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IV.

Für Conrad Wild war es ein arbeitsamer Morgen gewesen. Nach wenigen Stunden eines unruhigen, von grauenhaften Träumen gequälten Schlafes hatte er wieder zu der Wöchnerin gemußt; und wieder hatte es seiner ganzen Kunst, der vollen Concentration seiner Geisteskraft bedurft, bis auch dies durchgekämpft, und er dem jungen Gatten sagen konnte, daß er jetzt – so weit Menscheneinsicht reiche – für das Leben von Mutter und Kind einstehen könne.

Er hatte sich nicht wieder niedergelegt, als er nach Hause gekommen, sondern sich sofort an seinen Schreibtisch gesetzt, einen Aufsatz zu beenden, den er einer gelehrten Zeitschrift bis heute Mittag versprochen. Er sagte sich, daß das Manuscript auch wohl noch vierundzwanzig Stunden später zeitig genug in die Hände der Redaction komme; aber er war gewohnt, seine Zusagen pünktlich zu erfüllen, und so arbeitete er fort, obgleich es ihm seltsam schwer wurde und er, als er endlich die Feder aus der Hand legte, aus seiner Hausapotheke die stärkste Dosis eines Medikaments nehmen mußte, welches ihm das fieberhaft erregte Blut beruhigen und Klarheit in das überreizte Gehirn bringen sollte.

Er hatte die Lampe verlöscht und schaute nun, am Fenster stehend, mit den heißen, überwachten Augen in den grauenden Morgen. Der Sturm der Nacht war gebrochen; aber noch immer wälzte ein mürrischer Wind trübe Dunstmassen vor sich her nach Norden, – ins Nebelland, ins Todtenreich. Wie sagt Spinoza? der kräftige Mensch denkt an nichts weniger, als an den Tod – so bin ich denn heute ein schwacher, ein recht schwacher Mensch. Heute? war ich es nicht schon, als ich den engen Seelen nachgab und mich hier einpferchen und eindornen ließ, um nach kürzester Frist einzusehen, daß ich etwas übernommen, das ganz gewiß nicht, wie sie es sich gedacht, zu Ende geführt werden konnte – höchstens so!

Ein schwermüthiges Lächeln flog über das düstere, bleiche Gesicht. Er war an seinen Schreibtisch getreten und hatte ein Papier herausgenommen, das er entfaltete: eine Lebensversicherungspolice, die er nach langem Suchen und vielfachen Bemühungen endlich in einer englischen Gesellschaft erworben. In den Statuten, die dem Instrument beigefügt waren, hatte er einen Paragraphen angestrichen und sein Auge haftete an den wenigen Zeilen, die auch dem Selbstmörder die volle Auszahlung der Versicherungssumme an seine Rechtsnachfolger garantirten, vorausgesetzt, daß der Betreffende bereits zwei Jahre der Gesellschaft angehört. An dem Mittag des heutigen Tages waren für ihn die zwei Jahre voll.

Es ist nicht nach meinem Geschmack, murmelte er; aber – was man von mir verlangte, war es noch weniger.

Er blieb über den Schreibtisch gebeugt stehen und schrieb eine längere Reihe größerer und kleinerer Zahlen unter einander, die er schließlich summirte. Die Summe war um fünf oder sechs Hundert größer, als die in der Police verzeichnete.

Das hat sich ja bedenklich seit dem letzten Male vermehrt, sagte er, sich aufrichtend; indessen es wird schon herauskommen, wenn sie meine ausstehenden Rechnungen einziehen und dies hier unter den Hammer bringen, sie müßten es denn für Schleuderpreise weggeben – und selbst dann: die Bücher allein sind das Doppelte werth. Baares Geld würden sie freilich nicht vorfinden; ich darf nicht vergessen, im Laufe des Tages dafür zu sorgen.

Er klingelte; sein Diener brachte ihm den Kaffee; auf dem Brette lag ein Zettel, auf welchem Johann, seiner Instruction gemäß, die Auslagen, die er während des Monats für seinen Herrn gemacht, heute, als am letzten, zusammengestellt hatte. Ueber einen Groschen war Johann nicht ganz im Klaren; es konnte sein, daß er denselben noch zu fordern hatte; es war aber auch wohl möglich, daß er ihn schon zurückerhalten.

Es ist gut, sagte Conrad Wild; und als der Mann zur Thür hinaus war: ich glaube, ich würde lieber eine Million stehlen, als dem braven Kerl einen Groschen schuldig bleiben! Nun, ganz so weit bin ich noch nicht; es müßte denn auch dies ein Diebstahl sein. Aber habe ich nicht um sie geworben als ehrlicher Mann, wenn ich mein Bestes gab? und wird man nicht besser, geistreicher, liebenswürdiger, auch ohne daß man es will, gegenüber einem so holden, geistvollen, liebenswürdigen Geschöpf? und wer hat denn diese Leidenschaft in meinem Herzen entflammt, als sie selbst, die mich auf jede Weise auszeichnete? als ihre weichen, liebebrütenden Augen, die ich immerfort auf mich gerichtet und sich nur abwenden sah, um zurückzukommen, wie ein Taubenpaar, das, kaum aufgescheucht, die entfalteten Schwingen wieder zusammenlegt und gierig an der süßen Nahrung weiter pickt? Nein, nein! kein Dieb und kein Betrüger, oder – ein betrogener nur! und wie leicht betrügt es sich, wenn das Herz ein wenig mithilft; und wie grenzenlos schwer, wie unmöglich ist's, wo es stumm bleibt, nein! wo es sich aufbäumt und schreit: ich will nicht, ich kann nicht, trotz eurer elenden, spießbürgerlichen Moral, trotz eurer steifleinenen Krämertugend, die über den Abtrünnigen, den Meineidigen, den Verräther die unschuldgewaschenen Hände ringt. Und nun – weg damit und für immer! Verflucht die Sekunde, in der auch nur der Schatten eines Zweifels mir die Seele verdüstert! – Wartet bereits Jemand?

Es warteten bereits Mehrere im Vorzimmer, meldete Johann: auch eine Dame sei dagewesen und habe den Herrn Doctor dringend zu sprechen verlangt; sie komme nicht als Patientin. – Na, und da habe ich sie denn wieder weggeschickt, sagte Johann; wenn sie nicht als Patientinen kommen, weiß ich schon immer, was das heißt. Der Herr Doctor werden sich noch die ganze Bettelei ins Haus gewöhnen. Der Herr Doctor sind ausgegangen und damit Punktum.

Wild hatte kaum gehört, was der Mann vor sich hinbrummte, während er die Kaffeesachen abräumte und mit denselben durch die Schlafstube verschwand. Er öffnete die Thür nach dem Vorzimmer, den ersten der Hilfesuchenden einzulassen. Dem Ersten folgte ein Zweiter, ein Dritter, ein Vierter, in ununterbrochener Folge zwei Stunden lang, und Jeder ging befriedigt, beruhigt, getröstet von dannen; und Keiner ahnte, wie friedearm, wie unruhig, wie trostlos es während all der Zeit in dem Gemüthe des Arztes war, der so geduldig die Klagen anhörte, so gewissenhaft seine Untersuchungen anstellte, Reich wie Arm mit derselben vornehmen Höflichkeit zur Thür begleitend und in der Thür den Nächsten mit einem Blicke der großen strengen Augen und einem anmuthigen Winken der Hand auffordernd, zu ihm einzutreten.

Man wußte, daß Doctor Wild seine Sprechzeit pünktlich einhielt; man drängte sich deshalb in die erste Stunde; das letzte Viertel der zweiten sah nur noch einen und den andern Nachzügler, fast immer von auswärts; und mit dem Glockenschlage elf pflegte der letzte abgefertigt zu sein. So hatte denn Wild außer der reich gekleideten, stattlichen Dame – einer polnischen Gräfin, die eine halbe Stunde zu ihrem höchsten Erstaunen hatte warten müssen – zuletzt Niemand mehr im Vorzimmer gesehen; und er war deshalb, als er nach einer Minute die Frau Gräfin mit einer Karte an einen seiner Collegen wieder entließ, einigermaßen erstaunt, noch einen kleinen Mann zu erblicken, der im Fenster stand und, als er die Thür gehen hörte, sich mit großer Lebhaftigkeit umwandte.

Ich komme –

Entschuldigen Sie! sagte Wild, die Dame bis zur Thür des Vorzimmers geleitend und sich dort mit einigen Worten in französischer Sprache von ihr verabschiedend. Dann kam er langsamen Schrittes zu dem kleinen Manne zurück, der ganz verstört an demselben Flecke, in derselben Haltung stehen geblieben war, und sagte in ruhig-geschäftlichem Tone – als wenn der kleine Mann nur ein Patient mehr sei: Wollen Sie gefälligst hier herein treten.

Der kleine Mann ließ die halberhobene Rechte sinken und dann die Linke, welche an dem dicken, rothen Shawl gezerrt hatte und schritt durch die Thür, welche Wild für ihn geöffnet.

Was verschafft mir die Ehre, Herr Kempe? sagte Wild; und nach einer Pause, während welcher die Blicke des kleinen Mannes mit einer verwunderten Neugier im Gemache umher gewandert waren: Meine Zeit ist sehr beschränkt.

Ich glaub's, sagte Herr Kempe; ich glaub's; Sie wohnen hier sehr schön, sehr schön; im Dresdener Schlosse ist's nicht schöner!

Sie haben sicher nicht, mir diese schätzenswerthe Mittheilung zu machen, die Reise hieher unternommen.

Nein, sicher nicht, gewiß nicht, erwiderte Herr Kempe, aber das sagt man doch unwillkürlich, wenn man so was sieht; das muß freilich ein Heidengeld kosten.

Und – ich erlaube mir noch einmal zu bemerken, daß meine Zeit sehr beschränkt ist – der Zweck Ihres Besuches?

Dem kleinen Manne mußte bei dieser Frage nicht wohl sein. Er rutschte auf seinem Stuhle hin und her und riß wie in Verzweiflung an dem dicken rothen Shawl, der sich dadurch nur noch fester verknotete.

Der Zweck meines Besuches? Ei, Herr – Doctor, muß ich ja auch wohl sagen, obgleich ich Ihr Pathe bin und immer meine Pathepflichten gegen Sie gewissenhaft erfüllt zu haben glaube – und ich habe es doch auch später an Nichts fehlen lassen, sondern etwa mehr gethan, als wohl mancher Andere an meiner Stelle gethan haben würde, wessen ich mich indessen nicht weiter berühmen, sondern hier wie alle Wege sagen und bekennen will: Gott allein die Ehre! Und ich wüßte nicht, daß meine liebe Selige anderen Sinnes gewesen wäre und früher oder später nicht als rechtschaffene Frau und Christin an Ihnen gehandelt hatte, als sie damals unser Kind nicht ein paar hundert Meilen weit in das sündhafte ausländische Babel ziehen lassen wollte; und was meine Christiane betrifft – meine arme, unglückliche Christiane –

Der alte Mann trocknete sich mit dem baumwollenen Taschentuche die kahle Stirn und fuhr sich über die Augen, die, sobald er seiner Tochter Namen ausgesprochen, wunderlich zu zwinkern begonnen hatten. Wild hatte den Kopf in die Hand gestützt und blickte auch nicht auf, als Herr Kempe schwieg. Der alte Mann that ihm leid – er hätte ihm gerne den Schmerz erspart, aber es mußte eben sein. Wie sollte er es ihm sagen?

Er erhob sich und trat an das Fenster, wie er es zu thun pflegte, wenn er ein fehlendes Glied der Gedankenreihe, den rechten Ausdruck nicht finden konnte. – Auf der anderen Seite der heute fast leeren Straße ging ein Mann, der den Hut tief in das Gesicht gezogen und den Rockkragen aufgeschlagen hatte. Der Mann ging langsamen Schrittes, wie Jemand, der auf einen Anderen wartet, und jetzt wandte er sich um und kam wieder zurück, einen verstohlenen Blick nach dem Fenster hinauf werfend, und, als er ihn dort stehen sah, den Hut noch tiefer in die Stirn ziehend und seine Schritte beschleunigend, nach der Ecke der nahen Querstraße, hinter welcher er alsbald verschwand.

Dennoch hatte ihn Wild's scharfes Auge erkannt.

Ein finsteres Lächeln flog über sein Gesicht und seine Stimme klang herb und rauh, als er jetzt mit verschränkten Armen vor dem alten Manne, der noch immer an seinem stumpfen Näschen wischte, stehen blieb.

Und wie, hat Ihnen nun der brave Weikert gesagt, daß Sie nach dieser rührenden Einleitung zum Thema übergehen sollen?

Weikert! rief der alte Mann, erschrocken zusammenfahrend.

Derselbe! Oder sollte er aus purem Zufalle da unten patrouilliren, während Sie mir hier oben eine Vorlesung über meine Pflichten halten, die in eine Drohung übergehen wird, sobald Sie merken, daß die Lamentationen und die Thränen nicht verfangen wollen! Nicht wahr, verehrter Herr Kempe, das klingt sehr hart; aber Sie haben es sich selbst zuzuschreiben. Wären Sie allein gekommen – ich hätte Ihnen auch dann gesagt, was gesagt werden muß, ganz gewiß; aber es wäre mir doch schwer geworden und ich hätte es Ihnen milder gesagt; jetzt, wo Sie sich von diesem Menschen begleiten lassen und sicher nicht blos begleiten lassen; jetzt, wo Sie in diese Angelegenheit, die, so schmerzlich sie für uns Alle ist, doch unsere und nur unsere ist und bleiben muß, diesen Menschen hineinblicken und hinein reden lassen, von dem Sie wissen müssen und wissen, daß er ein Bube und ein Schurke und mein schlimmster Feind, – Herr Kempe, ich meine, wir können jetzt gleich mit dem Ende anfangen, und da erlauben Sie mir denn, Ihnen zu sagen, daß ich Ihr Fräulein Tochter nicht heirathen will und werde, weder jetzt, noch später, und nun haben Sie die Güte und sagen Sie mir ohne Umschweife, welche Bedingungen mir in diesem Falle aufzuerlegen, Sie von Herrn Weikert instruirt sind.

Der kleine Mann schien, während die Feueraugen des Doctors auf ihn herabblitzten, noch kleiner zu werden. Sein kahles Köpfchen war, als gälte es, sich vor einem Ungewitter zu schützen, beinahe ganz in den Falten des rothen Shawls verschwunden; zuletzt war er von dem Stuhl herabgeglitten und stand, an allen Gliedern zitternd, vor Conrad.

Sie wollen also Christiane nicht heirathen? brachte er endlich heraus.

Ich glaube es deutlich genug gesagt zu haben.

Und – und auch nicht, wenn wir – ich Sie wegen gebrochenen Ehegelöbnisses belange?

Seltsamer Weise auch dann nicht.

Und – und Sie wissen, daß Sie meiner Christiane viertausend Thaler ohne die Zinsen im Laufe dieser acht Jahre schuldig geworden sind. Sie werden nicht verlangen wollen –

Der Himmel soll mich bewahren! im Gegentheil, ich hoffe in kürzester Frist im Stande zu sein, die genannte Summe Ihnen oder vielmehr Ihrem Fräulein Tochter mit Zins und Zinseszins zurück zu zahlen. Wir nehmen doch den höchsten Procentsatz, nicht?

In kürzester Frist, sagen Sie, wann wäre das wohl?

Vielleicht morgen; möglicher Weise schon heute – anderenfalls in sechs bis acht Wochen gewiß.

Doctor Wild war an seinen Arbeitstisch getreten und hatte in seinen Papieren zu kramen begonnen; er sprach die letzten Worte in ruhigstem, fast nachlässigem Tone und halb über die Schulter gewandt. Herr Kempe wühlte durch den Shawl und den Ueberrock nach etwas in seiner Brusttasche und hielt dabei unverwandt die zwinkernden Augen auf Wild gerichtet, als käme Alles darauf an, daß er bei dem, was er jetzt that, nicht beobachtet würde. Endlich hatte er die Brille und das dicke Portefeuille glücklich herausgelangt und aus demselben unter mehreren anderen Papieren von demselben Format einen länglich schmalen Streifen genommen, welchen er, sich vorsichtig nähernd, fast unter Wild's Arm hindurch vor Jenen auf den Tisch legte.

Es ist nur um Lebens- und Sterbenswillen, sagte er.

Geniren Sie sich ja nicht, erwiederte Wild, einen flüchtigen Blick auf das Papier werfend: Viertausend und so weiter – sehr schön, hier!

Er hatten seinen Namen auf den Wechsel geschrieben und reichte das Papier rückwärts an Herrn Kempe, der es zu den übrigen von demselben Format legte.

Und das wäre ja wohl Alles, was wir mit einander zu besprechen hätten.

Ja – das heißt – stotterte Herr Kempe.

Dann habe ich die Ehre, Ihnen einen guten Morgen zu wünschen.

Der Doctor hatte sich so plötzlich umgewandt; Herr Kempe, der eben jene anderen Papiere aus der Brieftasche genommen, legte dieselben schnell wieder hinein; fast wäre ihm vor Schrecken die Brieftasche selbst aus den Händen gefallen. – Und dann stand er auf der Straße und sah sich nach Herrn Notar Weikert um, der verschwunden war und ihm jetzt in der Quergasse aus einer tiefen Thorfahrt entgegen trat.

Es zog da so, sagte Herr Weikert. Nun?

Es ist ein entsetzlicher Mensch, erwiderte Herr Kempe, der ganz verstört aussah; ein entsetzlicher Mensch!

Ueber das schmale Gesicht des Notars zog ein höhnisches Lächeln.

Ein wenig ungeberdig? wie? ich hatte Sie ja darauf vorbereitet; wir wollen den Burschen bald genug zahm machen. Was sagte er zu dem Sichtwechsel? Gar nichts? Meinetwegen, wenn er nur unterschrieben hat. Und die anderen? he?

Die anderen? ich – ich kam gar nicht dazu – ich –

Der Notar war stehen geblieben und starrte Herrn Kempe in das blasse, verstörte Gesicht: Kamen nicht dazu? Herr, sind Sie bei Sinnen? auf der Stelle gehen Sie zurück!

Nicht um alle Welt! schrie Herr Kempe so laut, daß ein paar Vorübergehende sich umblickten.

Still, sagte der Notar; es hören Sie ja die Leute. So geben Sie mir; ich mache mir ein Vergnügen daraus.

Das ist es eben, wimmerte der kleine Mann; es ist unchristlich, sich aus so etwas ein Vergnügen zu machen; noch dazu, wenn man, wie Sie, eine alte Schuld, so zu sagen, an den Betreffenden zu bezahlen hat. Und er hat es gleich heraus gehabt, daß Sie dahinter steckten; ich wollte, ich wäre Ihrem Rathe nicht gefolgt; ich wollte, ich wäre zu Hause geblieben, oder wäre wenigstens in meinem alten Gasthof eingekehrt, und nicht, weil Ihnen das bequemer war, in dem Wilden Mann, der seinem Namen Ehre macht, so daß ich die ganze Nacht kein Auge zugethan habe, wovon mir ganz wüst im Kopfe ist, und ich kaum weiß, was ich spreche oder thue.

Es scheint so, sagte der Notar, und da Sie denn meiner Dienste nicht mehr bedürfen –

Er lüftete den Hut; Herr Kempe hielt ihn am Rockschooß und rief mit kläglicher Stimme:

Sagen Sie mir doch wenigstens, was ich nun mit den anderen Welschen anfangen soll?

Stecken Sie sich das nächste Dutzend Pfeifen damit an, erwiederte der Notar mit hämischem Lachen. Ich habe die Ehre –

Er ging, aber nur ein paar Schritte, dann trat er wieder zu dem kleinen Mann, der auf derselben Stelle stehen geblieben war, und sagte: Sie haben es freilich nicht um mich verdient und Ihr Fräulein Tochter auch nicht; aber ich bin nun einmal ein guter, dummer, uneigennütziger Kerl und – was lamentiren Sie nur! Er will Fräulein Christiane nicht heirathen – das thut mir um Fräulein Christianen's willen sehr leid, unbeschreiblich leid; aber ich hatte es Ihnen vorhergesagt. Man kann nicht Alles zu gleicher Zeit haben, und Sie für Ihr Theil haben nun das Geld. Begreifen Sie denn gar nicht – aber was soll ich Ihnen das Alles noch einmal auseinandersetzen? Kommen Sie!

Wohin!

Der Notar rief einen Fiaker an: Zu Goldheimer Sohn, in der –

Weiß schon, sagte der Kutscher.



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