt selbst der Meinung, eine schnelle Entfernung aus dem Lande dürfte das beste Heilmittel seyn und die Krankheit noch im Keime ersticken. Noch dringender sei dem armen Friedrich diese Entfernung angerathen worden, weil er, schon früher unbeliebt bei den Freiheitsmännern, in der letzten Zeit durch unvorsichtige Reden an öffentlichen Orten den Haß des Volkes aufgestachelt habe, und weil schon hie und da das Gerücht umgegangen, der Sekretär sammt seinen Gesinnungsgenossen müsse verhaftet und unschädlich gemacht werden. »Das kann nun heut' oder morgen geschehen;« schließt Raphael seine Rede: »und sein Untergang ist gewiß, sein Tod unausbleiblich, wenn sie ihn in den Kerker stoßen. Aber wie ein Wahnsinniger weigert er sich, einen Schritt zu seiner Befreiung und Heilung zu thun. Auf alles Zureden antwortet er nur eines und dasselbe: Was liegt mir am Leben? Ich habe nichtswürdig verschleudert, was mein Dasein verschönert und veredelt [156] haben würde. Mein Herz hat Bankrott gemacht, und darinnen ist mein Glauben und Hoffen untergegangen. Wenn mich etwas reinigen und heilen kann, so ist es der Tod: darum also her damit und nicht mit der Wimper gezuckt! –«

Cymbeline ist bleich geworden, wie der Schnee. Die Hände fest gekreuzt auf dem heftig wogenden Busen, fragt sie dumpf den bewegten Raphael: Ach Herr, was ist denn da zu thun für Ihren Freund? Nicht wahr, Ihren Freund dürfen wir nicht sterben lassen? Ist denn kein Mittel, ihm Muth zu geben und die Lust zum Leben? – Und Raphael, der jetzo erst recht merkt, daß die alte Liebe nicht rostet, flüstert Cymbeline, da Kathrinchen wiederkehrt und das Doktorpaar den Sprechenden sich nähert, in der Geschwindigkeit zu: »Ein Wort von Ihnen thäte es vielleicht. Jedes andere prallt machtlos ab von seiner Seele. Sprechen Sie, schreiben Sie das Wort. Ich will's ihm heute noch überbringen, und, will's Gott, möge es ihm seyn ein Stern in der finstern Nacht seiner Trostlosigkeit!«

Diese Mittheilung, ungeschminkt und wahr, wie freudig und wie schmerzlich zugleich erregt sie nicht Cymbelinens Gefühle? Friedrich gedenkt ihrer, bereut, liebt sie noch! – Schnell entschlossen eilt das Mädchen auf sein Zimmer, ergreift die Feder und schreibt hastig, obgleich mit zitternder Hand:

»Ihre Freiheit, ach vielleicht Ihr Leben ist ernstlich bedroht. Eigensinnig wollen Sie den Streich erwarten, und nicht sich helfen, da es noch Zeit ist. Ihre Freunde beben für Sie. Auch ich. Ich darf es gestehen ... gleichviel, was geschehen und vergangen. Der Augenblick [157] drängt. Erhören Sie meine Bitte! Schenken Sie mir das Leben! Retten, o retten Sie sich!«

Unfähig, ein Wort noch hinzuzusetzen – warum auch? in jedem Buchstaben lebte ihre bange Seele – knittert Cymbeline das Papier zusammen, fliegt in das Besuchzimmer, findet Raphael allein, ihrer wartend, und drückt den Zettel in seine Hände. »Uebergeben Sie ihm das;« spricht sie heftig: »Der Unterschrift bedarf es nicht; der Sekretär wird meine Federzüge noch kennen ... Gott gebe diesen Zellen Kraft! Fügen Sie noch mündlich hinzu, daß mein Vetter Titus sich eingefunden, der schon im vorigen Jahre mit Haß und Mißgunst auf Friedrich und seine Freunde sein Auge gerichtet. Ein doppelter Grund zu schnellem, heilsamem Entschluß. Fliehen, fliehen nach Frankreich! Und ich beschwöre Sie, schnellstens zu thun, worum meine Angst Sie bittet, wozu Ihre Freundespflicht Sie auffordert.«

Cymbeline entflieht selbst, als sey die Regung ihres Herzens nicht ziemlich, nicht erlaubt. Raphael stammelt, nachdem er das Briefchen gelesen: »Wenn hienieden ein Engel wandelt, so ist es Cymbeline. Welcher Mann dürfte des Engels völlig würdig seyn?« Und wiederum leichtsinnig lächelnd schließt er: »Ich wäre der Mann nicht. Ein lustiges Dirnchen, lebendig und heiter, wie ich, das ist meine Sache. Das Dirnchen heißt aber Katharine, und wenn mich bei der vorliegenden Briefträgerei etwas ärgert, so ist es, daß ich früher, als ich möchte, von selbigem Katharinchen scheiden muß, wenn ich noch des Fritze Haus offen finden will.« – Was wird auch Katharinchen sagen? Raphael hatte so viel Schicklichkeitsgefühl im Leib, daß [158] er nicht aufgelegt war, den Schwätzer zu machen. Welchen Vorwand konnte er jedoch anbringen, um sein frühes Scheiden zu erklären?

Da kommt Katharinchen, und ihre Stirne ist's umwölkt, ihre Lippen aufgeworfen; und sie sagt zu Raphael kurz und schnöde: »Möchte wohl wissen, was Sie heute mit meiner Schwester zu verkehren hatten? Kommt nicht die Cymbel zu mir, und kündigt mir an, Sie würden, in ihren Geschäften, mich jetzo schon verlassen? Was gibt es denn?« – Worauf Raphael empfindsam und mit Diskretion: »Mein Herz blutet, meine Seele stirbt dahin, aber es ist ein Geheimniß! Morgen sollen Sie, o Beste, einen lustigern Mann an mir finden!« Noch ein Händedruck, den Katharinchen nicht erwiedert, und Raphael entflieht, wie eine Brieftaube, und Kathrinchen, mit der Tante und dem Doktor allein, ist das unleidlichste Geschöpfchen von der Welt. – »Bei Hinterbein's wird's doch immer langweiliger!« seufzt der Doktor im Heimgehen, und Laura bemerkt ihm: »O Sebastian! ist denn nicht die Heimath immer schöner als die Fremde?« –

Das Doktorpaar schlief allerdings ruhig, und auch Katharinchen vergaß im Schlummer ihren Groll. Aber Cymbeline lag die Nacht hindurch auf der Folter, und nicht zu beschreiben ist, was sie litt, bis der bleiche Tag heraufdämmerte.


[159]


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