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Siebentes Capitel.

Die hatte sich nicht vom Platze bewegt, bis er die Thür hinter sich zudrückte; dann aber war sie, als wenn sie geflogen wäre, an eben dieser Thür und hatte den Schlüssel umgedreht. Und zu der zweiten Thür, welche zu dem Speisesaal führte, und zu der dritten nach dem Salon, beide verschließend. Dann eilte sie zu dem Tisch und ergriff den großen Schlüssel und zuckte zusammen, als hätte sie auf rothglühendes Eisen gefaßt. Ein paar Momente war's, als ob sie ihn wieder fallen lassen würde; aber sie hielt ihn, während ihre Augen auf das Blatt starrten, das daneben lag:

 

»Gnädige Frau! Eine Denunciation, welche vor einer Stunde in einer gewissen, überaus betrübenden Angelegenheit bei hiesiger Polizeibehörde gemacht ist – es handelt sich um das bis jetzt unaufgeklärte, wenn auch nicht ganz spurlose Verschwinden eines jungen Mannes aus dem Comtoirpersonal Ihres Herrn Gemahls – zwingt mich, noch an diesem Abend eine, wenigstens partielle Durchsuchung Ihres Hauses vorzunehmen. Es bedurfte wahrlich nicht der Intervention des Herrn Doctor Bertram, der sich in diesem Augenblicke bei mir befindet und auch, in seiner Eigenschaft als Kreisphysikus, der Recherche beiwohnen muß, mich zu bestimmen, meine schwere Pflicht in der schonendsten Weise auszuüben. Diese Schonung wurde ohnedies dictirt durch die Rücksicht auf den bisher unbescholtenen Ruf Ihres Herrn Gemahls, des Trägers eines so angesehenen, ich möchte sagen erlauchten Namens; durch die innige Freundschaft, welche mich so viele Jahre hindurch an Ihr elterliches Haus gefesselt; durch die tiefe Bewunderung, die ich Ihnen persönlich aus ehrfurchtsvoller Ferne stets gezollt. So wollen Sie denn gestatten, daß ich mich in dem Moment, wo Ihr Herr Gemahl Ihnen die verehrten Eltern in die Arme führt, in Ihren festlichen Kreis mische, als ein stiller, bewegter Gast, der noch ein wenig zurückbleiben wird, nachdem Ihre ahnungslosen Eltern sich zur Ruhe begeben.

Gnädige Frau, ich sage kein Wort für mich. Sich hier entschuldigen wollen, würde sich anschuldigen heißen. Es ist mein Schicksal, Ihnen zu mißfallen; aber eben, weil es mein Schicksal ist, muß ich es tragen. Es giebt ein Gefühl, das über allen anderen Empfindungen steht: das ist das Gefühl der Pflicht.

In tiefer Ehrfurcht

Oskar von Frank.«

 

Das Gefühl der Pflicht! murmelte Aennchen; ich will von diesem Teufel lernen!

Der Schlüssel brannte nicht mehr in ihrer Hand; sie hielt ihn fest in der Rechten, in der Linken das Licht, welches sie von dem Sims des Kamins genommen. So stürzte sie nach jener Ecke des weiten Gemaches, wo die um mehrere Fuß vorspringende ellendicke Mauer den Schrank bergen mußte. Auch hatte der Doctor ja vorhin nach dieser Stelle gewiesen. Dennoch konnte sie, hinauf- und hinableuchtend, in der mattglänzenden Tapete von gepreßtem dunkelgelben Leder das Schlüsselloch nicht finden. Die Secunden wurden ihr zu Ewigkeiten. O mein Gott! mein Gott! stöhnte sie; wo? wo? o mein Gott, hilf mir! – da!

Der Schlüssel stak im Schloß.

Und wieder schmetterte der Sturm jenen fürchterlichen Ton durch das Fenster, in dessen unmittelbarer Nähe sie sich jetzt befand, – die gelbe Gardine schwankte hin und her, als ob Jemand, der dahinter stehe, sie bewegte – in dem Schrank klapperte es, als wenn Knochen aneinander rasselten. O mein Gott, hilf mir!

Die Thüren sprangen auf, beide auf einmal. In demselben Momente glitt ein großer Gegenstand unmittelbar an ihr vorüber und schlug mit dumpfem Tone weithin auf den dicken Teppich. Es mochte ein großes Bret sein, das sich von der Thür losgelöst hatte, oder was es war. Sie achtete dessen nicht, so wenig wie sie die Gefahr bemerkte, der sie entgangen. Sie achtete auch der Gegenstände nicht, die da in langen Reihen auf den Regalen standen, welche die rechte Hälfte des Schrankes von unten bis oben anfüllten: der hohen Leuchter, der prächtigen Vasen, der glitzernden Haufen von Löffeln und Messern und Gabeln, der blinkenden Becher und Kannen, der mächtigen Bowle – eines Königs Geschenk in diesem königlichen Schatz – was galt ihr das jetzt! dort links in dem großen, leeren Raum, in einer der tiefen Ecken, wohin nicht einmal der Schein des Lichtes drang – wenn da in der grauen Dämmerung der geheime Gang sich aufthat, wenn sie dort weiter irrte, tappte – nie wieder den Ausgang zum Tage zu finden aus der Schaudernacht – hilf mir! hilf mir!

Sie war bis zur entgegengesetzten Seite gelangt, – es war keine Oeffnung – glatte, mit einer höchst alterthümlichen Tapete beklebte Wände, an denen auf Holzregalen mancherlei Geräth lag und hing: ein paar wunderliche Sättel, mit Silber beschlagenes Zaumzeug, Peitschen, Schlittschuhe in den verschiedensten Formen, Netze und Angelruthen, Jagdflinten mit Zubehör, auch verschiedene Paare hochschäftiger Stiefel, offenbar für Lebrecht's nicht eben kleinen Fuß –

Gott zum Gruß!

Die Stimme schien über ihr, die eben in der Tiefe des Schrankes auf den Knieen zwischen den Sachen kramte; – eine sanfte, vibrirende Stimme, wie der himmlischen Eines – es konnte ja keines Menschen Stimme sein.

Das arme Aennchen faltete die Hände, wie sie als Kind gethan, wenn sie recht inbrünstig zu ihrer Lieblingsheiligen gefleht und das Strahlenbild schier leibhaftig vor sich zu sehen glaubte. Ihre zitternden Lippen murmelten ein halb vergessenes Gebet.

Kann ich Ihnen helfen?

Die Stimme war hinter ihr: lauter, fester – eines Menschen Stimme! Und sie hatte alle Thüren hinter sich verschlossen! –

Aennchen schrie nicht auf; nach dem, was sie in den letzten Stunden, den letzten Minuten durchgemacht, war sie gegen jeden irdischen Schrecken gefeit. Sie griff nach dem Licht, das sie neben sich auf den Boden gestellt, und, sich erhebend, wandte sie sich.

Aber auch für eine furchtsamere Seele würde der räthselhafte Anblick des jungen Mannes, der jetzt, von dem Lichte in ihrer hoch erhobenen Rechten hell beleuchtet, in der Oeffnung des Schrankes stand, nichts Grausiges gehabt haben: ein bildschönes, von weichen, braunen Locken überwölbtes Jünglingsgesicht, mit großen blauen, schelmisch blickenden Augen, ein sprossendes dunkles Bärtchen auf der feinen zuckenden Oberlippe, unter der für einen Moment die weißen Zähne hervorblitzten. –

Hans Fliederbusch! schrie Aennchen.

Der schöne Jüngling kreuzte, sich anmuthig neigend, die beiden Hände über der Brust und sagte mit gesenkten Augen, die er aber sofort wieder lächelnd aufschlug:

Aus dem Stamme jener Asra, welche sterben – wenn die Herrin nicht verzeiht.

Und das klang so treu und so drollig zugleich; aus Aennchen's übervoller Brust brach ein heller Jubelruf, aus ihren Augen stürzten Thränen, daß sie für ein paar Momente wie geblendet war. Und dann wußte sie nicht, wie sie aus dem Schrank und das Licht aus ihrer Hand gekommen; aber der Jüngling lag jetzt zu ihren Füßen, ihre beiden Hände, die er in den seinen hielt, an seine Stirn und an seine Lippen drückend und immer wieder sagend: Verzeihen Sie mir, liebe, gnädige Frau! Und bitten Sie auch für mich bei meinem gütigen Herrn!

Und dann saß sie auf einem Stuhl, weil ihr die Kniee zitterten, aber jetzt vor freudiger Erregung – und der Hans stand neben ihr und schwatzte und erzählte mit wunderbarer Zungenfertigkeit in seiner anmuthigen, drollig-theatralischen Weise mit vielen Gesticulationen und manchem kaum unterdrückten Lachen:

Wie ich in's Haus gekommen, gnädige Frau? Vor zehn Minuten; dicht hinter dem alten Esel von Nebelow her, der vor Schrecken über einen kleinen Possen, den ich ihm gespielt, die Thür sperrangelweit offen ließ. Bequemer konnte ich es doch nicht haben? Schlich dann vorsichtig die Treppe hinauf und kam gerade nach oben, als die gnädige Frau mit der Uelzen nach den Fremdenzimmern ging. Da bin ich denn hier in's Zimmer geschlüpft und habe hinter der Gardine verborgen gestanden, während der Kabelmann – ist es nicht ein prächtiger alter Knabe? – Ihnen den Brief von dem Assessor brachte.

Hier hatte Hans die größte Lust, in ein unbändiges Gelächter auszubrechen; aber vor den schönen leuchtenden Augen, die ihm die Worte von den Lippen zu trinken schienen, nahm er sich zusammen und sagte mit scheinheiliger Miene: Gott, gnädige Frau, es ist wirklich zu verführerisch, wenn man Einen so recht gründlich anführen kann. Hören Sie nur, gnädige Frau! Ich bin also bereits seit drei Tagen wieder hier in Woldom, versteckt bei meinem Freunde, dem Capitain Martin, der mich auch in der Nacht, als ich den Salto mortale aus dem Fenster in den Garten that und dann an dem alten Birnbaum über die Mauer kletterte – eine meiner schönsten Leistungen, gnädige Frau, die mir so leicht Keiner nachmacht – auf sein Schiff genommen, das im Hafen lag und noch in derselben Nacht nach Stettin fuhr. Und der Martin – die gute Seele – hat auch mein Geheimniß treu bewahrt; an Geld hat es mir, wieder durch Martin, auch nicht gefehlt, und – unter uns, gnädige Frau – ich wäre auch gewiß so bald noch nicht wiedergekommen, wenn es mit der Schauspielerei nicht so einen Haken hätte; und das wird Jeder finden, gnädige Frau, der, wie ich, sechs Wochen lang mit so einer Gesellschaft – Schmiere nennen sie's, gnädige Frau, und – mit Ihrer Erlaubniß – es ist auch eine – von Städtchen zu Städtchen, von Dorf zu Dorf bei diesem gräßlichen Herbstwetter im lieben Pommerlande umherzieht. Vor acht Tagen führte uns der Stern, welcher unserem armen Thespiskarren die grundlosen Wege leuchtete, bis hier in die Nähe von Woldom; und war's nun Reue, welche bei mir zum Durchbruch kam, war's Sehnsucht nach meinem lieben Herrn und nach dem alten Berufe und dem alten Hause, war's, daß ich in meines Geistes-Aug' bereits die schöne junge Herrin sah, die ja nun bald in das alte Haus kommen mußte und mir bitten helfen würde, wenn meine eigenen Bitten um Verzeihung ja nicht ausreichen sollten – genug, ich schüttelte meinen Brüdern und Schwestern in Apollo die ehrlichen schmutzigen Hände und eilte in die Arme meines Martin, der glücklicherweise von seiner Fahrt eben wieder zurück war.

Und nun, gnädige Frau, während ich so bei dem Martin auf der Lauer lag und den Augenblick des Wiedersehens und der Versöhnung mit dem geliebten Herrn heranharrte – in den beiden engen Stübchen von Freund Martin, in welchen es bedenklich nach Theerstiefeln roch – hörte ich zu meinem größten Ergötzen – durch Freund Martin – welch' abenteuerliche Geschichten über mein Verschwinden in der Stadt circulirten, und wie man sogar den fabelhaften Gang hier aus des Herrn Stube nach dem Galgenberg wieder aufgegraben, um dies Verschwinden zu erklären; und wie der neue Herr Polizei-Commissar Krethi und Plethi, die ungefähr etwas von der Sache wissen könnten, abhöre und zu Protokoll nehme und dadurch die ganze Stadt in Bewegung bringe, daß schon das älteste Hökerweib darauf schwöre, der Herr habe den Hans todtgeschlagen, aus seinem Zimmer durch den geheimen Gang nach dem Galgenberg geschleppt und dort unter den Tannen verscharrt. Nur die Stiefel nicht! die hatte er, so oder so, vergessen! und – richtig! vorgestern hat sie der Herr Assessor gefunden! Wir, der Martin und ich, hatten sie ihm nämlich dahin gelegt – unter den letzten Stein nach der See auf dem Hünengrabe, und der Herr Assessor konnte gar nicht irre gehen, denn Einer, der um die Sache wüßte – verstehen Sie wohl, gnädige Frau? – und dem sein Gewissen schlage, hatte ihm die Stelle ganz genau in einem Briefe angegeben, dessen Schrift vermuthlich das schlechte Gewissen so unleserlich und unorthographisch machte. Es war ein Hauptspaß, gnädige Frau, wie sie mit den alten Stiefeln abzogen; und wir standen dicht hinter ein paar dicken Tannen und wollten uns todtlachen.

Da erfuhr der Martin, der heute Nachmittag, so im Vorübergehen, auf dem Comtoir sich erkundigte, daß Sie mit dem Schnellzuge kommen würden; und derselbe Unglückliche mit dem schlechten Gewissen und der mangelhaften Orthographie – ich muß es zu seiner Beschämung gestehen, – er schrieb in derselben fragwürdigen Handschrift an den Herrn Assessor: es sei Gefahr im Verzuge, aber wenn er – der Herr Assessor – Muth hätte, mit dem zurückkehrenden Herrn zugleich das alte Haus zu betreten und seine Nachforschung unverzüglich bei dem Wandschrank in des Herrn Zimmer zu beginnen, so würde er nicht lange zu suchen brauchen, um das Skelet im Hause zu finden.

Das Skelet! rief Aennchen; das Skelet!

Der Ausdruck war ein bischen stark, gnädige Frau, ich gebe es zu und konnte eben deshalb leicht den ganzen Handel verrathen; – das ominöse Wort kam dem Schreiber unwillkürlich in die Feder, weil er dasselbe manchmal gehört – aus dem Munde von Doctor Bertram – Sie haben ihn ja schon kennen gelernt, gnädige Frau. – Aber es war ja trotzdem möglich, daß der Fuchs in die Falle ging; und der mit dem schlechten Gewissen, der sich den ganzen Abend, seitdem es dunkel geworden, um das Haus herumtrieb und Sie und den Herrn Gemahl – so lange vor der festgesetzten Zeit – hatte kommen und den Herrn hernach wieder hatte fortfahren sehen, jedenfalls nach dem Bahnhof, um Jemand abzuholen –

Meine Eltern, sagte Aennchen.

Dachte ich mir! – und nun, wahrend ich an der Hausthür Posto stand und aus einer Unterhaltung zwischen dem Doctor und der guten alten Seele von Kabelmann – es war zum Todlachen, gnädige Frau, nur daß einem die Thränen dabei in die Augen kamen – hörte, der Herr Assessor habe sich nicht einmal an das Skelet gestoßen – ich hätt's gethan, gnädige Frau, wäre ich an seiner Stelle gewesen! – ja, gnädige Frau, da schlug mir aber wirklich das Gewissen, und ich sah, daß ich den Scherz zu weit getrieben, und daß es. Alles in Allem, ein schlechter Scherz war, um so schlechter, I als Jemand, der um Verzeihung bitten will, überhaupt wohl gar keine Scherze machen sollte. Und dabei fiel mir ein, daß die junge gnädige Frau, auf deren Fürsprache ich so stark rechnete, am Ende, wenn ihr auch der Herr Gemahl von dem tollen Handel am Abend vor der Hochzeitsreise erzählt, und wie wir das da abgenommen und in den Schrank gestellt und –

Was ist das da? fragte Aennchen, zum ersten Male wieder auf das lange schwarze Bret blickend, welches vorhin, als sie den Schrank öffnete, fast auf und über sie gestürzt und jetzt noch so, wie es gefallen, unmittelbar zu ihren Füßen, zwischen ihr und Hans lag, der eben mit dem Finger darauf deutete.

Das wissen Sie nicht? fragte Hans.

Nun ja, – ein Bret – sagte Aennchen lachend über den wunderlichen Ausdruck, den des Hans' Gesicht bei ihrer Frage annahm.

Sie wissen nicht, was auf der anderen Seite von dem Bret steht?

Da es nicht durchsichtig ist –

Ach, du liebe Zeit! rief Hans; ach, du liebe Zeit! ist es denn menschenmöglich? er hat Ihnen davon nichts gesagt, bis auf den heutigen Tag, bis zu dieser Stunde? – so tief, so tief versteckte er sich vor dir – Jahrhunderte lang? – er, der sonst in einem Krystall-Palast wohnt und wohnen darf, weil sein Herz rein ist wie das Herz der Wasser –

Was ist es? fragte Aennchen, der trotz der tollen Declamation des Hans das Herz unruhig zu schlagen begann; ich will es wissen!

Sie wollen – wollen es wirklich? Nun denn, gnädige Frau, treten Sie gütigst ein paar Schritte zurück, Sie finden sonst nicht die große Perspective, auf die es berechnet ist! Hier kniee ich – jetzt nicht mehr für mich selbst – es ist für meinen lieben Herrn; – o jämmerliches Loos der Könige! – Sie sehen von den Geheimnissen der Majestät durch meine Hand den Schleier weggezogen.

Er hatte, knieend, die Tafel auf die lange Kante gestellt.

Was heißt das? fragte Aennchen.

Mein Gott! mein Gott! die Buchstaben sind doch groß genug! murmelte Hans zwischen den weißen Zähnen.

Ich meine, sagte sie, was bedeutet dieser Scherz?

Hans ließ die Tafel fallen, aber nach rückwärts, daß die Inschrift oben blieb, sprang mit beiden Beinen zugleich auf die Füße und rief:

Scherz nennen Sie das, Scherz? gnädige, grausame Frau! – Scherz? was meinem guten Herrn fast das Herz gebrochen? Scherz, um dessen willen er seinen treusten und liebsten Knappen beinahe erschlagen? Scherz, gnädige ahnungslose Frau? haben Sie denn das Datum nicht gelesen in der linken Ecke: 1654? und das Pendant in der anderen: renovatum 1854? Renovatum! gnädige Frau, das heißt erneuert – wiederhergestellt, aufgefrischt – durch den alten Herrn Senator Lebrecht den Achten, König von Woldom, der auf dem Sterbebette Lebrecht den Neunten, wenn ihm an des Vaters Segen, der den Kindern Häuser baut, gelegen sei, beschwor, er sollte es hangen lassen, wie es gehangen seit zwei Jahrhunderten – dort unter jenem Fenster. Und Lebrecht der Neunte – wenn er auch, als er zur Regierung kam, mit nicht ganz reinem Gewissen und jesuitischer Schlauheit den Laden selbst in das schmale Rathhausgäßchen verlegte – hat's da hangen lassen bis zu jener Nacht! Und sprach zu mir, hier in diesem Zimmer, an jenem Tisch, der voll leerer Flaschen stand, und schon nahte die dumpfe Geisterstunde: Hans, sprach er, sie wissen noch immer nicht in dem Hause mit den Spiegelscheiben und den blumengeschmückten Balconen dort unten in der heiligen Stadt am flutenreichen Rhein, daß hier in Woldom an der Ostsee Strand jede Hökerfrau ihr Loth Kaffee und jeder Matrose seinen Priem und jeder Schusterjunge seinen 'salzen Häring bei dem Könige von Woldom holt. – Nun? sage ich. – Sie heirathete mich nicht, wenn sie das wüßte. – Lassen Sie sie laufen! sage ich. – Gnädige Frau, rechnen Sie mir den gräßlichen Frevel nicht an: ich hatte Sie noch nicht gesehen! – So lächelte er denn auch nur verächtlich; und nun kam die Geschichte seiner Leiden: wie er Gott gedankt, daß Sie wenigstens über seinen Namen – er ist jetzt auch der Ihrige, gnädige Frau, und »was uns Rose heißt, wie es auch hieße« Verszeile aus »Romeo und Julia« von Shakespeare. – und so sage ich weiter nichts. Und wie er nicht den Muth gehabt, zu dem ominösen Namen – Sie verstehen mich, gnädige Frau – auch noch gleichsam die That zu fügen; und wie er weiter gefrevelt, indem er Tag auf Tag und Woche auf Woche vergehen ließ, ohne zu beichten, was, wie er festiglich glaube, ihn, wenn nicht vor Ihren eigenen göttlichen Augen, so doch vor denen Ihrer Verwandten und Freunde unmöglich machen werde; und wie er nun weiter freveln müsse und freveln werde – er wisse es – bis zu dem Momente, wo Sie, über den alten Marktplatz heranfahrend, das Schild sehen würden – so kommen Sie in der Nacht! sagte ich. – Mir würde es durch das tiefste Dunkel, wie Flammenschrift, entgegendrohen! – Gnädige Frau, seien Sie mir nicht deshalb gram: aber er kam mir wirklich halb von Sinnen vor; ich für mein Theil war's wenigstens ein Viertel; und so drei Viertel, wie wir zusammen waren, wurde es ausgeführt. Aber ich schwöre es: nur von mir; ich hatte den ingeniösen Einfall, ich nahm es von seinen alten Haken, ich stellte es da in den Schrank – etwas sehr ungeschickt, wie ich nachträglich gesehen – ich war fast des Todes erschrocken – Sie arme, muthige, gnädige Frau! – und ich steckte auch den Schlüssel in die Tasche. Denn, sagte ich, es könnte doch sein, daß sich der König von Woldom das betreffende Herz faßte, an dem es ihm, so lange ich in seinen Diensten bin, noch nie gefehlt, und er hätte die Gnade, es mir zu schreiben, so hängte ich's bei Nacht und Nebel wieder an seinen alten Platz, und mögen sich die Anderen dann darüber den Kopf zerbrechen, wie es weg-, und wie es wiedergekommen. Und faßt er sich nicht das Herz –

Ich sah ihm in die Augen, in seine schönen blauen Augen, gnädige Frau, und sah, daß er sich's nicht fassen, daß er die Entdeckung, die ihm so fürchterlich war, bis zu dem allerletzten Augenblick hinausschieben würde.

Und nun, gnädige Frau, als ich den Starken so schwach, den König von Woldom so hilflos sah – da kam der Versucher über mich und raunte mir in's Herz: Jetzt muß er's thun! jetzt muß er dir die Erlaubniß geben, um die du ihn im Scherz und Ernst schon hundertmal gebeten: einer staunenden Welt zeigen zu dürfen, daß Garrik und Talma und Ludwig Devrient, Bedeutende Schauspieler: David Garrick (1717-79), aus England; François-Joseph Talma (1763-1826) aus Frankreich; Ludwig Devrient (1784-1832), aus Berlin. und wie sie heißen, armselige Schacher waren im Vergleich zu Hans Fliederbusch, dem Einzigen! – Und, gnädige Frau, er, den ich mit dem Schlüssel in der Tasche zu haben glaubte, er wollte nicht! ich bat; er weigerte sich! – ich flehte; er lachte mich aus! – ich wurde böse; er nannte mich einen Narren! – ich trotzte; er verbot es mir ein für alle Mal, so lange er mein Vormund sei! – und ich – ich trauriger Wicht – ich drohte – drohte, meinen Herrn zu verrathen! Ich schwöre bei Allem, was mir heilig ist: es war nicht mein Ernst, und ich hätte es nie gethan; aber der schwere Burgunder, beste gnädige Frau, und die späte Stunde – ich bin gewiß fürchterlich ungezogen gewesen, daß ich die schönsten Prügel verdient hätte, geschweige denn den einen Schlag, den er – ich weiß es ganz gewiß – nur aus Versehen gab, als er mir mit dem Schlüssel, welchen er mir entrissen – über den Kopf fuhr. Aber seine Hand ist schwer und – das Blut stürzte mir aus der Nase und ich vornüber dort über den Tisch, den ich im Fallen umriß mit Allem, was darauf stand. Und er kniete bei mir, als ich – es kann nicht lange gedauert haben – wieder zu mir kam, und hatte meinen Kopf auf seinen Knieen und gab mir gute, liebe Worte; aber – Gott, gnädige Frau, ich war betrunken! – ich sprang wüthend auf: Sie haben mich geschlagen, wir sind quitt! – Hans, du bleibst! – Ich will nicht! Du sollst! – Nun, gnädige Frau, ich wurde erst in Martin's Kajüte wieder nüchtern; aber auch nur so halb, und jedenfalls waren wir da schon fünf Meilen in See, und da war's zu spät. – Mein Gott, gnädige Frau, was wollen Sie?

Aennchen, an deren glänzenden braunen Augen und Grübchenwangen und lächelndem Munde Hans sich gar nicht satt sehen konnte, hatte während des letzten Theils seiner Geschichte ein sehr nachdenkliches Gesicht gemacht und war jetzt plötzlich vom Stuhle aufgefahren und in das Speisezimmer nebenan geeilt. – O weh! seufzte Hans; wir waren im besten Zuge! ich glaubte, wir wären schon über das verdammte Bret weg; aber –

Da kam sie bereits zurück – eilenden Schrittes – das holde Gesicht strahlend von munterer Laune, der reizende Busen wogend vor athemloser Hast. Nun schnell, lieber Hans, schnell!

Was? fragte Hans, entschlossen, für das »lieber Hans!« und das süße lächelnde Gesicht es mit dem Teufel selber aufzunehmen, falls die schöne Frau es ihm befehlen sollte.

In den Speisesaal – ich habe abgeschlossen – auf das Buffet – mit alle dem!

Und bereits hatte sie von dem Silbergeschirr das erste, was ihr in die Hände kam, ergriffen und war damit fortgeeilt, Hans hinter ihr her, ein paar Leuchter unter dem einen, eine Kanne unter dem anderen Arm, die große Königs-Bowle in den beiden Händen.

Die stellen Sie wieder hinein! sagte Aennchen, als er sie mit seinen Schätzen am Buffet einholte. – Ich will hier bleiben und einräumen; Sie können mir's zutragen.

Hans lief ab und zu; und wie er sich auch hastete und wie viel er jedesmal herbeischleppte, die junge Frau war immer fertig mit dem Einräumen und Aufbauen; und das nahm sich so zierlich und prächtig und geschmackvoll aus, daß Hans immer stehen bleiben und bewundern wollte; aber sie ließ ihm keine Zeit dazu, bis – es war in wenigen Minuten geschehen – das letzte Stück herbeigeschafft und eingereiht war.

Was nun? sagte Hans, hoffend, daß es noch etwas zu thun gebe, blos um das Vergnügen zu haben, der schönen Frau weiter helfen zu können.

Ich weiß freilich nicht, ob es möglich ist, sagte Aennchen.

Es ist möglich, sagte Hans mit Entschiedenheit.

Sie waren bereits wieder in dem Eckzimmer vor dem Wandschrank.

Können Sie das – das da – Sie sagten vorhin, Sie hätten es wieder an seinen alten Platz hängen wollen – aber dazu fehlt uns die Zeit.

Gar nicht! sagte Hans, es ist halb elf; der Zug verspätet sich regelmäßig um eine halbe Stunde; ich wette, daß er noch nicht da ist, höchstens eben ankommt; – sie brauchen mindestens eine Viertelstunde, um aus- und einzusteigen und hierher zu fahren – und ich bin in fünf Minuten damit fertig.

Sie? Sie ganz allein?

Ich, ganz allein – ohne alle und jede Hilfe, gerade so, wie ich es hereingenommen; der Herr wollte und sollte ja keine Hand an das alte Heiligthum legen. Es hängt hier unmittelbar unter dem Fenster und steht nebenbei noch unten auf dem breiten Sims auf – und schwer ist es gar nicht – der Zahn der Zeit und der Holzwürmer haben es durchlöchert wie einen Schwamm; es hält nur noch durch den dicken Lack zusammen, das einzige Gewicht sind die beiden großen eisernen Krampen auf beiden Enden, und die Haken sitzen sicher noch. Und sehen wird's Niemand; es ist jetzt keine Katze auf dem Markte, geschweige denn ein Mensch.

Hans ließ sich durch keine nachträglichen Bedenken der jungen Frau abhalten, nicht durch ihre dringende Bitte, es doch lieber zu lassen; nicht durch den kleinen Schrei, den sie ausstieß, als er jetzt die Fensterflügel öffnete und Sturm und Regen ihnen Beiden – denn sie war immer dicht bei ihm – in die erhitzten Gesichter schlugen; nicht durch die Beobachtung, die er sehr bald machen mußte, daß das Schild weit leichter aus den Angeln in das Fenster als aus dem Fenster auf die Angeln zu heben war; nicht durch die sehr ernstliche Gefahr, kopfüber auf das Pflaster herunterzustürzen mit sammt seinem Schild – los hätte er's auf keinen Fall gelassen – und eben, als er dachte: jetzt geht's hinab! und gute Nacht, schöne Frau! – fühlte er sich von der schönen Frau am Rock ergriffen, und da fuhr's ihm wie ein elektrischer Schlag durch die Arme, das Schild saß fest; er bog sich wieder in's Zimmer, küßte die gütige Hand, die ihn hatte halten wollen, schloß das Fenster und fragte:

Was nun?

Erst erholen Sie sich!

Wovon? schnell, gnädige Frau, viel Zeit haben wir auch im besten Falle nicht! Was ist's?

Sie müssen zum Skelet werden!

Sie wies auf den leeren Schrank, dessen Thüren noch weit offen standen. Hans brach in ein tolles Gelächter aus, die junge Frau lachte; es fehlte nicht viel, so hätten sie sich an den Händen gefaßt und wären mit einander herumgetanzt wie ein paar übermüthige Kinder.

Das ist zu köstlich! rief Hans, das hat wahrhaftig noch gefehlt! ich Dummkopf! wie fein Sie sind; er hat mich ja im Schranke finden sollen! – er soll mich finden!

Aber es möchte einige Zeit dauern, bis ich Sie erlösen kann – eine Stunde – oder so – mindestens.

Und wenn es bis an den hellen Morgen wäre!

Sie müssen aber gleich hinein, und ich muß hinter Ihnen abschließen; ich habe noch in der Wirtschaft Einiges –

Geniren Sie sich meinetwegen ja nicht, gnädige Frau!

Hans hatte sich bereits in dem Schranke eingerichtet und war im Begriff, auch den zweiten Flügel der Thür hinter sich zuzuziehen, als er den Kopf wieder durch die Spalte steckte:

Aber, gnädige Frau, nicht wahr, Sie übernehmen Ihrem Herrn Gemahl gegenüber die Verantwortung?

Seien Sie unbesorgt!

Danke! und, gnädige Frau – was ich schon die ganze Zeit fragen wollte – wie ist denn eigentlich der Doctor zu dem Schlüssel gekommen?

Das geht Sie nichts an.

Danke! aber, gnädige Frau, nicht wahr, wenn Sie es auch gewußt hätten, geheirathet hätten Sie ihn doch?

Es ist gut, daß ich es nicht wußte.

Sie sagte das so ernsthaft – Hans mußte nothwendig darauf hin sie noch einmal ansehen.

Warum, gnädige Frau?

Ich würde einen sehr schweren Stand gehabt haben und –

Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn; aber dann lachte sie gleich wieder: Jetzt schließe ich aber zu!

Nur noch Eins: darf ich gelegentlich wimmern oder stöhnen oder klopfen oder sonstigen Spuk treiben?

Mäuschenstill sollen Sie sein!

Dann habe ich die Ehre, mich Ihnen bis auf Weiteres ganz gehorsamst zu empfehlen.

Sein lachendes Gesicht verschwand; Aennchen drückte die Thür vollends zu, schloß ab, ließ den Schlüssel in die Tasche gleiten, nickte nach dem Schrank, als ob sie gesehen hätte, daß der Hans in demselben ihr eine Kußhand zuwarf, und eilte, nachdem sie die sämmtlichen Thüren wieder aufgeschlossen, über die Galerie der Küche zu, die dort in Schweigen, Trübsinn und Bekümmerniß versammelten Drei durch ein paar helljubelnde Takte, welche sie, ohne es selbst zu wissen, so im Dahinschreiten durch die weite Halle erschallen ließ, in maßloses Staunen versetzend.

Sie ist verrückt geworden, sagte die Uelzen.

Oder hat ihn auch gesehen, sagte Nebelow.

Das kann die Gnädige gar nicht sein! sagte Dörthe.

Aber da stand die Gnädige bereits auf der Schwelle, lächelnd wie ein Maienmorgen, und rief mit einer Stimme, die gütig und befehlend zugleich klang:

Nun muß ich Euch im letzten Augenblick noch eine Welt von Arbeit machen, Ihr lieben Leute! Da läßt mir vorhin der Herr Doctor sagen, daß die jungen Herren, die bei – heißt es nicht Ihlefeldt? – richtig: Mutter Ihlefeldt – Sie wissen ja, Nebelow! Also: Sie gehen sofort hin, und eine Empfehlung von dem Herrn Doctor, er ließe um Entschuldigung bitten, daß er sie so lange warten lassen. Sie möchten nun in einer halben Stunde kommen; und Sie führen sie ganz still in den Speisesaal – ich sage dann weiter Bescheid. Und, Nebelow, die Löffel da bringen Sie wieder hin – es ist ja wohl kein großer Umweg, denn Sie müssen sehr bald wieder hier sein – so! – Und Sie, liebe Frau Uelzen, decken unterdessen anstatt für fünf, wie Sie bereits gethan, für fünfzehn – so weit Sie damit kommen; hernach kann Ihnen Nebelow helfen und auch meine Lisette – sie versteht sich vortrefflich darauf – was Sie von Silberzeug brauchen, nehmen Sie aus dem Buffet! ich habe auch meine kleinen Ueberraschungen für den Herrn – gehen Sie nur! – Und Sie, liebes Kind – Dörthe? nicht wahr? – wie weit sind Sie mit dem Abendbrot? und was haben Sie? ein, zwei Braten? – ei, das wird schon reichen.

Die gnädige Frau hatte die Thür zum Bratofen aufgemacht und hineingeschaut; aber Dörthe, die, während die beiden Anderen die Küche verlassen, in starrer Verwunderung keinen Blick von der gnädigen Frau verwandt hatte und ihr jetzt am Heerde gegenüberstand, sah, wie ihr – trotzdem sie so frisch und lustig ihre Befehle gegeben – die großen braunen Augen voll heller Thränen standen. Der Anblick war zu viel für Dörthe's Herz. Sie lief um den Heerd herum, fiel der gnädigen Frau zu Füßen und rief schluchzend: Ach! verstellen sich die gnädige Frau doch nur nicht! – es ist ja nun Alles aus!

Auch Du, Dörthe?

Ach, gnädige Frau, was soll der Mensch thun, wenn schon der Kabelmann kommt und sagt: der Herr Assessor werde selber kommen!

So wird er auch wieder gehen, Dörthe!

Aber mit wem? mit dem guten Herrn! ach, Gott! ach, Gott! die gnädige Frau glauben gar nicht, wie gut der ist!

Woher kennst Du ihn denn, Dörthe? – aber erst steh' einmal auf, und – Du brauchst auch nicht so laut zu schreien.

Ich bin ja ein Woldomer Kind, gnädige Frau, schluchzte Dörthe, sich von den Knieen erhebend, – ein Steuermannskind, gnädige Frau – von einem von seinen Schiffen – mein Vater ist von der Segelstange über Bord geschlagen, und meine Mutter hatte noch sechs Kinder, lauter Jungens – und wir wären Alle verhungert, blos daß der Herr Senator für uns sorgte und die Jungens in die Lehre that oder Schiffer werden ließ – und sie sind jetzt alle gut zu Wege, und vier sind auch verheiratet – und ich war das Nestküken und viel jünger – just so alt als er; – und wir haben so oft zusammen gespielt, als wir klein waren: hier auf dem Hofe und auf dem Markt und auf der Ballastkiste am Hafen – und – Steuermannskind oder Senatorkind – das war Alles ganz gleich; und hat sich herumgehauen mit den Jungens, daß es eine richtige Art hatte, blos daß er immer der Stärkste war, wofür er doch nichts konnte; aber uns Mädchen nahm er immer in Schutz, und zu mir hat er einmal gesagt: Heirathen kann ich dich nicht, Dörthe; aber wenn du heirathest, will ich dir eine Ausstattung geben; und ich denke: er hat das längst vergessen; aber als ich mich um Ostern mit Christian Schulten verlobe, – er ist auch Steuermann, gnädige Frau, und ist jetzt in Amerika, und wenn er im Frühjahr zurückkommt, sollen wir Hochzeit machen – da sagt er zu mir: Dörthe, deine Aussteuer besorge ich; und vor sechs Wochen, als er zur Hochzeit reisen wollte – ich war nämlich da bei der Mutter Ihlefeldt schon drei Jahre – Dörthe, sagte er, ich möchte gern, wenn meine Frau kommt, daß sie ein gutes Mädchen hätte, auf das sie sich verlassen kann, und ich habe mit Mutter Ihlefeldt schon gesprochen – ach, gnädige Frau, das ist ja nicht, daß ich mich rühmen will – da ist ja wohl kein Mensch in Woldom – und unter den Armen gewiß nicht – dem er nicht einmal, und wer weiß wie oft, geholfen hätte; denn so eine Seele von einem Manne giebt's auf der Welt nicht mehr, gnädige Frau – das mögen Sie mir nun glauben oder nicht – und nun, und nun –

Weine nicht, liebes Kind! sagte Aennchen.

Sie weinen ja auch, gnädige Frau, schluchzte Dörthe.

Ich weine nur vor Freude, sagte Aennchen.

Dörthe fuhr sich mit beiden rothen Händen über die Augen.

Ja, liebes Kind, vor heller Freude! und Dir will ich Deine Thränen nie vergessen, so lange ich lebe! nie! und nun, mach' Deinen Braten fertig. Du treues, gutes Mädchen Du!

Dörthe stand mitten in der Küche und wußte nicht, ob sie wache oder träume; und ob ihr die schöne, junge, gnädige Frau wirklich einen Kuß gegeben habe oder nicht, und dann aus der Küche gegangen oder geflogen sei.



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