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Sechstes Kapitel.


Es prüfe, wer sich ewig bindet,
Ob sich das Herz zum Herzen findet;
Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang.

Schiller.

Am Abend des Tauftages fand sich der Arzt in Philipps Kammer ein. Es hat dem Herrn gefallen, sprach er, den kranken Simon wieder zum Leben zu berufen. Er hat die Krisis überstanden, und ich kann für seine gänzliche Herstellung haften.

Der erste zufriedene Blick strahlte wieder aus Wernher's grämlichem Antlitze. Der Arzt fuhr aber besorglich fort: »mein freundschaftlicher Rath wäre indeß, Ihr suchtet den alten Menschen irgendwo unterzubringen, und bis an's Ende zu versorgen; denn ich befürchte mit der Zeit große Verdrießlichkeiten für Euch.« – »Wie so?« fragte Philipp, »'s ist bald erklärt;« versetzte der Arzt … »Simon scheint grobe Vergehen … so was man Verbrechen nennt … auf dem Gewissen zu haben. In seiner Fieberhitze entschlüpften ihm Reden, unzusammenhängend im Ganzen … indessen übereinstimmend genug, um daraus auf viel Böses folgern zu können. Besorgt nicht, daß ich das Gehörte jemals ausplaudere. Der Arzt und der Beichtvater haben einerlei Pflichten … Fürchtet hingegen, daß der zunehmende Hang zur Trunkenheit, den Simon äußert, und welchem er seine gefährliche Krankheit verdankte, einst selbst zum Verräther werde, und lichtscheue Thaten an den Tag bringe.«

»Was kümmern mich meines Dieners Handlungen?« brummte Philipp ärgerlich. »Oder meint Ihr vielleicht, ich könne selbst wohl Theilnehmer an den Unthaten seyn, welcher Ihr den Simon beschuldigt, dessen ganze Sünde wahrscheinlich nur in seinen Fieberträumen Liegt?«

»Behüte mich der Allmächtige in Gnaden, dergleichen Arges von Euch zu denken, Herr Rathsherr,« erwiederte der Arzt. – »Ich habe Euch gewarnt, weil ein unehrlicher Diener dem wackersten Herrn Unehre bringt. Salvavi animam und damit Punktum.« – Der Rathgeber und Warner entfernte sich. Philipps Beklemmung ließ demselben keine Ruhe, und er floh auf Simons Kammer.

»Alles gewonnen!« keuchte ihm der Kraftlose entgegen … »ich werde gesunden.«

»Alles verloren!« raunte ihm der Herr vorsichtig zu. »All' unsre Mühe,, unsre Sorge, unsre Verbrechen waren umsonst. Archimbald lebt!«

»Lebt?« stotterte Simon erschrocken, und faltete die abgezehrten Hände.

»Er war hier …« fuhr Philipp fort … »vor einigen Stunden, bettelnd, flehend um Aufnahme und Brod. Ich habe ihn verläugnet vor dem ganzen Gastgebot. Mit fürchterlichen Drohungen verließ er das Haus, bald darauf die Stadt.«

»Gottlob!« seufzte Simon beruhigter.

»Den Teufel auch;« versetzte Philipp … »kann er nicht wiederkehren? wird er nicht wiederkehren? fürchterlicher, zudringlicher, drohender als zuvor? ich schaudre bei dem Gedanken. Das Gesetz spricht mich zwar los, aber … ich fühle es … die Menschheit wird mich verfluchen. In diesem Augenblicke läuft das Gerücht des ärgerlichen Auftritts durch die Stadt; denn die meisten Gäste glaubten, was Archimbald vorbrachte. Er hat das Mitleid rege gemacht. Nur die Furcht vor mir … oder eigentlich vor meinem Schwähervater hielt die Zungen gefesselt, die den Landstreicher zu vertheidigen bereit waren.«

»Verdammt!« murrte Simon unwillig, »daß mich auch gerade im wichtigsten Augenblick der Knöchler bei den Haaren haben mußte! Ihr handelt stets voreilig, unzweckmäßig, wenn ich Euch nicht am Faden regiere. Sobald Ihr merktet, wie die Leute für den Bastard gestimmt waren, mußtet Ihr in dasselbe Horn blasen, den großmüthigen Bruder spielen, den Bettelbuben für eine Zeitlang aufnehmen, und dann bei Gelegenheit ihn entfernen oder stumm machen.«

»Wie?« fragte Wernher entsetzt … »wie? Du kannst mir den Rath geben, meinen Bruder … mit eigner Hand? …«

»Nun, nun, ereifert Euch nicht so sehr;« erwiederte Simon mit verächtlichen Mienen … »Mit solchen Redensarten wird nichts gerichtet, die arme Seele nicht weiß gebrannt. Denn ob Ihr dem Buben mit eigener Hand ein Pulverchen mischt, oder ihn von einer Hexe todt beten laßt … ich denke, es kömmt auf Eins heraus.«

»Recht getroffen, Satan!« knirschte Philipp … »Kaum dem Rachen des Todes entronnen, sinne nur auf neue Sünde … wälze Deine Verbrechen dann auf mich … ziehe mich hernieder zu Deiner Verworfenheit.«

»Das habe ich nicht nöthig,« versetzte der Alte mit giftigem Spott, indem er sich bequem gegen die Wandseite kehrte. »Ich bin nie damit umgegangen, meinen Bruder zu ermorden.«

Vor der unverschämten Bosheit verstummte Wernher in ohnmächtiger Wuth. Es trieb ihn aus der Kammer des alten Bösewichts. In der Thüre trat ihm die Kammermagd seiner Frau in den Weg, und beschied ihn zu der Gebieterin. Er versprach, sogleich zu kommen. Unruhig ging er darauf noch ein Paar mal auf und nieder, trat an Simon's Bett, der sich schlafend stellte, und blinzelnd, wie ein Fuchs, des Herrn Anrede erwartete, – seufzte, rieb sich die Stirn und ging plötzlich hinweg. Erfreuliches wartete seiner nicht in der Schlafkammer seines Weibes.

»Es ziemt sich wohl,« rief ihm Barbara finster entgegen … »sich um die Frau nicht zu bekümmern, und an dem Lager des grauen Trunkenboldes die Besorgniß zu zeigen, die an mein Wochenbett gehört.«

»Vergieb!« murmelte Philipp verdrossen zwischen den Zähnen.

»Immer besser!« versetzte Barbara spöttisch. – »Ist das nicht eine Bitte um Vergebung, die einer Drohung nicht ähnlicher sehen kann? Doch ist's etwas Altes. – Ich weiß, daß ich Dir nie so werth war, als der alte Wohldiener. Ich dachte indessen, Du würdest für Dein Kind mehr thun. Sieh, der Kleine ist krank geworden, fast mit einem Male. Hier verschwende Deine Pflege.«

»Was fehlt dem Knaben?« fragte Wernher ziemlich gleichgültig. – »Er schlummert ja so ruhig?«

»Ruhig?« wiederholte Barbara wie oben. – »Es muß in Deinem Gehirn stürmen, weil Du diesen unruhvollen Schlaf ruhig schiltst. Sieh, welche Zuckungen des Kindes Körper durchjagen! ich habe nach dem Arzt geschickt.«

»Du hast recht gethan. Es wird wohl bald vorübergehen, – weiter nichts als der Kinder gewöhnliches Gebresten seyn.«

»Meinst Du?« fragte die Wöchnerin, und heftete einen stechenden Blick auf ihn. »Du bist kalt wie Eis, und solltest doch in Fieberangst glühen, wenn Du an die verfloßnen Stunden gedenkst.«

»Was willst Du damit wieder sagen?« forschte der Gatte scheu und ängstlich.

»Erräthst Du es nicht, Rabenvater?« brach Barbara los. »Der Knabe war gesund, jetzt liegt er in Gichtern. Der Fluch Deines Bruders hat ihm die Krankheit angebannt, stürzt ihn in's frühzeitige Grab.«

»Der Fluch … meines Bruders?« … stammelte Philipp in Gewissensangst.

»Ja; ich wiederhole es,« rief die Wöchnerin, vor Grimm bebend. – »Oder glaubst Du, der Bastard hätte in seinem nicht ungerechten Zorne es unterlassen, seine Verwünschungen auf unser Haus zu schleudern? Der Knecht, den ich, Deinen Fehler wieder gut zu machen, dem Bettler eilig nachsandte, sah ihn vor dem Thore, in weiter Entfernung auf dem Felde knieen, und am hellen Nachmittage mit dem Dolche in der Faust den Teufel beschwören. Darauf schlug er den Weg nach Augsburg ein, und der Knecht kehrte heim, da er alle Hoffnung verloren, den Fliehenden zu erreichen. Er hat Dir und uns Allen geflucht … und die Saat ist aufgegangen; denn von Stund an wurde mein Kind krank, und Du stehst nun an seiner Wiege, gleich einem Marmorbilde: ohne Gefühl, ohne Angst! Herzloser Mensch!«

Das Kind erwachte mit bitterlichem Weinen; die durch sein Geschrei herbeigerufene Amme nahm es mit sich hinweg, um der Wöchnerin Ruhe zu gönnen. Philipp ging auf die letztere zu, sah ihr starr in die Augen, und verzog seinen Mund zu einem bittern Lächeln.

»Du schiltst mich herzlos?« fragte er kalt. »Ich müßte die Gefühllosigkeit von Dir geerbt haben, oder der Himmel hat uns zusammengefügt, weil wir uns in diesem Punkte auf ein Haar ähnlich sehen, obschon Du täglich behauptest, wir paßten nicht in dasselbe Joch. Wie kömmt es, daß dieses Kind Dein Herz mehr in Anspruch nimmt, als dasjenige, welches, einem geliebteren Manne das Daseyn verdankend, dennoch dem Grimme nicht entgehen konnte, mit dem Du selbst dem Unreifen im eignen Mutterleibe den Tod gabst?«

Barbara wurde blaß wie eine Leiche, bis wieder eine dunkle Röthe über Stirn, Wangen und Busen fuhr. Ihre Lippen bebten, und vermochten kaum die Worte zu stammeln: »Schon zum zweiten Male, Niederträchtiger, wirfst Du mir die grausame Beschuldigung vor, die Ausgeburt der boshaftesten Verworfenheit. Wage es nicht zum dritten Male … sonst reißt unser Eheband.«

»O, wäre es doch nie geknüpft worden!« erwiederte Wernher mit finsterm Groll. Der böse Geist Asmodi hielt die Fackel unserm Brautlager, in welchem jede Täuschung schwand. Larven der Unterwelt standen Wache in jener Hochzeitsnacht, in der ich in gerechter Wuth den bräutlichen Myrthenkranz der Flamme überlieferte, weil Du ihn, der nur der Reinen gebührt, vermessen und widerrechtlich vor allem Volke getragen! … nimmer werde ich sie vergessen, jene verhängnißvolle Nacht, nimmer vergessen, was mich am Abend, im Tanzgewühl aus meinem Wahne riß. Wohl bekomm's Schwager! höhnten die beiden vermummten Pritschmeister, als ich Dich in die Kammer führte; … valga me Dios! sie hatten Recht!«

»Es steht Dir wohl an,« unterbrach ihn Barbara mit zitternder Stimme, »die abscheulichen Lügen zu wiederholen, die Du mit Begierde auffaßtest, um Deine eigene Schande damit zu decken.«

»Mit Begierde?« fragte Philipp beleidigt. – »Schweige doch! Habe ich nicht die frechen Spötter gefaßt? habe ich ihnen nicht die Larve abgerissen, Genugthuung oder Abbitte gefordert? Als ich aber die Junkherrn von Wiblingen und Ehingen vor mir sah, die den besten Leumund haben, weit in der Runde« …

»Da fiel Dir der Muth,« spottete Barbara. »Der feige Krämer zitterte vor den Degen der Edelleute, die mich verleumdeten, weil es ihnen nicht gelungen war, mich zu berücken.«

»Nicht?« äffte Philipp ihr nach … »Hast Du dem Ehinger den Sieg nicht leicht gemacht? War er nicht der Vater jenes Kindes, das ohne sein Vorwissen geopfert werden mußte, Dich vor Schande zu retten? Floh er Dich nicht gleich einer Schlange, als Du Dich nicht schämtest, vor ihm mit dieser Unthat Dich zu brüsten? … That der Herr von Wiblingen, Dein zweiter Freier, nicht dasselbe, als er von seinem Waffenbruder erfahren hatte, wie es um Deine Tugend stehe? Kannst Du es läugnen, … kannst Du läugnen, daß Du Dich als ein entehrtes Weib in meine Arme warfst, in die Arme eines Mannes, der seine Seligkeit für Deine Keuschheit zum Pfande gesetzt hätte?«

»Halt ein, Abscheulicher!« wimmerte die Wöchnerin. »Du tödtest mich. Schone wenigstens meines Zustandes. Denke an Deine Unehre, an die Dirne, die Dir von Antorff bis Ulm nachgelaufen ist, mit hochschwangerem Leibe, die Du sammt ihrer Frucht verstoßen, die Du in ihrer Verzweiflung in die Donau gejagt hast! … das beste Bad, unzüchtige Flammen zu löschen!«

»Schweig!« donnerte Philipp wild. »Sie war eine Heilige, die ich der Schmach weihte, eine Märtyrin, der ich den Todesstoß gab, um Deinetwillen! Schwebt ihr Bild mir nicht stündlich vor Augen? in derselben Gestalt, wie sie mehrere Wochen hernach die Fluth des Stromes an's Ufer warf? entstellt … unkenntlich, hätte nicht das geschorne Haupt, der Zustand ihres Leibes, das arme, der Geburt nahe umgekommene Kindlein, dessen sie nicht mehr genesen konnte im Leben, die Unglückselige meinem schuldbewußten Gewissen kund gegeben! Niemand wollte die Ertrunkene kennen. Weh' mir, daß ich sie kennen mußte. Die Strafe folgte meiner Unthat auf dem Fuße. Einen Engel habe ich gemordet, einen Teufel in mein Bett aufgenommen. Gib mir sie zurück die Jahre, die mir der Unmuth langsam vom Leben gefressen. Gib mir die Summen zurück, die Dein Vater in roher Eigenmächtigkeit an sich gerissen oder gebettelt, die er verschwendet, mit denen er groß gethan, mit denen er seine verschuldete Habe befreit hat. Gib mir mein Lebensglück heraus, das Du mir gestohlen!«

»Lügner!« kreischte Barbara in wilder Bewegung … »das sagst Du der Mutter Deines Kindes? Willst Du mich zur Leiche machen?«

»Dem Kinde, das Du im Schooße trugst,« sprach Philipp düster, magst Du's danken, daß nicht schon mein voreiliger Arm das Entsetzlichste verübt hat, wozu ihn Dein Wandel, Deine Bosheit, und Dein frecher Hohn so oft zu reizen wagte. Dieses Kind … Du nennst es das meinige, und ich will's glauben … ich liebe es nicht, weil Du seine Mutter bist, und weil es einer trunkenen Stunde, in welcher der gehaßte Mann das Weib umarmte, das er verabscheut … sein Leben verdankt. Aber, daß Du es geboren, rettet Dich vor einem gähen Ende, und mich vom Blutgerüste. Rufe mir Deinen Mutternamen nur recht oft in's Gedächtniß, damit ich nicht seiner vergesse, wenn die Himmelszeichen einmal Unglück weissagend in unser Leben sehen.

»Ich höre den Vater,« stöhnte Barbara, kaum der Sprache mächtig … »er soll Dir die Antwort geben, die Du verdienst, Schändlicher!«

Der Rathsherr trat den Augenblick darauf in die Stube. Seine Stirn war zornroth, seine Bewegungen heftig. Seine Tochter fürchtete im Ernste das Wetter, welches diese Zeichen verkündeten, und schob ihre Klage gegen den Eheherrn für's erste auf. Thurneisen nickte ihr kaum einen flüchtigen Gruß zu, und ging mit starken Schritten auf Wernher los.

»Habt wieder herrliche Streiche angegeben!« fuhr er denselben mit zornigem Spotte an. »Seyd mir ein schöner Rathsherr, ein lieber Eidam! Muß mich der Teufel geplagt haben, Euch in den Magistrat zu bringen, während Ihr kein Quentlein Vernunft besitzt? Wollt Andere berathen, wißt Euch selbst nicht zu helfen, noch zu rathen!«

»Was soll das heißen?« fragte Wernher grob und unwirsch.

»Daß Ihr ein unbesonnener Mensch seyd,« erwiederte Thurneisen. »Kaum lange ich von meiner Reise an, so muß ich auch sogleich die Neuigkeiten brühwarm erfahren, die sich während meiner Abwesenheit in Euerm Hause zugetragen haben. Alle Teufel! wo hattet ihr Euern Kopf? den Bastard vor den Augen einer Tafelrunde fortzujagen! ihn nicht anzuerkennen! Dachtet wohl es recht gescheidt zu machen? Umgekehrt. Dumm habt Ihr's gemacht. In der Stadt ist der Teufel los. Ueberall spricht man von Euerer Grausamkeit, überall bedauert man den Archimbald, überall findet dieser Freunde, Ihr Feinde, und wenn er vollends noch in Ulm geblieben wäre, er hätte, weiß Gott! unter dem Lumpengesindel einen Aufruhr anzetteln, Euch das Haus stürmen können.«

»Was sollte ich thun?« fragte hämisch der Schwiegersohn.

»Ihn anerkennen …« erläuterte Thurneisen … »ihn liebreich aufnehmen, hättet ihr gleich darüber aus der Haut fahren mögen, den gefährlichen Menschen durch Euer Betragen entwaffnen, und ihn nachher als Landstreicher den Gerichten übergeben. Alsdann wäre er unter meine Klauen gekommen, und ich hätte ihn anders gestriegelt, als die Hexenlene. Es gibt nicht alle Tage einen überladenen Bürgermeistersmagen wieder herzustellen. Der Bastard hat Euch gedroht; in Euerm eigenen Hause vor zwanzig Zeugen einen Dolch gezogen; ich hätte ihn als Mörder auf den Köpfstuhl, oder zum mindesten als räuberischen Landstreicher und Zigeuner an den Strang gebracht. Punctum satis

»Würde man alsdann Euch und mich weniger grausam und unmenschlich genannt habend?« sprach Philipp mit triumphirender Miene.

»Sicherlich nicht,« versetzte der Rathsherr: »allein wir hätten unsern Zweck erreicht, den Buben aus dem Wege geräumt, den weder Elend und Kummer umbringen, noch eine Hexenmeisterin todt zaubern kann. Statt dem bleibt der Bastard Euch immer gefährlich, droht Euch, da er den öffentlichen Rechtsangriff nicht wagen darf, hinterrücks mit Meuchelmord, steckt Euch einen rothen Hahn auf's Dach, oder räumt einmal in finst'rer Nacht Euern Geldkasten aus, und Ihr müßt noch froh seyn, wenn er Euere Gurgel nicht mitnimmt. Seht das ist Euere Lage, die Folge von den verdammten halben Maßregeln. Lieber das Härteste vollführt, und damit Alles gewonnen, als durch Zaudern Alles verloren. In die Mäuler der Leute kommt Ihr dennoch, und die Schande habt Ihr jetzt umsonst.«

»Ihr habt Recht,« gestand Philipp nach einigem Bedenken. »Jetzt ist der Bube erst gefährlich. Die Schlange ist herangewachsen … gereizt …«

»Und alsdann sticht sie gerne und scharf,« fiel Thurneisen ein. – »Eine ausgemachte Wahrheit. Indessen, da Ihr Euer Unrecht einseht, will ich auch einen lindernden Balsam auf die Wunde legen. Ich habe der Schlange ihr Gift benommen, oder es müßte mich Alles trügen. Freilich wäre Alles besser und sicherer, wenn ich in Günzburg gewußt hätte, was sich unterdessen hier in Mm zugetragen.«

»Wie so?« fragten Wernher und Barbara neugierig.

Wie ich von dem Syndikus von Günzburg begleitet, die Straße des Städtleins hinabwandere, um nach dem Wirthshause zu gehen, in dem ich mein Roß eingestellt hatte, begegnet mir unfern des Thores ein junger zerlumpter Bettler, hebt mir die durchlöcherte Mütze vor, und spricht sehr laut und schneidend: »Ein Almosen, Vetter Thurneisen!« – Ich stehe da, wie vom Blitze gerührt, und meine, ich muß in die Erde sinken vor Scham, weil ein abgeriß'ner Landstörper mich Vetter zu nennen die Keckheit hat. – »Frecher Bursche!« rief dem Unverschämten der Syndikus zu, der meine Verlegenheit wohl wahrnahm … »ist das die Weise eines Bettelmanns? Fordert man also ein Schärflein um Gotteswillen? Hinweg!« – »Sorgt nicht, lieber Herr,« antwortete der Bettler. »Unter Blutsfreunden nimmt man's nicht so genau. Nicht wahr, Vetter Thurneisen?« Bei der Wiederholung der schändlichen Anrede blicke ich zornig nach dem Burschen auf, und stehe verdutzt: denn im Augenblicke erkenne ich des Bastards Züge; und das boshafte Lächeln, welches dem Höllenbraten in den Mundwinkeln sitzt, macht mich vollends verwirrt. Da der Syndikus wahrnimmt, daß ich nicht vermögend sey, ein armes Wörtlein vorzubringen, so wirft er dem Bettler schnell einen Pfennig zu, und heißt ihn weiter gehen. »Vergebt, edler Herr!« versetzt der Bastard hierauf: »Bei Euch hab' ich nicht gebettelt, sondern allein bei meinem Vetter, dem Rathsherrn Thurneisen. Da nun derselbe es nicht über sich gewinnen kann, mir nur mit einem magern: Helf Gott! zu erwiedern, so bitte ich Euch, schenkt ihm den Pfennig. Er ist weit ärmer noch als ich; er hat kein Herz.« Mit diesen Worten schleuderte er den Pfennig in die Krause des Syndikus, und geht mit trotzigem Schritte an uns vorüber. Betroffen sehe ich ihm nach. »Seltsam!« spricht mein Begleiter … »ist der junge Mensch in der That mit Euch verwandt, Herr Thurneisen? oder wie erkläre ich mir den Vorfall?« – Indessen war mein Plan gleich gefaßt. Ich zeige Archimbald als einen gefährlichen Landstreicher von ehrloser Geburt an, und ersuche den Syndikus, ihn fest nehmen, nach Burgau bringen und unter die Fußknechte stecken zu lassen, die allda geworben werden, um die Lücken in dem Regiments des Markgrafen Carolus auszufällen, das in Hungarn gegen den Erbfeind streitet. Gesagt, gethan. Der Syndikus willigt ein. Mittlerweile habe ich bemerkt, daß der böse Bube sich in eine kleine Taberne an der Straße geschlichen. Ich bleibe auf der Lauer stehen, damit der Vogel nicht aus dem Garne laufe, während der Syndikus die Stadtwächter versammelt. Diese kommen, überfallen die Kneipe, in welcher der Bettler auf einer Bank schläft, packen, binden ihn unversehens, und bringen ihn auf einen Karren, um ihn auf der Stelle weiter zu schaffen, und erst nachdem ich von Weitem gesehen, wie er von vier Bewaffneten begleitet gen Burgau gefahren wurde, machte ich mich selbst auf den Rückweg. Hätte ich aber ahnen können, daß der Bube schon hier gewesen, daß er in Euerm' Hause solcher Handlungen sich schuldig gemacht … ich hätte ihn hieher bringen lassen, nicht nach Burgau, und wäre mit ihm verfahren, wie schon gemeldet. Er scheint mir jedoch vor der Hand gut aufgehoben, und aus dem Türkenkriege kehrt sich's nicht so leicht … zum Mindesten nicht so schnell wieder.«

»Fürwahr, ich bin Euch Dank schuldig,« versetzte Philipp mit leichterm Athemzuge.

»Freut mich, wenn Ihr's einseht,« erwiederte Thurneisen hochmüthig; allein – er warf die prüfenden Blicke auf die verstörten Ehegatten … »was hat es unter Euch gesetzt? Sind das Kindtaufsgesichter? Rede, Barbara, ich will's wissen.«

Barbara hob ihre Klage an; der Rathsherr ließ sie aber nicht zum Schlusse kommen, sondern nahm, bevor er gehört, wovon eigentlich die Rede, war, das Wort:

»Was muß ich hören!« rief er. »Während ich mir's sauer werden lasse für das Wohl dieses Menschen, mißhandelt er meine Tochter? Philipp! Philipp! Laß't Euch's gesagt seyn. Kommt mir nicht wieder mit dergleichen in die Quere. Schämt Euch, mit einer Ehefrau, nach der alle jungen Männer die Finger lecken würden, nicht in Ruhe, Friede und Eintracht leben zu können! … 's ist eine Schande vor Gott und den Menschen!«

»Bin ich die Ursache?« fragte Philipp erbittert. »Bricht sie nicht selbst die Gelegenheit zum Zwiste mit jedem Tag vom Zaune?«

»Versündigt Euch nicht an der Gerechten!« drohte der Rathsherr. »Ist sie nicht ein Lamm der Sanftmuth, der Geduld? Erträgt sie Euere Pöbelhaftigkeit nicht mit Gelassenheit und christlicher Liebe? Das seht Ihr aber nicht ein; das wißt Ihr nicht zu schätzen. Ein Mal eins, ist eins, zwei Mal zwei ist vier … was d'rüber ist, ficht Euch nicht an. Hinter Euerm nußbaumenen Ladentisch, auf dem die falschen Groschen angenagelt sind, seyd Ihr selbst zum hölzernen Junker, und zur falschen Münze geworden. Es muß mich reuen, Euch durch diese Ehe empor und in den Rath gebracht zu haben, da Ihr so undankbar gegen meine Tochter handelt.«

»Wenn es Euch reut,« versetzte Philipp wild, »so ändert es. Ich biete gern die Hand dazu. Ihr habt noch große Summen von mir in Händen; ich Eure Verschreibungen. Zerrissen gebe ich sie Euch zurück. Behaltet das Geld … mein halbes Vermögen ist's. Mit Freuden lasse ich es fahren, wenn diese heillose Ehe getrennt wird. Ich zahle jeden Preis, um von dieser Gerechten loszukommen.«

»Welche Vorschläge! welches Anerbieten?« fuhr Thurneisen auf; »meint Ihr, trock'ner Krämer, daß mit Eurem Gelde Alles ausgemacht sey? meint Ihr, daß der Rathsherr Thurneisen von Euch sich Geld schenken lassen werde? Glaubt das ja nicht. Bei Heller und Pfennig sollt Ihr den Bettel wieder haben; hört Ihr? Ihr sollt von meiner Tochter geschieden werden; hört Ihr? aber … er zog Philipp bei Seite und raunte ihm in's Ohr: … ich werde alsdann dem Magistrate ein Wörtchen von dem Auftritte bei der Hexenlene und von dem Testamente zublasen, damit die Herren doch auch wissen, wen sie in Euch vor sich haben.«

Philipp verfärbte sich bei diesen Worten, mit welchen Thurneisen, die Schwäche seines Gegners kennend, triumphirend von ihm ging. »Blödsinniger Thor!« rief er endlich, sich vor die Stirn schlagend. »Dich zu fesseln an ein Ungeheuer! durch Deine Verbrechen auf ewig zu fesseln!«

Ein mitleidiges Spottgelächter von Vater und Tochter war die Antwort auf den Ausruf des Verzweifelnden. Es wurde aber von dem Jammergeschrei der hereinstürzenden Amme unterbrochen. Sie trug den Neugetauften, der in heftigen Krämpfen lag, auf den Armen. Der Arzt folgte mit allen Merkmalen der äußersten Besorgniß.

»Das Kind stirbt!« rief die Wärterin! »Stirbt?« fragten Barbara und Philipp. Der Arzt zuckte aufgebend die Achseln.

»Unmenschlicher Vater!« ächzte Barbara. »Sieh, Dein Werk. Deines Bruders Fluch tödtet unsern Knaben.«

»Abscheuliche!« donnerte Philipp ihr zu. »Greif' in Deinen eigenen Busen, und frage Dich, warum der Fluch des Herrn unser Haus heimsucht.«

Thurneisen, außer sich vor Zorn und Scham riß den wüthenden Schwiegersohn aus der Thüre, indem er ihm zuflüsterte: »Um unserer, um Euerer Ehre willen … brandmarkt Euch und die Euern nicht vor fremden Leuten.«

»Ihr habt Recht,« antwortete Philipp bitter. Es ist schon genug, daß wir uns im Stillen verachten … und drehte dem Rathsherrn den Rücken, nach Simons Kammer eilend.

Eine Nachtlampe brannte auf dem Tische. Simon lag ruhig wie ein Todter auf dem Bette, und schien zu schlafen. Philipp machte behutsam die Thüre zu, schlich gegen das Lager, blieb aber, einige Schritte davon, unentschlossen stehen. – Er schauderte zusammen. »Ist mir doch,« flüsterte er in sich hinein, »als wäre ich im Begriff, die Hölle zu wecken durch Bannformeln und Zaubersprüche … als zöge mich eine unsichtbare Hand bei den Haaren zurück: Allein es ist umsonst. Ich bin in Verzweiflung. Ich kenne keine Wahl. Was mir der Unhold rathen möge … besser ist es, als ein solches Leben.« – Entschlossen rüttelte er den Alten aus dem Schlummer. »Was soll's?« murrte dieser, aus seinem geheuchelten Schlafe auffahrend; »weckt man einen Kranken so ungestüm? was wollt Ihr von mir? ich muß mich wundern, Euch wieder bei mir zu sehen, da mein Umgang doch zu schlecht und niedrig für Euch ist.«

»Der fressende Gram treibt mich zu Dir,« versetzte Philipp in heftiger Bewegung. »Bei Dir suche ich Trost, Rath, Hilfe!«

»So?« spottete Simon. »Die Herzensangst zieht Euch also zu meiner Verworfenheit herab? Ich dachte mir's. Worin soll ich denn nun rathen, trösten, helfen?«

»Höre, Simon,« begann Philipp, sich vertraulich auf den Rand seins Bettes setzend – »ich bin ein unglücklicher Mann; ich kann nicht länger mit meinem Weibe leben. Sie mißhandelt mich, wie mein Schwäher. Es muß ein Ende nehmen, auf eine oder die andere Weise.«

»Das wird es auch;« schaltete der Diener ein. »Ihr braucht nur den Weg einzuschlagen, den Euch die Kirche öffnet. Trennt Euch von der Ehefrau, so hat der Tanz ein Ende.«

»Ich kann, ich darf nicht,« versetzte Philipp dringend. »Ich muß des Rathsherrn Haß fürchten. Ich bin in seinen Händen.«

»Das ist schlimm,« sprach Simon. Das habt Ihr nicht klug gemacht. Ihr war't zu offenherzig gegen den groben Mann. Ich ahne, was Ihr von ihm fürchtet. Ich wollte wohl für meine Person, den Theil, der auf mich kömmt, von der Rechnung herunterlügen, allein Ihr könnt das nicht. Der rohe Schwähervater schüchtert Euch ein, wie eine Taube. Es ist überhaupt besser, den alten Schlamm unaufgerührt zu lassen. Faß't Euch demnach, und tragt die Kette in Geduld, die Ihr Euch selbst angelegt habt. Ich weiß keinen Rath.«

»Der Groll der verwichenen Stunde spricht aus Dir« … erwiederte Wernher, so nachgiebig als möglich … »Du wüßtest nicht zu rathen, wenn es gilt einen überlästigen Menschen zu entfernen, der mich unglücklich macht? Gütlicher Vergleich findet hier nicht Statt … ein Gewaltschritt muß enden.«

»Wie meint Ihr das?« fragte Simon, und im argen Verdacht zwinkerten seine Wimpern. – »Erklärt Euch!«

»Du bist grausam,« sprach Philipp stockend. »Ich soll Dir auseinandersetzen, was Du erräthst, wenn Du willst. Thue einmal auf mein Gebot, was Du einst ohne mein Geheiß vollführt. Barbara … sey Hedwig!«

»Was?« rief Simon, und spielte den Erschrockenen … »An welche Zeit mahnt Ihr mich? An Diejenige, wo ich mein Seelenheil für das Wohl des zukünftigen Herrn aufgeopfert habe? Ihr habt mir schön vergolten für die ruchlose That, die Ihr zwar nicht befohlen, die Euch aber genützt hat. Der übelgewählten Hausfrau mußte ich weichen, unbeachtet in Vergessenheit und Dunkel zurücktreten. Die strenge Ehewirthin fürchtend, ließt Ihr, durch Euere vornehme Entfernung von mir, mich merken, daß man das unnütze Werkzeug hinter die Thüre wirft, ist die Arbeit gethan. Und Ihr dürft mir zumuthen, am Rande des Grabes einen neuen Frevel zu begehen um Euertwillen?«

»Es mag seyn,« erwiederte Philipp, den die schadenfrohe Weigerung des alten Heuchlers in ängstliche Sorge versetzte – »es mag seyn, daß ich undankbar gegen Dich gehandelt habe. Ich will es nicht untersuchen. Verzeihe, hilf nur dießmal. Die Zeit, in der Du allein mit meinem Vater in seinem Hause lebtest …«

»Das war eine schöne Zeit,« fiel Simon ein, und faltete andächtig die Hände … »Des Herrn Wille geschah, und der meinige; kein dritter kam in Betracht.« – »Diese schöne Zeit soll wiederkehren,« versetzte Wernher mit einem leisen Seufzer, den ihm das Vorgefühl der künftigen Abhängigkeit von dem Diener entlockte. – »Ich werde nimmer heirathen, als ein Wittwer mein Leben beschließen, und Dein Alter soll die beste Pflege bei mir haben.«

»Hm! hm!« brummte Simon und schüttelte den Kopf. – »Ich will mir's bedenken.«

»Was ist hier zu bedenken?« rief Philipp heftiger. »Ja oder nein! ein Wort nur kostet's.«

»Freilich,« äußerte der Alte, wie oben; »aber … »Gebt mir doch das Glas vom Tische, und rührt mir ein Pulver ein! Ich darf über dem Geschwätz meine Gesundheit nicht vergessen.«

Philipp that wie es ihn Simon hieß. Der Letztere nahm die Arzenei bedächtig und langsam ein, und fuhr alsdann fort:

»Euere Versprechungen wären schon ganz artig. Allein Versprechen ist edelmännisch, das Halten hingegen bäurisch. Ich müßte doch etwas haben, worauf ich sicher rechnen dürfte. Denn Zeiten und Menschen sind wandelbar. Es könnte Euch, trotz Eueres Vorsatzes, dennoch in den Sinn kommen, abermals zu weiben und ich säße auf dem Sande. Dahero bietet etwas Sicheres.«

»Dreihundert blanke baare Gulden sind Dein, wenn Du mir hilfst,« antwortete Philipp rasch.

Simon schwieg eine Weile. »Seht doch nach,« sprach er hierauf, »ob nicht das Fenster aufgegangen ist; es zieht mir so grimmig auf die Decke.« – Philipp that wie er verlangte, und fand Alles wohl verwahrt. – »Dreihundert Gulden?« fuhr der Diener fort; »traun, ein hübsches Sümmchen! Und voraus?«

»Mißtraust Du mir?« fragte Philipp aufgebracht.

»Nicht so eigentlich,« erwiederte Simon schlau; »allein in ähnlichen Geschäften muß man vorsichtig und genau verhandeln. Die Sache ist von der Art, daß die Parteien gegenseitig nicht viel Ehrfurcht für einander hegen können, und da steht die Gewissenhaftigkeit auf schlechten Füßen. Indessen … wenn Ihr nicht wollt, so ist mir's um so lieber; Ihr behaltet Euer Geld und Euer Hauskreuz, und ich noch ein gesundes Fleckchen an meinem Gewissen.«

»Nicht doch,« entgegnete Wernher eilig. – »Ich sage zu. Die Summe liegt bereit, wann Du es verlangst.«

»So?« fragte Simon; … »da wären wir also einverstanden und … reibt mir doch die Fußsohlen, damit sie mir erwärmen … so! es ist gut … und – was ich sagen wollte – ich will es auf den höllischen Pfuhl hin wagen.«

»Du bist mein Retter!« jubelte Philipp.

»Gelt, wenn der alte Simon nicht wäre?« grinste der Bösewicht, und schob sich die Schlafkappe tiefer in die Stirn. – Geduldet Euch nur bis ich gesund geworden, und das Bett verlassen; dann wollen wir bald am Ende seyn. Bis dahin gebt der Frau Barbara die besten Worte, damit kein Satan hinterdrein Verdacht schöpfen könne. Verlaßt Euch dann nur auf mich. Sie hat Euch so oft Imbiß, Vesperbrod und Nachttrunk mit Gift und Galle gewürzt … sie mag auch einmal in dem Morgensüpplein den Tod schlucken. Eine Hand wäscht die andere.«

Ein lautes Geheul schallte mit einem Male durch's ganze Haus; ungestümes Thürzuschlagen, verwirrtes Umherlaufen. »Welcher Sabbat ist los?« donnerte Philipp zur halb offenen Kammerthüre hinaus den vorüberlaufenden Mägden entgegen. »Was gibt's?«

»Euer Söhnlein ist so eben verschieden!« jammerte die herbeieilende Amme des Knaben. »Kommt doch, Herr Wernher … die Frau ist ohnmächtig geworden vor Schreck.«

Eine augenblickliche Regung von Vatergefühl und ehelicher Besorgniß durchzuckte Philipps Herz und bestimmte ihn, den Kranken eiligst zu verlassen.

Der eisgraue Schurke wickelte sich höhnisch lachend in die Decke, und machte sich zum Entschlummern fertig. »Wenn die gestrenge Frau Barbara Empfindung hätte, wie ein anderes Weib,« flüsterte er spottend in das zum Mund heraufgezogene Leintuch, … »so könnte mir der Dreihundertguldenverdienst entgehen. Sie stürbe mir vielleicht vor der Nase weg, im Schmerz um ihr Söhnlein. Sie ist jedoch aus derbem Teig geknetet, und solche Kleinigkeit ficht sie nicht an. Gott sey Dank, ich werde mein Meisterstück an ihr machen. Herr Philipp soll alsdann erst merken, wen er vor sich hat. Der Rebensaft soll mir zu einem freudenreichen Spätherbst verhelfen im Leben; und sollte mein Gewissen dennoch so thöricht seyn, und aufwachen wollen, so schwöre ich meinen Glauben ab, trete zur römischen Kirche, und schüttle in einer Beichte alle Sünden von mir. Meinen Zweck muß ich aber erreichen, und in Philipps Hause den Meister spielen bis an mein Ende, das noch recht ferne seyn möge … müßte ich auch noch dreimal mehr thun, als ich bereits gethan habe.«

Der alte, von sündlichen Gedanken und Vorsätzen gewissermaßen neugestärkte Frevler, entschlummerte bald und fest, während sein Gebieter, Philipp Wernher, mit trocknem Auge und eiserner Stirn an dem Todtenlager seines Kindes saß, und, tausend Gedanken einer fröhlichen Zukunft im Gehirne wälzend, die Athemzüge der vor Schwäche und Ermattung entschlummerten Mutter zu bewachen schien. Der aufmerksame Beobachter würde durch die Larve des zärtlichen Gatten, die er vorgenommen hatte, getäuscht worden seyn. Sein Aeußeres heuchelte eine Tugend, während sein lasterhaftes Herz eifrig bemüht war, den Fleck zu ergründen, wo sich der Meuchelmord am festesten und unbemerkt an das Leben der verrathenen Gattin saugen könne. Dieser einzige Gedanke beschäftigte seinen Verstand, sein Gemüth; zuversichtlich hoffend, die finstere That der Welt verbergen zu können, schwelgte er im Voraus in dem schaudervollen Ende, womit er seine, unter bösen Zeichen geschlossene Ehe, zu krönen dachte.


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