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Erstes Kapitel.
Der Tag von Staufen.


Es wird dereinst die Aufgabe des Geschichtschreibers seyn, nachzuweisen, ob und welch ein Plan dem Struvezug im September 1848 zu Grunde gelegen; ob und welche Hoffnungen die Führer mit einigem Recht auf dieses Abenteuer, das binnen drei Tagen scheiterte, bauen durften. – Der Romanschreiber hat eine solche Verpflichtung nicht. Er nimmt seinen Schauplatz ein, wie er ihn gerade findet, bemächtigt sich der Dinge, wie sie eben vorgehen, und wählt sich die Personen, wie sie ihm just gefallen. – So wollen wir denn nur dem Leser in Erinnerung bringen, daß Struve und Genossen am einundzwanzigsten September Abends zu Lörrach, wo Jahrmarkt gehalten wurde, die deutsche Republik verkündigten; noch in derselben Nacht Kandern besetzen ließen, und sodann auf der großen Straße gegen Freiburg vorrückten. Schliengen und Müllheim fielen zunächst in ihre Hände. Das Landvolk von nah' und fern wurde aufgeboten, und nicht unbeträchtliche Zugzüge stellten sich auf den Ruf der Republikaner. Wie [2] gewöhnlich, liefen die abenteuerlichsten Gerüchte dem Aufstande voraus, und so hatte man bereits am Zweiundzwanzigsten zu Staufen, welches eine Stunde von der Eisenbahn seitwärts entlegen ist, von der neuen Erhebung vernommen und gehört, daß Struve mit vielen Tausenden von Volkswehrmännern ohne Aufenthalt gen Freiburg ziehe, als dem ersten und längst ersehnten Ziel der republikanischen Operationen. Und zwar – so hieß es – werde er kommen, mit Dampfeskraft daherbrausend auf dem Schienenwege selbst, und mittelst solcher Eile und Gewalt jeden Widerstand von Seiten der Großherzoglichen in den Staub stürzen. Die Sicherheit, womit die Freunde der Aufständischen dieses Mährchen vortrugen, verblüffte die Masse der Bevölkerung, und wenn gleich bald nachher berichtet wurde, daß vom Bahnhof zu Schliengen alle Waggons und Maschinen bereits nach Freiburg gerettet worden seien, so halfen sich doch die Mährchenerzähler alsobald aus der Klemme, indem sie ihre Zuhörer belehrten, daß die Republikaner den Fall schon vorgesehen, und sich mit Dampfmaschinen und Zubehör aus Frankreich versorgt hätten. Freiburg werde zuverläßig von einem Augenblick zum andern erobert werden, und dann der aristokratischen Bevölkerung schwer vergolten seyn, was dieselbe im verwichenen April an den Freischaaren verschuldet hätte.

So war am dreiundzwanzigsten September in dem Städtchen Staufen die Bestürzung allgemein, und Freude nur zu lesen in den Augen Derjenigen, die es mit der Republik hielten. Die einzige Hoffnung der Uebrigen war, daß der Sturm im Rheinthale vorübersausen würde, ohne vor der Hand das von der großen Heerstraße entlegene Städtchen zu berühren. Mochte doch [3] über der Hauptstadt des Breisgau's das Wetter sich nach Belieben entladen!

Das war nun freilich ein schlechter Trost für die etlichen Freiburger, die sich dazumal in Staufen aufhielten. In dem Hause der guten Frau Valentine, von der in dem jüngsten Brief der Tante Laura die Rede gewesen, wurde ein förmlicher Damen-Kriegsrath gehalten, der da ermitteln sollte, was zu thun räthlich, was zu unterlassen nützlich. In der ersten Aufwallung hatten die jüngeren Frauen verlangt, unverzüglich nach Freiburg aufzubrechen. Ihre Gastfreundin jedoch hatte flehentlich gebeten, sie in dieser Noth und Ungewißheit nicht verlassen zu wollen. Tante Laura war auf die Seite der Gastfreundin getreten, hatte ihre Nichten an die tausend Aengsten erinnert, die sie während der Erstürmung Freiburgs vor kaum fünf Monaten ausgestanden; erinnert, daß sowohl der Papa, als auch der Doktor abwesend, und demnach außer Stand seien, den schwachen, waffenlosen Weibern Beistand zu leisten; erinnert, daß für Cymbeline und Kathrinchen nichts zu fürchten, weil der Bräutigam der Ersteren, ohne allen Zweifel, seinen Damen den kräftigsten Schutz gewähren, oder sie in klösterliche Zuflucht und Verwahrung bringen werde. Zudem sei nicht anzunehmen, daß die Freischärler, ihrem eigenen Interesse zum Trotz, die Stadt verwüsten sollten, und auf eine schnelle Vertreibung der aufrührerischen Gäste sei um so mehr zu rechnen, als wirklich schon zu Frankfurt die Revolution auf's Haupt geschlagen worden. Anzuempfehlen daher, fein ruhig zu Staufen, in dem Versteck zu verweilen, den das Geschick in seiner Weisheit sowohl ihr, der Tante, als auch den Fräuleins nach schwerer Prüfung angewiesen, [4] und abzuwarten, wie sich die Dinge draußen etwa fügen und schmiegen möchten.

Nach manchen Einreden wurde Laura's Vorschlag als der beste angenommen. In der That übte die Erinnerung an die schrecklichen Apriltage noch immer ihre Macht auf die Seelen der jungen Damen aus, und sie versprachen sich von einer kecken Reise gen Freiburg kein erquickliches Ergebniß. »Wenn wir die Eisenbahn bei Krotzingen von den Rebellen schon besetzt fänden!« schrie Mathilde auf: »Ich würde sterben vor Entsetzen!« – »Wenn wir den Soldaten in die Hände fielen!« seufzte Cornelia: »Die Schmach könnte ich nicht aushalten!« Und so wurde beliebt, in Staufen zu verbleiben, und die würdige Gastfreundin in ihren Sorgen und Nöthen zu unterstützen. – Zwar meldete Tante Laura diesen Entschluß nach Freiburg; – ob jedoch der Brief rechtzeitig ankommen, ob er beantwortet werden würde, das war die Frage. Wußte man doch nicht einmal, wie es auf der Station stand! Man erzählte sich, daß die Truppen von Freiburg den Aufständischen entgegen gegangen; die Freunde der Republikaner wollten dieses auch nicht läugnen. Allein es wurde von ihnen die Truppenmacht so geringfügig angegeben, daß deren Niederlage vorauszusehen. Jedenfalls erwartete man zu Staufen baldigst von einem entscheidenden Treffen, ob bei Müllheim, ob unter den Mauern von Freiburg selbst, zu hören, und wiegte sich bis dahin in den Traum vorläufiger Sicherheit.

Um so trostloser war das Erwachen aus diesem Traum, als am Sonntag, der der vierundzwanzigste September, noch während des Gottesdienstes, die Nachricht umlief, daß bedeutende Massen des Volksheers [5] auf das Städtchen anrückten, um es zu besetzen. Was da rüstige Beine hatte und ein bischen zu der Sache der Erhebung hielt, lief den Volksbannern entgegen; die unbetheiligten Bürger blieben erschrocken zu Hause bei ihren Familien und warteten mit banger Ahnung der Dinge, die da kamen. – Frau Valentine und ihre Gäste, die in der Nähe des Rathhauses wohnten, machten es ebenso.

Es waren richtig zwei Bataillone der Republikaner, die von Heitersheim über Wettelbrunn heranmarschirten: ansehnliche, ziemlich gut bewaffnete Leute, zahlreich, bäurisch und städtisch durcheinander, viele Züge von gutem Muth beseelt, andere wieder finstern Auges, verbitterten Angesichts. Den entgegenkommenden Bevollmächtigten der Stadt berichteten die Anführer, ihre Truppen würden nicht lange zu Staufen verweilen, und baldigst in das Gebirg, gegen St. Ulrich und Horben hinaufziehen, um noch in der kommenden Nacht die Stadt Freiburg zu überrumpeln. Indessen sey die Mannschaft müde und hungrig, und versehe sich zu der Gesinnungstüchtigkeit der Staufener, daß ein ebenso tüchtiges Mittagsmahl den Landesvertheidigern gereicht werden würde.

Der Wunsch war Befehl; mit großen Freudenbezeugungen wurden die Wehrleute über das Flüßlein Neumagen in die Stadt geleitet und truppweise in die Häuser vertheilt, um dort zu Tisch zu sitzen und sich gütlich zu thun. Gerne theilten die Stadtbewohner, was ihre Küche und Keller vermochten, mit den unvorhergesehenen Gästen, um sie nur recht geschwinde wieder vom Hals zu bekommen; und die Durchzüger benützten diese Bereitwilligkeit nach Kräften.

[6] Das Haus der Frau Valentine war nicht übergangen worden. Ein Dutzend der Freiheitskämpfer lagerte sich dort ein und besetzte die große Stube im Erdgeschoß, wo der Tisch in Eile gerichtet war, und wo mit Beihülfe der Magd die Tante Laura in Person sich der Bewirthung unterzog, um die ängstliche Hausfrau aus dem Spiel zu lassen. Die Ersten der Wehrleute, die da kamen, sich zu laben, waren gewöhnliche Menschenkinder in ländlicher Tracht, mit ländlichen Waffen, und beschäftigten sich nur damit, ihren Hunger, ihren Durst zu stillen. Die beiden Letzten indessen, die Valentinens Haus heimsuchten, waren schon ansehnlichere Leute, wenn gleich nicht in kostbaren Gewändern. Der Eine war modisch gekleidet, mit einer Jagdbüchse versehen; der Andere trug ein graues Wanderhemd und ein schweres Doppelgewehr. Beide waren junge Männer von städtischer Sitte; in jeder ihrer Bewegungen eine Spur von guter Erziehung. Sie spazierten in der Stube hin und her und nahmen nur von Zeit zu Zeit von der Tafel einen Bissen, einen Schluck. Sie hielten eifrig Gespräch selbander, und war der Eine sehr vergnügt, so war um so verdrießlicher der Andere. – »Was du auch vorbringen magst, lieber Spiegler,« sagte der Verdrießliche zu seinem Gefährten, »so kann ich doch nicht von meiner Befürchtung ablassen. Wir sind noch einmal in die Patsche geführt; wir sind noch einmal belogen und betrogen und leichtsinnig aufgeopfert. Ich habe kein Fiduz mehr zu der Geschichte. Heilig ist mir die Sache, aber deren Ausführung liegt in unerfahrnen Händen. Wir werden's erleben, vielleicht heute noch erleben.« – Worauf der Andere: »Du bist ein schlimmer Prophet, mein Jonathas. Aber während [7] du alles schwarz siehst, funkeln mir die Dinge sonnenhell. In diesem Augenblick ist in ganz Deutschland der Teufel los. In Frankfurt, wie wir aus guter Quelle wissen, haben die Vorkämpfer der guten Sache, nach kurzer Niederlage, ihre Revanche blutig genommen; in Berlin und Wien muß jetzt alles in Flammen stehen, und in Italien geht es drunter und drüber. Uns kann es unmöglich fehlen; in diesem Zwickel Deutschlands reichen sich Schweizer, Franzosen und badische Republikaner die Hände. Die monarchische Gewalt bringt nicht einmal Soldateska genug auf, um uns die Spitze zu bieten. Wir standen der Hauptstadt nie so nahe als heute. Während wir jetzo zusammen reden, dringt ein zahlreiches Corps aus der Heerstraße vor; wir überflügeln, durch das Gebirg eilend, den Feind und überrumpeln Freiburg, wo uns die Handvoll von Söldnern nicht widerstehen kann ...! Was hätten wir zu fürchten? O, ich freue mich auf die Stunde, da wir den Geldsäcken zu Freiburg alle Näthe ausklopfen werden« –

Der Andere: »Du bist ein Kind; ein Jüngling, den man hinter's Licht führt, wie man will. Wo steht denn das massenhafte Corps, welches auf der Heerstraße den Feind werfen wird? Ich habe es mit eigenen Augen nicht gesehen. Eher möchte ich glauben, daß die Nachhut unseres gesammten Heers mit allen Führern, die nicht etwa schon in Müllheim davon gelaufen, uns auf der Ferse folgen werde. Unsere Pläne – wenn wir deren hatten – sind vereitelt, glaube mir das. Warum denn sonst der Abschweif nach Heitersheim, nach diesem Staufen? Mußten wir nicht stehenden Fußes und im offenen Felde die wenigen [8] feindlichen Schaaren erwarten, die unsere Gegner zusammenraffen konnten?« – Spiegler stieß den Moritz in die Seite, und raunte ihm zu: »Rede doch nicht so laut! Spione sitzen überall, und wenn der Wurstinger hörte, welche Sprache du führst ...!«

Moritz schwieg und machte eine verächtliche Geberde. – Ungefähr zur selben Zeit sagte im obern Stock des Hauses die Tante – zu ihrer Nichte Cornelia, die in einem Hinterstübchen saß, um der bis zum Tod betrübten Mathilde Gesellschaft zu leisten: »Drunten geht ein Freischärler herum, der mir so bekannt ist, als hätte ich ihn schon manchmal in deines Vaters Hause gesehen. Doch schaut er so verwildert aus und benimmt sich so mürrisch, daß ich meinen Augen und Erinnerungen nicht recht traue. Komme du ein bischen herunter und lausche ein wenig an der Thüre. Wenn der Herr wirklich ein Bekannter wäre, so könnten Nachrichten aus seinem Munde über das Schicksal Freiburgs uns nur willkommen sehn.«

Laura that sehr heimlich mit dieser Aufforderung; sie hätte dessen nicht bedurft. Mathilde gab nicht im Geringsten dem Zuspruch der Tante Gehör; sie war in ihren Schmerz versunken, der um so schweigsamer, als ihm keine Thräne mehr zu Gebot stand. Dagegen hatte Cornelia schon bei'm ersten Wort der Frau Doktorin sich äußerst aufmerksam erwiesen, und das Licht ihrer Augen wurde mit jeder Silbe feurigen Gehorsam und bereit erhob sie sich schnell, und eilte was sie konnte hinunter auf den ihr bestimmten Posten. Die Tante wurde eben von der Magd zur Küche gerufen, und Cornelia hatte Muße, mit beliebiger Gründlichkeit durch den Thürspalt zu lauschen und zu horchen. –

[9] Einer der Umherwandler, die noch immer im Gespräch verkehrten, war der Lauscherin mit dem Antlitz zugewendet und redete just mit Eifer und Wärme. Das Gesicht desselben, sowie seine Stimme war dem Fräulein unbekannt. Mit um so größerer Neugier musterte Cornelia die Haltung des Andern, dessen Angesicht ihr verborgen und der für eine Weile schwieg. – Die Hände auf die hochklopfende Brust gedrückt, lispelte sie in sich hinein: »Ach, wenn meine Ahnung mich nicht trüge, wenn meine Hoffnung mich nicht täuschte ...! Seine Gestalt ist ... o warum kann ich nicht in sein Auge sehen! Warum hör' ich seine Stimme nicht?«

Da rief, wie auf Befehl, der Mann, der da gemeint war, aus: Du bleibst auf deiner Behauptung und ich bei der meinigen. Pah, was thut's auch? Pah, ist's nicht alleins, was da geschieht oder nicht? – Drehte sich höhnisch lachend von seinem Freunde ab, der Thüre zu, die jetzo nicht mehr nur klaffte, sondern weit offen stand, nicht mehr bergend das Fräulein, welches mit den Worten: »O Herr, mein Gott, er ist's, er ist es wirklich!« auf der Schwelle erschien, wie sie war: schön wie immer, bleich und bestürzt, wie fast noch nie. Sie sehen, und mit einem Sprung den Freund verlassen, hinausfliegen zu der Geliebten, die wie ein Zauberwesen ihm hier so unverhofft begegnete, war alsobald des armen Moritz und eines Augenblicks Werk. Spiegler hatte das Nachsehen, und nicht einmal dieses, weil die Thüre sich unbarmherzig schloß. Doch beruhigte er sich und belächelte seines Freundes Thun. »Welch ein Leichtsinn!« schäkerte er vor sich hin: »Spricht der Jonathas wie ein Hiobspostenträger [10] seit einer halben Stunde in mich hinein, daß auch meine Seele beinahe traurig wird, und mein Herz voll von böser Ahnung, und kaum schaut ein beliebig Mädchengesicht in die Stube, so fliegt mein Vogel wiederum auf leichten Schwingen, und hat alles Leid, alle üble Vorbedeutung vergessen! Pah, was thut's? Dieser Wahlspruch paßt in keinen sterblichen Mund besser, als in den des Jonathas!«

Wer weiß, ob nicht Spiegler den Fußstapfen seines Freundes gefolgt wäre, um seinerseits ein Abenteuerchen zu wagen, wenn nicht eben auf dem Marktplatze ein jämmerlicher Trommellärm losgebrochen wäre. Eine Menge des Wehrvolks strömte auf dem Platz zusammen; die Anführer rannten von Haus zu Haus, an die Fenster klopfend und schreiend: Das erste Bataillon heraus! Angetreten! Zum Marsch bereit! – Die Wehrleute, die in Valentinens Stube, liefen kopfüber in's Freie. Spiegler folgte ihnen, vergebens zum Bleiben mahnend, indem ja nur das erste Banner aufgerufen sei, und das zweite noch nicht an der Reihe. Auf seinem Wege sah und hörte er nichts von seinem Moritz; dagegen wurde ihm aber die befremdliche Kunde, daß sich bereits jenseits des Flüßchens ein bewaffneter Haufe mit rothen Fahnen und dergleichen im Anzuge befinde, und daß mit diesem Trupp der Führer Gustav Struve sammt den Oberoffizieren herbei komme, um die Republik auch in Staufen auszurufen. – Spiegler staunte und stutzte, und indessen marschirte das erste Bataillon nach dem Gebirge ab. Während sich das zweite sammelte, um sich marschbereit zu machen, kam auch Moritz auf den Platz heraus, und sein Auge war feucht von den Zähren, die ihm der allzuschnelle und grausame [11] Abschied von seiner Liebe ausgepreßt. Spiegler hatte nicht Zeit, sich nach seinem Thun und Lassen zu erkundigen; denn in der That rückte Struve mit seinen Genossen über die Brücke in das Städtchen ein, geführt in einer hübschen Kutsche, mit schönen Pferden bespannt. Den Wagen, worinnen auch die Gattin des Oberanführers saß, umgab ein großes Gedränge von Bewaffneten, alle mit rothen Armbinden geschmückt, und von Jubel und Musik begleitet näherte sich der Zug dem Rathhause.

Moritz und Spiegler war durch den Auflauf der Volksmenge von ihrem Bataillon getrennt worden und verweilten noch auf der Schwelle der Frau Valentine, und mit wildgerunzelter Stirn, über der Tagesbegebenheit für einen Augenblick der Liebe vergessend, sagte Moritz zu seinem Gefährten: »Aha, da kommen sie; da trifft schon ein, was ich vorhergesagt. Wir geberden uns als Sieger, und sind schon auf dem Rückzug. Hol' der Teufel alle Schwärmer und Poetenköpfe! Sie träumen, träumen, träumen ... und während des Traums verrinnt die kostbare Zeit und es geschieht nichts, und bei'm Erwachen ist das Verderben schon da. Komm, Spiegler; laß' sehen, laß' uns hören, welche Komödie da vom Rathhaus herunter dem armen blinden Volk vorgeritten werden mag!« – Worauf Spiegler, mit bedenklicher Rede: »Wollen wir nicht suchen, unserer Fahne uns wieder anzuschließen? Sieh, dort marschirt unser Bataillon in hellen Haufen ab!«

»Laß' sie laufen!« ermahnte Moritz geringschätzig: »Ich bin nicht aufgelegt, noch einmal, wie vor fünf Monaten, den Waldläufer zu machen, und wie ein Strolch im Gebirge umher zu ziehen, statt dem Feind im ehr [12]lichen Kampf gegenüber zu stehen. Laß' sie ziehen, Spiegler; laß' uns bei'm General verbleiben. Die armen Teufel, die wiederum gen Horben und Güntersthal genarrt werden, kommen doch viel zu spät an's Schwabenthor zu Freiburg, just wie dazumal im April. Das fühle ich, das ahne, das weiß ich; und wenn's denn doch wieder einmal an's Ausreißen gehen soll, so will ich lieber zur Abwechslung mit dem ganzen Hauptquartier durchbrennen. Komm, sag' ich dir. Schon johlt und gröhlt das Volk aus Leibeskräften; von der traurigen Posse, die wir zu Lörrach angespielt, geben wir hier noch einen Aufzug, und wer das Wunder nicht glauben will, soll's eben bleiben lassen!« – –

Die dahin schlendernden Freunde bemerkten nicht, daß ein paar verdächtige Gestalten, dem Waffenzug angehörig, kurz zuvor aus einem benachbarten Hause getreten, ihnen auf der Ferse folgten, und daß der Eine dieser bewaffneten Wildlinge seinem Kamerad in das Ohr sagte: »Da sind wieder die beiden Spitzbuben, die ich im Heckerzug auf dem Korn hatte; denen ich aber leider nicht beikommen konnte. Sie stellen sich an, als seien sie rechte Republikaner, und doch ist's nur Heuchelei. Der Größere ist ein Schuft, wie sein Freund, der Junker von Milzheim, der uns dazumal in Waldshut durch die Lappen ging, und der Kleinere ein Hallunk, wie sein Vater, der geschwollene Geldsack. Was gilt's, die Kerle führen wieder etwas im Schilde? Verräther, Spione und aristokratische Hunde sind sie, so wahr ich Wurstinger heiße. Komm, wir wollen ihnen auf den Dienst lauern!« – Der Kamerad meinte: »Lassen wir das. Wir sollten uns lieber zu unserm Fähnlein machen; es ist im Begriff von hier abzugehen, [13] und schon marschirt dort die Vorhut aus.« – Aber der Exschulmeister meinte dagegen: »Nicht doch; wir wollen bleiben. Der militärische Sklavendienst behagt mir nicht; das ist keine Freiheit. Ein freier Mann steht wo er will, und geht wohin es ihm beliebt. Wir bleiben, mein Alter, und wehe jenen verrätherischen Burschen, wenn sie sich unterstehen, mit Verführungskünsten, falschen Nachrichten und so weiter das gute Volk zu bearbeiten!« – –

Das Volk wurde indessen schon genugsam bearbeitet von dem Fenster des Rathhauses herab, wo mit blankem Schwert, wehender Fahne und geschickter Beredtsamkeit der Obmann der Erhebung die Republik verkündete. Das Zujauchzen der Menge antwortete jedem Satz des Redners; alle Fenster des Platzes waren gedrängt voll von Neugierigen. So auch im Hause der Frau Valentine, die vielen ihrer Bekannten zu Staufen einen Sehplatz eingeräumt hatte. Unter dem Schwarm dieser Gäste befand sich auch Tante Laura, wandelte auch Cornelia wie eine Glückliche umher. Ach, daß sie in ihrem Herzen verschließen mußte, wie selig das Wiedersehen sie gemacht! Zwar hatte Moritz mitten in seine Freude düstere Worte eingeflochten, zwar hatte er mehr Opferwilligkeit als fröhliche Zuversicht ausgesprochen ... aber Cornelia hatte ihn doch wieder gesehen, von Liebe trunken, wie vordem; ihn wiedergesehen, waffengeschmückt, bereit zum Kampf für die Freiheit! Ueber das Schicksal Freiburgs hatte er die zärtliche Schwester, die ängstliche Tochter beruhigt; und es konnte ja wider Vermuthen der starke Gott im Himmel der edeln Sache gnädig seyn, und zu ihrem Besten ein Wunder thun noch heute, noch in dieser Stunde!!

[14] Unruhig, weil so geheimnißvoll glücklich, ging Cornelia umher, eine Gefährtin zu ihrer stillen Freude suchend; aber vergebens forderte sie die im Hinterstübchen einsam weilende Mathilde auf, wenigstens die Neugierde gewähren zu lassen und an die Schaufenster zu kommen, wo der Straßenjubel, das frohe Volksgetümmel mit Genuß anzusehen. Mathilde verneinte, wehmüthig das Haupt schüttelnd, und sprach betrübt: »O laß' mich hier, meine Gute! Ich wollte, ich könnte mich in einen Winkel verbergen, wohin das Geschrei des Pöbels nicht dringt! Dem Schauspiel selber beizuwohnen, würde ich nicht ertragen; denn schon jenes Jauchzen, jenes Gebrüll aus tausend Kehlen, wie es mich hier in meinem Versteck heimsucht, malt meiner Einbildungskraft allzu lebendig vor, wie jenseits der Alpen die Rebellion begonnen haben mag, in deren Folge mein armer Hugo auf dem Schlachtfelde mit blutigem Schweiß den Sieg erkämpfen mußte, um dann ruhmlos auf dem Lager eines Hospitals sein Leben zu enden. Geh, geh, meine Liebe; versuche nicht, mich zu trösten, mich erheitern zu wollen. Jenes Getöse das Aufstandes reißt alle Wunden meines Herzens unerbittlich wieder auf. Verlaß mich, Cornelia; du weißt nicht, wie es thut, wie es schmerzt, den geliebten Mann zu verlieren, auf den wir unsere Hoffnung, unsere Zukunft, unser ganzes irdisches Glück gebaut!« –

Cornelia ging, um der Schwester zu gehorchen, und fragte sich dabei verstohlen: Ob ich wohl die Liebe kenne? Ob ich sie wohl kenne, die Leiden der Trennung, die bange Furcht, den Geliebten zu verlieren? Wurde mir nicht heute erst nach kurzer himmlischer Freude jener Schmerz zugemessen? Zog nicht meines Herzens [15] Freund bereits dem ungewissen Schicksal, vielleicht dem blutigen Loos der Schlachten entgegen? Und Mathilde glaubt, daß ich nicht ahne, was sie bekümmert?

Um sich zu zerstreuen, eilte Cornelia zu der großen bunten Gesellschaft, zu der Tante zurück, und berichtete der Letztern, daß in der That Herr Moritz, jener bewußte Freischärler, einigemal im Hinterbein'schen Hause eingesprochen, und daß nicht zu verwundern, wenn Laura's Erinnerungen, den Herrn betreffend, ein bischen ungewiß gewesen, da sie ihn eigentlich nur am Vorabend ihrer Hochzeit gesehen, sodann auf Reisen gegangen, und nachher im eignen Hause, wie sich von selbst versteht, weit mehr verkehrt und verweilt, als in dem des Schwagers. Mit Befriedigung vernahm auch die Tante, daß für ihr liebes Freiburg keine Gefahr vorhanden, wenn die Republikaner sich dessen bemächtigen würden; und getrösteter wurde ihr Angesicht, ihr Blick wieder heiter, und ihre Zunge erging sich freier und in bester Zuversicht.

Indessen wurde unter den Männern und Frauen, welche die Fenster besetzt hielten, eine seltsame und immer lebendiger werdende Bewegung bemerkbar. Von der Gasse herauf ertönte wildes Geschrei der Angst und Verzweiflung. »Die Soldaten! die Soldaten kommen! Zu den Waffen! sie kommen mit Kanonen, sind kaum noch eine Viertelstunde von hier!« Rennende und sprengende Boten riefen diese überraschende Kunde aus, mit einem Spektakel, als gälte es, das Ende der Welt zu verkündigen. – Unschwer zu begreifen, daß diese schauderhafte Nachricht den Stand der Dinge in dem Städtchen durchaus veränderte. Die neugierigen Zuschauer verliefen sich blitzschnell in ihre Häuser; die Umgebung [16] des Häuptlings jenes Aufstandes, sowie die Führer der in Staufen zurückgebliebenen Mannschaft, waren überrascht, hatten das sobaldige Nachrücken der Truppen nicht erwartet. Auch hatte es den Anschein, als habe ein bei Heitersheim postirtes Corps des Volksheers seine Schuldigkeit nicht gethan, den Feind nicht angegriffen, auf dem Marsch ihn nicht gehindert. Die Verwirrung war grenzenlos. Die Besonnensten unter den Offizieren der Aufständischen gaben indessen Befehl, die Brücke über den Neumagen schleunigst abzutragen und Barrikaden zu errichten, um den Truppen möglichst den Eingang zu wehren, und aus dem kleinen Staufen ein Saragossa im verjüngtesten Maßstab zu machen. Unter den Zwilchkitteln des Aufgebots, die mit Gewalt zu dem Volksheer befohlen worden, setzte es starken Rumor. Die Meisten dachten an das Ausreißen. Viele liefen wirklich davon. Doch waren auch muthige und entschlossene Leute unter der Wehrmannschaft, die sich nicht lange bitten ließen, dem Feinde Widerstand zu leisten. Wie gewöhnlich hatte die alte Mutter Fama auch heute ein Uebriges gethan, und die Truppen viel näher gemeldet, als sie in Wirklichkeit noch waren. Darum gewannen die verwegensten Schützen hinlänglich Zeit, die Brücke zu überschreiten und sich hinter den Mauern des unfernen Gottesackers aufzustellen, wo sie den anrückenden Feind mit Kernschüssen empfingen, und ihn genugsam beschäftigten, daß inzwischen die Stadtvertheidiger die Brücke abheben und ihre Verschanzungen errichten konnten. Moritz mit seinem Freund Spiegler hätte sich gern den genannten Schützen angeschlossen, indem er den Tod im Gefechte weitaus der schnöden Flucht in's Gebirge [17] vorzog; allein er kam zu spät an die Brücke, deren letzte Diele just von den Fluthen weggetragen wurde. Die Ursache seiner Verspätung war seine Begierde gewesen, noch einmal, und zwar muthmaßlich auf ewig von der Dame seines Herzens Abschied zu nehmen: ein Vorsatz, der unmöglich auszuführen, weil die Bewohner Staufens, denen vielleicht eine dunkle Ahnung von dem obgenannten Saragossa vorschwebte, ihre Thüren und Fenster streng verschlossen und verrammelt hatten, um sowohl dem Freund als dem Feind jeden Eingang zu verwehren. So auch bei Frau Valentine. Vergeblich zog Moritz an der Glocke, vergeblich klopften Er und Spiegler, der seinen Waffengenossen nicht verlassen wollte, mit Fäusten und Flintenkolben an die Pforte ... lautlos, als wie ausgestorben, blieb das Haus, worinnen die Freiburger Damen, die sich mit Entsetzen an die Apriltage erinnert sahen, die finsterste Kellertiefe aufgesucht hatten, um ihr Geschmeide, ihr Leben, ihre Ehre zu retten.

Die zürnende Mahnung eines vorbeijagenden Anführers veranlaßte die Freunde, von dem Versuch, bei Valentine einzudringen, abzustehen. »Dort nahen die Soldaten!« schrie ihnen der Führer zu: »Dort ist Euer Platz, und nicht erlaubt sei Euch, gleich andern Feiglingen, ein schirmendes Dach zu suchen, um Euer bischen Leben in Sicherheit zu bringen« – Spiegler zürnte ihm nach: Das Maul gehalten! Wir werden Euch zeigen, daß wir auf der Bresche stehen können, wie ein jeder Andere, und daß wir zum Kugelspiel noch zeitig genug kommen! – Und Moritz setzte hinzu, indem sie, sich auf den Weg machten: »Pah, was thut's auch? Noch einmal sie sehen, die Heißgeliebte, [18] oder sie nicht mehr sehen ... das kommt auf eins heraus. Im Gegentheil: sie wird getrösteter seyn, da sie mich schon fern und auf den Bergen glaubt, und nicht weiß, daß ich auf der Schanze stehe, und mein Blut und Leben für ihre Vertheidigung zu wagen!«

Wie schon gesagt, war bei Moritzens Ankunft am Gestade die Brücke abgenommen, aber die Tragbalken derselben waren fest liegen geblieben, weil die Zeit mangelte, sie auszuheben. »Pah, was thut's!« rief Moritz, der durchaus hinüber wollte: »Wir kommen auch über diese schmalen Balkenstege!« – Allein der besonnene Spiegler hielt ihn zurück von dem gewagten Gang, und die Befehlshaber der Barrikaden geboten ihm zu bleiben und seinen Platz hinter dem Bollwerk einzunehmen; denn bei dem Gottesacker draußen hagelte es nicht schlecht mit Pulver und Blei, und die meisten jener Schützen, vom Feind aus ihren Nestern aufgestöbert, kamen in vollem Lauf zurück, um sich wieder mit ihren Kameraden in der Stadt zu vereinigen. Die nackten Tragbalken dienten ihnen trefflich; Manche wateten durch das Wasser und stellten sich triefend in die Reihen der Barrikadenkämpfer. Moritz und Spiegler fehlten in diesen Reihen nicht; was noch von rüstigen Männern in der Stadt und unter freiem Himmel verblieben, warf sich ebenfalls, zur Noth vom Fluß gedeckt, dem Militär in den Weg. Das Letztere ließ nicht lange auf sich warten. Seine Vorposten erschienen am jenseitigen Ufer; der General, der in Person die Truppen anführte, immer vornedran. Alsogleich wurden von beiden Seiten Schüsse gewechselt ... Der allgemeinere und ernstliche Kampf blieb nicht aus. Das kleine Gewehrfeuer verstummte bald unter'm Gekrach der [19] Feldgeschütze, die plötzlich aufgefahren wurden. Unter'm Schutz des Kartätschenfeuers wurden zwei Angriffe gewagt ... sie prallten zurück vor dem Muth der Vertheidiger. Bald wurde eine andere Melodie aufgespielt. Schwere Ladungen von Granaten zischten über die Verschanzung hinüber, knatterten auf die Dächer der Stadt nieder, prasselten und sprangen, knallten und zündeten und zerschmetterten, wohin sie nur trafen, Unheil speiend nach allen Richtungen. Und da im selben Augenblick die Truppen zum dritten Angriff schritten und unwiderstehlich anstürmten über dieselben schwanken Brückenhölzer, die, eine kleine Stunde zuvor, den flüchtigen Schützen den Uebergang ermöglicht hatten, so wich der Muth von den Kämpfern des Volks, und wer nicht mit seinem Leibe die Wahlstatt deckte, zog sich schnellstens zurück, dem Befehl und der Bitte der Anführer ferner unzugänglich. Struve mit seinen Genossen wurde von dem entsetzten und wie toll fliehenden Haufen fortgerissen, und sie entflohen endlich auf noch schnelleren Sohlen, als der übrige Troß.

Während des Anstürmens der militärischen Macht setzten sich noch Einzelne auf der Gasse zur Wehr ... sie wurden niedergemetzelt. Wenige Andere schossen aus den Fenstern der naheliegenden Häuser ... die Häuser wurden erbrochen, die Schützen ein Opfer des Soldatengrimms! Ein paar Neugierige lauschten hinter halb geöffneten Läden dem Verlauf der Dinge ... sie wurden getroffen vom tödtlichen Blei, wie schon zu Freiburg im April Mehreren widerfahren. Leider gaben auch die Fliehenden hie und da ein beklagenswerthes Mordstücklein zum Besten. So rief, ganz in der Nähe des Hauses der Frau Valentine, ein Flüchtling, der [20] ins Gebirge wollte, einen andern Entrinnenden, der nach der Straße gen Krotzingen strebte, an: »Hund von einem Geldsack und Aristokraten, Hund von einem Junkerfreund und Volksverräther! Willst du auch von der Eisenbahn die Schergen herbeiwinken, daß sie uns den Rückzug abschneiden? Gleich kehr' um und folge mir, oder ich schieße dich zusammen auf dem Fleck!« – Der Anderes drohte dem Rufer mit der Waffe und rief mit wildem Hohn entgegen: »Pah! probirt's einmal, Freund Wurstinger!« – und im Nu knallte die Büchse des Schulmeisters, und im dichten Pulvernebel sank der »Junkerfreund« zusammen, und entsprang der Mörder.

Indessen überflutheten mit lautem Siegesgeschrei die Soldaten den Marktplatz, die Oeffnung aller Thüren und Fenster strengstens anbefehlend. Der Körper des niedergeschossenen Freischärlers lag ihnen im Wege; sie zerrten ihn auf die Seite, bis dicht vor Valentinens Schwelle.Und da so eben über dem Gedränge ein Fensterflügel aufging, an welchem ein Frauenbild erschien, den ersten scheuen Blick auf den Platz hinab zu werfen, begab es sich, daß dieser erste Blick auf die Leiche traf, in deren Brust so eben mit Spott und Fluch sein Bajonett gestoßen wurde ... und die blasse Cornelia erkannte nur zu gut das wunderliche graue Wanderhemd, den weißen spitzigen Hut mit freisamer Feder, unter welchem hervor das lange dunkle Haar des Gemordeten, wirr und gräßlich befleckt von strömendem Blute, über das Antlitz des Todten niederlag ...!

Eine Andere wäre etwa hülflos zusammengebrochen, in Ohnmacht oder im Tode selbst.,vor dem schauder [21]vollen Anblick; Cornelia war jedoch in dieser Stunde stärker als ihr Geschlecht. Mit unendlicher Verzweiflung rang sie zwar die Hände über ihrem Haupte, rief sie zwar trostlos die Worte: »Gott, o Gott! so hat denn wirklich der Blitz geschlagen!« in die Wolken empor – aber, zur gleichen Zeit sich zusammenraffend, wie eine Heldin, eilte sie ihrer Schwester Mathilde entgegen; führte die Widerstrebende mit übermächtiger Kraft an das Fenster, deutete nieder auf den Erschossenen, der so eben von einigen mitleidigen Seelen aufgehoben und hinweggetragen werden sollte, und sagte mit zermalmendem Tone: »Siehe da, Mathilde, meinen Bräutigam! Siehe da meine Liebe, die sich zum Tode verblutet! Bin ich jetzo deinem Schmerz noch fremd? Verstehe ich noch immer nicht deine Trauer?«


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